Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.04.2006, Az. StB 1/06

3. Strafsenat | REWIS RS 2006, 3789

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[X.]BESCHLUSS StB 1/06 vom 28. April 2006 in dem Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen [X.] u. a.;

hier: Beschwerde der Zeugin H.

gegen die Anordnung von Haft zur Erzwingung des Zeugnisses

u. a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 28. April 2006 gemäß § 304 Abs. 5 StPO beschlossen: Auf die Beschwerde der Zeugin H. wird der Beschluss des Ermittlungsrichters des [X.] vom 15. Dezember 2005 aufgehoben. Der Antrag der [X.] auf Verhängung von [X.] - ersatzweise Ordnungshaft - sowie auf Anordnung von Beugehaft wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsmittels und die der Beschwerdeführerin entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tra-gen. Gründe: [X.] Das [X.] hat die Beschwerdeführerin am 28. Juni 1988 unter anderem des 43fach versuchten Mordes in Tateinheit mit versuch-tem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und des schweren Raubes, je-weils begangen in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen [X.], schuldig gesprochen. Diesem Urteil lagen der ver-suchte Sprengstoffanschlag auf die [X.] in [X.] am 18. Dezember 1984, ein [X.] am 5. November 1984 in [X.] und die Mitgliedschaft in der "[X.]" von Februar 1984 bis 2. August 1986 zugrunde. Am 1 - 3 - 28. April 1994 hat das [X.] die Beschwerde-führerin wegen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub sowie eines weiteren Mordes an zwei Menschen in Tateinheit mit versuchtem Mord an zwei weiteren Menschen und mit Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion verurteilt. Diesem Urteil lagen die Ermordung des [X.] [X.] am 7./8. August 1985 und der Sprengstoffanschlag auf die [X.] in [X.] am 8. August 1985 zugrunde. Beide Urteile sind rechtskräftig. Wegen der genannten Anschläge führt die [X.] auch weiterhin Verfahren gegen Unbekannt. In diesem Zusammenhang wurde die Beschwerdeführerin am 15. Dezember 2005 vor dem Ermittlungsrichter des [X.] als Zeugin vernommen. Dabei wurden ihr folgende Fragen gestellt: 2 "Bitte schildern Sie im Zusammenhang den [X.] in [X.] sowie den Ablauf der Ermordung des [X.] [X.], soweit Ihnen das bekannt ist." 3 "Waren Sie an dem Anschlag beteiligt?" 4 "Waren [X.]und M. an den oben [X.] beteiligt?" 5 Nachdem die Beschwerdeführerin die Beantwortung aller Fragen unter Berufung auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht abgelehnt hatte, hat der Ermittlungsrichter der Zeugin - nach Hinweis auf die Grundlosigkeit ihrer Weigerung und deren möglichen Folgen gemäß § 70 StPO - auf Antrag der [X.] durch Beschluss die durch die Weigerung verursachten 6 - 4 - Kosten auferlegt und gegen sie ein Ordnungsgeld in Höhe von 200 •, ersatz-weise Ordnungshaft von fünf Tagen festgesetzt, sowie Erzwingungshaft, längs-tens bis zur Dauer von sechs Monaten, angeordnet. Der von der Zeugin hierge-gen eingelegten Beschwerde, mit der sie sich gegen die Festsetzung des [X.]es und die Anordnung von Erzwingungshaft wendet, hat der [X.] nicht abgeholfen. I[X.] Die - hinsichtlich der Erzwingungshaft zulässige (§ 304 Abs. 5 StPO) - Beschwerde hat Erfolg. Der Antrag der [X.] war [X.], weil der Beschwerdeführerin hinsichtlich aller Fragen ein Auskunftsverwei-gerungsrecht nach § 55 Abs. 1 StPO zustand. 7 1. Allerdings besteht eine das Recht zur Auskunftsverweigerung begrün-dende [X.] im Sinne des § 55 Abs. 1 StPO grundsätzlich dann nicht mehr, wenn gegen den Zeugen ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, die Strafklage daher verbraucht ist und deswegen zweifelsfrei ausgeschlossen ist, dass er sich durch seine Antwort der Gefahr der Strafverfolgung aussetzt. 