Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.08.2008, Az. StB 9/08

3. Strafsenat | REWIS RS 2008, 2484

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[X.]BESCHLUSS ____________ StB 9 bis 11/08 vom 7. August 2008 in dem Ermittlungsverfahren gegen , wegen Mordes u. a. hier: Beschwerden 1. des Zeugen K. , 2. der Zeugin [X.] und 3. des [X.]gegen die Anordnungen von Beugehaft zur Erzwingung des Zeugnisses u. a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat am 7. August 2008 gemäß § 304 Abs. 5 StPO beschlossen: Auf die Beschwerden der Zeugen [X.], M.

und [X.]

werden die Beschlüsse des Ermittlungs-richters des [X.] vom 28. Dezember 2007 (1 [X.] 547/07, 1 [X.] 548/07 und 1 [X.] 550/07) aufgehoben. Die Anträge des [X.] auf Verhängung von [X.], ersatzweise Ordnungshaft, sowie auf Anordnung von Beugehaft werden zurückgewiesen. Die St[X.]tskasse hat die Kosten der Rechtsmittel und die den [X.] dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Gründe: [X.] 1. a) Der [X.] führt seit dem 23. April 2007 gegen den Beschuldigten W.

ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Mordes. Gegenstand dieses Verfahrens ist der am 7. April 1977 von [X.] der [X.] verübte Anschlag auf [X.] [X.] und seine beiden Begleiter. Wegen mittäterschaftlicher Beteiligung an diesem Anschlag sind bislang die Beschwerdeführer durch Urteile des [X.] vom 31. Juli 1980 ( [X.] ) und vom 2. April 1985 ( K. und

M. ) rechtskräftig verurteilt. Ein gegen S. ge-richtetes Ermittlungsverfahren hat der [X.] nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. 1 Den Tatverdacht gegen den Beschuldigten [X.]stützt der Gene-ralbundesanwalt auf eine im Rahmen einer st[X.]tsanwaltschaftlichen [X.] - 3 - mung bestätigte Einschätzung des ehemaligen [X.]-Mitglieds B. , [X.] sei der Soziusfahrer auf dem Tatmotorrad gewesen und habe die tödlichen Schüsse auf [X.] [X.] und seine Begleiter abgegeben. Des weiteren beruft sich der [X.] auf ein Schreiben des Präsidenten des [X.] vom 15. Juni 2007, wonach einer "älteren unbestätigten [X.]" zu Folge der Beschuldigte [X.] als Schütze auf dem Soziussitz des Motorrads, S. als dessen Fahrer und [X.] als Fahrer des Flucht-fahrzeugs unmittelbar an der Ausführung der Tat beteiligt gewesen seien. [X.] wird ein kriminaltechnisches Gutachten vom 28. November 2007 herange-zogen, aus dem sich ergibt, dass der Beschuldigte [X.] Mitverursacher einer im Fluchtfahrzeug gesicherten Sekretantragung (einer so genannten [X.]) gewesen sein kann. b) Am 27. April 2007 hat der [X.] gegen den Beschul-digten [X.] ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des ver-suchten Mordes eingeleitet. Hintergrund dieses Verfahrens ist der ebenfalls der [X.] zuzurechnende versuchte Anschlag auf die [X.] am 25. August 1977. Wegen mittäterschaftlicher Beteiligung an dieser Tat sind [X.] die Beschwerdeführer [X.]und [X.]durch Urteil des [X.] vom 2. April 1985 sowie das ehemalige [X.]-Mitglied

B. , rechtskräftig verurteilt. Ein gegen den Beschwerdeführer [X.]

geführtes Strafverfahren ist am 25. August 1977 gerichtlich gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden. 3 Zur Begründung des Tatverdachts gegen den Beschuldigten [X.] beruft sich der [X.] auch insoweit auf eine Aussage

