Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.05.2013, Az. V ZB 24/12

V. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5754

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

V ZB
24/12

vom

16. Mai 2013

in der Zwangsversteigerungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 74a Abs. 1 und 2; ZPO § 89 Abs. 2
Der in einem Zwangsversteigerungsverfahren namens eines Berechtigten von ei-nem vollmachtlosen Vertreter gestellte Antrag, den Zuschlag wegen Nichterrei-chens der 7/10-Grenze zu versagen, kann von dem Berechtigten -
sofern der [X.] nicht bereits wegen des [X.]smangels zurückgewiesen worden ist
-
auch nach dem Schluss der Verhandlung über den Zuschlag mit [X.] genehmigt werden.
[X.], Beschluss vom 16. Mai 2013 -
V [X.] -
LG [X.] am Main

AG [X.] am Main

-
2
-

Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 16. Mai 2013
durch die
Vorsit-zende Richterin [X.], die
Richter
Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch, Dr.
Czub und [X.] und die Richterin Dr. Brückner

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des [X.]s [X.] am Main vom 23. Januar 2012 wird [X.].
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 760.000

für die Gerichtsgebühren und für die Vertretung der Be-teiligten zu
1 sowie 1.278.230 für die Vertretung der Beteiligten zu
2.

Gründe:

I.
Die Beteiligte zu 2 betreibt die Zwangsversteigerung des im Eingang die-ses Beschlusses bezeichneten Grundbesitzes. Dessen Wert ist von dem Voll-s-termin vom 2. September 2010 blieb die Beteiligte zu
1 Meistbietende mit einem Ge-antragte, den Zuschlag gemäß §
74a Abs. 1 [X.] wegen [X.] der 7/10-Grenze zu versagen. Die von ihm im Termin überreichte [X.] ist von einem Prokuristen und einer weiteren Mitarbeiterin der Beteiligten zu 2 unter-schrieben.
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Mit Beschluss vom 23. September 2010 hat das Vollstreckungsgericht den Zuschlag antragsgemäß
versagt. Hiergegen hat die Beteiligte zu
1 Be-schwerde mit der Begründung eingelegt, der für die Beteiligte zu 2 im Verstei-gerungstermin aufgetretene Rechtsanwalt sei nicht ordnungsgemäß bevoll-mächtigt gewesen. Dem Prokuristen
sei nur Gesamtprokura erteilt worden; die [X.] habe demnach zusätzlich von einem Vorstandsmitglied oder einem
weiteren Prokuristen unterschrieben werden müssen. Daran fehle
es. Folglich sei ein Antrag nach §
74a Abs. 1 [X.] nicht wirksam gestellt worden.
Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelas-senen Rechtsbeschwerde
möchte die Beteiligte zu 1 weiterhin die
Erteilung des Zuschlags an sich erreichen.

II.
Das Beschwerdegericht hält die [X.] des Rechtsanwalts für un-wirksam. Die Beteiligte zu 2 habe dessen
Verfahrensführung aber im Verlauf des Beschwerdeverfahrens zumindest stillschweigend genehmigt. Die Geneh-migung
habe rückwirkende Kraft. Dass der Antrag auf Versagung des [X.] wegen [X.] der 7/10-Grenze nur bis zum Schluss der [X.] über den Zuschlag gestellt werden könne, stehe dem nicht entgegen.

III.
Die nach §
574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Beschwerdegericht nimmt ohne Rechtsfehler an, dass die Beschwerde der Beteiligten zu
1 gegen die Ent-scheidung über den Zuschlag unbegründet ist.
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1. Allerdings ist die Beteiligte zu
1 als Meistbietende beschwerdeberech-tigt (§
97 Abs. 1 [X.])
und kann die Beschwerde gemäß §
100 Abs. 1 i.V.m. §
81 Abs.
1 [X.] darauf stützen, dass ihr
der Zuschlag habe erteilt werden müssen, weil der für die Beteiligte zu 2 gestellte Antrag
nach §
74a Abs.
1 [X.] unwirksam gewesen sei (vgl. [X.], [X.], 20. Aufl., §
74a [X.]. 9.14
sowie Hintzen in [X.]/[X.]/Hintzen/[X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., §
81 Rn. 3). Ihr ist es dabei auch nicht verwehrt, sich erstmals im [X.] auf einen
Mangel der [X.] des für die Beteiligte zu
2 im Verstei-gerungstermin aufgetretenen Rechtsanwalts
zu berufen.
a) Die allgemeinen Vorschriften über Prozessbevollmächtigte (§§
78
ff. ZPO) gelten,
soweit sich nicht aus dem Zwangsversteigerungsgesetz etwas anderes ergibt, sinngemäß auch im Zwangsversteigerungsverfahren
(vgl. [X.], Urteil vom 20. Januar 2011 -
I
ZR 122/09, NJW 2011, 929, 931 Rn. 21; [X.], [X.], 20.
Aufl., [X.]. Rn. 50). Zu diesen zählt die Vorschrift des §
88 Abs.
1
ZPO, die bestimmt, dass der Mangel der [X.] eines Bevollmächtigten von dem Gegner in jeder Lage des Rechtsstreits gerügt werden kann. Die Beteiligte zu
1 ist als "Gegner"
im Sinne dieser Vorschrift anzusehen, da die Wirksamkeit des Antrags nach §
74a
Abs. 1 [X.] unmittelbare Auswirkungen auf ihre Rechtsstellung als Meistbietende hat.
b) Die Vorschrift des §
88 Abs. 1 ZPO wird
nicht durch den für die [X.]beschwerde geltenden
Grundsatz eingeschränkt, wonach
neue oder erst im Beschwerdeverfahren bekannt gewordene Tatsachen bei der Entschei-dung über die Beschwerde unberücksichtigt bleiben (Senat, Urteil vom 13. Juli 1965 -
V
ZR 269/62, [X.]Z 44, 138, 143 f.; Beschluss vom 24. November 2005
-
V
ZB 99/05, [X.], 505, 506 f.).
[X.])
Handelt es sich bei dem Bevollmächtigten nicht um einen Rechtsan-walt, macht der Beschwerdeführer mit der Rüge ohnehin einen dem Vollstre-6
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ckungsgericht unterlaufenen Verfahrensfehler geltend. Er stützt seine Be-schwerde dann nämlich darauf, dass die Prüfung der [X.], die dem [X.] in einem solchen Fall nach §
88 Abs. 2 Halbsatz 1 ZPO von Amts wegen obliegt, unterblieben ist oder unzureichend war.

