Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2018, Az. I ZR 248/16

I. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 10012

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2018:260418UIZR248.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

VERSÄUMNISURTEIL
I [X.]
Verkündet am:

26. April 2018

Bürk

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Abmahnaktion II
UWG § 8 Abs.
4
a)
Eine missbräuchliche Rechtsverfolgung im Sinne von §
8 Abs.
4 Satz
1 UWG liegt grund-sätzlich vor, wenn mit einer Vielzahl von Abmahnungen ein im Verhältnis zum Jahresgewinn des [X.] verbunden ist, und für
ihn an der Rechtsverfolgung kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse besteht.
b)
Bei der für die Prüfung einer missbräuchlichen Rechtsverfolgung durch Massenabmahnun-gen gegenüber [X.] erforderlichen Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände kann zu berücksichtigen sein, dass der Abmahnende wegen der von ihm beanstandeten Werbeaussagen bereits eine einstweilige Verfügung gegen den Hersteller erwirkt hat.
c)
Fehlt jedes wirtschaftlich nennenswerte Interesse an der Rechtsverfolgung, so entfällt die Indizwirkung einer im Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit sehr umfangreichen [X.] für einen Rechtsmissbrauch nicht dadurch, dass der Abmahnende sich zuvor bemüht hat, die Wettbewerbsverstöße ohne ausufernde Abmahntätigkeit einfach und kostengünstig abzustellen.
[X.], Versäumnisurteil vom 26. April 2018 -
I [X.] -
OLG [X.]

LG [X.] II

-
2
-

Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 26.
April 2018 durch [X.] Dr. Koch, Prof. Dr. Schaffert, Prof. Dr. [X.], Dr.
Löffler und die Richterin Dr. Schwonke

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Beklagten und der Streithelferin wird das Urteil des 29.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.] vom 27.
Oktober 2016 aufgehoben.
Die Berufung
der Klägerin gegen das Urteil des [X.]s [X.]
II

2.
Kammer für Handelssachen

vom 25. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittel und die Kosten, die der Streithelferin in den [X.] entstanden sind.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin handelt
mit Briefkästen, die sie als Aktionsware an große Handelsketten vertreibt.

Die Beklagten
betreiben Baumärkte ("H.

-Märkte") und
sind Ge-
sellschafter der H.

Handelsgesellschaft für Baustoffe mbH &
Co. KG (im
Folgenden: H.

-Zentrale). Die Streithelferin der Beklagten
stellt Briefkäs-
ten und [X.]
her, die
zum Sortiment in den H.

-Märkten
gehö-
1
2
-
3
-

ren; die Briefkästen der Klägerin sind dort zuletzt 2004
oder 2005
gelistet wor-den.
Im Frühjahr 2015 befand sich auf der Verpackung von Briefkästen und [X.] der Streithelferin
der
Hinweis "Umweltfreundlich produziert"
so-wie ein Siegel mit der Aufschrift "Geprüfte Qualität".
Unter anderem wegen die-ser
Werbeaussagen beantragte die Klägerin
eine einstweilige Verfügung gegen die Streithelferin, die das [X.] mit Urteil vom 10.
Juli 2015 [X.] erließ. Die Streithelferin legte gegen dieses Urteil zunächst [X.] beim [X.] ein, nahm diese jedoch
nach einem Hin-weis des Oberlandesgerichts
zurück und gab eine Abschlusserklärung ab.
Am 3.
August 2015 mahnte die Klägerin über ihre Rechtsanwälte die H.

-Zentrale
wegen Vertriebs von Briefkästen
und [X.] der Streit-
helferin
ab. In der Abmahnung heißt es:
Folglich mahnt unsere Mandantin hiermit alle Betreiber von H.

