Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.12.2011, Az. XI ZB 13/11

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 216

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI [X.]/11

vom

20. Dezember 2011

in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2
a)
Klagt eine [X.] im eigenen Gerichtsstand, so sind die Reisekosten ihres Rechtsanwalts, der weder am Gerichtsort noch am Wohn-
oder Geschäftsort der [X.] ansässig ist ("Rechtsanwalt am dritten Ort"), zur zweckentsprechen-den Rechtsverfolgung grundsätzlich nicht erforderlich. Es sind deshalb nur die-jenigen Reisekosten zu erstatten, die aus dem
Auseinanderfallen von Gerichts-ort einerseits und Geschäfts-
oder Wohnsitz der [X.] andererseits entstehen (Fortführung von [X.], Beschlüsse vom 22.
Februar 2007 -
VII
ZB 93/06, NJW-RR 2007, 1071 Rn.
11 und vom 22.
April 2008 -
XI
ZB 20/07, juris Rn.
8).

b)
Die Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Rechtsanwalts am dritten Ort ist zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nur dann ausnahmsweise notwendig, wenn ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht [X.] werden kann (Fortführung
von [X.], Beschluss vom 12.
Dezember 2002 -
I
ZB 29/02, NJW 2003, 901, 902).

[X.], Beschluss vom 20. Dezember 2011 -
XI [X.]/11 -
OLG [X.]

LG Baden-Baden

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.] und [X.]
Ellenberger, [X.],
Dr.
Matthias
und Pamp

am 20.
Dezember 2011

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 11.
Zivilsenats des [X.] vom 14.
April 2011 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 458,57

Gründe:
I.
Der
im Bezirk des [X.] ansässige
Kläger hat
die beklagte Bank
vor dem [X.] Baden-Baden
auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Kauf von Anteilen an einem Medienfonds in Anspruch
genommen. Das [X.] hat der Klage überwiegend stattgegeben und der [X.]n die Kosten des Rechtsstreits auf-erlegt. Das Berufungsgericht hat das Urteil des [X.]s geringfügig
abge-ändert
und
die Kosten des Berufungsverfahrens
ebenfalls der [X.]n aufer-legt. Ihre
Nichtzulassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung hat die [X.] zurückgenommen. Der Kläger ist von in [X.] ansässigen [X.]
-
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-
ten vertreten worden, die er wegen ihrer Spezialisierung auf Fälle des Kapital-anlagerechts beauftragt hat und die bundesweit zahlreiche weitere Anleger desselben Medienfonds vertreten. Er hat zum Kostenausgleich u.a. [X.] seiner Prozessbevollmächtigten für einen Verhandlungstermin
beim Land-gericht Baden-Baden
in Höhe von 438,01

nebst Umsatzsteuer angemeldet.
Das [X.] hat diese Kosten in vollem Umfang festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der [X.]n hat das Beschwerdegericht den Kosten-festsetzungsbeschluss des [X.]s
abgeändert und lediglich die fiktiven Reisekosten eines am Wohnsitz des [X.] ansässigen [X.] in Höhe von 63,45

