Bundesverwaltungsgericht, EuGH-Vorlage vom 19.08.2014, Az. 1 C 7/14

1. Senat | REWIS RS 2014, 3456

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Gegenstand

Vorlage zur Vorabentscheidung zur Klärung der Frage, ob Wohnsitzauflagen für subsidiär Schutzberechtigte mit EURL 95/2011 vereinbar sind


Leitsatz

Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung der Frage, ob Wohnsitzauflagen für subsidiär Schutzberechtigte mit Art. 33 und/oder Art. 29 der Richtlinie 2011/95/EU vereinbar sind (Parallelentscheidung zum Beschluss vom 19. August 2014 - BVerwG 1 C 1.14).

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Art. 267 A[X.]V eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] zu folgenden Fragen eingeholt:

1) Stellt die Auflage, den Wohnsitz in einem räumlich begrenzten Bereich (Gemeinde, Landkreis, Region) des Mitgliedstaats zu nehmen, eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit im Sinne von Art. 33 der Richtlinie 2011/95/[X.] dar, wenn der Ausländer sich ansonsten im Staatsgebiet des Mitgliedstaats frei bewegen und aufhalten kann?

2) Ist eine Wohnsitzauflage gegenüber Personen mit subsidiärem Schutzstatus mit Art. 33 und/oder Art. 29 der Richtlinie 2011/95/[X.] vereinbar, wenn sie darauf gestützt wird, eine angemessene Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten auf deren jeweilige Träger innerhalb des Staatsgebiets zu erreichen?

3) Ist eine Wohnsitzauflage gegenüber Personen mit subsidiärem Schutzstatus mit Art. 33 und/oder Art. 29 der Richtlinie 2011/95/[X.] vereinbar, wenn sie auf migrations- oder integrationspolitische Gründe gestützt wird, etwa um [X.] Brennpunkte durch die gehäufte Ansiedlung von Ausländern in bestimmten Gemeinden oder [X.] zu verhindern? Reichen insoweit abstrakte migrations- oder integrationspolitische Gründe aus oder müssen solche Gründe konkret festgestellt werden?

Gründe

I.

1

Die Klägerin erstrebt die Aufhebung der Wohnsitzauflage, die ihrer Aufenthaltserlaubnis vom 3. Dezember 2012 beigefügt worden ist.

2

Die Klägerin stammt nach ihren eigenen Angaben aus [X.]. Sie reiste im September 2000 zusammen mit ihren Eltern und Geschwistern nach [X.] ein und führte hier erfolglos ein Asylverfahren durch. In der Folgezeit wurde sie zunächst geduldet und war ab November 2003 im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis bzw. einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 [X.]. Sie bezog von Beginn ihres Aufenthalts bis heute Leistungen der [X.] Sicherung und erhielt die Auflage, ihren Wohnsitz im Bereich des [X.] zu nehmen.

3

Auf erneuten Antrag stellte das [X.] ([X.]) mit bestandskräftigem Bescheid vom 15. November 2012 fest, dass bei ihr ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 [X.] hinsichtlich [X.]s vorliegt. Am 3. Dezember 2012 erteilte ihr der Beklagte eine bis zum 2. Dezember 2014 gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 [X.], die u.a. die folgende Nebenbestimmung enthält: "Der Wohnsitz ist nur im Bereich des [X.] zu nehmen." Der Beklagte hat sich bei seiner Entscheidung von den Ziffern 12.2.5.2.1 und 12.2.5.2.2 der [X.] zum [X.] leiten lassen.

4

Die Klägerin hat im Februar 2013 Anfechtungsklage erhoben, mit der sie die Streichung der Wohnsitzauflage, hilfsweise Neubescheidung begehrt hat. Mit Urteil vom 7. Januar 2014 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Mit Beschluss vom 28. März 2014 hat das [X.] die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die aufgrund von § 12 Abs. 2 Satz 2 [X.] verfügte Wohnsitzauflage keine Ermessensfehler erkennen lasse. Sie entspreche der Erlasslage wegen des Bezugs öffentlicher Leistungen und verstoße weder gegen Völker- noch gegen [X.]srecht. Zwar gehe die Richtlinie 2011/95/[X.] in Art. 20 ff. vom Grundsatz der Gleichbehandlung von [X.] und subsidiär Schutzberechtigten aus. Art. 33 der Richtlinie bleibe jedoch hinter den Gewährleistungen des Art. 26 GFK zurück, denn in der [X.] werde ausdrücklich zwischen dem Recht der Wahl des Aufenthaltsorts und der Bewegungsfreiheit unterschieden. Da die Richtlinie diese Formulierungen nicht übernommen habe, sei davon auszugehen, dass man bewusst sprachlich differenziert habe. Zudem hätten etliche [X.] schon gegen die in Art. 26 GFK eröffnete freie Wahl des Wohnsitzes Vorbehalte angemeldet. Unabhängig davon ermögliche Art. 33 der Richtlinie 2011/95/[X.] generell Einschränkungen, die auch für andere rechtmäßig im [X.] lebende Drittstaatsangehörige gälten. Der in Art. 23 GFK niedergelegte Grundsatz fürsorgerechtlicher Gleichbehandlung für Flüchtlinge sei nicht in vergleichbarem Maße in Art. 29 der Richtlinie 2011/95/[X.] übernommen worden.

