Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.10.2011, Az. 27 W (pat) 173/10

27. Senat | REWIS RS 2011, 2574

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "volkslotto/lotto (Wort-Bild-Marke)" – Warenidentität – zur Kennzeichnungskraft – keine unmittelbare Verwechslungsgefahr – keine Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 306 46 136.6

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 7. Oktober 2011 durch [X.] [X.], [X.] und die Richterin Werner

beschlossen:

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Gegen die am 24. Juni 2006 angemeldete und am [X.] u. a. für die noch streitgegenständlichen Waren der

2

[X.]: Bekleidungsstücke und Kopfbedeckungen

3

eingetragene und am 25. Mai 2007 veröffentlichte Wortmarke 306 46 136.6

4

[X.]

5

hat die Widersprechende am 16. August 2007 aus ihrer am 28. Februar 2001 angemeldeten Wort-/Bildmarke EM 002109312

Abbildung

6

die seit 27. Juli 2006 für die Waren der [X.], 9, 14, 16, 18, 25, 28, u. a. für

7

[X.]: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen

8

eingetragen und bis 28. Februar 2021 verlängert ist, Widerspruch eingelegt.

9

Die Markenstelle für [X.] hat den Widerspruch mit Beschlüssen vom 19. März 2008 und 29. Juli 2010, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen.

In der Begründung dazu hat die Markenstelle ausgeführt, im Bereich der ähnlichen oder identischen Waren und bei dem danach anzulegenden strengen Maßstab halte die angegriffene Marke den zur Vermeidung von Verwechslungen im Sinn des § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] erforderlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke ein.

Die Widerspruchsmarke sei durchschnittlich kennzeichnungskräftig.

Soweit die Widersprechende konkrete Gesichtspunkte für eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke vorgetragen habe, überzeugten diese nicht. „[X.]“ sei in [X.] ein Begriff mit einem ganz bestimmten, im Vordergrund stehenden Inhalt für ein Glücksspiel. Es sei deshalb fraglich, ob dieser Begriff in Alleinstellung in [X.] daneben für Bekleidung und Schuhe die Bekanntheit habe, die die Widersprechende ihr auf Grund hoher Umsatzzahlen und einer umfangreichen Werbung zuschreibe. In den vorgelegten [X.] werde das Markenwort „[X.]“ vorwiegend durch ein zusätzliches Bildelement als einschlägige Marke identifiziert. Eine Bekanntheit der Widerspruchsmarke nur aus ihrem Wortgehalt heraus, die zu einer gesteigerten Kennzeichnungskraft führen könnte, sei nicht amtsbekannt und auch nicht liquide.

Da die jüngere Marke entgegen der Ansicht der Widersprechenden nicht auf ihren Bestandteil „[X.]“ verkürzt werden könne, weil der vorangestellte Bestandteil „volks-“ mit ihm eine Einheit bilde, bestehe keine kollisionsbegründende Markenähnlichkeit.

Daran ändere es auch nichts, dass der Begriff „Volks-“ nach Auffassung der Widersprechenden ein in der [X.] gebräuchliches Präfix mit der Bedeutung „für jedermann" sei und entsprechend in vielen Wortbildungen vorkomme. Auch die von der Widersprechenden vielfach genannten Wortbildungen, wie [X.], [X.], Volksfürsorge, Volksfest, Volkshochschule usw., hätten jeweils einen ganz anderen, konkreteren Aussagegehalt als das jeweilige Grundwort. Das Publikum würde keines dieser Worte auf den Grundbegriff reduzieren, entsprechend werde auch „[X.]“ nicht auf das Grundwort „[X.]“ beschränkt. Dem stehe auch nicht die von der Widersprechenden angesprochene Entscheidung des [X.] „[X.]KRAFT / [X.]“ ([X.]. 2005) entgegen. Der [X.] habe das Verständnis dieser Vergleichswörter auf die [X.] Verbraucher bezogen, die allenfalls den Wortbestandteil „[X.]“ als Anspielung auf Wörter wie „[X.]lität" (span. [X.]lidad) oder „vital" verstehen und mit einem beschreibenden Sinngehalt verbinden könnten. Folglich sei der zweite Teil des dort angemeldeten Zeichens „-KRAFT“ wegen seines Charakters als Phantasiebegriff das dominierende Zeichenelement, dem deshalb für das [X.] Publikum prägende Bedeutung zukomme.

Die vorliegend angegriffene Marke sei auch nicht mit von der Widersprechenden genannten fiktiven Markenbildungen wie „volkspuma, volksbogner, volksdidas, volkstrigema, volksesprit“ zu vergleichen. Im Gegensatz zu diesen fiktiven Markenbildungen sei „[X.]“ ein Gesamtbegriff mit einem eigenen Sinngehalt, der schon deshalb keine Reduzierung auf das Grundwort „[X.]“ erwarten lasse.