B. anlässlich seiner Vernehmung durch die [X.] am 26. April 2007, wonach der Beschuldigte [X.] an der Tat beteiligt und am Tatort anwesend gewesen sein soll. 4 - 4 - 2. Die Beschwerdeführer sind im Juli und August 2007 in den beiden ge-gen [X.] geführten Ermittlungsverfahren st[X.]tsanwaltschaftlich (§ 161 a Abs. 1 StPO) als Zeugen vernommen und befragt worden 5 - zur Planung, Vorbereitung und Durchführung der Anschläge vom 7. April 1977 und 25. August 1977, - insbesondere zu einer Beteiligung des Beschuldigten [X.]und des ehemaligen [X.]-Mitglieds Be. am Anschlag auf Gene-ralbundesanwalt [X.] und seine Begleiter, - sowie zu dem Inhalt eines im Nachrichtenmagazin "[X.]" (Aus-gabe 20/2007) veröffentlichten Gesprächs mit [X.] , in [X.] dieser u. a. seine unmittelbare Tatbeteiligung an diesem An-schlag in Abrede gestellt hatte. [X.] hat bei seiner Vernehmung lediglich bestätigt, dass die in dem "Spiegel"-Gespräch wiedergegebenen Äußerungen von ihm stammten. Im Übrigen haben die Beschwerdeführer die Beantwortung aller Fragen unter Be-rufung auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO ab-gelehnt. 6 Darauf hat der Ermittlungsrichter des [X.] auf Antrag des [X.] gemäß §§ 161 a, 70 Abs. 1 und 2 StPO durch die [X.] Beschlüsse gegen die Zeugen jeweils ein Ordnungsgeld in Höhe von 100 •, ersatzweise Ordnungshaft von fünf Tagen festgesetzt und Erzwingungs-haft längstens bis zur Dauer von sechs Monaten angeordnet, die Vollziehung der Beschlüsse jedoch bis zur Entscheidung über die eingelegten Rechtsmittel ausgesetzt. Gegen die [X.] wenden sich die Zeugen mit ihren Beschwerden, denen der Ermittlungsrichter nicht abgeholfen hat. 7 - 5 - I[X.] Die hinsichtlich der Erzwingungshaft gemäß § 304 Abs. 5 StPO zulässi-gen Rechtsmittel ([X.]St 36, 192) haben Erfolg. Die Anträge des [X.] auf Anordnung von Beugehaft sind zurückzuweisen. Dies führt hier zur gleichzeitigen Ablehnung der Anträge auf Anordnung von Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft. 8 1. Den Beschwerdeführern steht hinsichtlich aller an sie gerichteten Fra-gen zu den [X.] und 25. August 1977 wegen der kon-kreten Gefahr einer weiteren Strafverfolgung ein umfassendes Auskunftsver-weigerungsrecht nach § 55 StPO zu. Dem steht nicht entgegen, dass die [X.] wegen der Taten, zu denen sie vernommen werden sollen, nicht mehr erneut verfolgt werden können, weil sie deswegen entweder bereits rechtskräftig verurteilt wurden (vgl. [X.], 1413) oder - was unter den hier gegebenen Umständen einem Verfahrenshindernis gleichkommt - das ge-gen sie gerichtete Strafverfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO gerichtlich einge-stellt wurde und Gründe, die ausnahmsweise die Wiederaufnahme des Verfah-rens rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich sind (vgl. [X.]St 10, 88, 93 f.). Denn es liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass zwischen den [X.] bzw. eingestellten Taten und anderen Straftaten, deretwegen die Zeugen noch verfolgt werden könnten, ein so enger Zusammenhang besteht, dass die Beantwortung von Fragen zu den abgeurteilten bzw. eingestellten Taten die Gefahr der Verfolgung wegen dieser anderen Taten mit sich bringen kann ([X.] NJW 2002, 1411 ff.; [X.], 1413; NStZ 2006, 178 und 509; NStZ-RR 2006, 239). 