Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.06.2014, Az. II R 12/13

2. Senat | REWIS RS 2014, 4747

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Gegenstand

Einbeziehung eines Folgelastenbeitrags in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer


Leitsatz

Eine vom Grundstückserwerber übernommene und noch nicht entstandene Zahlungsverpflichtung des Grundstücksverkäufers, die dieser in einem städtebaulichen Vertrag gegenüber einer Gemeinde eingegangen ist, ist keine Gegenleistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und damit nicht Bemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 1 GrEStG) der Grunderwerbsteuer .

Tatbestand

1

I. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 31. März 2008 erwarb die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) von [X.] in der [X.] [X.] im Bereich eines Bebauungsplans vom 22. Juni 2001 belegene Grundstücke zu einem Kaufpreis von 6.400.000 €. Die Klägerin trat ferner bezüglich der [X.] in alle Rechte und Pflichten aus einem von den Rechtsvorgängern der [X.] u.a. mit der [X.] geschlossenen [X.] vom 30. [X.]pril 2001 ein und übernahm anstelle des Verkäufers den gemäß [X.]eil 5 des [X.]s vom "Begünstigten einer Baurechtsbegründung" geschuldeten Folgekostenbeitrag in Höhe von 60 DM (30,68 €) je Quadratmeter Wohnfläche. Der [X.] war [X.] um [X.] gegen die Erteilung von Baugenehmigungen bzw. mit Eintritt der Rechtswirkungen von Genehmigungsfreistellungen nach der [X.] (BayBO) fällig. Er sollte die [X.]ufwendungen der [X.] für den zusätzlichen Bedarf an Kindergarten- und Hortplätzen decken, der durch die im Bebauungsplan geschaffene Bebauungsmöglichkeit ausgelöst wurde.

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --F[X.]--) setzte gegen die Klägerin durch Bescheid vom 26. Mai 2008 Grunderwerbsteuer in Höhe von 224.000 € fest. Der Bescheid erging gemäß § 165 [X.]bs. 1 Satz 1 der [X.]bgabenordnung ([X.]) vorläufig, da die Höhe des als Gegenleistung anzusetzenden [X.] noch ungewiss war. Der Einspruch blieb erfolglos.

3

Nach Klageerhebung setzte das F[X.] durch gemäß § 165 [X.]bs. 2 Sätze 1 und 2 [X.] geänderten und für endgültig erklärten Bescheid die Grunderwerbsteuer auf 235.999 € herauf. Bemessungsgrundlage waren nunmehr neben dem Kaufpreis die der Klägerin von [X.] gemäß dem [X.] berechneten Folgekosten von 342.849 €. Grundlage der Berechnung des [X.] war die Wohnfläche, die sich aus den der Klägerin im Jahre 2009 erteilten Baugenehmigungen ergab.

4

Das Finanzgericht gab der Klage, die auf Nichteinbeziehung der Folgekosten in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer gerichtet war, statt. Die Klägerin habe mit der Übernahme der Verpflichtungen der [X.] aus der Folgekostenvereinbarung keine konkrete geldwerte Verpflichtung der [X.] übernommen. Die aufgrund der Folgekostenvereinbarung zu zahlenden Kosten seien erst in der Person der Klägerin aufgrund der von ihr vorgenommenen Grundstücksbebauung entstanden und hätten nicht zu einer Bereicherung der [X.] geführt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 960 veröffentlicht.

5

Mit seiner Revision rügt das F[X.] die Verletzung des § 8 [X.]bs. 1 und § 9 [X.]bs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).

6

Das F[X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Eine vom [X.] übernommene und noch nicht entstandene Zahlungsverpflichtung des Grundstücksverkäufers, die dieser in einem [X.] gegenüber einer Gemeinde eingegangen ist, ist keine Gegenleistung i.[X.]. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrE[X.]tG und damit nicht Bemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 1 GrE[X.]tG) der Grunderwerbsteuer.

9

1. Bei einem nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrE[X.]tG grunderwerbsteuerbaren Grundstückskaufvertrag bemisst sich die Grunderwerbsteuer gemäß § 8 Abs. 1 GrE[X.]tG regelmäßig nach dem Wert der Gegenleistung. Maßgebend für den Umfang der Gegenleistung ist das tatbestandserfüllende Rechtsgeschäft, bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrE[X.]tG regelmäßig die kaufvertraglich begründete Übereignungsverpflichtung (Urteil des [X.] --BFH-- vom 30. März 2009 II R 62/06, [X.], 503, [X.], 854, m.w.[X.]). Als Gegenleistung gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrE[X.]tG der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (BFH-Urteile vom 11. Februar 2004 II R 31/02, [X.], 489, [X.], 521; vom 30. Juli 2008 II R 40/06, [X.], 2060, und vom 30. März 2009 II R 1/08, [X.], 1666). Der Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung müssen kausal verknüpft sein (BFH-Urteile vom 2. Juni 2005 II R 6/04, [X.], 60, [X.] 2005, 651, und vom 13. Dezember 2006 II R 22/05, [X.] 2007, 1183).

2. Im [X.]treitfall ist der von der Klägerin an A gezahlte [X.] nicht Kaufpreis i.[X.]. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrE[X.]tG. [X.] umfasste gemäß [X.]. [X.] Buchst. ee des [X.] auch in Ansehung des Bebauungsplans vom 22. Juni 2001 nicht eine in bestimmter Weise bzw. in bestimmtem Umfang gegebene Bebaubarkeit bzw. bauliche Nutzung der Grundstücke.

