Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.02.2024, Az. XII ZB 130/23

12. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 1660

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Gegenstand

Formale Anforderungen an langfristige Unterbringung eines Betreuten und Erweiterung der Betreuung


Leitsatz

1. Ist das Betreuungsgericht im Zeitraum vor dem 1. Januar 2028 im Rahmen einer Entscheidung über die Genehmigung der Unterbringung des Betreuten (§ 1831 Abs. 2 Satz 1 BGB) gemäß Art. 229 § 54 Abs. 4 Satz 2 EGBGB dazu verpflichtet, den Aufgabenkreis des Betreuers im Bestellungsbeschluss nunmehr an die Erfordernisse des § 1815 Abs. 2 BGB anzupassen, sind auf das Verfahren zur Neubestimmung des Aufgabenkreises die Vorschriften über die Erweiterung der Betreuung nach § 293 FamFG entsprechend anzuwenden.

2. Die Verfahrenserleichterung gemäß § 293 Abs. 3 FamFG, nach der für das Gericht die Möglichkeit des Absehens von einem Gutachten oder ärztlichen Zeugnis besteht, kommt insbesondere für solche Erweiterungen des Aufgabenkreises in Betracht, die darauf zurückzuführen sind, dass es nach dem seit dem 1. Januar 2023 gültigen Rechtszustand (§ 1815 Abs. 2 BGB) einer ausdrücklichen gerichtlichen Anordnung bestimmter Aufgabenbereiche bedarf.

3. Macht das Gericht von dieser Verfahrenserleichterung keinen Gebrauch, muss das von ihm eingeholte Sachverständigengutachten den formalen Anforderungen der §§ 293 Abs. 1 Satz 1, 280 FamFG genügen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 16. März 2023 und der Beschluss des [X.] vom 13. Januar 2023 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben, soweit hierin die Unterbringung des Betroffenen durch den Betreuer in einem psychiatrischen Krankenhaus oder im geschlossenen Bereich einer Pflegeeinrichtung genehmigt worden ist.

Im Übrigen wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 16. März 2023 aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung über die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des [X.] vom 16. Januar 2023 (Neubestimmung des [X.]) sowie zur Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des gesamten [X.] an das [X.] zurückverwiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.

Eine Festsetzung des [X.] (§ 36 Abs. 3 GNotKG) ist nicht veranlasst.

Gründe

I.

1

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wendet sich gegen die durch Zeitablauf erledigte Genehmigung seiner Unterbringung und gegen die Erweiterung seiner Betreuung.

2

Der im Jahre 1977 geborene Betroffene leidet seit Jahren unter einer schizoaffektiven Störung und einem Alkoholabhängigkeitssyndrom. Auf eigene Anregung ist für den Betroffenen seit dem Jahr 2018 eine Betreuung mit umfassendem Aufgabenkreis - unter anderem mit den Aufgabenbereichen Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung - eingerichtet. In der Folgezeit wurde der Betroffene mehrfach geschlossen untergebracht und im Rahmen der Unterbringung auch zwangsbehandelt.

3

Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht auf Antrag des Betreuers (Beteiligter zu 1) mit Beschluss vom 13. Januar 2023 die Unterbringung des Betroffenen zur Heilbehandlung bis einschließlich 12. Januar 2024 genehmigt. Mit weiterem Beschluss vom 16. Januar 2023 hat es den Aufgabenkreis des Betreuers an die seit dem 1. Januar 2023 gültige Rechtslage angepasst und um die Entscheidungen „über eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung (…) nach § 1831 Abs. 1 BGB“ sowie „über eine freiheitsentziehende Maßnahme im Sinne des § 1831 Abs. 4 BGB“ als weitere Aufgabenbereiche ergänzt.

4

Gegen beide Entscheidungen hat sich der Betroffene mit seiner Beschwerde gewendet. Mit Beschluss vom 16. März 2023 hat das Landgericht die Höchstfrist für die Genehmigung der Unterbringung auf den 12. Juli 2023 verkürzt und die weitergehenden Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Betroffene die Feststellung, durch die Unterbringungsbeschlüsse des Amtsgerichts und des [X.] in seinen Rechten verletzt worden zu sein, und wendet sich darüber hinaus gegen die Entscheidung zur Betreuung.