-Märkten
hinsichtlich der beiden oben genannten Verhaltensweisen ab und verlangt dies-bezüglich eine Unterwerfung. Da es nicht das Interesse unserer Mandantin ist, Dritte durch diesen Vorgang unnötig zu belasten, bitten wir Sie, dieses Schrei-ben an all Ihre Franchise-Nehmer ersichtlich der beiliegenden Anlage
2 unver-züglich weiterzuleiten. Sollten sich diese jeweils bis zum 7.
August 2015
(13
Uhr)
unterwerfen, würde auf eine Abmahnung der einzelnen Filialbetreiber verzichtet.
In der Anlage
2 waren 327
H.

-Märkte aufgelistet. Außerdem bot
die Klägerin eine kurze Aufbrauchfrist für die einzelnen Filialen an, stimmte [X.] keinem Abverkauf zu.
Die H.

-Zentrale
bat um Fristverlängerung bis 14.
August 2015, die
ihr jedoch nur bis 12.
August 2015 gewährt wurde. Mit E-Mail vom
12.
August 2015 antwortete die "
H.

-Zentrale", es erscheine sinnvoll, zunächst den
Ausgang des Berufungsverfahrens im Verfügungsverfahren zwischen der Streit-helferin und der Klägerin vor dem [X.] abzuwarten. Nach
3
4
5
6
-
4
-

Erhalt dieses Schreibens und vor dem 14.
August 2015 ließ die Klägerin insge-samt 203
H.

märkte abmahnen, darunter die Beklagten. Außer der Abga-
be einer vorformulierten Unterlassungserklärung forderte die Klägerin jeweils die Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 984,60

a-genpauschale in Höhe von 20

ungser-klärung ab.
Wegen derselben Beanstandungen
mahnte die Klägerin
zahlreiche an-dere
Baumärkte ab.
Die Klägerin hat noch keine Anwaltskosten für die Abmahnungen der H.

-Märkte gezahlt.
Die Klägerin
führte vor Versendung der Abmahnungen bei den
Beklagten des vorliegenden Verfahrens keine Testkäufe durch.
Sie meint, dies sei nicht mehr erforderlich gewesen, nachdem der von der H.

-Zentrale
bestellte
Rechtsanwalt auf die Abmahnung im Schreiben vom 12.
Oktober 2015 erklärt habe:
Die von uns Vertretenen haben die streitgegenständlichen Briefkästen und [X.] mit den von Ihrer Partei zu Recht oder zu Unrecht inkriminierten Hinweisen gelie
fert bekommen.
Das [X.] hat die auf Unterlassung sowie Erstattung von [X.] Testkaufkosten gerichtete Klage gegen alle Beklagten wegen [X.]s als unzulässig abgewiesen (§
8 Abs.
4 Satz 1
UWG). Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagten antragsgemäß verurteilt.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision
erstreben
die Beklagten
und
ihre
Streithelferin
die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Die [X.] geladene Klägerin war im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht nicht vertreten. Die Beklagte
und die Streithelferin
haben beantragt, über ihr Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
7
8
9
10
11
-
5
-

Entscheidungsgründe:
[X.] Das Berufungsgericht hat die Klage für zulässig und begründet erach-tet. Dazu hat es ausgeführt:
Die Abmahnungen und die Klage seien nicht missbräuchlich.
Zwar habe sich die Klägerin nicht darauf beschränkt, gegen die H.

-Zentrale
vorzu-
gehen, sondern auch über 200
Abmahnungen gegen deren einzelne Gesell-schafter ausgesprochen. Dadurch seien ihr Anwaltskosten in sechsstelliger Hö-he entstanden, die
sie bisher nicht bezahlt habe und die sie wirtschaftlich über-fordern könnten. Dennoch könne von keiner Verselbständigung der [X.] der Klägerin ausgegangen werden. Sie habe sich nicht unmittelbar an die Gesellschafter gewandt, sondern zunächst an die H.

-Zentrale. Das
Schreiben vom 3. August 2015 habe eine Abmahnung der einzelnen Gesell-schafter
gerade
entbehrlich machen
sollen. Die H.