5

Mit ihrer Revision trägt die Klägerin vor, dass die Richtlinie 2011/95/[X.] nicht hinter den Anforderungen der [X.] [X.]. Die freie Wahl des Wohnsitzes für Flüchtlinge gelte über Art. 33 der Richtlinie 2011/95/[X.] auch für subsidiär Schutzberechtigte. Die in Art. 29 Abs. 2 der Richtlinie verwendete Formulierung "im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige" sei weit zu verstehen, so dass in vergleichbaren Situationen mit subsidiär Schutzberechtigten nicht anders umgegangen werden dürfe als mit eigenen Staatsangehörigen. Für [X.] gebe es aber keine "sozialhilferechtliche Residenzpflicht".

6

Der Beklagte verteidigt die Berufungsentscheidung. Der Richtliniengeber habe das aus der [X.] abzuleitende Verbot, [X.] zur angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten [X.] zu erteilen, nicht in die Richtlinie übernommen und jedenfalls nicht auf Personen mit subsidiärem Schutzstatus erstreckt.

7

Der Vertreter des [X.] beim [X.] beteiligt sich an dem Verfahren und teilt im Wesentlichen die Rechtsauffassung des beklagten [X.].

II.

8

Der Rechtsstreit ist auszusetzen. Es ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] (im Folgenden: Gerichtshof) zu den im [X.] formulierten Fragen einzuholen (Art. 267 A[X.]V). Die Fragen betreffen die Auslegung der Art. 33 und 29 der Richtlinie 2011/95/[X.] des [X.] und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder [X.]losen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl [X.] Nr. L 337 vom 20. Dezember 2011 S. 9 - [X.]: 32011L0095). Da es um die Auslegung von [X.]srecht geht, ist der Gerichtshof zuständig. Es wird darauf hingewiesen, dass die Fragen Gegenstand von zwei weiteren - gleichlautenden - Vorabentscheidungsersuchen sind (vgl. Beschlüsse vom 19. August 2014 - BVerwG 1 [X.] 1.14 und BVerwG 1 [X.] 3.14).

9

1. Für die rechtliche Beurteilung des [X.] gegen die im Dezember 2012 erteilte Wohnsitzauflage als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz maßgeblich (Urteil vom 15. Januar 2013 - BVerwG 1 [X.] 7.12 - BVerwGE 145, 305 = [X.] 402.242 § 23 [X.] Nr. 5, jeweils Rn. 9). Zu diesem Zeitpunkt (Beschluss vom 28. März 2014) galt bereits das [X.] in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 ([X.]), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 6. September 2013 ([X.]). Des Weiteren waren die hier maßgeblichen Art. 29 und 33 der Richtlinie 2011/95/[X.] gemäß Art. 41 der Richtlinie in [X.] getreten, und die Umsetzungsfrist für sie war gemäß Art. 39 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/[X.] abgelaufen. Die Richtlinie wurde durch das Gesetz vom 28. August 2013 ([X.]) in nationales Recht umgesetzt. Danach bilden folgende nationale Vorschriften, die - soweit hier einschlägig - auch derzeit noch unverändert gelten, den rechtlichen Rahmen dieses Rechtsstreits:

§ 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3, § 12 Abs. 1 und 2 sowie § 25 Abs. 2 Satz 1 des [X.]es ([X.]) vom 30. Juli 2004 ([X.] 1950) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 ([X.]), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. August 2013 ([X.]), lauten:

§ 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1. der Lebensunterhalt gesichert ist.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach <…> § 25 Abs. 1 bis 3 <…> ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2 <…> abzusehen.

§ 12 Geltungsbereich; Nebenbestimmungen

(1) Der Aufenthaltstitel wird für das [X.] erteilt. Seine Gültigkeit nach den Vorschriften des [X.] Durchführungsübereinkommens für den Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien bleibt unberührt.

(2) Das Visum und die Aufenthaltserlaubnis können mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können, auch nachträglich, mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden.

§ 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das [X.] die Flüchtlingseigenschaft <…> oder subsidiären Schutz <…> zuerkannt hat.