e-lassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

II.
Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 ZPO statthafte und auch im Übri-gen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Beauftragung eines an einem dritten Ort, also weder am Wohn-
oder Geschäftsort der [X.] noch am Gerichtsort ansässigen Rechts-anwalts in Fällen, in denen eine [X.] im eigenen Gerichtsstand klage oder verklagt werde, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne
des §
91 Abs.
2 Satz
1 Halbs.
2 ZPO regelmäßig nicht als erforderlich anzusehen sei. Dessen Reisekosten seien folglich mit Ausnahme der fiktiven Reisekosten ei-nes am Wohn-
oder Geschäftsort der [X.] ansässigen Rechtsanwalts zum Gerichtsort nicht zu erstatten. Dies gelte auch dann, wenn die [X.] einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens bereits vorgerichtlich mit ihrer Interessenvertre-2
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tung beauftragt gehabt habe. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz liege nicht vor, da die Brauchbarkeit der vom Kläger eingewandten Spezialisierung seiner Anwälte wegen der im Kostenfestsetzungsverfahren geltenden typisierenden Betrachtung im Einzelfall nicht geprüft werden könne. [X.] hätten sowohl am Sitz des [X.]s als auch in unmittelbarer Nähe des [X.] des [X.] zahlreiche
geeignete
Rechtsanwälte mit Spezialkenntnissen im Bereich des Kapitalanlagerechts für eine ordnungsgemäße Vertretung des [X.] zur Verfügung gestanden.
2.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.
Die
über den zuerkannten Betrag hinaus geltend gemachten
[X.] des Prozessbevollmächtigten des [X.] sind nicht erstattungsfähig, weil sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig waren (§
91 Abs.
1 Satz
1, Abs.
2 Satz
1 Halbs.
2 ZPO).
a) Die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts, der zwar beim Prozessgericht auftreten kann, dort aber nicht zugelassen ist, ist zur [X.] Rechtsverfolgung grundsätzlich nicht notwendig, wenn die [X.] -
wie hier
-
in ihrem eigenen Gerichtsstand klagt ([X.], Beschlüsse vom 12.
Dezember 2002 -
I
ZB 29/02, NJW 2003, 901, 902, vom 22.
Februar 2007 -
VII
ZB 93/06, NJW-RR 2007, 1071
Rn.
10
ff.
und vom 22.
April 2008

XI
ZB 20/07, juris Rn.
7 mwN).
b) Die Rechtsbeschwerde macht demgegenüber geltend, dass vorlie-gend besondere Gegebenheiten die Einschaltung der auswärtigen [X.] erforderlich gemacht hätten. Im Verfahren gehe es um einen Medienfonds, mithin um eine Spezialmaterie des Kapitalanlagerechts, in die sich die Prozessbevollmächtigten des [X.], die weit über hundert weitere Anleger desselben Fonds vertreten würden, mehrjährig eingearbeitet hätten. Da 5
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-
auch die [X.] von einer spezialisierten Anwaltskanzlei mit erheblicher Pro-zesserfahrung im Bereich der Medienfonds vertreten werde, habe der Kläger unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit die Hilfe eines
spezialisierten Rechtsanwalts
in Anspruch nehmen dürfen. Diese Einwände greifen nicht durch.
aa) Die Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Rechtsanwalts erscheint nur dann ausnahmsweise als notwendig, wenn ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann ([X.], Beschluss vom 12.
Dezember 2002 -
I
ZB 29/02, NJW 2003, 901, 902;
KG [X.] 2010, 428, 429). Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat das Be-schwerdegericht -
entgegen der Darstellung der Rechtsbeschwerde
-
ausdrück-lich festgestellt, dass am Sitz des [X.] sowie in [X.] Nähe des Wohnortes des [X.] zahlreiche geeignete Rechtsanwälte zur Verfügung stehen.
[X.]) Etwas anderes ergibt sich auch
nicht daraus, dass die [X.] des [X.] -
wie die Rechtsbeschwerde geltend macht
-
vor-prozessual staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten hinsichtlich des streitge-genständlichen Medienfonds gesichtet haben und weitere Anleger desselben Fonds in [X.] vertreten. Vielmehr ist allein der Umstand, dass der mit der Prozessvertretung beauftragte auswärtige Rechtsanwalt für die [X.] in derselben Angelegenheit bereits vorprozessual tätig war, nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] nicht geeignet, die kostenträchtige Mandatierung eines auswärtigen Rechtsanwaltes zu rechtfertigen ([X.], [X.] vom 12.
Dezember 2002 -
I
ZB 29/02, NJW
2003,
901, 903 und vom 22.
Februar 2007 -
VII
ZB 93/06, NJW-RR 2007, 1071, 1072).

