Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.08.2011, Az. I ZB 31/10

I. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 3903

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 31/10
vom

17. August 2011

in der Rechtsbeschwerdesache

-
2
-
Der I.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17.
August 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr.
Bornkamm und die Richter Pokrant, Dr.
Schaffert, Dr.
Kirchhoff und Dr.
Löffler

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den am 15.
April 2010 an Verkün-dungs Statt zugestellten Beschluss des 29.
Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000

festgesetzt.

Gründe:

I. Die Antragstellerin hat die Löschung der am 2.
April 1979 angemelde-ten und am 27.
Mai 1982 als im Verkehr durchgesetztes Zeichen für die Deut-sche Postreklame GmbH für

Werbung in Branchen-Fernsprechbüchern; Veröffentlichung und Herausgabe von Branchen-Fernsprechbüchern

eingetragenen Wortildmarke Nr.
1
033
815
1
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beantragt. Die Marke wurde am 1.
September 1994 auf die DeTeMedien Deut-sche Telekom Medien GmbH und am 4.
Februar 2009 auf die Markeninhaberin umgeschrieben.

Das Deutsche Paten
und Markenamt hat den Löschungsantrag zurück-gewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin ist
ohne Er-folg
geblieben. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer vom Bundes-patentgericht nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie die Versagung rechtlichen Gehörs rügt.

II. Das Bundespatentgericht hat angenommen, dass die Löschungsgrün-de des
§ 50 Abs. 1 in Verbindung mit
§
8 Abs.
2 Nr.
1, 2 und 3 MarkenG gemäß §
50 Abs.
2 Satz
2 MarkenG nicht in Betracht kommen, weil zwischen dem Ein-tragungstag am 27.
Mai 1982 und dem Eingang des Löschungsantrags am 27.
Januar 2008 mehr als zehn Jahre lagen. Die Löschungsgründe des §
50 Abs.
1 in Verbindung mit § 8 Abs.
2 Nr.
4, 5 und 9 MarkenG lägen ebenfalls nicht vor. Auch der Löschungsgrund der bösgläubigen Markenanmeldung (§
50 Abs.
1 i.V.m. §
8 Abs.
2 Nr.
10 MarkenG) sei zu verneinen. Es könne nicht fest-gestellt werden, dass die Markeninhaberin in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes eines Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder gleichartige Waren die gleiche oder zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers 2
3
-
4
-
oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Kennzeichen angemeldet habe. Auch der Tatbestand der Erschleichung einer Marke liege nicht vor.

III. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die formund fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist gemäß §
83 Abs.
3 Nr.
3 MarkenG auch ohne Zulassung durch das Bundespatentge-richt statthaft, da die Anmelderin den im Gesetz aufgeführten, die zulassungs-freie Rechtsbeschwerde eröffnenden Verfahrensmangel der Versagung rechtli-chen Gehörs rügt und diese Rüge im Einzelnen begründet
hat
(st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28.
August 2003
I
ZB
5/03, GRUR 2004, 76 =
WRP 2004, 103
turkey &
corn; Beschluss vom 28.
Oktober 2010
I
ZB
13/10, MarkenR
2011, 177 Rn.
5
Ivadal
II).

2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unzulässig, soweit sie sich gegen die unterbliebene Anhörung verschiedener von
der
Antragstellerin benannter Zeugen wendet. Im Übrigen ist sie unbegründet.

a)
Der Vortrag der Rechtsbeschwerde, mit dem sie einen
Gehörsverstoß wegen unterbliebener Vernehmung der Zeugen N.

, S.

, O.

, H.

B.

, Dr.
F.

und D.

D.

rügt, entspricht schon
nicht den förmlichen Erfordernissen des §
85 Abs.
4 Nr.
3 MarkenG.
Die ent-sprechende Verfahrensrüge ist daher unzulässig (§
86
MarkenG).

