Bundesverfassungsgericht, Einstweilige Anordnung vom 26.02.2016, Az. 2 BvR 399/16

2. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2016, 15436

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Erlass einer einstweiligen Anordnung zur temporären Aussetzung einer Räumungsvollstreckung - Berücksichtigung der Gesundheits- bzw Lebensgefahr bei Zwangsräumung


Tenor

Die Räumungsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung des Insolvenzeröffnungsbeschlusses des [X.] vom 2. Juni 2015 - 8 IN 374/14 - wird einstweilen bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens auf die Dauer von sechs Monaten, ausgesetzt.

Gründe

1

1. Nach § 32 Abs. 1 [X.] kann das [X.] im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

2

Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist ein strenger Maßstab anzulegen. Dabei haben die Gründe, welche der Beschwerdeführer für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen [X.] anführt, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang des [X.] muss das [X.] die Folgen abwägen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. [X.] 76, 253 <255>).

3

2. Die Verfassungsbeschwerde erscheint zum derzeitigen Zeitpunkt weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Über den Antrag auf einstweilige Anordnung ist deshalb nach Maßgabe einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese fällt zugunsten des Beschwerdeführers aus.

4

Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde später aber als begründet, würde die zwangsweise Räumung des Einfamilienhauses des Beschwerdeführers nach der Ankündigung der Gerichtsvollzieherin vom 4. Februar 2016 am Montag, dem 29. Februar 2016, durchgeführt. Dadurch könnten für den Beschwerdeführer, der nach dem Gutachten der Sachverständigen K... vom 19. Januar 2016 aufgrund einer bestehenden Multimorbidität deutlich beeinträchtigt ist und in erheblichem Umfang pflegerischer Unterstützung bedarf, die nicht in einer Gemeinschaftsunterkunft, sondern nur in einer Privatwohnung geleistet werden kann, möglicherweise nicht rückgängig zu machende Beeinträchtigungen an Leib und Leben eintreten. Ergeht die einstweilige Anordnung, wird die Verfassungsbeschwerde aber später zurückgewiesen, so verzögert sich die Räumung um wenige Monate. Auch wenn dabei zu berücksichtigen ist, dass die Hauptgläubigerin bereits seit langem die Zwangsversteigerung des Grundstücks betrieben hat, wiegt ihr [X.] an der Durchführung der Räumung - auch im Hinblick auf die Notwendigkeit, eine abschließende Entscheidung im [X.] beschleunigt herbeizuführen - insgesamt weniger schwer als die dem Beschwerdeführer drohenden Nachteile.

Meta

2 BvR 399/16

26.02.2016

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 1. Kammer

Einstweilige Anordnung

Sachgebiet: BvR

vorgehend LG Darmstadt, 5. Februar 2016, Az: 5 T 693/15, Beschluss

Art 2 Abs 2 S 1 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 765a Abs 3 ZPO, § 885 Abs 1 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Einstweilige Anordnung vom 26.02.2016, Az. 2 BvR 399/16 (REWIS RS 2016, 15436)

Papier­fundstellen: WM 2016, 556 REWIS RS 2016, 15436

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