Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2018, Az. I ZR 249/16

I. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 10011

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:260418UIZR249.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

VERSÄUMNISURTEIL
I ZR 249/16
Verkündet am:

26. April 2018

Bürk

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 26.
April 2018 durch [X.] Dr. Koch, Prof. Dr. Schaffert, Prof. Dr. [X.], Dr.
Löffler und die Richterin Dr. Schwonke

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Beklagten und der Streithelferin wird das Urteil des 29.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.] vom 27.
Oktober 2016 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.]s [X.]
I

1.
Kammer für Handelssachen

vom 8.
März 2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittel und die Kosten, die der Streithelferin in den [X.] entstanden sind.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin handelt mit Briefkästen, die sie als Aktionsware an große Handelsketten vertreibt.

Die Beklagten betreiben Baumärkte
("H.

-Märkte")
und sind Ge-
sellschafter der H.

Handelsgesellschaft für Baustoffe GmbH &
Co. KG
(im Folgenden: H.

-Zentrale). Die Streithelferin der Beklagten
stellt Brief-
1
2
-
3
-

kästen und Zeitungsrollen
her, die
zum Sortiment in den H.

-Märkten
ge-
hören; die Briefkästen der Klägerin sind dort zuletzt 2004 gelistet worden.
Im Frühjahr 2015 befand sich auf der Verpackung von Briefkästen und Zeitungsrollen der Streithelferin
der
Hinweis "Umweltfreundlich produziert"
oder "Umweltfreundlich produziert

lösungsmittelfrei"
sowie ein Siegel mit der [X.] "Geprüfte Qualität".
Unter anderem wegen dieser
Werbeaussagen bean-tragte die Klägerin am 10.
Mai 2015 eine einstweilige Verfügung gegen die Streithelferin, die
das [X.] mit Urteil vom 10.
Juli 2015 [X.] erließ. Die Streithelferin legte gegen dieses Urteil zunächst Berufung beim [X.] ein, nahm diese jedoch am 21.
Oktober 2015 zurück und gab mit Schriftsatz vom selben Tag eine Abschlusserklärung ab.
Am 3.
August 2015 mahnte die Klägerin über ihre Rechtsanwälte die H.

-Zentrale
wegen Vertriebs von Briefkästen mit den beanstandeten Wer-
beaussagen ab. In der Abmahnung heißt es:
Folglich mahnt unsere Mandantin hiermit alle
Betreiber von H.

-Märkten
hinsichtlich der beiden oben genannten Verhaltensweisen ab und verlangt dies-bezüglich eine Unterwerfung. Da es nicht das Interesse unserer Mandantin ist, Dritte durch diesen Vorgang unnötig zu belasten, bitten wir Sie, dieses
Schrei-ben an all Ihre Franchise-Nehmer ersichtlich der beiliegenden Anlage
2 unver-züglich weiterzuleiten. Sollten sich diese jeweils bis zum 7.
August 2015
(13
Uhr)
unterwerfen, würde auf eine Abmahnung der einzelnen Filialbetreiber verzichtet.
In der Anlage
2 waren 327
H.

-Märkte aufgelistet. Außerdem bot
die Klägerin eine kurze Aufbrauchfrist für die einzelnen Filialen an, stimmte [X.] keinem Abverkauf zu.
Die H.

-Zentrale
bat um Fristverlängerung bis 14.
August 2015, die
ihr jedoch nur bis 12.
August 2015 gewährt wurde. Mit E-Mail vom
12.
August 2015 antwortete die H.

-Zentrale, es erscheine sinnvoll, zunächst den
Ausgang des Berufungsverfahrens im Verfahren des einstweiligen Rechts-schutzes zwischen der Streithelferin und der Klägerin vor dem Oberlandesge-3
4
5
6
-
4
-

richt Hamm abzuwarten. Nach
Erhalt dieses Schreibens und vor dem 14.
August 2015 ließ die Klägerin insgesamt 203
Gesellschafter der H.

-
Zentrale
abmahnen, darunter die Beklagten. Außer der Abgabe einer vorformu-lierten Unterlassungserklärung forderte die Klägerin jeweils die Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 984,60

Höhe von 20

Wegen derselben Beanstandungen mahnte die Klägerin zahlreiche [X.] Baumärkte ab.
Die Klägerin hat noch keine Anwaltskosten für die Abmahnungen
der H.