Nachdem sich hier das Markenwort „[X.]“ in der Widerspruchsmarke und der Gesamtbegriff „[X.]“ im angegriffenen Zeichen gegenüberstünden, scheide eine bildliche wie eine klangliche Ähnlichkeit schon aufgrund der unterschiedlichen Wortlänge aus.

Dabei sei zu berücksichtigen, dass der vorangestellte Wortteil „volks-“ trotz seines zahlreichreichen Auftretens in Wortverbindungen nicht nur eine einfache Vorsilbe darstelle, die klanglich leicht überhört werden könne, sondern einen eigenständigen Wortteil bilde, der wegen seines zusätzlichen Vokals „o“ und des weiteren klangintensiven Buchstabens „k“ zu einer durchgreifenden Änderung des klanglichen Gepräges gegenüber der Widerspruchsmarke führe. Eine so undeutliche Sprechweise, dass die Erstsilbe des angegriffenen Zeichens völlig untergehe, sei auch bei nachlässigem alltagssprachlichem Gebrauch nicht zu erwarten. Hinzu komme, dass der Verbraucher in der Regel dem Wortbeginn eines Begriffs bzw. einer Marke die größere Aufmerksamkeit schenke.

Auch begrifflich bestünden keine Berührungspunkte, weil der Gesamtbegriff „[X.]“ eine viel konkretere und den Durchschnittsverbraucher (das „Volk“) ganz besonders ansprechende Bedeutung habe als der alleinige Hinweis auf ein Glücksspiel.

Die [X.] könne schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Gefahr eines gedanklichen In-Verbindung-Bringens der einander gegenüberstehenden Marken im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] angenommen werden.

Ungeachtet des Umstands, dass nicht schon jegliche, wie auch immer geartete gedankliche Assoziation ausreiche, um [X.] unter diesem Gesichtspunkt zu begründen, scheide sie auch angesichts der zuvor getroffenen Feststellungen zum Gesamteindruck der angegriffenen Marke als aus allen Bestandteilen geprägt aus. Zudem sei weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Verbraucher bereits durch die Benutzung mehrerer entsprechend gebildeter Serienmarken an das Markenwort „-[X.]“ als Bestandteil einer eigenen Markenserie der Widersprechenden gewöhnt seien.

Der Beschluss im Erinnerungsverfahren ist der Widersprechenden am 3. August 2010 zugestellt worden.

Mit ihrer am 1. September 2010 eingegangenen Beschwerde verfolgt sie ihren Widerspruch weiter.

Dabei wendet sie sich insbesondere gegen die Annahme einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft ihrer Widerspruchsmarke.

Entgegen der Ansicht des [X.] sei vorliegend von einer erheblich gesteigerten, jedenfalls aber erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke „[X.]" auszugehen. Diese werde auch nicht durch das teilweise Hinzutreten eines Logos geschwächt, was schon der 33. Senat des [X.] in seiner Entscheidung vom 5. Oktober 2006, [X.].: 33 W (pat) 454/02, festgestellt habe.

Sie habe ihre Produkte zudem dem [X.] Publikum durch langjährige umfangreiche und kostenintensive Werbung bekannt gemacht.

Demgegenüber weise der Gesamtbegriff „[X.]“ keinen konkreten Bedeutungsgehalt auf, da dem Bestandteil „[X.]“ in Bezug auf Bekleidungsstücke usw. keinerlei (beschreibender) Sinngehalt zukomme. In diesem Kontext handle es sich um einen Phantasiebegriff, der durchaus in Bezug auf die so gekennzeichneten Bekleidungsstücke, Schuhwaren usw. Aufmerksamkeit erzeuge (ungeachtet der Frage einer durch Werbung gesteigerten Kennzeichnungskraft). Ein konkreter Bedeutungsgehalt ergebe sich auch nicht aus dem Zusammenspiel mit der Vorsilbe „volks-“ da dieses Präfix originär [X.] sei. Der Wortbestandteil „volks-“ sei im Zusammenhang mit beliebigen Waren- und Dienstleistungsbezeichnungen derart omnipräsent, dass er regelmäßig hinter dem weiteren Wortbestandteil zurücktrete und infolgedessen weniger beachtet werde. Ein derart gebildeter Gesamtbegriff werde daher regelmäßig von seinem weiteren Bestandteil, hier „[X.]“, geprägt.