II.

5

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

6

1. Die Rechtsbeschwerde führt hinsichtlich der Unterbringung zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beschlüsse des Amtsgerichts und des [X.], weil diese den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben, was nach der in der [X.] entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 62 Abs. 1 FamFG festzustellen ist.

7

a) Mit Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass das von beiden Vorinstanzen verwertete Sachverständigengutachten vom 4. August 2022 verfahrensfehlerhaft erstellt worden ist.

8

aa) [X.] ist dabei allerdings, dass die Sachverständigen die behandelnden Ärztinnen des Betroffenen im Rahmen seiner stationären Unterbringung gewesen sind. Nach § 329 Abs. 2 Satz 2 FamFG soll das Gericht nur bei einer Unterbringung mit einer Gesamtdauer von mehr als vier Jahren keinen Sachverständigen bestellen, der den Betroffenen bisher behandelt hat. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass bei einer kürzeren Unterbringungsdauer auch der behandelnde Arzt zum Sachverständigen bestellt werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 24. November 2021 - [X.] 335/21 - FamRZ 2022, 304 Rn. 7 mwN).

9

bb) Gemäß § 321 Abs. 1 Satz 2 FamFG hat der Sachverständige den Betroffenen vor Erstattung des Gutachtens aber persönlich zu untersuchen oder zu befragen, wobei er vor der Untersuchung des Betroffenen bereits zum Sachverständigen bestellt sein und ihm den Zweck der Untersuchung eröffnet haben muss, damit der Betroffene sein Recht, an der Beweisaufnahme teilzunehmen, sinnvoll ausüben kann. Auch wenn dem Betroffenen durch Mitteilung des [X.] bekannt gemacht worden ist, dass ein behandelnder Arzt zum Gutachter bestellt wurde, wird er zunächst davon ausgehen dürfen, dass ihm dieser Arzt weiter als Behandler gegenübertritt, ohne dass er dabei ohne Weiteres mit einer Begutachtung für das Gericht rechnen muss. Deshalb muss der behandelnde Arzt dem Betroffenen deutlich zu erkennen geben, dass er von seiner Bestellung zum Sachverständigen an (auch) als gerichtlicher Gutachter tätig sein wird. In dieser Funktion muss er den Betroffenen gesondert untersuchen und darf sich für sein Gutachten auch nicht darauf beschränken, die aus der bisherigen Tätigkeit als behandelnder Arzt gewonnenen Erkenntnisse zu verwerten (vgl. Senatsbeschluss vom 24. November 2021 - [X.] 335/21 - FamRZ 2022, 304 Rn. 8 mwN).

cc) Diesen Anforderungen wird das am 4. August 2022 erstellte [X.] nicht gerecht. Zwar lässt sich ihm wohl noch entnehmen, dass am 27. Juli 2022 - und damit zeitlich nach dem Eingang des amtsgerichtlichen [X.] vom 25. Juli 2022 - eine gesonderte psychopathologische Befunderhebung erfolgt ist und das Gutachten somit offensichtlich nicht allein auf den Erkenntnissen beruht, welche die Sachverständigen aus der bisherigen Behandlung des Betroffenen gewonnen haben. Dagegen lassen weder die gerichtlichen Feststellungen noch der sonstige Akteninhalt erkennen, dass dem Betroffenen vor Beginn der Untersuchung die Funktion der Ärztinnen als gerichtliche Sachverständige eröffnet worden ist. Eine solche Unterrichtung wäre im vorliegenden Fall umso mehr erforderlich gewesen, als das Amtsgericht die Begutachtung nicht durch einen dem Betroffenen vorab bekannt gegebenen Beweisbeschluss angeordnet, sondern den Gutachtensauftrag durch formlose Verfügung vom 25. Juli 2022 unmittelbar gegenüber der Klinik erteilt hat.

b) Auf die weiteren [X.] der Rechtsbeschwerde kommt es danach für die Beurteilung, dass der Betroffene durch die Genehmigung der Unterbringungsmaßnahme in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt worden ist, nicht mehr an.