aa) Nach §
85 Abs.
4 Nr.
3 MarkenG muss die Begründung der Rechts-beschwerde, wenn sie auf die Verletzung von Verfahrensvorschriften gestützt wird, die Bezeichnung der Tatsachen enthalten, die den Mangel ergeben. 4
5
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7
8
-
5
-
Zweck dieses Begründungserfordernisses ist es, dem
Rechtsbeschwerdege-richt die Prüfung zu ermöglichen,
ob die angefochtene Entscheidung auf dem gerügten Verfahrens-, insbesondere Gehörsverstoß beruht (vgl. BGH, Be-schluss vom 24.
April 2008
I
ZB
72/07, GRUR 2008, 1126 Rn.
12 =
WRP 2008, 1550
Weiße Flotte). Deshalb ist
der
Prozessvorgang, dessen Verfah-rensfehlerhaftigkeit behauptet wird, unter Angabe der Einzeltatsachen, aus de-nen sich der Mangel ergeben soll, genau zu bezeichnen (vgl. Fezer, Marken-recht, 4.
Aufl., §
85 Rn.
10;
zur entsprechenden Vorschrift des §
551 Abs.
3 Nr.
2
Buchst. b ZPO MünchKomm.ZPO/Wenzel, 3.
Aufl., §
551 Rn.
2; Hk-ZPO/Kayser,
4.
Aufl., §
551 Rn.
12). Dabei ist auch die Kausalität des Versto-ßes für die getroffene Entscheidung darzulegen (Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz,
Urheberrecht,
Medienrecht, 2.
Aufl., §
85 MarkenG Rn.
8; zu §
551 Abs.
3 ZPO BAG, NJW 2004, 1683, 1684;

Hk-ZPO/Kayser
aaO).
Bei einem Gehörsverstoß ist also auszuführen, dass die angefochtene Entscheidung jedenfalls auf dem Verfahrensfehler beruhen kann.
Bei einer Rüge wegen übergangenen Beweisantritts muss neben
Beweisthema und Beweismittel angegeben werden, zu welchem Punkt das Bundespatentge-richt rechtsfehlerhaft eine an sich gebotene Beweisaufnahme unterlassen ha-ben soll und welches Ergebnis diese Beweisaufnahme hätte zeitigen müssen (BAG, NJW 2004, 1683, 1685).

bb) Diesen Anforderungen wird die Rechtsbeschwerde
nicht gerecht, soweit sie die Gehörsrüge
auf die unterlassene Anhörung von Zeugen stützt. Sie beschränkt sich darauf, auf acht Seiten das von der Antragstellerin unter Zeugenbeweis gestellte Vorbringen wörtlich wiederzugeben und sodann pau-schal auszuführen, das Bundespatentgericht hätte diese Zeugen vernehmen müssen, weil die Beurteilung der Bösgläubigkeit nach §
8 Abs.
2 Nr.
10 MarkenG
eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erfordere, wozu
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-
auch die unter Zeugenbeweis gestellten Tatsachen gehörten, die einen für die Beurteilung wichtigen Eindruck über die historische Entwicklung der Benutzung der Bezeichnung "Gelbe Seiten"
für Branchenverzeichnisse vermittelten.

Die Rechtsbeschwerde führt dabei
nicht aus, welche konkreten Behaup-tungen
zu der historischen Entwicklung streitig und für die Entscheidung des Bundespatentgerichts erheblich waren, von ihm aber übergangen wurden.
Vielmehr meint sie, das Bundespatentgericht "die genannten Tatsachen von der Gegenseite ausdrücklich oder konkludent "
Danach wäre es dem Senat überlassen, aus den
umfangreichen Verfahrensakten
die für ei-nen möglichen Gehörsverstoß relevanten Behauptungen zu ermitteln. Das ist für die Begründung der Gehörsrüge nicht ausreichend.

cc) Im Übrigen hat das Bundespatentgericht die Zeugenbenennungen der Antragstellerin nicht übergangen, sondern ausgeführt, dass eine Beweis-erhebung durch Vernehmung der Zeugen N.

, S.

, O.

,
B.

und Dr. F.

nicht erforderlich sei, weil die unter Beweis gestellten
Behauptungen
entweder unstreitig oder unerheblich seien. Es hat in diesem Zusammenhang zwar den Antrag auf Vernehmung des Zeugen D.

D.

nicht ausdrücklich beschieden.
Das war aber auch nicht erforderlich. Die in das
Wissen des Zeugen D.

gestellten Vorgänge im Zusammenhang mit einer angeblichen Behinderung des Löschungsantragstellers GoYellow insbesondere durch Registrierung von Internetdomainnamen
hat das Bundespatentgericht zu Recht als unerheblich für eine Bösgläubigkeit bei
der
Markenanmeldung 1979 angesehen.