9 Die konkrete Gefahr einer derartigen mittelbaren Selbstbelastung besteht für alle Beschwerdeführer im Hinblick auf eine Beteiligung an noch verfolgbaren Taten, die einer zusammenhängenden Anschlagsserie der [X.] im Jahr 1977 zuzurechnen sind. 10 - 6 - a) Nach den Feststellungen des [X.] im Urteil vom 2. April 1985 waren die Straftaten, die den Gegenstand der Ermittlungsver-fahren gegen [X.] bilden, Teil einer Anschlagsserie der [X.] im Jahr 1977, in deren tatübergreifende Planung und Ausführung alle damaligen Mitglieder der [X.], zu denen auch die Beschwerdeführer zählten, [X.] waren. Mit der Anschlagsserie verfolgten die damaligen Mitglieder der [X.] vor allem das Ziel, die Befreiung inhaftierter Gesinnungsgenossen zu erreichen. Das [X.] hat auf [X.], 42 zu dieser so genannten [X.] u. a. Folgendes festgestellt: 11 "Die '[X.]' stellte sich nicht als eine lose Serie einzelner [X.] dar, sondern war als Aktioneneinheit geplant. Die '[X.]' ver-sprach sich gerade von der konzentrierten, dicht aufeinander folgenden Angriffsreihe nicht nur ein Höchstmaß an Durchschlagskraft, sondern auch eine potenzierte Wirkung auf die Öffentlichkeit und die zur Ent-scheidung über die Freilassung der Häftlinge berufenen Stellen. Das Prinzip der Aktioneneinheit erforderte eine enge Koordination und weit-gehende Gleichzeitigkeit der Planungen und vorbereitenden [X.] wiederum resultierte die Notwendigkeit, dass sich die '[X.]' für die einzelnen Anschläge nicht in spezielle Kommandos und Gruppen aufspaltete, sondern jedes Mitglied in die g e s a m t e Planung und Aus-führung eingeweiht und eingebunden [X.] Die '[X.]' erforderte–eine derartige Fülle sorgfältig aufeinander abzustimmender Vorbereitungs- und Tathandlungen, dass es auch aus diesem Grunde der Einweihung und Beteiligung eines jeden Mitglieds hinsichtlich des Gesamtvorhabens bedurfte." Ihren Auftakt nahm die "[X.]" mit dem Anschlag auf General-bundesanwalt [X.] und seine Begleiter am 7. April 1977, gefolgt von der ver-suchten Entführung und Ermordung des Bankiers [X.] am 30. Juli 1977, dem 12 - 7 - versuchten Anschlag auf die [X.] am 25. August 1977 und der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten [X.] und Ermordung seiner Begleiter am 5. September 1977. Es liegt nahe, dass auch der Raubüberfall auf das Waffengeschäft [X.]. am 1. Juli 1977, bei welchem ausweislich des Urteils des [X.] vom 31. Juli 1980 der [X.] [X.] und das weitere [X.]-Mitglied St. den Inhaber des Geschäfts zu töten versuchten und 19 Faustfeuerwaffen erbeuteten, als Be-schaffungstat in unmittelbarem Zusammenhang mit der auf einer Gesamtpla-nung beruhenden Anschlagsserie stand. b) Es bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die [X.] als Täter oder zumindest als Teilnehmer an Straftaten der "[X.]" beteiligt waren, deretwegen sie noch nicht rechtskräftig verurteilt sind und an deren Verfolgung die [X.] auch nicht wegen eines anderen [X.] gehindert wäre. 13 [X.]) So wurde gegen [X.] bislang kein Ermittlungsverfahren we-gen einer Beteiligung am Mordanschlag auf Jürgen [X.] geführt. Das Urteil des [X.] vom 2. April 1985 ([X.], 58) enthält [X.] konkrete Hinweise, dass [X.] in die Vorbereitung des Anschlags auf Jürgen [X.] eingebunden war. Der Beschwerdeführer soll gemeinsam mit