Die Feststellung, dass ein Betroffener durch angefochtene Entscheidungen in seinen Rechten verletzt ist, kann nicht nur auf der Verletzung materiellen Rechts, sondern grundsätzlich auch auf einer Verletzung des Verfahrensrechts beruhen. Ist es dem Betroffenen durch die Verfahrensgestaltung nicht möglich gewesen, seine Rechte im Rahmen der Beweisaufnahme sinnvoll wahrzunehmen, so wird in dem darin liegenden Gehörsverstoß (Art. 103 Abs. 1 GG) regelmäßig - wie auch hier - ein derart gravierender Verfahrensfehler zu sehen sein, dass die Unterbringungsmaßnahme den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung hat, der rückwirkend nicht mehr getilgt werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 24. November 2021 - [X.] 335/21 - FamRZ 2022, 304 Rn. 11 mwN).

c) Das nach § 62 Abs. 1 FamFG erforderliche berechtigte Interesse des Betroffenen daran, die Rechtswidrigkeit der - hier durch Zeitablauf erledigten - Genehmigung der Unterbringung feststellen zu lassen, liegt vor. Die gerichtliche Anordnung oder Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme bedeutet stets einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff im Sinne von § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG (vgl. Senatsbeschluss vom 24. November 2021 - [X.] 335/21 - FamRZ 2022, 304 Rn. 12 mwN).

2. Hinsichtlich der Entscheidung zur Anpassung des [X.] führt die Rechtsbeschwerde zur Aufhebung der angefochtenen Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

a) Dabei hat das Beschwerdegericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass sich das Verfahren der Anpassung bestehender Bestellungsbeschlüsse an das Erfordernis, die Entscheidungen über die freiheitsentziehende Unterbringung (§ 1815 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und freiheitsentziehende Maßnahmen (§ 1815 Abs. 2 Nr. 2 BGB) ausdrücklich in den Aufgabenkreis des Betreuers einzubeziehen, nach den Vorschriften über die Erweiterung der Betreuung (§ 293 FamFG) richtet.

Nach Art. 229 § 54 Abs. 4 Satz 1 EGBGB findet § 1815 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 BGB auf Betreuungen, die am 1. Januar 2023 bestehen, bis zum 1. Januar 2028 keine Anwendung. Damit sollen dem Betreuer die ihm vor dem Inkrafttreten des [X.] zustehenden [X.] während einer Übergangsfrist von fünf Jahren erhalten bleiben und insbesondere sichergestellt werden, dass ein Betreuer, dem nach früherem Recht (nur) die Aufgabenbereiche Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitssorge zugewiesen waren, während der Übergangsfrist weiterhin Unterbringungsmaßnahmen bei Gefahr im Verzug nach § 1831 Abs. 2 Satz 2 BGB ohne gerichtliche Genehmigung vornehmen kann (vgl. BT-Drucks. 19/24445 [X.], 488). Hat das Gericht indessen schon vor dem Ablauf der Übergangsfrist über die Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung oder - wie hier - in einem gerichtlichen Genehmigungsverfahren nach § 1831 Abs. 2 Satz 1 BGB über die Unterbringung des Betreuten zu entscheiden, ist es dazu verpflichtet, den Aufgabenkreis im Bestellungsbeschluss an die Erfordernisse des § 1815 Abs. 2 BGB anzupassen (Art. 229 § 54 Abs. 4 Satz 2 EGBGB). Obwohl damit in materiell-rechtlicher Hinsicht innerhalb der Übergangsfrist keine Änderung der [X.] des Betreuers verbunden ist, hat das Gericht bei der Anpassung des [X.] die Verfahrensvorschriften des § 293 FamFG über die Erweiterung der Betreuung entsprechend anzuwenden, zumal die ausdrückliche Zuweisung der Aufgaben nach § 1815 Abs. 2 BGB regelmäßig Wirkung auch über den Ablauf der fünfjährigen Übergangsfrist hinaus entfalten wird.