-Zentrale
sei aber
nach Rücksprache mit der Streithelferin nicht auf den Vorschlag der Klägerin eingegangen, sondern habe vorgeschlagen, den rechtskräftigen Ausgang des [X.] der Klägerin mit der Streithelferin abzuwarten. Infolge-dessen
hätte die Ware mit der beanstandeten Werbung in den Märkten der [X.] weiter abverkauft werden können. Das
sei
für die Klägerin, wie von ihr bereits mit Schreiben vom 3.
August 2015 mitgeteilt, nicht akzeptabel gewe-sen. Zudem sei die H.

-Zentrale
dem Lösungsvorschlag der Klägerin nicht
nähergetreten, weil sie darauf spekuliert habe, der Klägerin, sollte diese
gegen die Gesellschafter selbst vorgehen, aufgrund der Vielzahl der Abmahnungen den
Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenzuhalten. Eine im Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit sehr umfangreiche Abmahntätigkeit sei kein Indiz für einen Rechtsmissbrauch, wenn der Abmahnende sich zuvor bemüht habe, die Wettbewerbsverstöße ohne ausufernde Abmahntätigkeit einfach und kosten-günstig abzustellen.
12
13
-
6
-

Aus den der H.

-Zentrale
von der Klägerin gesetzten Fristen erge-
be sich nicht, dass die Klägerin
an der vorgeschlagenen Lösung nicht wirklich interessiert gewesen sei. Die H.

-Zentrale
habe
die E-Mail mit der Mus-
terunterwerfungserklärung praktisch zeitgleich an die Gesellschafter weiterleiten können. Auch der seit Monaten mit der Problematik vertrauten Streithelferin sei möglich gewesen, sehr zeitnah zum
Schreiben der Klägerin vom 3.
August 2015 Stellung zu nehmen. Die Klägerin habe eine "Aufbrauchfrist"
angeboten; zudem habe jeder H.

-Gesellschafter die beanstandete Ware bald aus
dem Verkauf nehmen können.
Die Klägerin habe vorgetragen, vor den Abmahnungen 100 der 203
ab-gemahnten Baumärkte besucht und die entsprechenden Verstöße jeweils fest-gestellt zu haben. Nachdem der jetzige Prozessbevollmächtigte der hiesigen Beklagten erklärt habe,
die von uns Vertretenen haben die streitgegenständlichen Briefkästen und [X.] mit den von Ihrer Partei zu Recht oder zu Unrecht inkriminierten Hinweisen geliefert bekommen,
habe die Klägerin davon ausgehen dürfen, dass der Vertrieb der beanstandeten Ware nicht streitig würde. Die Beteiligung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin an der Ermittlung der Verstöße stelle kein Indiz für einen [X.] dar, weil im Hinblick auf die Vielzahl der aufzusuchenden Baumärkte ein arbeitsteiliges Handeln des Geschäftsführers der Klägerin und ihres Prozess-bevollmächtigten nahegelegen habe.
Da die Klägerin beim Vertrieb von Waren mit unlauterer Werbung einen Unterlassungsanspruch nicht nur gegen den Hersteller, sondern auch gegen die Händler habe, könne ihr nicht vorgehalten werden, sie habe sich darauf zu beschränken, den Hersteller im [X.] an ein gegen ihn im [X.] erwirktes Urteil durch Ordnungsmittelverfahren dazu zu bringen, die be-anstandete Ware auch im Vertrieb aus dem Markt
zu nehmen. Bei Gesamtwür-14
15
16
-
7
-

digung der Umstände des Einzelfalls könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Abmahnungen missbräuchlich gewesen seien.
Die von der Klägerin beanstandete Werbung auf der Verpackung der Briefkästen und [X.] sei irreführend. Die Ansprüche auf Zahlung von Abmahnkosten und Erstattung der Kosten für die Testkäufe seien ebenfalls [X.].
I[X.] Über die Revision ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu [X.], weil die Klägerin in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz [X.]er Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Ur-teil jedoch nicht auf der Säumnis der Klägerin, sondern auf einer Sachprüfung (st.
Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 12.
Januar 2017

I
ZR
258/15, [X.], 409 Rn.
10 =
[X.], 418
Motivkontaktlinsen, [X.]).
II[X.] Die Revision hat Erfolg.
Die Abmahnungen der
H.