Auf der Grundlage des [X.]es hat der [X.] mit Zustimmung des Bundesrates eine Verwaltungsvorschrift erlassen, die die Ausländerbehörden bei der Anwendung des Gesetzes zu beachten haben ([X.] zum [X.] vom 26. Oktober 2009 - [X.] 2009, 878). Danach ist eine Aufenthaltserlaubnis, die aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des [X.]es erteilt wird, in dem Fall, in dem der Begünstigte Leistungen der [X.] Sicherung bezieht, mit einer wohnsitzbeschränkenden Auflage zu verbinden. Die einschlägigen Nummern der Verwaltungsvorschrift lauten wie folgt:

12.2.5.2.1 Die wohnsitzbeschränkende Auflage stellt insbesondere ein geeignetes Mittel dar, um mittels einer regionalen Bindung die überproportionale fiskalische Belastung einzelner Länder und [X.]n durch ausländische Empfänger [X.] Leistungen zu verhindern. Entsprechende Auflagen können auch dazu beitragen, einer Konzentrierung sozialhilfeabhängiger Ausländer in bestimmten Gebieten und der damit einhergehenden Entstehung von [X.] Brennpunkten mit ihren negativen Auswirkungen auf die Integration von Ausländern vorzubeugen. Entsprechende Maßnahmen sind auch gerechtfertigt, um Ausländer mit einem besonderen Integrationsbedarf an einen bestimmten Wohnort zu binden, damit sie dort von den Integrationsangeboten Gebrauch machen können.

12.2.5.2.2 Vor diesem Hintergrund werden wohnsitzbeschränkende Auflagen erteilt und aufrechterhalten bei Inhabern von [X.] nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des [X.]es bzw. Niederlassungserlaubnissen nach § 23 Absatz 2, soweit und solange sie Leistungen nach dem [X.] oder [X.] oder dem [X.] beziehen. Hierzu zählen auch [X.] nach §§ 104a und 104b.

2. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof.

a) Die Klägerin ist Inhaberin des subsidiären Schutzstatus im Sinne von Art. 2 Buchst. g und Art. 18 der Richtlinie 2011/95/[X.]; dieser beruht auf der Anerkennungsentscheidung des [X.]s für Migration und Flüchtlinge ([X.]) vom 15. November 2012. Ihr Aufenthalt war jedoch während der gesamten Dauer - beginnend im Jahr 2000 - mit der Auflage verbunden, den Wohnsitz in einer bestimmten [X.] zu nehmen. Eine entsprechende Auflage ist der angefochtenen Aufenthaltserlaubnis vom 3. Dezember 2012 beigefügt, deren Aufhebung die Klägerin erstrebt.

b) Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 [X.] kann ein Aufenthaltstitel, der in der Regel für das gesamte [X.] erteilt wird (§ 12 Abs. 1 [X.]), mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Die Erteilung einer Wohnsitzauflage ist grundsätzlich zulässig, weil sie gegenüber der in § 12 Abs. 2 Satz 2 [X.] ausdrücklich genannten räumlichen Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis einen geringeren Eingriff darstellt (vgl. Urteil vom 15. Januar 2008 - BVerwG 1 [X.] 17.07 - BVerwGE 130, 148 = [X.] 402.22 Art. 26 [X.] Nr. 3, jeweils Rn. 13). Sie ordnet zwar eine Pflicht zur Wohnungsnahme und -nutzung an diesem Ort an, schränkt die Möglichkeit, sich im [X.] im Übrigen frei zu bewegen und aufzuhalten, aber nicht ein. Die Entscheidung, ob eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Auflage verbunden wird, steht im Ermessen der zuständigen Behörde. Ihre Entscheidung ist daher nur darauf überprüfbar, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Der Beklagte hat sich - wie das Oberverwaltungsgericht festgestellt hat ([X.]) - bei seiner Ermessensausübung von den Ziffern 12.2.5.2.1 und 12.2.5.2.2 der [X.] des [X.] zum [X.] vom 26. Oktober 2009 ([X.] 2009, 878 <960>) leiten lassen, wonach Inhabern von Aufenthaltstiteln aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen (vgl. Kapitel 2 Abschnitt 5 des [X.]es), soweit und solange sie Leistungen der [X.] Sicherung beziehen, zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialleistungslasten wohnsitzbeschränkende Auflagen erteilt werden sollen. Eine Bindung der Ermessensentscheidung der einzelnen Ausländerbehörden durch einheitliche Verwaltungsvorschriften ist nach nationalem Recht zulässig.

Rechtmäßig ist es nach nationalem Recht auch - sofern keine Sonderregelungen wie die der Art. 26 und 23 der [X.] (GFK) greifen - gegenüber Ausländern die Aufenthaltserlaubnis mit [X.] zum Zweck der angemessenen Verteilung der Sozialhilfelasten zu verbinden. Das hat das [X.] für die Aufnahme größerer Gruppen von Ausländern - z.B. Bürgerkriegsflüchtlinge oder [X.] Zuwanderer aus der ehemaligen [X.] - entschieden. Denn es dient einem gewichtigen öffentlichen Interesse, innerhalb der föderal strukturierten Bundesrepublik [X.] einer Überlastung einzelner Bundesländer und [X.]n durch ein Verteilungsverfahren und entsprechende [X.] beim Bezug von Leistungen der [X.] Sicherung entgegenzuwirken (Urteile vom 15. Januar 2013 - BVerwG 1 [X.] 7.12 - BVerwGE 145, 305 = [X.] 402.242 § 23 [X.] Nr. 5, jeweils Rn. 16 und vom 19. März 1996 - BVerwG 1 [X.] 34.93 - BVerwGE 100, 335 <342> = [X.] 402.240 § 12 AuslG 1990 Nr. 9 S. 40). Abweichendes ergibt sich nach der Rechtsprechung des vorlegenden Senats für anerkannte Flüchtlinge nach der [X.], weil diese in Art. 23 GFK bei der Gewährung von Sozialhilfeleistungen für Flüchtlinge die "gleiche Behandlung" vorsieht wie für eigene Staatsangehörige, für die entsprechende [X.] aus fiskalischen Gründen nicht vorgesehen sind. Daher darf anerkannten [X.] - anders als [X.]losen, Kontingentflüchtlingen und sonstigen Inhabern von [X.] aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen - die Wahl des Wohnsitzes nicht zum Zweck der angemessenen Verteilung der Sozialhilfelasten eingeschränkt werden (vgl. Urteil vom 15. Januar 2008 a.a.[X.], jeweils Rn. 18 ff.). Es ist also entscheidungserheblich, ob [X.] gegenüber subsidiär Schutzberechtigten zum Zweck der angemessenen Verteilung von Sozialhilfelasten verhängt werden dürfen.