b) Nach § 293 Abs. 1 Satz 1 FamFG gelten für die Erweiterung des [X.] des Betreuers und die Erweiterung des [X.] der einwilligungsbedürftigen Willenserklärungen die Vorschriften über die Anordnung dieser Maßnahmen entsprechend. Daher hat das Gericht gemäß § 280 FamFG grundsätzlich ein Gutachten über die Notwendigkeit der Maßnahme einzuholen. Mit Recht beanstandet die Rechtsbeschwerde, dass das Beschwerdegericht seine Entscheidung über die Erweiterung der Betreuung nicht auf das am 28. Juli 2022 erstattete Sachverständigengutachten zur Frage der Notwendigkeit eines Einwilligungsvorbehalts stützen konnte.

aa) Im Ausgangspunkt hat das Beschwerdegericht allerdings zutreffend angenommen, dass es im vorliegenden Fall eines Sachverständigengutachtens bedurfte. Dies gilt auch mit Blick auf die nach § 293 FamFG möglichen [X.].

(1) Nach § 293 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FamFG kann das Gericht insbesondere dann von der persönlichen Anhörung des Betroffenen und von der Einholung eines Gutachtens oder ärztlichen Zeugnisses absehen, wenn die beabsichtigte Erweiterung der Betreuung nicht wesentlich ist. Diese [X.] kommen insbesondere dann nicht zum Tragen, wenn das Betreuungsgericht - wie hier - nach dem Inkrafttreten des reformierten Betreuungsrechts zum 1. Januar 2023 erstmals darüber zu befinden hat, die Entscheidung über die freiheitsentziehende Unterbringung (§§ 1831, 1815 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und freiheitsentziehende Maßnahmen (§§ 1831, 1815 Abs. 2 Nr. 2 BGB) gesondert in die Betreuung einzubeziehen. Denn die Erstreckung des [X.] auf diese Aufgaben ist kraft gesetzlicher Anordnung in § 293 Abs. 2 Satz 2 FamFG stets als wesentliche Erweiterung der Betreuung anzusehen.

(2) Nach § 293 Abs. 3 FamFG kann das Gericht auch bei einer wesentlichen Erweiterung der Betreuung von der Einholung eines Gutachtens oder eines ärztlichen Zeugnisses absehen, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers nicht aufgrund einer Änderung des Krankheits- oder Behinderungsbildes des Betroffenen, sondern aufgrund der Änderung seiner Lebensumstände oder einer unzureichenden Wirkung anderer Hilfen erweitert werden soll. Von dieser Regelung erfasst werden sollen zur Vermeidung eines Mehraufwands bei den [X.] vor allem solche Erweiterungen der Betreuung, die darauf zurückzuführen sind, dass es nach dem neuen Betreuungsrecht (§ 1815 Abs. 2 BGB) seit dem 1. Januar 2023 einer ausdrücklichen gerichtlichen Anordnung bestimmter Aufgabenbereiche bedarf (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.] FamFG 4. Aufl. § 293 Rn. 12; [X.] FamRZ 2022, 1, 5; vgl. auch BT-Drucks. 19/24445 S. 235).

Obwohl danach der Anwendungsbereich von § 293 Abs. 3 FamFG im vorliegenden Fall grundsätzlich eröffnet gewesen wäre, kam ein Absehen von der Begutachtung des Betroffenen gleichwohl nicht in Betracht. Die Einrichtung der Betreuung im Jahr 2018 erfolgte auf Anregung und mit Einverständnis des Betroffenen, so dass das Betreuungsgericht seinerzeit keine Feststellungen zum Vorliegen eines freien Willens im Sinne von § 1814 Abs. 2 BGB (früher: § 1896 Abs. 1a BGB) treffen musste. Nachdem der Betroffene im vorliegenden Verfahren durch die Einlegung der Beschwerde gegen den [X.] vom 16. Januar 2023 aber zum Ausdruck gebracht hatte, mit der Neubestimmung des [X.] nicht einverstanden zu sein, war es nunmehr jedenfalls erforderlich, Feststellungen zum Ausschluss der freien Willensbestimmung zu treffen. Diese Feststellungen müssen durch ein Sachverständigengutachten belegt sein (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2022 - [X.] 158/21 - FamRZ 2023, 467 Rn. 7 mwN).