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7
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b) Die Rüge der Rechtsbeschwerde, das Bundespatentgericht habe wei-teren Vortrag der Antragstellerin zur Bösgläubigkeit der Anmeldung des ange-griffenen Zeichens nicht berücksichtigt oder jedenfalls im Kern nicht richtig er-fasst, ist unbegründet.

aa) Das Protokoll der Aufsichtsratssitzung der Deutschen Postreklame GmbH vom 25./26.
November 1968 hat das Bundespatentgericht zur Kenntnis genommen und lediglich anders gewürdigt, als es die Rechtsbeschwerde für richtig hält. Im Übrigen ist ein Protokoll aus dem Jahr 1968 für eine Behinde-rungsabsicht bei einer Markenanmeldung im Jahr 1979
wenig aussagekräftig.

bb) Der Ende der 1960er
Jahre veröffentlichte Werbeflyer belegt ledig-lich, dass Begriffe wie "Gelbe Seiten", "Yellow Pages"
oder "Pages
d'Or"
schon zu diesem Zeitpunkt in verschiedenen Staaten verwendet wurden. Für die hier allein maßgebliche Frage, ob die aufgrund Verkehrsdurchsetzung in Deutsch-land eingetragene Marke bösgläubig angemeldet wurde, ist das unerheblich. Das Bundespatentgericht hatte deshalb keinen Anlass, sich ausdrücklich mit diesem Werbeflyer zu befassen.

cc) Von vornherein ungeeignet für den Nachweis einer Behinderungsab-sicht im Jahr 1979
ist auch das Schreiben der Geschäftsleitung der Deutschen Postreklame GmbH an das
Bundesministerium für das Pound Fernmelde-wesen vom 6.
August 1974. Der dort beschriebene Sachverhalt, dass die Deut-sche Postreklame GmbH nur mit bestimmten Vertragsverlegern zusammenar-beite, kann den Vorwurf einer bösgläubigen Markenanmeldung in Behinde-rungsabsicht im Jahr 1979 nicht begründen. Dem stünde auch schon die vom Bundespatentgericht festgestellte Benutzungsabsicht der Deutschen Postre-klame GmbH für die angemeldete Marke entgegen. Das Bundespatentgericht 12
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8
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war daher nicht verpflichtet, in den Gründen
seiner Entscheidung
ausdrücklich auf das Schreiben vom 6.
August 1974 einzugehen.

dd) Die im Zeitraum vom 17.
September bis 4.
Oktober 1979, also ein halbes Jahr nach der Markenanmeldung,
von der GfK Nürnberg durchgeführte Meinungsumfrage
ist nicht geeignet, eine Bösgläubigkeit der Anmelderin bei der Anmeldung am 2.
April 1979 darzutun. Das Bundespatentgericht brauchte nicht auf sie einzugehen.

ee) Ebenfalls für die Löschungsentscheidung unerheblich war das Schreiben der Patentanwälte der Deutschen Postreklame GmbH vom 9.
Mai 1980. Es erging in Beantwortung des Schreibens des Deutschen Patentamts vom 6.
März 1980, in dem bei der Dienstleistungsmarke "Gelbe Seiten"
u.a. beanstandet wurde, dass ein Freihaltebedürfnis der Mitbewerber bestehe, Kommunikationsmittel mit farbig gestalteten Seiten zu verwenden. Die Patent-anwälte hatten darauf geantwortet, jeder Dritte könne für seine Kommunikation farbige Seiten verwenden,
solange er den Begriff "Gelbe Seiten"
nicht im Zu-sammenhang mit Branchenfernsprechbüchern benutze. Aus der Äußerung die-ser Rechtsauffassung kann offensichtlich keine Behinderungsabsicht bei der Anmeldung der angegriffenen Marke abgeleitet werden.

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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
90 Abs.
2 Satz
1 MarkenG.

Bornkamm
Pokrant
Schaffert

Kirchhoff
Löffler
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 13.04.2010 -
29 W (pat) 84/10 -

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Meta

I ZB 31/10

17.08.2011

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.08.2011, Az. I ZB 31/10 (REWIS RS 2011, 3903)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3903

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