-Märkte gezahlt.
In den Baumärkten der vier Beklagten des vorliegenden Verfahrens hat die Klägerin vor den Abmahnungen keine Testkäufe durchgeführt. Sie meint, dies sei
nicht mehr erforderlich gewesen, nachdem der von der H.

-
Zentrale
bestellte Rechtsanwalt auf die Abmahnung im Schreiben vom 12.
Oktober 2015 erklärt habe:
Die von uns Vertretenen haben die streitgegenständlichen Briefkästen und [X.] mit den von Ihrer Partei zu Recht oder zu Unrecht inkriminierten
Hinweisen geliefert bekommen.
Das [X.] hat die auf Unterlassung sowie Erstattung von [X.] Testkaufkosten gerichtete Klage gegen alle vier Beklagten wegen [X.]s als unzulässig abgewiesen (§
8 Abs.
4
Satz 1
UWG). Auf die Be-rufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagten antragsgemäß ver-urteilt.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision erstreben die Beklagten und ihre Streithelferin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die [X.] geladene Klägerin war im Termin zur mündlichen Verhandlung 7
8
9
10
11
-
5
-

vor dem Revisionsgericht nicht vertreten. Die Beklagte und die Streithelferin haben beantragt, über ihr Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
Entscheidungsgründe:
[X.] Das Berufungsgericht hat die Klage für zulässig und begründet erach-tet. Dazu hat es ausgeführt:
Die Abmahnungen und die Klage seien nicht missbräuchlich.
Zwar habe sich die Klägerin nicht darauf beschränkt, gegen die H.

-Zentrale
vorzu-
gehen, sondern auch über 200
Abmahnungen gegen deren einzelne Gesell-schafter ausgesprochen. Dadurch seien ihr Anwaltskosten in sechsstelliger Hö-he entstanden, die sie bisher nicht bezahlt habe und die sie wirtschaftlich über-fordern könnten. Dennoch könne von keiner Verselbständigung der [X.] der Klägerin ausgegangen werden. Sie habe sich nicht unmittelbar an die Gesellschafter gewandt, sondern zunächst an die H.

-Zentrale. Das
Schreiben vom 3. August 2015 habe eine Abmahnung der einzelnen Gesell-schafter
gerade
entbehrlich machen
sollen. Die H.

-Zentrale
sei aber
nach Rücksprache mit der Streithelferin nicht auf den Vorschlag der Klägerin eingegangen, sondern habe vorgeschlagen, den rechtskräftigen Ausgang des [X.]
zwischen
der Klägerin und
der Streithelferin abzuwarten. Infolgedessen
hätte die Ware mit der beanstandeten Werbung in den Märkten der Gesellschafter weiter abverkauft werden können. Das
sei
für die Klägerin, wie von ihr bereits mit Schreiben vom 3.
August 2015 mitgeteilt, nicht akzepta-bel gewesen. Zudem sei die H.

-Zentrale
dem Lösungsvorschlag der Klä-
gerin nicht nähergetreten, weil sie darauf spekuliert habe, der Klägerin, sollte
diese
gegen die Gesellschafter selbst vorgehen, aufgrund der Vielzahl der [X.] den
Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenzuhalten. Eine im 12
13
-
6
-

Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit sehr umfangreiche Abmahntätigkeit sei kein Indiz für einen Rechtsmissbrauch, wenn der Abmahnende sich zuvor [X.] habe, die Wettbewerbsverstöße ohne
ausufernde Abmahntätigkeit einfach und kostengünstig abzustellen.
Aus den von der Klägerin
der H.

-Zentrale
gesetzten Fristen erge-
be sich nicht, dass die Klägerin an der vorgeschlagenen Lösung nicht wirklich interessiert gewesen sei. Die H.

-Zentrale
habe
die E-Mail mit der Mus-
terunterwerfungserklärung praktisch zeitgleich an die Gesellschafter weiterleiten können. Auch der seit Monaten mit der Problematik vertrauten Streithelferin sei möglich gewesen, sehr zeitnah zum
Schreiben der Klägerin vom 3.
August 2015 Stellung zu nehmen. Die Klägerin habe eine "Aufbrauchfrist"
angeboten; zudem habe jeder H.