c) Die gegenüber der Klägerin angeordnete Beschränkung des Wohnsitzes verstößt nicht gegen die völkerrechtlichen Regelungen in Art. 2 des Protokolls Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ([X.]) vom 16. September 1963 ([X.], 1109) und in Art. 12 des [X.] über bürgerliche und politische Rechte ([X.]) vom 19. Dezember 1966 ([X.], 1976 II S. 1068).

Nach Art. 2 Abs. 1 des Protokolls Nr. 4 zur [X.] hat nur derjenige, der sich "rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält", das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Nur soweit der Aufenthalt rechtmäßig ist, gelten die in Absatz 3 der Vorschrift normierten Grenzen für eine Beschränkung der in Absatz 1 gewährten Freiheit. Wurde der Aufenthalt von Anfang an nur - wie hier - mit der verfügten Wohnsitzbeschränkung gestattet, ist er auch nur in diesem Umfang rechtmäßig; die aufschiebende Wirkung des gegen die Wohnsitzauflage eingelegten Rechtsbehelfs verhindert lediglich deren Vollziehung, berührt aber nicht die Wirksamkeit der Wohnsitzauflage. Dass die räumliche Beschränkung die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts bestimmt, entspricht der Rechtsprechung des [X.] (vgl. Entscheidung vom 20. November 2007 - Nr. 44294/04 - [X.]/[X.] - m.w.N. - ergangen zur räumlichen Beschränkung eines Asylbewerbers auf das Gebiet der [X.]), des vorlegenden Gerichts (vgl. Urteil vom 19. März 1996 a.a.[X.] <346> bzw. S. 44) und der Kommentarliteratur (vgl. [X.], European [X.]onvention on Human Rights - [X.]ommentary - 2014, [X.] Rn. 3). Die Wohnsitzbeschränkung ist dann nicht am Maßstab einer Einschränkung nach Absatz 3 von Art. 2 des Protokolls Nr. 4 zu messen, weil sie bereits für den rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne von Absatz 1 konstitutiv ist. Das Gleiche gilt für die Auslegung von Art. 12 [X.]. Denn der Aufenthalt ist von vornherein nur mit der Wohnsitzauflage rechtmäßig gewesen im Sinne von Art. 12 Abs. 1 [X.]. Die Auflage ist daher nicht am Maßstab von Art. 12 Abs. 3 [X.] zu messen. Die von der Klägerin dagegen zitierte Kommentierung zu Art. 12 [X.] (UN Human Rights [X.]ommittee (HR[X.]), [X.][X.]PR General [X.]omment No. 27: Article 12 ([X.]), 2 November 1999, [X.][X.]PR/[X.]/21/Rev.1/[X.] - marginal 12) bezieht sich auf Art. 12 Abs. 3 [X.] und nicht auf den hier maßgeblichen Art. 12 Abs. 1 [X.].

Ist die angefochtene Wohnsitzauflage nach nationalem Recht und nach völkerrechtlichen Normen rechtmäßig, kommt es entscheidungserheblich darauf an, ob ihr Art. 33 und/oder Art. 29 der Richtlinie 2011/95/[X.] entgegensteht. Im Einzelnen stellen sich in diesem Zusammenhang die folgenden Vorlagefragen 1 bis 3. Sie bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof der [X.], da er zur Entscheidung auslegungsbedürftiger Fragen der hier maßgeblichen Richtlinie 2011/95/[X.] berufen ist.