3. Der von der Klägerin gezahlte [X.] ist auch keine von ihr übernommene sonstige Leistung i.[X.]. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrE[X.]tG.

a) Eine sonstige Leistung liegt vor, wenn sich der Käufer kaufvertraglich verpflichtet, eine bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des [X.] in der Person des Verkäufers entstandene Verbindlichkeit (Zahlungsverpflichtung) zu tragen (BFH-Urteil in [X.], 503, [X.], 854). Dies setzt voraus, dass die Verbindlichkeit ohne die getroffene Vereinbarung allein vom Veräußerer erfüllt werden müsste (BFH-Urteile vom 27. August 2003 II R 27/01, [X.] 2004, 226; vom 8. Juni 2005 II R 26/03, [X.], 372, [X.] 2005, 613).

b) Im [X.]treitfall war für [X.] bei Abschluss des [X.] noch keine Zahlungsverpflichtung aus der im [X.] vereinbarten Folgelastenvereinbarung entstanden.

aa) Nach § 11 Abs. 1 [X.]atz 2 Nr. 3 des Baugesetzbuchs (BauGB) kann Gegenstand eines [X.]s die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen sein, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind. Für den aufgrund dieser Vorschrift zulässigen [X.] fehlt es, im Gegensatz zu der für den Erschließungsbeitrag in § 133 Abs. 2 BauGB getroffenen Regelung, an einer gesetzlichen Bestimmung über die Entstehung eines vom Baubewerber zu zahlenden [X.]s.

bb) Grundsätzlich kann zwar die Zahlungsverpflichtung aus einem [X.] unabhängig davon entstehen, zu welchem Zeitpunkt die durch den [X.] zu finanzierenden kommunalen Einrichtungen fertig gestellt werden. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (z.B. Erlass des [X.] vom 28. Juni 2000 36 –[X.] 4521-33/17-28 502) gehören aber bei der Verknüpfung eines [X.] mit dem Erwerb eines Grundstücks die vom Erwerber übernommenen Folgekosten nicht in jedem Fall zur Gegenleistung i.[X.]. des § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrE[X.]tG. Maßgebend ist vielmehr, in welchem Zustand das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht wurde (für die Einbeziehung von Erschließungskosten in die Bemessungsgrundlage vgl. z.B. BFH-Urteile vom 15. März 2001 II R 51/00, [X.] 2001, 1297, und vom 23. [X.]eptember 2009 II R 21/08, [X.] 2010, 679). Dies bestimmt sich nach den im [X.] getroffenen Regelungen.

cc) Im [X.]treitfall ist Gegenstand der im [X.] vom 30. April 2001 getroffenen Folgekostenvereinbarung die "Beteiligung der Begünstigten einer Baurechtsbegründung" an dem durch die künftige Bebauung ausgelösten zusätzlichen Bedarf an Kindergarten- und Hortplätzen. Insoweit waren, den [X.] an einen [X.] i.[X.]. des § 11 Abs. 1 [X.]atz 2 Nr. 3 BauGB entsprechend, die der Gemeinde entstehenden Kosten mit dem begünstigten Bauvorhaben kausal verknüpft (dazu Urteil des [X.] vom 24. März 2011  4 [X.] 11.10, BVerwGE 139, 262). Dabei sollte nach der hier im [X.] getroffenen Vereinbarung der [X.] nicht bereits im Zeitpunkt der Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplans, sondern erst im Zeitpunkt des für den Erwerber individuell begründeten konkreten Baurechts entstehen. Dies ergibt sich aus der in [X.]eil 5 - § 3 des [X.]s getroffenen Vereinbarung, wonach der [X.] erst Zug um Zug gegen die Erteilung der Baugenehmigungen bzw. mit Eintritt der Rechtswirkungen von Genehmigungsfreistellungen nach der BayBO fällig war.

dd) Aufgrund dieser [X.] war im Zeitpunkt des Abschlusses des [X.] am 31. März 2008 noch keine Zahlungsverpflichtung der [X.] aus dem Folgelastenvertrag entstanden. [X.] war zu diesem Zeitpunkt weder eine Baugenehmigung erteilt worden noch lag eine Genehmigungsfreistellung nach der BayBO vor. Der [X.] entstand vielmehr erst im Jahre 2009 in dem Zeitpunkt, in dem der Klägerin die von ihr beantragten Baugenehmigungen für das Bauvorhaben erteilt wurden. [X.] handelt es sich damit bei dem von der Klägerin gezahlten [X.] um eine allein auf ihr Bauvorhaben bezogene eigennützige Leistung; eine solche ist keine Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks (vgl. z.B. BFH-Urteile in [X.], 503, [X.], 854, und vom 8. [X.]eptember 2010 II R 28/09, [X.], 244, [X.] 2011, 227).

Meta

II R 12/13

18.06.2014

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 24. Oktober 2012, Az: 4 K 691/10, Urteil

§ 8 Abs 1 GrEStG 1997, § 9 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997, § 11 Abs 1 S 2 Nr 3 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.06.2014, Az. II R 12/13 (REWIS RS 2014, 4747)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4747

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