-Gesell-
schaften
zwischen dem 12. und 14.
August 2015 erfolgten rechtsmissbräuch-lich, so dass die Weiterverfolgung der
darin erhobenen Unterlassungsansprü-che
mit der vorliegenden Klage gemäß §
8 Abs.
4 UWG unzulässig
und die [X.] von Abmahn-
und Testkaufkosten unbegründet sind.
1. Nach §
8 Abs.
4 Satz
1 UWG ist die Geltendmachung der in §
8 Abs.
1 UWG bezeichneten Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung wegen einer nach §
3 UWG unzulässigen geschäftlichen Handlung unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbeson-dere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Ist eine vorgerichtliche Abmahnung rechtsmissbräuchlich im Sinne des §
8 Abs.
4 Satz
1 UWG, so sind nachfolgende gerichtliche Anträ-ge
auf Beseitigung und Unterlassung
unzulässig (vgl. [X.], Urteil vom 15.
De-zember 2011
I
ZR
174/10, [X.], 730 Rn.
47 = [X.], 930 17
18
19
20
-
8
-

Bauheizgerät, [X.];
Urteil vom 3.
März 2016

I
ZR
110/15, [X.], 961 Rn.
15 = [X.], 1102
-
Herstellerpreisempfehlung bei [X.]).
Von einem Missbrauch im Sinne von §
8 Abs.
4 Satz
1 UWG ist auszu-gehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der [X.] sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind. Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Es reicht aus, dass die sachfremden Ziele überwiegen. Die Annahme eines
derartigen Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände. Ein An-haltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann sich daraus [X.]n, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhält-nis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht, der Anspruchsberech-tigte die Belastung des Gegners mit möglichst hohen Prozesskosten bezweckt oder der Abmahnende systematisch überhöhte Abmahngebühren oder Ver-tragsstrafen verlangt ([X.], [X.], 961 Rn.
15
Herstellerpreisempfeh-lung bei [X.], [X.]). Weiteres Indiz für ein missbräuchliches Vorgehen ist es, wenn der Abmahnende an der Verfolgung des beanstandeten [X.] kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse haben kann, sondern seine Rechtsverfolgung aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden allein dem sachfremden Interesse der Belastung seiner Mitbewerber mit möglichst hohen Kosten dient. Das ist etwa der Fall, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Abmahngeschäft "in [X.]"
betreibt, allein um Gebühreneinnahmen durch die Verfolgung von [X.] zu erzielen (vgl. [X.], Urteil vom 5.
Oktober 2000

I
ZR
237/98, [X.], 260, 261
[juris Rn. 21, 24]
= WRP 2001, 148
[X.]; Urteil vom 6.
Oktober 2011
I
ZR
42/10, [X.], 286 Rn.
16 = [X.], 464
Falsche Suchrubrik).
21
-
9
-

2. Danach hält die Beurteilung des Berufungsgerichts rechtlicher Nach-prüfung nicht stand.
a) Ob sich eine Rechtsverfolgung als missbräuchlich darstellt, ist aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers zu beurteilen (vgl. [X.], [X.], 260, 261
[juris
Rn.
24]

Vielfachabmahner). Kein kaufmännisch handelnder Unternehmer wird Kostenrisiken in einer für sein Unternehmen exis-tenzbedrohenden Höhe durch eine Vielzahl von Abmahnungen oder [X.] eingehen, wenn er an der Unterbindung der beanstandeten
Rechtsver-stöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse hat.
Im Streitfall hat die Klägerin nicht nur die Streithelferin als Herstellerin der beanstandeten Briefkästen und [X.] in Anspruch genommen, sondern sie hat wegen des Vertriebs dieser Produkte zunächst 50
Internethändler, so-dann 203
Gesellschafter der H.