1. Vorlagefrage:

Geht es im vorliegenden Fall um die Frage, ob die gegenüber einer Person mit subsidiärem Schutzstatus verfügte Wohnsitzauflage mit Art. 33 der Richtlinie 2011/95/[X.] vereinbar ist, ist zunächst zu klären, ob eine solche Wohnsitzauflage überhaupt eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit im Sinne von Art. 33 der Richtlinie 2011/95/[X.] darstellt, wenn der betroffene Ausländer ansonsten Freizügigkeit im Mitgliedstaat genießt. In seiner zu [X.] für Flüchtlinge (Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2011/95/[X.]) ergangenen Entscheidung stellte sich diese Frage für das vorlegende Gericht nicht, weil Art. 26 GFK die freie [X.] ausdrücklich gewährleistet.

a) Der hiervon abweichende Wortlaut des Art. 33 der Richtlinie 2011/95/[X.] schließt eine Auslegung nicht aus, wonach unter den Begriff der Bewegungsfreiheit auch die Freiheit der Wohnsitznahme fällt. Wenig Aussagekraft hat insoweit indes die in der [X.] Sprachfassung gewählte Überschrift "Freizügigkeit innerhalb eines Mitgliedstaats", die für eine weite Auslegung der Bewegungsfreiheit spricht, denn in anderen Sprachfassungen ist nur von "[X.]" oder "Liberté de circulation" die Rede.

Gegen eine Auslegung, die die Freiheit der [X.] von der Bewegungsfreiheit erfasst ansieht, könnte streiten, dass in anderen Normen des [X.]srechts und des Völkerrechts die [X.] und das Recht zum Aufenthalt gesondert neben der Bewegungsfreiheit garantiert werden. So wird nicht nur in Art. 26 GFK, sondern auch in Art. 2 des Protokolls Nr. 4 zur [X.] und in Art. 12 [X.] die freie [X.] gesondert neben der Bewegungsfreiheit genannt. Auch andere Regelungen führen die Bewegungsfreiheit und das Recht zum Aufenthalt nebeneinander auf, wobei das Recht zum Aufenthalt die Wahl des Wohnsitzes umfasst (Art. 20 und 45 A[X.]V). Aus der Gesamtschau der Regelungen ist für das vorlegende Gericht aber offen, ob die [X.] notwendigerweise ein aliud oder ein Mehr gegenüber der Bewegungsfreiheit darstellt.

b) In seiner Rechtsprechung zu Art. 2 des Protokolls Nr. 4 zur [X.] sieht der [X.] ([X.]) Beschränkungen der [X.] als Einschränkung der Bewegungsfreiheit an. Der [X.] ordnet [X.] und andere Einschränkungen der Bewegungsfreiheit einheitlich dem Begriff der Bewegungsfreiheit ("restrictions à la liberté de circuler") im Sinne von Art. 2 des Protokolls zu, obwohl in der Vorschrift das Recht geschützt wird, sich "frei zu bewegen" und den "Wohnsitz zu nehmen" (Urteil vom 20. April 2010 - Nr. 19675/06 - Villa/[X.] - Rn. 41 bis 43; Gegenstand des Urteils ist auch eine Wohnsitzauflage). Der [X.] sieht sogar zwischen dem Entzug der Freiheit im Sinne von Art. 5 [X.] und ihrer Einschränkung im Sinne von Art. 2 des Protokolls keinen Wesensunterschied, sondern nur einen graduellen Unterschied (différence de degré ou d'intensité - Rn. 41). Auch in seinem Urteil vom 22. Februar 2007 (Nr. 1509/02 - [X.]/[X.] - Rn. 46) betreffend die Verweigerung einer Wohnsitzregistrierung gegenüber einem ethnischen [X.] durch [X.] ("[X.]") misst der [X.] die Beschränkungen synonym an der "Bewegungsfreiheit" wie an der "freien Wahl des Wohnsitzes".

c) Von erheblichem Gewicht für die Auslegung von Art. 33 der Richtlinie 2011/95/[X.] sind Sinn und Zweck der Regelung. Diese sieht keine unterschiedliche Behandlung von anerkannten [X.] und subsidiär Schutzberechtigten vor. Wenn aber Art. 33 der Richtlinie die Bewegungsfreiheit für Flüchtlinge in gleicher Weise wie für subsidiär Schutzberechtigte regelt und [X.] nach Art. 26 GFK die Bewegungsfreiheit und die Freiheit der [X.] garantiert wird, könnte dies dafür sprechen, dass die durch Art. 33 Richtlinie geschützte Bewegungsfreiheit in ihrem Schutzumfang nicht hinter der des Art. 26 GFK zurückbleibt.

Zielsetzung der Richtlinie 2011/95/[X.] ist ein gemeinsames [X.] Asylsystem, dessen Schutzstandards mit den Regelungen der [X.] im Einklang stehen. Das ergibt sich aus der Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Richtlinie, aus ihren Erwägungsgründen und möglicherweise auch aus Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie. Diese ist auf Art. 78 Abs. 1 und 2 Buchst. a und b A[X.]V gestützt. Diese Vorschrift lautet wie folgt (Unterstreichungen durch das vorlegende Gericht):

Artikel 78

(1) Die [X.] entwickelt eine gemeinsame Politik im Bereich Asyl, subsidiärer Schutz und vorübergehender Schutz, mit der jedem Drittstaatsangehörigen, der internationalen Schutz benötigt, ein angemessener Status angeboten und die Einhaltung des Grundsatzes der [X.] gewährleistet werden soll. Diese Politik muss mit dem [X.] Abkommen vom 28. Juli 1951 und dem Protokoll vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge sowie den anderen einschlägigen Verträgen im Einklang stehen.