-Gesellschafter die beanstandete Ware bald aus
dem Verkauf nehmen können.
Die Klägerin habe vorgetragen, vor den Abmahnungen 100 der 203
ab-gemahnten Baumärkte besucht und die entsprechenden Verstöße jeweils fest-gestellt zu haben. Nachdem der jetzige Prozessbevollmächtigte der hiesigen Beklagten erklärt habe,
die von uns Vertretenen haben die streitgegenständlichen Briefkästen und [X.] mit den von Ihrer Partei zu Recht oder zu Unrecht inkriminierten Hinweisen geliefert bekommen,
habe die Klägerin davon ausgehen dürfen, dass der Vertrieb der beanstandeten Ware nicht streitig würde. Die Beteiligung
des Prozessbevollmächtigten der Klägerin an der Ermittlung der Verstöße stelle kein Indiz für einen [X.] dar, weil im Hinblick auf die Vielzahl der aufzusuchenden Baumärkte ein arbeitsteiliges Handeln des Geschäftsführers der Klägerin und ihres Prozess-bevollmächtigten nahegelegen habe.
14
15
-
7
-

Da die Klägerin beim Vertrieb von Waren mit unlauterer Werbung einen Unterlassungsanspruch nicht nur gegen den Hersteller, sondern auch gegen die Händler habe, könne ihr nicht vorgehalten werden, sie habe sich
darauf zu beschränken, den Hersteller im [X.] an ein gegen ihn im [X.] erwirktes Urteil durch Ordnungsmittelverfahren dazu zu bringen, die be-anstandete Ware auch im Vertrieb aus dem Markt zu nehmen. Bei Gesamtwür-digung der Umstände des
Einzelfalls könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Abmahnungen missbräuchlich gewesen seien.
Die von der Klägerin beanstandete Werbung auf der Verpackung der Briefkästen und Zeitungsrollen sei irreführend. Die Ansprüche auf Zahlung von Abmahnkosten und Erstattung der Kosten für die Testkäufe seien ebenfalls [X.].
I[X.] Über die Revision ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu [X.], weil die Klägerin in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz [X.]er Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Ur-teil jedoch nicht auf der Säumnis der Klägerin, sondern auf einer Sachprüfung (st.
Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 12.
Januar 2017

I
ZR
258/15, [X.], 409 Rn.
10 =
[X.], 418
Motivkontaktlinsen, [X.]).
II[X.] Die Revision hat Erfolg.
Die Abmahnungen der H.

-Gesell-
schaften zwischen dem 12. und 14.
August 2015 erfolgten rechtsmissbräuch-lich, so dass die Weiterverfolgung der darin erhobenen Unterlassungsansprü-che mit der vorliegenden Klage gemäß §
8 Abs.
4 UWG unzulässig und die [X.] von Abmahn-
und Testkaufkosten unbegründet sind.
1. Nach §
8 Abs.
4 Satz
1 UWG ist die Geltendmachung der in §
8 Abs.
1 UWG bezeichneten Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung wegen einer nach §
3 UWG unzulässigen geschäftlichen Handlung unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbeson-16
17
18
19
20
-
8
-

dere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Ist eine vorgerichtliche Abmahnung rechtsmissbräuchlich im Sinne des §
8 Abs.
4 Satz
1 UWG, so sind nachfolgende gerichtliche Anträ-ge
auf Beseitigung und Unterlassung
unzulässig (vgl. [X.], Urteil vom 15.
Dezember 2011 I
ZR
174/10, [X.], 730 Rn.
47 = [X.], 930

Bauheizgerät, [X.];
Urteil vom 3.
März 2016

I
ZR
110/15, [X.], 961 Rn.
15 = [X.], 1102
-
Herstellerpreisempfehlung bei [X.]).
Von einem Missbrauch im Sinne von §
8 Abs.
4 Satz
1 UWG ist auszu-gehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der [X.] sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind. Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Es reicht aus, dass die sachfremden Ziele überwiegen. Die Annahme eines
derartigen Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände. Ein An-haltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann sich daraus [X.]n, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhält-nis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht, der Anspruchsberech-tigte die Belastung des Gegners mit möglichst hohen Prozesskosten bezweckt oder der Abmahnende systematisch überhöhte Abmahngebühren oder Ver-tragsstrafen verlangt ([X.], [X.], 961 Rn.
15
Herstellerpreisempfeh-lung bei [X.], [X.]). Weiteres Indiz für ein missbräuchliches Vorgehen ist es, wenn der Abmahnende an der Verfolgung des beanstandeten [X.] kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse haben kann, sondern seine Rechtsverfolgung aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden allein dem sachfremden Interesse der Belastung seiner Mitbewerber mit möglichst hohen Kosten dient. Das ist etwa der Fall, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Abmahngeschäft "in [X.]"
betreibt, allein um Gebühreneinnahmen durch die Verfolgung von [X.]
-
9
-