9
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-
Zwar ist der Rechtsbeschwerde einzuräumen, dass es im Allgemeinen immer dann, wenn bereits ein auswärtiger Anwalt eingeschaltet ist, kostengüns-tiger ist, diesen Rechtsanwalt auch mit der Prozessvertretung zu beauftragen. Für die Frage, ob eine bestimmte Rechtsverfolgungs-
oder Rechtsverteidi-gungsmaßnahme notwendig ist, ist jedoch nicht erst auf den Zeitpunkt abzustel-len, in dem der auswärtige Rechtsanwalt bereits vorprozessual tätig geworden ist. Vielmehr empfiehlt es sich aus der Sicht der vernünftigen und kostenorien-tierten [X.], schon vorprozessual einen in ihrer Nähe befindlichen Rechtsan-walt einzuschalten
([X.], Beschlüsse vom 12.
Dezember 2002 -
I
ZB 29/02, NJW 2003, 901, 903 und vom 22.
Februar 2007 -
VII
ZB 93/06, NJW-RR 2007, 1071, 1073).
cc) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde sind die geltend ge-machten Reisekosten der [X.]er Prozessbevollmächtigten des [X.] auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil ein Rechtsanwalt, der am Wohnort des [X.] oder am Gerichtsort ansässig ist, die Reisekosten einer Informationsreise zur Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft [X.] hätte beanspruchen können. Zutreffend weist die Rechtsbeschwerdeerwiderung insoweit daraufhin, dass der für das Klagebegehren maßgebliche Umstand der Zahlung einer dem
Kläger verschwiegenen Rückvergütung an die [X.] im Prozess von Anfang an unstreitig war und dass die Tatsache von [X.] bei von der [X.]n vertriebenen Medienfonds bei Klageerhebung im Mai 2008 bereits Gegenstand von Gerichtsverfahren
und Veröffentlichungen war.
[X.]) Schließlich rechtfertigt auch die Tatsache, dass die inzwischen weit verbreitete Spezialisierung zu den Umständen zählt, derentwegen das Bundes-verfassungsgericht die Singularzulassung von Rechtsanwälten bei den [X.] für verfassungswidrig erklärt hat (vgl. [X.], Urteil vom 13.
Dezember 2000 -
1
BvR 335/97, [X.]E 103, 1, 17 f.),
-
entgegen der 11
12
13
-
7
-
Rechtsansicht der Beschwerde
-
keine andere Beurteilung ([X.], Beschlüsse vom 22.
Februar 2007 -
VII
ZB 93/06, NJW-RR 2007, 1071, 1072 und vom 22.
April 2008 -
XI
ZB 20/07, juris Rn.
8 mwN).
c) Das Interesse, sich durch einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens vertre-ten zu lassen, erlaubt es einer [X.] nicht, ohne kostenrechtliche Nachteile ei-nen auswärtigen Rechtsanwalt mit ihrer gerichtlichen Vertretung unabhängig davon zu beauftragen, wie weit dessen Kanzlei von ihrem Wohn-
oder Ge-schäftssitz und dem Gerichtsort entfernt ist. [X.] sind deshalb auch hier nur diejenigen Kosten eines Prozessbevollmächtigten, die aus einem Aus-einanderfallen von Gerichtsort einerseits und Geschäfts-
oder Wohnsitz einer [X.] andererseits entstehen ([X.], Beschluss vom 22.
Februar 2007 -
VII
ZB 93/06, NJW-RR 2007, 1071
Rn. 14).

[X.]

Ellenberger

[X.]

Matthias

Pamp
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 02.02.2011 -
2 [X.]/08 -

OLG [X.], Entscheidung vom 14.04.2011 -
11 W 5/11 -

14

Meta

XI ZB 13/11

20.12.2011

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.12.2011, Az. XI ZB 13/11 (REWIS RS 2011, 216)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 216

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