(2) Für die Zwecke des Absatzes 1 erlassen das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Maßnahmen in Bezug auf ein gemeinsames europäisches Asylsystem, das Folgendes umfasst:

a) einen in der ganzen [X.] gültigen einheitlichen Asylstatus für Drittstaatsangehörige;

b) einen einheitlichen subsidiären Schutzstatus für Drittstaatsangehörige, die keinen europäischen Asylstatus erhalten, aber internationalen Schutz benötigen.

Daraus ergibt sich, dass die Richtlinie einen "Asylstatus" für Drittstaatsangehörige schaffen will (und nicht nur [X.]), der "im Einklang steht" mit der [X.]. Das Ziel der vollständigen Beachtung der [X.] kommt auch in Erwägungsgrund 16 der Richtlinie zum Ausdruck. Dieser ergänzt den Erwägungsgrund 10 der [X.]/[X.] um das Ziel, "die Anwendung der Artikel 1, ... 18, ... der [X.]harta zu fördern". Nach Art. 18 GR-[X.]harta soll aber das Asylrecht "nach Maßgabe des [X.] Abkommens vom 28. Juli 1951 …" gewährleistet werden.

Die Begründung der [X.]/[X.] vom 21. Oktober 2009 (KOM(2009)551 endgültig, S. 6 f.) lautet (Unterstreichungen durch das vorlegende Gericht):

"Mit dem Vorschlag soll vor allem Folgendes erreicht werden:

- Höhere Schutzstandards bei den [X.] und dem Inhalt des zu gewährenden Schutzes im Einklang mit internationalen Normen, insbesondere zur Gewährleistung der uneingeschränkten und umfassenden Anwendung des [X.] Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der Fassung des [X.] vom 31. Januar 1967 ("[X.] Flüchtlingskonvention") und der uneingeschränkten Achtung der [X.] und der [X.]-[X.]harta der Grundrechte ("[X.]-[X.]harta").

Das könnte dafür sprechen, dass auch der Inhalt des durch die Richtlinie zu gewährenden Schutzes (Art. 20 bis 35) die "uneingeschränkte und umfassende" Anwendung der GFK sicherstellen soll. Das ist in den Beratungen zur Richtlinie zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gezogen worden.

Bei dieser Auslegung, die sich an den Gewährleistungen der [X.] orientiert, umfasst der Schutz der Bewegungsfreiheit im Sinne von Art. 33 der Richtlinie 2011/95/[X.] auch die Freiheit der [X.] und bleibt insoweit im Schutzniveau nicht hinter Art. 26 GFK zurück. Die Garantie der Bewegungsfreiheit im Sinne von Art. 33 der Richtlinie gälte dann gemäß Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie auch in gleicher Weise für anerkannte Flüchtlinge wie für Personen mit subsidiärem Schutzstatus.

d) Allerdings darf man auch nicht aus dem Blick verlieren, dass der im Kapitel [X.]/[X.] (Art. 20 bis 35) geregelte "Inhalt des internationalen Schutzes" thematisch nicht in vollem Umfang die Gewährleistungen der Art. 12 bis 34 GFK abdeckt. Darüber hinaus fällt auf, dass nicht nur die Rechte in Art. 33 der Richtlinie 2011/95/[X.] (Bewegungsfreiheit) und Art. 26 GFK ("Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen") unterschiedlich formuliert sind, sondern auch deren Schranken: Während Art. 33 der Richtlinie als Vergleichsgruppe ganz allgemein andere Drittstaatsangehörige heranzieht, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats aufhalten, stellt Art. 26 GFK insoweit auf die Bestimmungen ab, die allgemein für Ausländer unter den gleichen Umständen (vgl. Art. 6 GFK) gelten. Diese Befunde sprechen dagegen, dass die Richtlinie 2011/95/[X.] auch die Rechte der Flüchtlinge ohne Notwendigkeit eines Rückgriffs auf die [X.] selbständig und abschließend regeln will. Wenn und soweit die Richtlinie hinter der [X.] zurückbliebe, genössen anerkannte Flüchtlinge weiterhin deren in nationales Recht transformierten Rechte, da gemäß Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/[X.] die Bestimmungen dieses Kapitels nicht die in der [X.] verankerten Rechte berühren.

2. Vorlagefrage:

Für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist, stellt sich die Frage, ob [X.] nach Art. 33 der Richtlinie 2011/95/[X.] gegenüber Personen mit subsidiärem Schutzstatus unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen erteilt werden dürfen wie sie allgemein für Drittstaatsangehörige gelten, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet des [X.]es aufhalten, oder ob insoweit für Personen mit subsidiärem Schutzstatus dieselben Ausnahmen für räumliche Beschränkungen gelten, die das [X.] für anerkannte Flüchtlinge aus Art. 26 GFK hergeleitet hat.

a) Nach Art. 33 der Richtlinie gestatten die Mitgliedstaaten die Bewegungsfreiheit "unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen" wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten. Maßstab für die Rechtmäßigkeit von [X.] ist daher, ob sie auch für andere sich im [X.] rechtmäßig aufhaltende Drittstaatsangehörige angeordnet werden dürfen.