[X.])
Anders liegt es zwar, wenn das Vollstreckungsgericht die [X.] nicht prüfen musste, weil -
wie hier -
ein Rechtsanwalt für einen Verfahrensbe-teiligten aufgetreten und ein Mangel seiner [X.] nicht gerügt worden ist (§
89
Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO; anders bei Vertretung eines Bieters: vgl. §
71
Abs.
2 [X.] sowie [X.], Urteil vom 20. Januar 2011 -
I
ZR 122/09, NJW 2011, 929, 930
Rn.
14). Auch in diesem Fall ist aber die erstmals mit der Beschwerde gegen die Zuschlagsentscheidung
erhobene Rüge des Mangels der [X.] beachtlich. Denn Sinn und Zweck des §
88 ZPO erfordern es, die Rüge des Mangels der [X.] auch bei einer Zwangsversteigerung in jeder Lage des Verfahrens zuzulassen. Da Rechtsanwälte als unabhängige Organe der Rechtspflege besonderes Vertrauen genießen, darf sich das Gericht, nicht zu-letzt im Interesse der Verfahrensvereinfachung, grundsätzlich auf ihre Erklärung verlassen, ihnen sei [X.] erteilt worden
(vgl. [X.]/[X.], 4.
Aufl., §
88 Rn. 1; Musielak/[X.], ZPO, 9. Aufl., §
88 Rn.
1; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO,
71. Aufl., §
88 Rn. 2). [X.] stellt es einen schweren Rechtsfehler
dar, wenn für einen Verfahrensbetei-ligten ein vollmachtloser Vertreter aufgetreten ist (vgl. § 547 Nr. 4, §
579 Abs.
1 Nr.
4 ZPO); einen
solchen Fehler gilt es
auch im Verfahren der Zwangsverstei-gerung möglichst zu vermeiden. Da das Unterbleiben einer Rüge den Voll-machtsmangel nicht beseitigt, ist es gerade dort, wo das Gericht ohne Rüge nicht zu einer Prüfung der [X.] verpflichtet ist, unverzichtbar, dass die Verfahrensbeteiligten diese
Prüfung in jeder Lage des Verfahrens erzwingen können.
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2. Ein etwaiger Mangel der [X.] des für die Beteiligte zu 2 aufgetre-tenen Rechtsanwalts ist jedoch geheilt.
a) Rechtsfehlerfrei und von der Rechtsbeschwerde insoweit nicht ange-griffen entnimmt das Beschwerdegericht dem -
von zwei Prokuristen unter-zeichneten
-
Schreiben der Beteiligten zu 2 vom 23. Dezember 2010, in
dem diese
einen Mangel der [X.] in Abrede stellt, den Willen, die Erklärungen des in ihrem Namen aufgetretenen Rechtsanwalts erforderlichenfalls nachträg-lich zu genehmigen

89 Abs. 2 ZPO).
b) Eine vollmachtlose Vertretung
ist
-
solange es an einer auf die [X.] [X.] gestützten
gerichtlichen
Entscheidung fehlt (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 17. April 1984 -
GmS-OGB 2/83, [X.]Z 91, 111, 115
f.)
-
auch im Zwangsversteigerungsverfahren grundsätzlich der Genehmigung nach §
89
Abs.
2
ZPO zugänglich
(ebenso [X.], [X.], 20. Aufl., [X.]. [X.]. 50.7; [X.], Rpfleger 2008, 404, 406).
[X.]) Eine Sonderregelung sieht
das Gesetz nur für die Vertretung des Bieters vor

