Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.07.2016, Az. 3 AV 1/16

3. Senat | REWIS RS 2016, 8051

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit


Leitsatz

Die Streitigkeit um die Zustimmung zu einer Fahrplanänderung für einen Buslinienfernverkehr bezieht sich nicht auf ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis im Sinne von § 52 Nr. 1 VwGO; die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts richtet sich in solchen Fällen nach § 52 Nr. 3 VwGO.

Gründe

1

1. Die Klägerin, ein Personenbeförderungsunternehmen, beabsichtigt eine [X.] für einen bereits genehmigten [X.] und begehrt dafür die Erteilung einer Genehmigung nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 des Personenbeförderungsgesetzes ([X.]) bzw. die Erteilung der Zustimmung nach § 40 Abs. 2 i.V.m. § 45 Abs. 2 [X.].

2

Mit Schreiben vom 25. April 2013 zeigte die Klägerin der [X.] eine [X.] für den von ihr von einem anderen Verkehrsunternehmen übernommenen [X.] auf der Strecke [X.] an. Statt - wie bisher genehmigt - viermal täglich an fünf Tagen in der Woche sollte die Strecke nunmehr sechsmal täglich an allen sieben Wochentagen bedient und dabei in [X.] wie bisher der Busbahnhof [X.]-Vaihingen als Haltestelle angefahren werden. In dem von der [X.] gemäß § 14 [X.] eingeleiteten Anhörungsverfahren verweigerte die Stadt [X.] das nach § 11 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 [X.] erforderliche Einvernehmen; die Haltestelle am Busbahnhof [X.]-Vaihingen sei u.a. aus Gründen der Verkehrssicherheit für den [X.] im geplanten Umfang nicht geeignet. Unter dem 14. Mai 2013 widersprach die Beklagte daraufhin gemäß § 45 Abs. 2 Nr. 2 [X.] der angezeigten [X.] und lehnte es mit Bescheid vom 1. Oktober 2013 ab, ihr zuzustimmen.

3

Nach erfolglosem Widerspruch hat die Klägerin Klage beim [X.] erhoben und angekündigt zu beantragen, die ablehnenden Bescheide aufzuheben und die Beklagte zur Genehmigung der [X.] zu verpflichten.

4

Mit Beschluss vom 2. September 2015, eingegangen am 10. März 2016, hat das [X.] das [X.] zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts angerufen. Es ist der Auffassung, die in Rede stehende Genehmigung bzw. Zustimmung zu der von der Klägerin angestrebten [X.] betreffe ein ortsgebundenes Recht im Sinne von § 52 Nr. 1 VwGO; wegen der Länge der Strecke kämen mehrere Gerichte in Betracht.

5

2. Die Anrufung des [X.]s ist unzulässig. Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 53 Abs. 3 VwGO sind nicht erfüllt, weil für das Streitverfahren nicht die Zuständigkeit verschiedener Gerichte in Betracht kommt. Die Streitigkeit bezieht sich nicht auf ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis im Sinne von § 52 Nr. 1 VwGO, vielmehr richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach § 52 Nr. 3 VwGO. Örtlich zuständig ist danach das [X.].

6

Gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO wird das zuständige Gericht innerhalb der [X.]barkeit durch das nächsthöhere Gericht bestimmt, wenn der Gerichtsstand sich nach § 52 richtet und verschiedene Gerichte in Betracht kommen. Kommen Gerichtsstände in mehreren Bundesländern in Betracht, ist das nächsthöhere Gericht im Sinne dieser Regelung das [X.] (vgl. [X.], Beschlüsse vom 7. Mai 1996 - 2 AV 1.95 - NVwZ 1996, 998 m.w.N. und vom 24. Juli 1962 - 7 ER 420.62 - [X.] 310 § 52 VwGO Nr. 2 S. 2).

7

a) Die strittige Frage, ob die Beklagte zu Recht die Zustimmung zu der von der Klägerin angestrebten [X.] abgelehnt hat, bezieht sich nicht auf ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis im Sinne von § 52 Nr. 1 VwGO; nach dieser Regelung ist bei Streitigkeiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, nur das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt.

8

aa) Den [X.] zu § 52 Nr. 1 VwGO ([X.]. 3/55 S. 35) ist zu entnehmen, dass durch diese Regelung nicht nur die so genannten radizierten Realrechte, sondern auch andere Rechte erfasst werden sollen, die zu einem bestimmten Territorium in besonderer Beziehung stehen (vgl. dazu [X.], Beschlüsse vom 10. Dezember 1996 - 7 AV 11.96 u.a. - [X.] 310 § 52 VwGO Nr. 37 = NJW 1997, 1022 <1023> und vom 30. Januar 1964 - 2 ER 402.63 - [X.]E 18, 26 <28>).