bb) Aber auch unabhängig davon, ob das Gericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen von der Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte absehen können, muss ein gleichwohl zum Vorliegen der Betreuungsvoraussetzungen eingeholtes oder herangezogenes Gutachten, auf das sich das Gericht zur Begründung seiner Entscheidung stützen will, den formalen Anforderungen des § 280 FamFG genügen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2016 - [X.] 606/15 - FamRZ 2016, 2090 Rn. 11 mwN zur Einholung eines Gutachtens im Aufhebungsverfahren nach § 294 FamFG) und in verfahrensrechtlich ordnungsgemäßer Weise verwertet worden sein.

(1) Das ist hier nicht der Fall. Die gleichen rechtlichen Bedenken, die einer Verwertung des am 4. August 2022 erstellten Gutachtens im Unterbringungsverfahren entgegenstanden, ergreifen - wie die Rechtsbeschwerde mit Recht beanstandet - auch die Verwertung des am 28. Juli 2022 erstellten Gutachtens im Betreuungsverfahren. Auch hier hat das Amtsgericht die Begutachtung nicht durch einen dem Betroffenen vorab bekannt gegebenen Beweisbeschluss angeordnet, sondern den Gutachtensauftrag durch formlose Verfügung vom 6. Juli 2022 unmittelbar gegenüber der Klinik erteilt. Auch in diesem Fall lassen weder die gerichtlichen Feststellungen noch der sonstige Akteninhalt eine Unterrichtung des Betroffenen vor Beginn der Untersuchung darüber erkennen, dass die Befunderhebung durch die Ärztinnen in ihrer Funktion als gerichtliche Sachverständige erfolgen sollte.

(2) Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, dass wegen der gesetzlich angeordneten Förmlichkeit der Beweisaufnahme (§§ 280 Abs. 1 Satz 1, 30 Abs. 2 FamFG) die Verwertung eines in einem anderen Verfahren eingeholten Gutachtens verfahrensrechtlich nur dann zulässig ist, wenn es entsprechend § 411 a ZPO in das Verfahren eingeführt und dem Betroffenen Gelegenheit gegeben worden ist, zu den Ausführungen des zu verwertenden Gutachtens in dem vorliegenden Verfahren Stellung zu nehmen. Zudem muss das Gericht den Beteiligten vor der Anordnung der Verwertung des Gutachtens rechtliches Gehör gewähren, wenn es von der Möglichkeit des § 411 a ZPO Gebrauch machen will (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2016 - [X.] 152/16 - FamRZ 2017, 48 Rn. 8 mwN).

c) Die angefochtene Beschwerdeentscheidung kann daher keinen Bestand haben, soweit die Beschwerde des Betroffenen gegen die Anpassung des [X.] zurückgewiesen worden ist. Sie ist insoweit gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben, und in diesem Umfang ist die Sache gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, das weitere Feststellungen zu treffen haben wird.

3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

[X.]     

      

[X.]     

      

Botur 

      

Krüger     

      

[X.]     

      

Meta

XII ZB 130/23

07.02.2024

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Baden-Baden, 16. März 2023, Az: 1 T 10/23

§ 280 FamFG, § 293 Abs 1 S 1 FamFG, § 293 Abs 3 FamFG, § 1815 Abs 2 BGB, § 1831 Abs 2 S 1 BGB, Art 229 § 54 Abs 4 S 2 BGBEG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.02.2024, Az. XII ZB 130/23 (REWIS RS 2024, 1660)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1660

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