Nach [X.] Aufenthaltsrecht dürfen [X.] Drittstaatsangehörigen allgemein und ohne Beschränkung auf bestimmte Gruppen auferlegt werden (§ 12 Abs. 2 [X.]). Nach der [X.] des [X.] zum [X.] vom 26. Oktober 2009 werden sie grundsätzlich gegenüber Inhabern eines Aufenthaltstitels, der aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen erteilt wird, verfügt, wenn der Begünstigte Leistungen der [X.] Sicherung bezieht. Eine derartige Einschränkung auf Drittstaatsangehörige, deren Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen gestattet wird, beruht auf dem im [X.] Aufenthaltsrecht verankerten [X.]. Dieses besagt, dass sich die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts und dessen Beschränkungen nach dem Zweck des Aufenthalts bestimmen, an den der Gesetzgeber in den einzelnen Abschnitten des [X.]es in unterschiedlicher Weise ausdifferenzierte Regelungen knüpft. Der Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit oder zum Zweck der Ausbildung unterliegt deshalb anderen Voraussetzungen und Beschränkungen als der Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen. Insbesondere hinsichtlich des Erfordernisses, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraussetzt, dass der Lebensunterhalt gesichert ist, d.h. ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestritten werden kann (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 1 und 2 [X.]), werden Ausländer aus der zuletzt genannten Gruppe im [X.] privilegiert. So ist gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 [X.] u.a. bei anerkannten [X.] und subsidiär Schutzberechtigten von dem Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung abzusehen. Das macht deutlich, warum die [X.] bei der Auferlegung von [X.] wegen des Bezugs von Leistungen der [X.] Sicherung aus Sicht des vorlegenden Gerichts ohne Rechtsverstoß auf Drittstaatsangehörige mit einem Aufenthaltstitel aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen abstellt und nicht auf alle Drittstaatsangehörigen ungeachtet des Zwecks ihres Aufenthalts. Denn bei den übrigen Drittstaatsangehörigen geht der Gesetzgeber prinzipiell davon aus, dass diese ihren Lebensunterhalt selbst sichern können, so dass kein Anlass für eine entsprechende Regelung in der [X.] bestand.

b) Mit Art. 33 der Richtlinie 2011/95/[X.] könnte es aber unvereinbar sein, Personen mit subsidiärem Schutzstatus bei der Anordnung von [X.] auch dann wie andere Drittstaatsangehörige zu behandeln, wenn und weil anerkannte Flüchtlinge insoweit nach der [X.] einen stärkeren Schutz genießen. Denn gegenüber anerkannten [X.] dürfen nach der Rechtsprechung des [X.]s [X.] nicht allein zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten verfügt werden (Urteil vom 15. Januar 2008 - BVerwG 1 [X.] 17.07 - BVerwGE 130, 148 = [X.] 402.22 Art. 26 [X.] Nr. 3, jeweils Rn. 18 ff.). Dies ergibt sich aus Art. 23 GFK, wonach anerkannte Flüchtlinge bei der Gewährung von Leistungen der öffentlichen Fürsorge "die gleiche Behandlung" erhalten müssen wie die Staatsangehörigen des [X.]es. Nach der Rechtsprechung des [X.]s ist die "gleiche Behandlung" im Sinne von Art. 23 GFK ein weit gefasster Ausdruck, der nicht nur die gleichen Leistungen nach Art und Höhe einschließt, sondern auch voraussetzt, dass in vergleichbaren Situationen mit [X.] nicht anders umgegangen wird als mit den eigenen Staatsangehörigen.

Eine entsprechende Regelung findet sich in der Richtlinie 2011/95/[X.] jedoch nicht. Art. 29 der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, international schutzberechtigten Personen die "notwendige Sozialhilfe" wie eigenen Staatsangehörigen zu gewähren, fordert jedoch nicht, sie auch hinsichtlich der Modalitäten der Zahlung gleichzubehandeln, wie das in Art. 23 GFK geregelt ist. Insofern sieht das vorlegende Gericht einen Unterschied zwischen der allgemein für international Schutzberechtigte geltenden Regelung des Art. 29 der Richtlinie 2011/95/[X.] und der auf anerkannte Flüchtlinge beschränkten Regelung des Art. 23 GFK. Daraus folgt aber nicht notwendigerweise, dass eine unterschiedliche Behandlung von anerkannten [X.] und Personen mit subsidiärem Schutzstatus bei der Anordnung von [X.] im Fall des Bezugs öffentlicher Sozialleistungen nach Art. 33 der Richtlinie 2011/95/[X.] gerechtfertigt ist. Hierzu bedarf es vielmehr einer Klärung durch den Gerichtshof.