-Zentrale
und durch weitere Massenab-
mahnungen Baumärkte von G.

und Ho.

abgemahnt.
b) Das Berufungsgericht hat
zutreffend
angenommen, für einen Miss-brauch könne sprechen, dass die Klägerin sich nicht darauf beschränkt habe, gegen die H.

-Zentrale
vorzugehen, sondern auch über 200
Abmahnun-
gen gegen die einzelnen Gesellschafter ausgesprochen habe. Dadurch seien der Klägerin Anwaltskosten in sechsstelliger Höhe entstanden, die sie bisher nicht gezahlt habe und die sie wirtschaftlich überfordern könnten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Klägerin im Jahr 2013 einen Gewinn von
unter
6.000

c) Das Berufungsgericht hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass dem mit der Vielzahl der Abmahnungen verbundenen, sehr großen Verfolgungsauf-wand der Klägerin kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse an der Rechtsverfolgung gegenüberstand. Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten ausschließlich das Angebot der beanstandeten Briefkästen und [X.] 22
23
24
25
26
-
10
-

in den Verkaufsräumen der Baumärkte beanstandet. Sie hat nicht geltend
ge-macht, dass die Baumärkte für diese Produkte in Print-
oder Online-Medien ge-worben haben. Die Briefkästen der Klägerin wurden bereits seit mehr als zehn Jahren vor ihrer Abmahnaktion im [X.] nicht mehr in den Baumärkten der H.

-Gruppe vertrieben.
Unter diesen Umständen ist es nach der Lebenserfahrung praktisch aus-geschlossen, dass die als irreführend beanstandeten Bezeichnungen auf den Briefkästen der Streithelferin in Märkten der H.

-Gruppe den Absatz von
Briefkästen der Klägerin tatsächlich behindern konnten (vgl. [X.], [X.], 260, 261
[juris Rn. 24]

Vielfachabmahner). Es liegt vielmehr sehr nahe, dass Kunden, die
bereits
einen Baumarkt aufgesucht haben, um einen Briefkasten zu erwerben, dort bei einem Fehlen der beanstandeten Angaben auf der Verpa-ckung der
Produkte der Streithelferin allenfalls unmittelbar daneben oder jeden-falls in der Nähe ausgestellte Produkte anderer Wettbewerber gekauft hätten, nicht jedoch in einer anderen Verkaufsstelle einen Briefkasten der Beklagten. Es ist daher nicht erkennbar, dass die beanstandeten Wettbewerbsverstöße zu Lasten der Umsätze der Klägerin gehen konnten.
d) Bestand danach für die Abmahnaktion der Klägerin gegen die H.

-Märkte kein vernünftiges wirtschaftliches Interesse, so ist unerheblich, ob

wie die Klägerin geltend gemacht hat -
ihr Alleingesellschafter und [X.] bereit und in der Lage war, sie hinsichtlich des Kostenrisikos aus den Abmahnungen und daraus folgenden Gerichtsverfahren durch Darlehen mit Rangrücktritt im sechs-
bis siebenstelligen Bereich zu unterstützen. Eine solche Gesellschafterfinanzierung
stünde in Widerspruch zu vernünftigem kaufmänni-schen Verhalten. [X.] wird [X.]darlehen mit Rangrücktritt nur dann gewähren, wenn er sich davon einen Fortbestand der Gesellschaft und eine weitere gewinnbringende Ge-schäftstätigkeit verspricht. Die Finanzierung von Abmahnungen einer Ge-27
28
-
11
-