[X.]unter falschem Namen im [X.] in [X.] personenbezogene Unterlagen des späteren [X.] eingesehen und fotoko-piert haben, um sich auf diese Weise umfassende Kenntnis von dessen [X.], Aufgaben und Positionen zu verschaffen und dessen Eignung als Geisel im Rahmen der geplanten [X.] und Freipressungsaktion zu ermitteln. 14 [X.]) Gegen [X.]und [X.]wurde wegen des Überfalls auf den Waffenhändler [X.].

am 1. Juli 1977 bislang nicht ermit-telt. Eine Beteiligung dieser Beschwerdeführer - die im Übrigen wegen aller [X.] 8 - teren der "[X.]" zuzurechnenden Taten rechtskräftig verurteilt wurden - auch an dieser Tat erscheint nach den Feststellungen des Urteils des [X.] vom 2. April 1985 indes nicht von vorneherein ausge-schlossen. Die Beschwerdeführer hatten danach maßgeblichen Anteil an der sorgfältigen und langfristigen Planung aller der "[X.]" zuzurechnenden Taten. M. führte zudem bei ihrer Festnahme am 11. November 1982 eine Waffe bei sich, die bei dem [X.] [X.]. erbeutet worden war. Schließlich konnte ein am Tatort anwesender und in den [X.] eingeweihter dritter Täter, nahe liegend ein weiteres [X.]-Mitglied, bislang nicht ermittelt werden. 2. Vor diesem Hintergrund besteht die konkrete Gefahr, dass sich die Beschwerdeführer mit der Beantwortung jeder der an sie gerichteten Fragen zu den [X.] und vom 25. August 1977 im Hinblick auf eine Einbindung in die "[X.]" selbst belasten und weiterführende [X.] zur Planung und Ausführung der im Jahr 1977 begangenen An-schlagsserie offenbaren müssten. In Anbetracht des vom [X.] Stuttgart festgestellten engen Zusammenhangs der im Jahr 1977 von [X.]-Mitgliedern begangenen [X.] kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass solche Erkenntnisse - etwa Angaben zu konkreten deliktübergreifenden Planungsbeiträgen - Rückschlüsse auf weitere Taten aus der Anschlagsserie zulassen und im Rahmen einer mosaikartigen Beweisführung auch Bedeutung gewinnen können für die Erhärtung des Tatverdachts hinsichtlich der Taten, deretwegen die Beschwerdeführer noch verfolgt werden können. Die unter-schiedlichen Modalitäten der einzelnen Taten sind dabei - entgegen der Ansicht des [X.] und des Ermittlungsrichters - ohne maßgebliche Bedeutung. Bei dieser Sachlage kann - nicht zuletzt mit Blick auf die aktuelle Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen
[X.] - nicht zweifels-frei ausgeschlossen werden, dass den Beschwerdeführern im Falle der [X.] auch nur einer der an sie gerichteten Fragen weitere Strafverfolgung droht. 16 - 9 - Vor diesem Hintergrund bedarf es keines näheren [X.] darauf, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen der Wiederaufnahme eines ge-mäß § 154 Abs. 1 StPO von der St[X.]tsanwaltschaft eingestellten Ermittlungs-verfahrens rechtsst[X.]tliche Grundsätze entgegenstehen können mit der Folge, dass der Tatverdächtige als Zeuge Fragen zu der zugrunde liegenden Tat [X.] muss und sich nicht auf § 55 StPO berufen kann, weil seiner - erneu-ten - Verfolgung ein Verfahrenshindernis entgegenstünde. Nicht einzugehen braucht der Senat auch auf die Frage, ob Fälle denkbar sind, in denen es der Anordnung von Beugehaft unter dem Aspekt widersprüchlichen st[X.]tlichen Verhaltens nach [X.] entgegenstehen kann, dass auf der einen Seite eine Zeugenaussage nach § 70 Abs. 2 StPO erzwungen werden soll, während auf der anderen Seite durch [X.] nach § 96 StPO der ermittelnden St[X.]tsanwaltschaft tatrelevante Erkenntnisse des [X.] oder anderer Behörden vorenthalten werden. 17 - 10 - II[X.] Die dargelegten Gründe hindern auch die Festsetzung des beantragten Ordnungsgeldes und der ersatzweise beantragten Ordnungshaft, die hier in untrennbarem Zusammenhang mit der beantragten Beugehaft stehen. Daher hat der Senat seine Entscheidung, auch wenn eine (isolierte) Beschwerde ge-gen die Anordnung des Ermittlungsrichters nach § 70 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht zulässig gewesen wäre ([X.] NStZ 1994, 198), auf diese erstreckt und den An-trag der [X.] insgesamt zurückgewiesen. 18 [X.] Miebach Sost-Scheible

Meta

StB 9/08

07.08.2008

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.08.2008, Az. StB 9/08 (REWIS RS 2008, 2484)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 2484

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