3. Vorlagefrage:

Es bedarf des Weiteren der Klärung, ob eine Wohnsitzauflage gegenüber Personen mit subsidiärem Schutzstatus mit der Richtlinie 2011/95/[X.] vereinbar ist, wenn sie auf migrations- oder integrationspolitische Gründe gestützt wird.

a) Die [X.] des [X.] zum [X.] vom 26. Oktober 2009 sieht die Verfügung einer Wohnsitzauflage gegenüber Ausländern, denen der Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen gestattet wird, im Fall des Bezugs [X.] Leistungen auch dann vor, wenn dies aus migrations- oder integrationspolitischen Gründen geboten erscheint. Erforderlich ist, dass entsprechende Auflagen dazu beitragen, einer Konzentrierung sozialhilfeabhängiger Ausländer in bestimmten Gebieten und der damit einhergehenden Entstehung von [X.] Brennpunkten mit ihren negativen Auswirkungen auf die Integration von Ausländern vorzubeugen. Entsprechende Maßnahmen sind aber auch gerechtfertigt, um Ausländer mit einem besonderen Integrationsbedarf an einen bestimmten Wohnort zu binden, damit sie dort von den Integrationsangeboten Gebrauch machen können. Auch auf diesen Zweck hat sich der Beklagte bei der Verhängung der im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Wohnsitzauflage gegen die Klägerin berufen.

Das vorlegende Gericht hält [X.] aus den in der [X.] genannten migrations- und integrationspolitischen Gründen auch gegenüber anerkannten [X.] und Personen mit subsidiärem Schutzstatus für prinzipiell gerechtfertigt. Für die Rechtmäßigkeit derartiger [X.] gegenüber [X.] spricht unter anderem, dass bereits die Verfasser der [X.] das Bedürfnis für zeitliche und räumliche Beschränkungen des Aufenthalts von [X.] aus migrationspolitischen Gründen für notwendig hielten. Im Rahmen der Beratungen zum späteren Art. 26 GFK (damals Art. 21 des Entwurfs) im Ad-Hoc-[X.]ommittee vom 27. Januar 1950 wiesen Delegierte mehrerer [X.] auf die Notwendigkeit hin, eine Konzentration von [X.] in Grenzregionen zum Herkunftsstaat zu verhindern ([X.]/[X.], [X.], [X.], [X.] ff. Rn. 74, 76 und 86 f.). Dies wurde unter anderem damit begründet, die Zahl der in Grenzregionen schon vorhandenen Minderheiten nicht weiter ansteigen zu lassen und der Gefahr zu begegnen, dass sich die Flüchtlinge an Bestrebungen beteiligen, die gegen die nationale Einheit gerichtet sind (Rn. 87). Das Komitee einigte sich schließlich auf die in Art. 26 GFK aufgenommene Regelung, wonach rechtmäßig im Land befindlichen [X.] nur solche zeitlichen und räumlichen Beschränkungen auferlegt werden sollen, die allgemein für Ausländer gelten (Rn. 93 und 119).

b) Nach der Rechtsprechung des vorlegenden Gerichts, die zur Rechtmäßigkeit von [X.] nach der [X.] ergangen ist, reicht jedoch eine bloß abstrakte Möglichkeit migrations- und integrationspolitischer Gründe nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass von den zuständigen Behörden die migrations- oder integrationspolitischen Gründe beschrieben, z.B. mögliche [X.] Brennpunkte benannt und die Eignung von [X.], einen Beitrag zur Lösung der Probleme zu leisten, jedenfalls in Umrissen angegeben werden, ohne dass die dabei anzuerkennende generelle Einschätzungsprärogative der Verwaltung von dieser Darlegungsverpflichtung berührt wird (vgl. Urteil vom 15. Januar 2008 a.a.[X.] Rn. 23). Ob diese Grundsätze auch im Rahmen von Art. 33 der Richtlinie 2011/95/[X.] gelten, und zwar für Personen mit subsidiärem Schutzstatus, bedarf einer Entscheidung des Gerichtshofs.

Meta

1 C 7/14

19.08.2014

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: C

vorgehend OVG Lüneburg, 28. März 2014, Az: 2 LC 14/14, Beschluss

Art 20 AEUV, Art 267 AEUV, Art 45 AEUV, Art 78 AEUV, § 12 Abs 2 AufenthG, § 25 Abs 2 AufenthG, § 25 Abs 3 AufenthG, § 5 Abs 1 Nr 1 AufenthG, § 60 Abs 2 AufenthG, Art 12 BürgPoRPakt, Art 18 EUGrdRCh, Art 18 EURL 95/2011, Art 2 Buchst d EURL 95/2011, Art 2 Buchst g EURL 95/2011, Art 20 Abs 1 EURL 95/2011, Art 20 Abs 2 EURL 95/2011, Art 29 EURL 95/2011, Art 33 EURL 95/2011, Art 23 FlüAbk, Art 26 FlüAbk, § 5 Abs 3 AufenthG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, EuGH-Vorlage vom 19.08.2014, Az. 1 C 7/14 (REWIS RS 2014, 3456)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3456

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15 N 19.1377

15 N 19.1438

15 N 19.1440

15 N 19.1439

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