werbsverstößen zu erzielen (vgl. [X.], Urteil vom 5.
Oktober 2000

I
ZR
237/98, [X.], 260, 261
[juris Rn.
21, 24]
= WRP 2001, 148
[X.]; Urteil vom 6.
Oktober 2011
I
ZR
42/10, [X.], 286 Rn.
16 = [X.], 464
Falsche Suchrubrik).
2. Danach hält die Beurteilung des Berufungsgerichts rechtlicher Nach-prüfung nicht stand.
a) Ob sich eine Rechtsverfolgung als missbräuchlich darstellt, ist aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers zu beurteilen (vgl. [X.], [X.], 260, 261
[juris Rn.
24]

Vielfachabmahner). Kein kaufmännisch handelnder Unternehmer wird Kostenrisiken in einer für sein Unternehmen exis-tenzbedrohenden Höhe durch eine Vielzahl von Abmahnungen oder [X.] eingehen, wenn er an der Unterbindung der beanstandeten Rechtsver-stöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse hat.
Im Streitfall hat die Klägerin nicht nur die Streithelferin als Herstellerin der beanstandeten Briefkästen und Zeitungsrollen in Anspruch genommen, sondern sie hat wegen des Vertriebs dieser Produkte zunächst 50
Internethändler, so-dann 203
Gesellschafter der H.

-Zentrale
und durch weitere Massenab-
mahnungen Baumärkte von G.

und Ho.

abgemahnt.
b) Das Berufungsgericht hat
zutreffend
angenommen, für einen Miss-brauch könne sprechen, dass die Klägerin sich nicht darauf beschränkt habe, gegen die H.

-Zentrale
vorzugehen, sondern auch über 200
Abmahnun-
gen gegen die einzelnen Gesellschafter ausgesprochen habe. Dadurch seien der Klägerin Anwaltskosten in sechsstelliger Höhe entstanden, die sie bisher nicht gezahlt habe und
die sie wirtschaftlich überfordern könnten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Klägerin im Jahr 2013 einen Gewinn von rund 5.000

22
23
24
25
-
10
-

c) Das Berufungsgericht hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass dem mit der Vielzahl der Abmahnungen verbundenen, sehr großen Verfolgungsauf-wand der Klägerin kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse an der Rechtsverfolgung gegenüberstand.
Die Klägerin hat
gegenüber den Beklagten
ausschließlich das Angebot der beanstandeten Briefkästen und Zeitungsrollen in den Verkaufsräumen der Baumärkte beanstandet. Sie hat nicht geltend
ge-macht, dass die Baumärkte für diese Produkte in Print-
oder Online-Medien ge-worben haben. Die Briefkästen der Klägerin wurden bereits seit mehr als zehn Jahren vor ihrer Abmahnaktion im [X.] nicht mehr in den Baumärkten der H.

-Gruppe vertrieben.
Unter diesen Umständen ist es nach der Lebenserfahrung praktisch aus-geschlossen, dass die als irreführend beanstandeten Bezeichnungen auf den Briefkästen der Streithelferin in Märkten der H.

-Gruppe den Absatz von
Briefkästen der Klägerin
tatsächlich behindern
konnten (vgl. [X.], [X.], 260, 261
[juris Rn. 24]

Vielfachabmahner). Es liegt
vielmehr
sehr nahe, dass Kunden, die
bereits
einen Baumarkt aufgesucht haben, um einen Briefkasten zu erwerben, dort bei einem Fehlen der beanstandeten Angaben auf der Verpa-ckung der
Produkte der Streithelferin allenfalls unmittelbar daneben oder jeden-falls in der Nähe ausgestellte Produkte anderer Wettbewerber gekauft hätten, nicht jedoch
in
einer anderen Verkaufsstelle einen Briefkasten der Beklagten. Es ist daher nicht erkennbar, dass die beanstandeten Wettbewerbsverstöße zu Lasten der Umsätze der Klägerin gehen konnten.
d) Bestand danach für die Abmahnaktion der Klägerin gegen die H.