8 Eine solche Gefahr wird jedoch vielfach nicht auszuschließen sein, wenn zwischen der abgeurteilten Tat und anderen Straftaten, deretwegen der Zeuge noch verfolgt werden könnte, ein so enger Zusammenhang besteht, dass die Beantwortung von Fragen zu der abgeurteilten Tat die Gefahr der Verfolgung wegen dieser anderen Taten mit sich bringt. Das ist in einem Fall angenommen worden, in dem der rechtskräftig verurteilte Täter eines Raubüberfalls als Zeuge zur Identität seiner Komplizen befragt werden sollte und die Auskunft im [X.] - 5 - blick darauf verweigerte, dass es im Tatzeitraum zu ähnlich gelagerten Überfällen gekommen war, eine bandenmäßige Begehung in Betracht kam und die Identität einzelner Tatbeteiligter noch nicht geklärt werden konnte ([X.], 69 f.). Aus demselben Grunde wurde auch einem Betäubungsmit-telhändler ein Auskunftsverweigerungsrecht zugestanden, der wegen mehrerer eigener Handelsgeschäfte abgeurteilt worden war und nach Rechtskraft seiner Verurteilung zur Identität seiner Lieferanten als Zeuge befragt wurde, obgleich er im Verdacht stand, in Verbindung mit diesem Personenkreis weitere, nicht vom Strafklageverbrauch umfasste Betäubungsmitteldelikte begangen zu ha-ben ([X.] NJW 2002, 1411 f.). 2. Ein entsprechender Zusammenhang kann auch bei einem Mitglied [X.] gegeben sein, wenn es weiterer Straftaten ver-dächtig ist, für die ein Strafklageverbrauch nicht eingetreten ist (vgl. dazu BGHSt 29, 288, 294). Die von einer solchen [X.] begangenen Strafta-ten sind vielfach dadurch gekennzeichnet, dass sie vom gleichen Täterkreis mit weitgehend gleich bleibender Aufgabenverteilung begangen werden, wobei häufig die verwendeten Tatmittel sowie die Art und Weise der Planung und Aus-führung Übereinstimmungen aufweisen. Daher liegt es auf der Hand, dass [X.] über die konkrete Beteiligung eines Mitglieds der [X.] an einer bestimmten Tat vielfach auch Rückschlüsse über seine und die Beteili-gung von weiteren Mitgliedern an einer anderen Tat der [X.] zulassen und somit "Teilstücke in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäu-de" werden können (vgl. [X.], 1413 [X.]). 10 3. Eine auf einem derartigen Zusammenhang beruhende Verfolgungsge-fahr war auch für die Beschwerdeführerin nicht ausgeschlossen. Sie steht im Verdacht, als Mitglied der "[X.]" an weiteren, bislang nicht abgeurteilten [X.] - 6 - ten beteiligt gewesen zu sein, für die ein Strafklageverbrauch nicht eingetreten ist. Bei Beantwortung von Fragen nach den Beteiligten an ihren abgeurteilten Taten bestünde für die Beschwerdeführerin die Gefahr, dass sie durch deren Preisgabe zugleich auch Tatbeteiligte an weiteren, noch verfolgbaren eigenen Straftaten offenbart. Bei dieser Sachlage ist es nicht ausgeschlossen, dass sich durch die begehrte Auskunft die konkrete Gefahr einer Strafverfolgung der Be-schwerdeführerin ergibt (vgl. [X.], 69 f.; [X.] NJW 2002, 1411 f.). Entsprechendes gilt indessen auch für jede andere weiterführende Er-kenntnis zu den abgeurteilten Taten, die von der Befragung der Beschwerde-führerin erwartet wird. Auch bei solchen Erkenntnissen kann nicht ausgeschlos-sen werden, dass sie im Rahmen einer mosaikartigen Beweisführung Bedeu-tung für den gegen die Beschwerdeführerin bestehenden Tatverdacht hinsicht-lich weiterer Taten erlangen können. 12 - 7 - II[X.] Diese Gründe stehen auch einer Festsetzung des beantragten [X.]es entgegen. Daher hat der Senat seine Entscheidung, auch wenn eine (isolierte) Beschwerde gegen diese Anordnung nicht zulässig gewesen wäre, auf diese erstreckt und den Antrag der [X.] insgesamt zurückgewiesen. [X.] Hubert

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StB 1/06

28.04.2006

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.04.2006, Az. StB 1/06 (REWIS RS 2006, 3789)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3789

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