Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2011, Az. 5 StR 246/11

5. Strafsenat | REWIS RS 2011, 4606

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5 StR 246/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

vom 20. Juli 2011
in der Strafsache
gegen

wegen Totschlags

-
2
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Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 20. Juli 2011
beschlossen:

Auf die Revision des
Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 1. Februar 2011 nach § 349 Abs. 4
StPO im Strafausspruch mit den zur Frage der Schuldfähig-keit des Angeklagten getroffenen Feststellungen und im Ausspruch über den [X.] der Freiheitsstrafe vor der Maßregel aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen.

[X.]e

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, dessen Unterbringung in der Entziehungsanstalt angeordnet sowie den [X.] von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe vor der Maßregel bestimmt. Die gegen das Urteil gerichtete Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie entspre-chend der Antragsschrift des [X.] unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.

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1. Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getrof-fen.

a)

i-es-a-Angeklagte geriet in Wut und beschimpfte seinen Bruder mit [X.]. Nach einer Schubserei fiel der Bruder zu Boden. Der Angeklagte trat ihn un-ter weiteren Beschimpfungen mehrmals gegen den Körper. Den Freund, der ihn wegziehen wollte, schob er beiseite. Er zog sein Kampfmesser, das er stets bei sich trug, beugte sich über seinen reglos am Boden liegenden [X.] und stieß ihm das Messer mit tödlicher Wirkung wuchtig ins Herz.

andere verflogen und wich dem Schrecken darüber, was er gerade getan [X.] das Messer in seine Ja-

(UA S.
15). Er ging aufgeregt ein paar Schritte hin und her und sagte immer wieder sinngemäß, dass er seinen Bruder ersto-chen ha

16). Alle [X.] blieben erfolglos.

Der Angeklagte wies zur Tatzeit eine maximale [X.] von 2,28

ng/ml Metamfetamin, im Urin Abbauprodukte von Cannabis sowie Metamfetamin und Amfetamin festge-stellt.

b)
Das sachverständig beratene [X.] hat eine durch die [X.] bedingte Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des §
21 StGB ausgeschlossen. Der Angeklagte sei an Alkohol und Drogen ge-wöhnt. Sein Verhalten vor, während und nach der Tat sei zielorientiert gewe-2
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sen. Ausfallerscheinungen seien nicht aufgetreten. Zur Frage einer tiefgrei-n-iatrischen Sachverständigen angeschlos-f-grund der Gesamtwürdigung des bereits dargelegten Täterverhaltens vor, während und nach der Tat fern

34).

2.
Entgegen der Auffassung der Revision tragen die Feststellungen den Schuldspruch wegen Totschlags. Namentlich ist die Schwurgerichts-kammer rechtsfehlerfrei zur Annahme des Tötungsvorsatzes gelangt. Sie hat sich dabei ausreichend auch mit den Gesichtspunkten des [X.] des Angeklagten befasst, die der Vorsatzannahme unter Umständen entge-genstehen könnten.

3. Hingegen kann der Strafausspruch keinen Bestand haben. Die [X.] hat sich mit der Frage, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten aufgrund einer
tiefgreifenden Bewusstseinsstörung vermindert gewesen ist, in einer Weise auseinandergesetzt, die rechtlicher Prüfung nicht standhält. Das angefochtene Urteil teilt die wesentlichen Grundlagen, an die die

für sie einleuchtenden

Schlussfolgerungen des Gutachters anknüp-fen, nicht in einer für die revisionsgerichtliche Überprüfung ausreichenden Weise mit (vgl. etwa [X.], Urteil vom 11.
Juni 1987

4
StR 31/87, [X.]R StGB §
20 Bewusstseinsstörung
3).

Den Feststellungen sind mehrere Umstände zu entnehmen, die für ei-ne Affekttat sprechen können. So war die Beziehung des Angeklagten zu seinem Bruder nicht frei von Konflikten. Die Tat war durch einen elementaren Ablauf ohne Sicherungstendenzen auf zur Tatzeit noch belebten öffentlichen Straßen im Beisein des Freundes des Bruders geprägt, wobei der Tatanstoß und die Reaktion des Angeklagten in einem beträchtlichen Missverhältnis zueinander standen; hinzu kommen der im Urteil beschriebene abrupte Stimmungsumschwung des Angeklagten nach der Tat sowie dessen nicht 7
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unerhebliche Alkohol-
und Drogenintoxikation (vgl. zum Ganzen etwa LK/Schöch, 12.
Aufl., §
20 Rn.
133
ff.; [X.], StGB, 58.
Aufl., §
20 Rn.
32; je mwN).

Ob der psychiatrische Gutachter diese Umstände erwogen hat und weshalb er gleichwohl eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit sicher aus-schließen zu können meinte, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Deshalb kann der [X.] nicht prüfen, ob der Gutachter und ihm folgend die [X.] die schwierige Frage, ob ein etwaiger Affekt das
Gewicht einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung erlangt hat, im Wege der gebotenen Gesamtwürdigung (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 1. April 2009

2
StR 601/08, [X.], 571, 572, und vom 22. Januar 2004

4
StR 319/03, [X.], 234, 235 mwN) rechtlich einwandfrei beant-wortet hat. Dies und die Frage, ob die weiteren Voraussetzungen des §
21 StGB vorliegen, bedürfen deshalb nochmaliger tatgerichtlicher Beurteilung. Der [X.] schließt dabei aus, dass die neue Hauptverhandlung eine aufge-hobene Schuldfähigkeit des Angeklagten (§
20 StGB) ergeben oder dessen Tötungsvorsatz in Frage stellen könnte.

Die Feststellungen können mit Ausnahme der zur Schuldfähigkeit ge-troffenen bestehen bleiben. Ansonsten sind neue Feststellungen zulässig, soweit sie den
bisherigen nicht widersprechen.

4. Der [X.] ist rechtsfehlerfrei und kann daher [X.] bleiben. Allerdings zieht die Aufhebung des Strafausspruchs den Wegfall des angeordneten [X.]s der Strafe nach sich. Im Hinblick auf 10
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die fortdauernde Untersuchungshaft wird er sich aufgrund der zwischenzeit-lich weiter vollzogenen Untersuchungshaft wohl erübrigen (vgl. [X.], [X.] vom 14.
Oktober 2010

5
StR 299/10).

Basdorf Raum Schaal

König

Bellay

Meta

5 StR 246/11

20.07.2011

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2011, Az. 5 StR 246/11 (REWIS RS 2011, 4606)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4606

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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