9

Nach der Rechtsprechung des [X.]s gehören zu den ortsgebundenen Rechten im Sinne dieser Regelung vor allem die an ein bestimmtes Grundstück geknüpften Rechte, weil sie unter Voraussetzung dieser örtlichen Gebundenheit eingeräumt sind. Ferner zählen dazu die nur in der natürlichen Ausübung an bestimmte Grundstücke gebundenen Rechte, weil auch in diesen Fällen die in § 52 Nr. 1 VwGO vorausgesetzte weitgehende Verbindung zwischen dem strittigen Recht und dem Territorium besteht, auf dem es ausgeübt wird. Dementsprechend hat das [X.] § 52 Nr. 1 VwGO in einem [X.] für anwendbar erachtet, in dem es um den Widerruf der Erlaubnis zum Befahren eines Sees ging ([X.], Beschluss vom 24. Juli 1962 - 7 ER 420.62 - [X.] 310 § 52 VwGO Nr. 2), ebenso wegen des engen räumlichen Zusammenhangs mit dem Betrieb eines Verkehrsflughafens für eine Klage gegen die Festlegung von An- und Abflugstrecken ([X.], Urteil vom 28. Juni 2000 - 11 C 13.99 - [X.]E 111, 276 <277>) sowie bei einer Klage auf nachträgliche Schutzauflagen nach Unanfechtbarkeit eines straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses ([X.], Beschluss vom 31. März 2004 - 9 A 33.03 - NVwZ-RR 2004, 551 <552>). Dagegen hat das [X.] die Anwendbarkeit von § 52 Nr. 1 VwGO bei einer Anfechtungsklage verneint, die sich gegen Bescheide richtete, mit denen nach Maßgabe des [X.] (Gentechnikgesetz - [X.]) in der damals geltenden Fassung die Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen an verschiedenen Standorten genehmigt worden war; zur Begründung hat das [X.] darauf abgestellt, dass diese Genehmigung wegen der in § 14 Abs. 3 [X.] normativ angelegten Ergänz- und Austauschbarkeit der im Antragsverfahren angegebenen und überprüften Standorte nicht mit hinreichender Nachhaltigkeit standortbezogen sei (Beschluss vom 10. Dezember 1996 - 7 AV 11.96 u.a. - [X.] 310 § 52 VwGO Nr. 37 = NJW 1997, 1022 <1023>).

bb) Ausgehend davon handelt es sich bei dem Rechtsstreit um die Zustimmung zu der von der Klägerin angestrebten [X.] nicht um eine Streitigkeit, die sich auf ein ortgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis im Sinne von § 52 Nr. 1 VwGO bezieht.

Gemäß § 40 Abs. 1 [X.], der nach § 45 Abs. 2 [X.] auch auf den Linienverkehr mit [X.]fahrzeugen anwendbar ist, müssen Fahrpläne die Führung der Linie, ihren Ausgangs- und Endpunkt sowie die Haltestellen und Fahrzeiten enthalten. Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 [X.] bedürfen Fahrpläne und deren Änderungen vorbehaltlich § 45 Abs. 2 Nr. 2 [X.] der Zustimmung der Genehmigungsbehörde. Zwar weist der Fahrplan - ebenso wie die [X.] - insoweit einen Ortsbezug auf, als dort die Streckenführung und die durch den betreffenden Linienverkehr zu bedienenden Haltestellen festgelegt werden. Ein Ortsbezug spiegelt sich auch im Versagungsgrund des § 13 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wider; danach ist u.a. beim Linienverkehr mit [X.]fahrzeugen die Genehmigung zu versagen, wenn der Verkehr auf Straßen durchgeführt werden soll, die sich aus Gründen der Verkehrssicherheit oder wegen ihres Bauzustandes hierfür nicht eignen. Ob ein solcher Hinderungsgrund besteht, ist nicht nur im Genehmigungsverfahren nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 [X.], sondern auch in einem nachträglichen Verfahren auf Zustimmung zu einer [X.] nach § 40 Abs. 2 und § 45 Abs. 2 [X.] zu prüfen (vgl. u.a. [X.], Urteil vom 24. September 2012 - 11 B 12.321 - juris Rn. 74). Doch beschränkt sich das Prüfprogramm der Genehmigungsbehörde bei der Entscheidung über die Zustimmung zu einer [X.] nicht auf solche Fragen mit Ortsbindung. Vielmehr hat sie regelmäßig auch zu prüfen, ob durch eine Änderung des bisherigen Fahrplans öffentliche Verkehrsinteressen beeinträchtigt werden (vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 3 [X.]; s. dazu auch [X.], Urteil vom 28. März 2012 - 11 B 10.2554 - juris Rn. 55 f. sowie [X.], [X.], § 40 [X.] Rn. 10). Außerdem sind nach § 40 Abs. 2 Satz 3 [X.], wenn durch [X.]en die Interessen anderer Verkehrsunternehmen berührt werden, diese vor der Änderung zu hören. Auch das weist über eine rein ortsgebundene Fragestellung hinaus.