-Märkte kein vernünftiges wirtschaftliches Interesse, so ist unerheblich, ob

wie die Klägerin geltend gemacht hat -
ihr Alleingesellschafter und [X.] bereit und in der Lage
war, sie hinsichtlich des Kostenrisikos aus den Abmahnungen und daraus folgenden Gerichtsverfahren durch Darlehen mit Rangrücktritt im sechs-
bis siebenstelligen Bereich zu unterstützen. Wie das mit 26
27
28
-
11
-

Handelsrichtern kaufmännisch sachkundig besetzte
[X.] zutreffend ausgeführt hat, stünde eine solche Gesellschafterfinanzierung in Widerspruch
zu vernünftigem kaufmännischen Verhalten.
[X.] wird Gesellschafterdarlehen mit Rangrücktritt nur dann
ge-währen, wenn er sich davon einen Fortbestand der Gesellschaft und eine weite-re gewinnbringende Geschäftstätigkeit verspricht. Die Finanzierung von [X.] einer
Geschäftspraktik, die sich auf den Absatz der Gesellschaft nicht oder jedenfalls nicht nennenswert auswirkt, ist dafür offensichtlich unge-eignet.
e)
Bei der für die Prüfung einer missbräuchlichen Rechtsverfolgung er-forderlichen Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände ist im Streitfall außerdem
zu berücksichtigen, dass die Klägerin unter anderem wegen der [X.] beanstandeten Werbeaussagen mit Urteil des [X.]s Hagen vom 10.
Juni 2015 eine einstweilige Verfügung gegen die Streithelferin erwirkt hatte. Das Berufungsgericht hat
zutreffend
angenommen, dass die Streithelferin auf-grund eines solchen Unterlassungstitels nicht nur verpflichtet gewesen sei, [X.] mit der beanstandeten Werbung mehr auszuliefern, sondern auch [X.] hinzuwirken, dass bereits
etwa an die Baumärkte der Beklagten
ausge-lieferte Ware mit dieser Werbung nicht mehr im Handel angeboten wird (vgl. [X.], Urteil vom 19.
November 2015
I
ZR
109/14, [X.], 720 Rn.
35 = [X.], 854
[X.]). Unabhängig von ihren rechtlichen Möglichkeiten, einen solchen Rückruf durchzusetzen, war zu erwarten, dass die Händler einem solchen Rückruf Folge leisten würden, schon um eine
eigene Inanspruchnahme zu verhindern.
Die Streithelferin hat zwar gegen die einstweilige Verfügung zunächst Berufung eingelegt. Bei der regelmäßig bestehenden Eilbedürftigkeit
für die
Ab-stellung von Wettbewerbsverstößen steht es dem Verfügungskläger
grundsätz-lich auch frei,
neben oder statt des Herstellers
die Händler der beanstandeten 29
30
-
12
-

Ware in Anspruch zu nehmen. Unter den hier gegebenen Umständen stellt sich die massenhafte Abmahnung von [X.] indes aus der Sicht eines wirt-schaftlich denkenden Unternehmers als
eindeutig nicht
interessengerecht dar. War für die Klägerin mit einem vorübergehend weiteren Vertrieb der beanstan-deten Briefkästen
in den H.

-Märkten
aus den dargelegten Gründen kein
oder jedenfalls kein nennenswerter Nachteil verbunden,
so entsprach es kauf-männischer Vernunft, nicht durch Massenabmahnungen ein Kostenrisiko
in sechsstelliger Höhe
einzugehen, sondern den Ausgang des Verfügungsverfah-rens abzuwarten.
Der damit verbundene Zeitverlust bei der Rechtsdurchset-zung
trat bei der gebotenen objektiven Beurteilung der Interessenlage der Klä-gerin unter den gegebenen besonderen Umständen deutlich hinter
den
exis-tenzbedrohenden finanziellen Risiken
infolge der Massenabmahnungen
zurück.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist dem
Abmahnschreiben der Klägerin an die H.

-Zentrale vom 3.
August 2015 nicht zu entnehmen,
dass es für die Klägerin nicht akzeptabel gewesen wäre, den weiteren Abver-kauf der beanstandeten Ware in den H.