schäftspraktik, die sich auf den Absatz der Gesellschaft nicht oder jedenfalls nicht nennenswert auswirkt, ist dafür offensichtlich ungeeignet.
e) Bei der für die Prüfung einer missbräuchlichen Rechtsverfolgung er-forderlichen Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände ist im Streitfall außerdem zu berücksichtigen, dass die Klägerin unter anderem wegen der [X.] beanstandeten Werbeaussagen mit Urteil des [X.]s Hagen vom 10.
Juni 2015 eine einstweilige Verfügung gegen die Streithelferin erwirkt hatte. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Streithelferin auf-grund eines solchen Unterlassungstitels nicht nur verpflichtet gewesen sei, [X.] mit der beanstandeten Werbung mehr auszuliefern, sondern auch [X.] hinzuwirken, dass bereits
etwa an die Baumärkte der Beklagten
ausge-lieferte Ware mit dieser Werbung nicht mehr im Handel angeboten wird (vgl. [X.], Urteil vom 19.
November 2015
I
ZR
109/14, [X.], 720 Rn.
35 = [X.], 854
[X.]). Unabhängig von ihren rechtlichen Möglichkeiten, einen solchen Rückruf durchzusetzen, war zu erwarten, dass die Händler einem solchen Rückruf Folge leisten würden, schon um eine eigene Inanspruchnahme zu verhindern.
Die Streithelferin hat zwar gegen die einstweilige Verfügung zunächst Berufung eingelegt. Bei der regelmäßig bestehenden Eilbedürftigkeit für die Ab-stellung von Wettbewerbsverstößen steht es dem Verfügungskläger grundsätz-lich
auch
frei, neben oder statt des Herstellers die
Händler der beanstandeten Ware in Anspruch zu nehmen. Unter den hier gegebenen Umständen stellt sich die massenhafte Abmahnung von [X.] indes aus der Sicht eines wirt-schaftlich denkenden Unternehmers als eindeutig nicht interessengerecht dar. War für die Klägerin mit einem vorübergehend weiteren Vertrieb der [X.] Briefkästen in den H.

-Märkten aus den dargelegten Gründen kein
oder jedenfalls kein nennenswerter Nachteil
verbunden, so entsprach es kauf-männischer Vernunft, nicht durch Massenabmahnungen ein Kostenrisiko
in 29
30
-
12
-

sechsstelliger Höhe
einzugehen, sondern den Ausgang des Verfügungsverfah-rens abzuwarten.
Der damit verbundene Zeitverlust bei der [X.] trat
bei der gebotenen objektiven Beurteilung der Interessenlage der Klä-gerin unter den gegebenen besonderen Umständen deutlich hinter den exis-tenzbedrohenden finanziellen Risiken infolge der Massenabmahnungen zurück.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist dem Abmahnschreiben der Klägerin an die H.

-Zentrale vom 3.
August 2015 nicht zu entnehmen,
dass es für die Klägerin nicht akzeptabel gewesen wäre, den weiteren Abver-kauf der beanstandeten Ware in den H.

-Märkten bis zur Klärung der
Rechtslage im Verfügungsverfahren gegen die Streithelferin hinzunehmen. Die Klägerin hat in diesem Schreiben ausgeführt, es werde zwar einer kurzen [X.], jedoch keinem Abverkauf zugestimmt. Daraus ergibt sich nur, dass die Klägerin einen Abverkauf nicht akzeptierte, nicht aber, weshalb die [X.] eines Abverkaufs bis zum Abschluss des [X.] unter Be-rücksichtigung der mit den Abmahnungen verbundenen Risiken für die Klägerin nicht akzeptabel war.

f) Die danach bestehende Unverhältnismäßigkeit der von der Klägerin ausgesprochenen Massenabmahnungen lässt grundsätzlich den Schluss zu, dass eine missbräuchliche Rechtsverfolgung im Sinne von §
8 Abs.
4 Satz
1 UWG vorliegt. Umstände, die das Verhalten der Klägerin bei der [X.] durch die Massenabmahnungen gleichwohl als nicht missbräuchlich er-scheinen lassen könnten, sind entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht ersichtlich.
aa) Das Berufungsgericht will eine missbräuchliche Rechtsverfolgung im Streitfall ausschließen, weil nicht von einer Verselbständigung der [X.] ausgegangen werden könne. Eine im Verhältnis zur gewerblichen [X.] sehr umfangreiche Abmahntätigkeit sei dann kein Indiz für einen Rechts-31
32
33
-
13
-

missbrauch, wenn sich der Abmahnende zuvor bemüht habe,
die Wettbewerbs-verstöße ohne ausufernde Abmahntätigkeit einfach und kostengünstig abzustel-len. Das sei vorliegend der Fall, weil sich die Klägerin nicht unmittelbar an die Gesellschafter, sondern zunächst mit Schreiben vom 3.
August 2015 allein an die H.