Danach liegt die für die Anwendung von § 52 Nr. 1 VwGO erforderliche Ortsgebundenheit bei einem Rechtsstreit über die Zustimmung zu einer [X.] (§ 40 [X.]) nicht vor. Hinzu kommt, dass die Heranziehung von § 52 Nr. 1 VwGO gerade bei Fernbuslinien, die entlang ihres in aller Regel gerichtsbezirksüberschreitenden Streckenverlaufs Bezüge nicht nur zu einem, sondern zu einer Vielzahl von Orten aufweisen, von vornherein nicht geeignet wäre, eine gesicherte Bestimmung des örtlich zuständigen [X.] zu ermöglichen. Insoweit ähnelt die Sachlage dem vom [X.] mit Beschluss vom 10. Dezember 1996 entschiedenen Fall, in dem eine Genehmigung zur Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen auf verschiedenen in mehreren Gerichtsbezirken gelegenen Standorten angefochten worden war.

b) Stattdessen ist die örtliche Zuständigkeit des [X.] in solchen Fällen nach § 52 Nr. 3 VwGO zu bestimmen. Örtlich zuständig ist nach Satz 1 dieser Regelung bei allen anderen [X.] vorbehaltlich der Nummern 1 und 4 das Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk der Verwaltungsakt erlassen wurde. Da das nach Satz 5 der Bestimmung auch bei [X.] in den Fällen der Sätze 1, 2 und 4 gilt, ist bei einem Verpflichtungsbegehren das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der erstrebte Verwaltungsakt, hier die Zustimmung zu der [X.] nach § 40 [X.], die ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt ist (vgl. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, § 40 [X.] Anm. 3c; [X.]/[X.]/Zuck, Personenbeförderungsrecht, 4. Aufl. 2013, § 40 [X.] Rn. 2), zu erlassen wäre.

Dementsprechend ist hier - der sich aus § 11 Abs. 3 und 4 [X.] ergebenden behördlichen Zuständigkeit der [X.] folgend - das [X.] örtlich zuständig. Durch Anwendung von § 52 Nr. 3 VwGO wird die in § 11 Abs. 3 und 4 [X.] für das Verwaltungsverfahren vorgesehene Auflösung einer Konkurrenz von Behördenzuständigkeiten in das verwaltungsgerichtliche Verfahren gleichsam "verlängert" (vgl. zu diesem Gesichtspunkt [X.] in: [X.], 14. Aufl. 2014, § 52 Rn. 13). Zudem ermöglicht § 52 Nr. 3 VwGO - anders als das bei § 52 Nr. 1 VwGO der Fall wäre - in solchen Verfahren regelmäßig eine klare Zuständigkeitsbestimmung und macht damit ein das Hauptsacheverfahren verzögerndes Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach § 53 VwGO entbehrlich.

Meta

3 AV 1/16

18.07.2016

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AV

vorgehend VG Karlsruhe, 2. September 2015, Az: 3 K 1391/14, Beschluss

§ 52 Nr 1 VwGO, § 52 Nr 3 VwGO, § 53 Abs 1 Nr 3 VwGO, § 53 Abs 3 VwGO, § 2 Abs 1 Nr 3 PBefG, § 11 PBefG, § 40 Abs 2 PBefG, § 45 Abs 2 PBefG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.07.2016, Az. 3 AV 1/16 (REWIS RS 2016, 8051)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8051

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 AV 4/16 (Bundesverwaltungsgericht)

Örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts beim Streit um die Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis für die Weiterführung …


3 AV 3/16 (Bundesverwaltungsgericht)

Örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts beim Streit um die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung


3 AV 2/16 (Bundesverwaltungsgericht)

Örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts beim Streit um die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung


6 AV 1/20 (Bundesverwaltungsgericht)

Örtlich zuständiges Gericht für Klage auf Befreiung vom Rundfunkbeitrag wegen Zweitwohnung


8 AV 1/20 (Bundesverwaltungsgericht)

Keine Zuständigkeitsbestimmung bei eindeutiger und widerspruchsfreier gesetzlicher Regelung der örtlichen Zuständigkeit


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.