71 Abs. 2 [X.]); danach muss die Vertretungsmacht für einen Bieter -
und zwar auch dann, wenn dieser durch einen Rechtsanwalt vertreten wird (vgl. [X.], Urteil vom 20. Januar 2011 -
I
ZR 122/09, NJW 2011, 929, 930 Rn.
14)
-
im Termin durch eine öffentlich beglaubigte Urkunde sofort [X.] werden. Allein hierauf bezieht sich die von der Rechtsbeschwerde ange-führte Entscheidung des Senats (Beschluss vom 16. Februar 2012 -
V
ZB 48/11, NJW-RR 2012, 649), nach der das Vollstreckungsgericht auf die Prüfung der formellen
Beweiskraft einer solchen Urkunde beschränkt ist. Da eine ver-gleichbare Regelung für die Vertretung der Beteiligten des Zwangsversteige-rungsverfahrens
nicht getroffen worden ist, bleibt es insoweit bei der sinngemä-ßen
Anwendung der §§ 78 ff. ZPO.
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[X.]) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist die in §
89 Abs.
2 ZPO ausdrücklich vorgesehene stillschweigende Genehmigung der [X.] auch im Zwangsversteigerungsverfahren möglich. Richtig ist zwar, dass Verfahrensfehler, die zu [X.] gemäß §
83 Nr. 1 bis 5 [X.] füh-ren, nicht stillschweigend genehmigt werden können (vgl. § 84 Abs. 2 [X.]). Um einen solchen Versagungsgrund
geht es hier aber nicht; dem Vollstre-ckungsgericht
ist nicht einmal ein Verfahrensfehler unterlaufen.
[X.]) Schließlich steht die Vorschrift des §
74a Abs. 2 [X.], nach der der Antrag auf Versagung des Zuschlags nur bis zum Schluss der Verhandlung über den Zuschlag gestellt werden kann, einer nachträglichen Genehmigung nicht entgegen. Denn die Genehmigung der Verfahrensführung nach §
89 Abs.
2 ZPO heilt den Mangel der [X.] mit [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Juli 1984 -
X
ZB 20/83, [X.]Z 92, 137, 140; Beschluss vom 10.
Januar 1995 -
X
ZB 11/92, [X.]Z 128, 280, 283; Beschluss vom 26. Januar 2006 -
III
ZB 63/05, [X.]Z 166, 117, 124). Demgemäß muss eine solche [X.] nicht innerhalb der Frist
oder in dem [X.] erklärt zu werden, die für die genehmigte Verfahrenshandlung gilt (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
Januar 1995 -
X
ZB 11/92, [X.]Z 128, 280, 283).
Auch schadet es nicht, wenn im Zeitpunkt der Genehmigung bereits ein Rechtsmittel anhängig ist, mit dem der Mangel der [X.] gerügt wird. Nur einer auf einen solchen Mangel gestützten, prozessual zu Recht
ergangenen
gerichtlichen Entschei-dung
-
hier wäre dies der Zuschlag an die Beteiligte zu 1 unter Zurückweisung des Antrags nach §
74a Abs. 1 [X.] der Beteiligten zu 2 wegen Fehlens einer wirksamer [X.]
gewesen
-
kann durch die nachträgliche Genehmigung nicht mehr die Grundlage entzogen werden (vgl. [X.], Beschluss vom 17.
April 1984

GmS-OGB 2/83, [X.]O).
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IV.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Verpflichtung der Be-teiligten zu
1, die Kosten des erfolglosen [X.] zu tra-gen, ergibt sich aus dem Gesetz. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt, da sich die Beteiligten im Zwangsversteigerungsverfahren grundsätzlich nicht als Parteien eines kontradiktorischen Streitverhältnisses ge-genüberstehen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 -
V [X.], [X.]Z 170, 378, 381 Rn.
7).
Der Gegenstandswert für die Gerichtskosten bestimmt sich gemäß §
47 Abs.
1 Satz 1, §
54 Abs. 2 Satz 1 GKG nach dem Wert des erstrebten [X.]. Die [X.] für die Vertretung der Beteiligten beruht auf §
26

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Nr.
1 RVG (Beteiligte zu 2) bzw. auf §
26 Nr.
3 RVG
(Rechtsbeschwerdeführe-rin).

Stresemann
Schmidt-Räntsch
Czub

Rin[X.] Dr. Brückner ist

infolge Urlaubs an der

Unterschrift gehindert.

[X.], den 21. Mai 2013

Die Vorsitzende

Roth
Stresemann

Vorinstanzen:
AG [X.] am Main, Entscheidung vom 23.09.2010 -
844 [X.]/08 -

LG [X.] am Main, Entscheidung vom 23.01.2012 -
2-9 T 530/10 -

Meta

V ZB 24/12

16.05.2013

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.05.2013, Az. V ZB 24/12 (REWIS RS 2013, 5754)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5754

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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