-Zentrale
gewandt habe. Dadurch habe gerade eine Abmahnung
der einzelnen Gesellschafter entbehrlich gemacht werden sollen. Die H.

-
Zentrale
sei jedoch auf den Vorschlag der Klägerin nicht eingegangen, sondern habe ihrerseits vorgeschlagen, den Ausgang des [X.] der Klägerin mit der Streithelferin abzuwarten.
Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Nachprü-fung nicht stand. Fehlt, wie im Streitfall, jedes wirtschaftlich nennenswerte [X.] an der Rechtsverfolgung, so entfällt die Indizwirkung einer im Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit sehr umfangreichen Abmahntätigkeit für einen Rechtsmissbrauch nicht dadurch, dass der Abmahnende sich zuvor bemüht hat, die Wettbewerbsverstöße ohne ausufernde Abmahntätigkeit
einfach und kostengünstig abzustellen. Führen diese Bemühungen aus Sicht des [X.] Unternehmers unter solchen Umständen nicht zum Erfolg, so
entfällt dadurch nicht die Indizwirkung unverhältnismäßiger Abmahntätigkeit. Bestand aus der Sicht der Klägerin, wie ausgeführt, keine Eilbedürftigkeit der Beseitigung der Rechtsverstöße in den H.

-Märkten, so bleibt es auch
nach dem Scheitern der Bemühungen um eine einfache und kostengünstige Lösung dabei, dass für einen wirtschaftlich denkenden Unternehmer der Auf-wand für die Massenabmahnungen im Hinblick auf die damit verbundenen, wirtschaftlich kaum tragbaren
Risiken, denen keine nennenswerten Interessen an der Beseitigung des Rechtsverstoßes gegenüberstehen, unverhältnismäßig ist.
bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wird die Missbräuch-lichkeit der Rechtsverfolgung durch die Klägerin ferner nicht dadurch relativiert 34
35
-
14
-

oder entkräftet, dass die H.

-Zentrale
in ihrem Antwortschreiben auf die
Abmahnung der Klägerin vom 12.
August 2015 die Auffassung vertreten hatte, die umfangreiche Abmahntätigkeit der Klägerin sei rechtsmissbräuchlich im Sinne von §
8 Abs.
4 Satz
1 UWG.
[X.]) Bestehen bereits ausreichende Anhaltspunkte für eine missbräuchli-che Rechtsverfolgung, so kommt es zudem nicht mehr darauf an, ob noch wei-tere Anhaltspunkte dafür vorliegen. Die vom [X.] entwickelten Fallgruppen missbräuchlicher Rechtsverfolgung stehen zueinander in einem alternativen
und
nicht in einem kumulativen Verhältnis (vgl. [X.], [X.], 286 Rn.
13
Falsche Suchrubrik; [X.], 961 Rn.
15
Herstellerpreis-empfehlung bei [X.]). Auf die vom Berufungsgericht erörterten Fragen, ob die von der Klägerin der H.

-Zentrale
gesetzten kurzen Fristen der von ihr
vorgeschlagenen Lösung entgegenstanden oder ob die H.

-Zentrale
alle
ihr angeschlossenen Märkte sehr schnell erreichen
konnte, kommt es daher nicht an. Diese Umstände sind für die Frage, ob die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmah-nenden steht, ohne Bedeutung. Ebenso wenig kommt es im Streitfall darauf an, ob die Abmahnungen "ins Blaue hinein"
erfolgten oder ob die maßgebliche Be-teiligung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin an den [X.] ein wei-teres Indiz
für die Missbräuchlichkeit ist. Es kann auch dahinstehen, ob die zahlreichen Strafanzeigen, die die Klägerin gegen Verantwortliche der H.