-Märkten bis zur Klärung der
Rechtslage im Verfügungsverfahren gegen die Streithelferin hinzunehmen. Die Klägerin hat in diesem Schreiben ausgeführt, es werde zwar einer kurzen [X.], jedoch keinem Abverkauf zugestimmt. Daraus ergibt sich nur, dass die Klägerin einen Abverkauf nicht akzeptierte, nicht aber, weshalb die [X.] eines Abverkaufs bis zum Abschluss des [X.] unter Be-rücksichtigung der mit den Abmahnungen verbundenen Risiken für die Klägerin nicht akzeptabel war.

f) Die danach bestehende Unverhältnismäßigkeit der von der Klägerin ausgesprochenen Massenabmahnungen lässt grundsätzlich den Schluss zu, dass
eine missbräuchliche Rechtsverfolgung
im Sinne von §
8 Abs.
4 Satz
1 UWG
vorliegt. Umstände, die das Verhalten der Klägerin bei der [X.] durch die Massenabmahnungen gleichwohl als nicht missbräuchlich er-31
32
-
13
-

scheinen lassen könnten, sind entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht ersichtlich.
aa) Das Berufungsgericht will eine missbräuchliche Rechtsverfolgung im Streitfall ausschließen, weil nicht von einer Verselbständigung der [X.] ausgegangen werden könne. Eine im Verhältnis zur gewerblichen [X.] sehr umfangreiche Abmahntätigkeit sei dann kein Indiz für einen [X.], wenn sich der Abmahnende zuvor bemüht habe, die Wettbewerbs-verstöße ohne ausufernde Abmahntätigkeit einfach und kostengünstig abzustel-len. Das sei vorliegend der Fall, weil sich die Klägerin nicht unmittelbar an die Gesellschafter, sondern zunächst mit Schreiben vom 3.
August 2015 allein an die H.

-Zentrale
gewandt habe. Dadurch
habe
gerade eine Abmahnung
der einzelnen Gesellschafter entbehrlich gemacht werden
sollen. Die H.

-
Zentrale
sei jedoch auf den Vorschlag der Klägerin nicht eingegangen, sondern habe ihrerseits vorgeschlagen, den Ausgang des [X.] der Klägerin mit der Streithelferin abzuwarten.
Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Nachprü-fung nicht stand. Fehlt, wie im Streitfall, jedes wirtschaftlich nennenswerte [X.] an der Rechtsverfolgung, so entfällt die Indizwirkung einer im Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit sehr umfangreichen Abmahntätigkeit für einen Rechtsmissbrauch nicht dadurch, dass der Abmahnende sich zuvor bemüht hat, die Wettbewerbsverstöße ohne ausufernde Abmahntätigkeit einfach und kostengünstig abzustellen. Führen diese Bemühungen aus Sicht des [X.] Unternehmers unter solchen Umständen nicht zum Erfolg, so
entfällt dadurch nicht die Indizwirkung unverhältnismäßiger Abmahntätigkeit.
Bestand aus der Sicht der Klägerin, wie ausgeführt, keine Eilbedürftigkeit der Beseitigung der Rechtsverstöße
in den H.

-Märkten, so bleibt
es
auch
nach dem Scheitern
der
Bemühungen um eine einfache und kostengünstige Lösung dabei, dass für einen wirtschaftlich denkenden Unternehmer der Auf-33
34
-
14
-

wand für die Massenabmahnungen im Hinblick auf die damit verbundenen, wirtschaftlich kaum tragbaren
Risiken, denen keine nennenswerten Interessen an der Beseitigung des Rechtsverstoßes gegenüberstehen, unverhältnismäßig ist.
bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wird die Missbräuch-lichkeit der Rechtsverfolgung durch die Klägerin ferner nicht dadurch relativiert oder entkräftet, dass die H.

-Zentrale in ihrem Antwortschreiben auf die
Abmahnung der Klägerin vom 12.
August 2015 die Auffassung vertreten hatte, die umfangreiche Abmahntätigkeit der Klägerin sei rechtsmissbräuchlich im Sinne von §
8 Abs.
4 Satz
1 UWG.
cc)
Bestehen bereits ausreichende Anhaltspunkte für eine missbräuchli-che Rechtsverfolgung, so kommt es zudem nicht mehr darauf
an, ob noch
wei-tere Anhaltspunkte
dafür vorliegen. Die vom [X.]
entwickelten Fallgruppen
missbräuchlicher Rechtsverfolgung stehen zueinander in einem alternativen und
nicht
in einem
kumulativen Verhältnis (vgl. [X.], [X.], 286 Rn.
13
Falsche Suchrubrik; [X.], 961 Rn.
15
Herstellerpreisemp-fehlung bei [X.]). Auf die vom Berufungsgericht erörterten Fragen, ob die von der Klägerin der H.

-Zentrale
gesetzten
kurzen
Fristen der von ihr
vorgeschlagenen Lösung entgegenstanden oder ob die H.

-Zentrale
alle
ihr
angeschlossenen
Märkte sehr schnell erreichen
konnte, kommt es daher nicht an. Diese Umstände sind für die Frage, ob die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des
Abmah-nenden steht, ohne Bedeutung. Ebenso wenig kommt es im Streitfall darauf an, ob die Abmahnungen "ins Blaue hinein"
erfolgten oder ob
die
maßgebliche [X.] der Prozessbevollmächtigten der Klägerin an den [X.] ein wei-teres Indiz für die Missbräuchlichkeit
ist. Es kann auch dahinstehen, ob die zahlreichen Strafanzeigen, die die Klägerin gegen Verantwortliche der H.

35
36
-
15
-

-Märkte erhoben hat, eine angemessene Reaktion
auf deren Verhalten
dar-
stellten oder nicht.
g) Ist eine nennenswerte Förderung ihres Warenabsatzes durch die um-fangreiche Abmahnaktion der Klägerin gegenüber H.

-Märkten nicht er-
kennbar und auch kein sonstiges anerkennenswertes Interesse der Klägerin daran ersichtlich, so kann dahinstehen, welchen Beweggrund sie für die Ab-mahnaktion gehabt haben mag. Soweit die Beklagten und ihre Streithelferin vorgetragen haben, die Klägerin habe mit den Abmahnungen Druck auf die Streithelferin im Hinblick auf einen Schadensersatzanspruch aus einem frühe-ren Markenverletzungsprozess ausüben wollen, ließe ein solches Motiv die Rechtsmissbräuchlichkeit nicht entfallen, wenn
wie im Streitfall

kein nen-nenswertes wirtschaftliches Interesse des Abmahnenden an der Abstellung des beanstandeten Verhaltens besteht.
h) Bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände stellen sich
somit
sowohl die Abmahnungen als auch die nachfolgend
mit der vorliegenden Klage verfolgten [X.] gegen die Beklagten als rechtsmissbräuchliche Rechtsverfolgung und damit als unzulässig im Sinne von §
8 Abs.
4 Satz
1 UWG dar.
3. Damit erweisen sich die auf Erstattung von Abmahn-
und [X.] gerichteten Anträge als unbegründet.
a) Eine missbräuchliche Abmahnung ist nicht berechtigt im Sinne des §
12 Abs. 1 Satz 2 UWG und begründet keinen Anspruch auf Ersatz von Auf-wendungen ([X.], [X.], 730 Rn.
13
Bauheizgerät).
b) Testkäufe zur Vorbereitung rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen oder
Unterlassungsklagen dienen keiner zweckentsprechenden [X.]. Ein Antrag auf Schadensersatz nach § 9 UWG für solche Testkäufe ist 37
38
39
40
41
-
16
-

unbegründet (vgl. [X.], Urteil vom 30. März 2017 -
I [X.], [X.], 1160 Rn. 64 f. =
[X.], 1337 -
BretarisGenuair).
II[X.] Danach ist das
die Klage abweisende Urteil des [X.]s wieder-herzustellen. Die Kostenentscheidung beruht auf §
91 Abs.
1, §
97 Abs.
1, §
101 Abs.
1 ZPO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbar-keit auf § 708 Nr. 2 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt bin-nen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils bei dem [X.], [X.], durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Koch
Schaffert
[X.]

Löffler
Schwonke
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.03.2016 -
1 [X.] 14685/15 -

OLG [X.], Entscheidung vom 27.10.2016 -
29 U 1152/16 -

42

Meta

I ZR 249/16

26.04.2018

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2018, Az. I ZR 249/16 (REWIS RS 2018, 10011)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 10011

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I ZR 263/15

29 U 1152/16

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