-Märkte erhoben hat, eine angemessene Reaktion auf deren Verhalten dar-
stellten oder nicht.
g) Ist eine nennenswerte Förderung ihres Warenabsatzes durch die um-fangreiche Abmahnaktion der Klägerin gegenüber H.

-Märkten nicht er-
kennbar
und auch kein sonstiges anerkennenswertes Interesse der Klägerin daran ersichtlich, so kann dahinstehen, welchen Beweggrund sie für die Ab-mahnaktion gehabt haben mag. Soweit
die Beklagten und
ihre
Streithelferin 36
37
-
15
-

vorgetragen
haben, die Klägerin
habe
mit den Abmahnungen Druck auf die Streithelferin im Hinblick auf einen Schadensersatzanspruch aus einem frühe-ren Markenverletzungsprozess ausüben
wollen, ließe ein solches Motiv die Rechtsmissbräuchlichkeit nicht entfallen, wenn

wie im Streitfall

kein nen-nenswertes wirtschaftliches Interesse des Abmahnenden an der Abstellung des beanstandeten Verhaltens
besteht.
h) Bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände stellen sich somit sowohl die Abmahnungen als auch
die nachfolgend
mit der vorliegenden Klage verfolgten Unterlassungsanträge
gegen die Beklagten als rechtsmissbräuchliche Rechtsverfolgung und damit als unzulässig im Sinne von §
8 Abs.
4 Satz
1 UWG dar.

3. Damit erweisen sich die auf Erstattung von Abmahn-
und [X.] gerichteten Anträge als unbegründet.
a) Eine missbräuchliche Abmahnung ist nicht berechtigt im Sinne des §
12 Abs. 1 Satz 2 UWG
und begründet keinen Anspruch auf Ersatz von Auf-wendungen ([X.], [X.], 730 Rn.
13
Bauheizgerät).
b) Testkäufe zur Vorbereitung rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen oder
Unterlassungsklagen dienen keiner zweckentsprechenden [X.]. Ein Antrag auf Schadensersatz nach § 9 UWG für solche Testkäufe ist unbegründet (vgl. [X.],
Urteil vom 30. März 2017 -
I [X.], [X.], 1160 Rn. 64 f. =
[X.], 1337 -
BretarisGenuair).

38
39
40
41
-
16
-

II[X.] Danach ist das
die Klage abweisende Urteil des [X.]s wieder-herzustellen. Die Kostenentscheidung beruht auf §
91 Abs.
1,
§
97 Abs.
1,
§
101 Abs.
1 ZPO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbar-keit auf § 708 Nr. 2 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt bin-nen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils bei dem [X.], [X.], durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Koch
Schaffert
[X.]

Löffler
Schwonke
Vorinstanzen:
LG [X.] II, Entscheidung vom 25.02.2016 -
2 [X.] 3883/15 -

OLG [X.], Entscheidung vom 27.10.2016 -
29 [X.] -

42

Meta

I ZR 248/16

26.04.2018

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2018, Az. I ZR 248/16 (REWIS RS 2018, 10012)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 10012

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZR 248/16 (Bundesgerichtshof)

Wettbewerbsrecht: Missbräuchliche Rechtsverfolgung durch Massenabmahnungen bei fehlendem wirtschaftlichem Interesse - Abmahnaktion II


I ZR 249/16 (Bundesgerichtshof)


29 U 1152/16 (OLG München)

Rechtsmissbrauch bei Mehrfachabmahnung


29 U 910/16 (OLG München)

Rechtsmissbrauch bei Mehrfachabmahnung


2 HK O 3883/15 (LG München II)

Feststellung des Rechtsmissbrauchs gemäß § 8 Abs. 4 UWG bei Massenabmahnungen aufgrund von Indizien


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

I ZR 248/16

I ZR 263/15

29 U 910/16

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.