Auch wenn die von der Markenstelle angenommene Wahrnehmung von „[X.]“ als Synonym für Glücksspiel unterstellt werde, wäre eine solche (Anfangs-) Vorstellung jedenfalls im konkreten Zusammenhang mit den Waren der [X.] obsolet. Vielmehr dominiere das im jüngeren Zeichen enthaltene Element „-[X.]“ den Gesamtbegriff „[X.]“; jedenfalls präge es ihn mit. Dies reiche aus, um hinsichtlich des Ähnlichkeitsvergleichs beider Zeichen von einer mittleren bis hochgradigen Ähnlichkeit der Zeichen aufgrund ihrer Übereinstimmung hinsichtlich „[X.]“ auszugehen. Bei den streitgegenständlichen identischen Waren und der anzunehmenden erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke führe diese Kennzeichenähnlichkeit unmittelbar zur Verwechslung der beiden Zeichen.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für [X.] des [X.] vom 19. März 2008 und 29. Juli 2010 aufzuheben und die Marke 306 46 136.6 „[X.]“ für die Waren der [X.] zu löschen.

Nachdem die Zustellungen an den Beschwerdegegner nicht erfolgreich waren, hat der Senat nach umfangreichen Recherchen die öffentliche Zustellung angeordnet.

Der Inhaber des angegriffenen Zeichens hat sich im Beschwerdeverfahren nicht gemeldet.

II.

Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Widersprechenden führt in der Sache nicht zum Erfolg.

1. Da kein Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vorliegt und der Senat eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet, kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden, nachdem die Widersprechende ausreichend Gelegenheit hatte, ihre Beschwerde zu begründen, und der Inhaber des angegriffenen Zeichens - nach bewilligter öffentliche Zustellung - ausreichend Gelegenheit hatte, zu der Beschwerde der Widersprechenden schriftlich Stellung zu nehmen (§ 69 [X.]).

2. Mit der Markenstelle kann eine markenrechtlich relevante [X.] im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nicht festgestellt werden.

a) Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] u. a. zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht.

Dabei stehen die vorgenannten Komponenten miteinander in einer Wechselbeziehung, wobei ein größerer Grad einer Komponente den geringeren Grad einer anderen ausgleichen kann (st. Rspr.; vgl. [X.], 235 - [X.] / [X.]; [X.] GRUR2005, 1042 - [X.] Life).

Der Schutz der älteren Marke ist dabei auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft von Waren oder Dienstleistungen, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. [X.] GRUR 2007, 318 - [X.] / Autec).

b) Nach diesen Grundsätzen vermag der Senat die Gefahr von Verwechslungen zwischen den Vergleichsmarken nicht festzustellen.

aa) Nachdem Fragen der Benutzung der Widerspruchsmarke nicht aufgeworfen sind, ist bei der Beurteilung der [X.] für die Widerspruchsmarke von den im Register eingetragenen Waren auszugehen. Damit stehen allen Waren der [X.] (Bekleidungsstücke und Kopfbedeckungen), für die das angegriffene Zeichen beansprucht wird, identische Waren auf Seiten der Widerspruchsmarke gegenüber.

bb) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für die [X.] ist als durchschnittlich anzusehen.

Der Senat vermag weder eine Schwächung noch eine Stärkung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke festzustellen.

Wie von der Markenstelle bereits zutreffend ausgeführt, zeigen die von der Widersprechenden zum Nachweis einer erhöhten Kennzeichnungskraft vorgelegten Unterlagen das Wort „[X.]“ regelmäßig in Verbindung mit einer Graphik (ähnlich der aus der Marke 307 12 139), bei der die Bestandteile häufig noch zusätzlich farbig hinterlegt sind, das Logo rot und die Schrift schwarz. Das verändert den markenmäßigen Charakter des Zeichens deutlich. Die vorgelegten Unterlagen sind daher nicht geeignet, eine intensive Benutzung der Widerspruchsmarke zu belegen. Auch soweit das Wort „[X.]“ in Alleinstellung auf den Waren erscheint, können viele Durchschnittsverbraucher auf dem hier maßgeblichen Gebiet der Bundesrepublik [X.] den Schriftzug als werbemäßigen Aufdruck für ein bestimmtes Glücksspiel auffassen und nicht als Herstellerhinweis. Da die Widersprechende aber offenbar auch Sportartikel verkauft, die nicht als Werbeartikel dienen, kann vorliegend zugunsten der Anmelderin eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft unterstellt werden.

Soweit die Widersprechende behauptet, in dem Verfahren vor dem [X.] zum [X.].: 33 W (pat) 454/02 habe das Gericht bereits die erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bestätigt, ist dies schlichtweg falsch.

Auch dort hat der Senat die durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke angenommen (vgl. Seite 17; wie auch der 24. Senat im Beschluss vom 8. Februar 2011, [X.].: 24 W (pat) 519/10).

Die Widersprechende übersieht, dass allein der Umstand, dass sie ihre Marke für die von ihr angebotenen unterschiedlichen Waren und als Unternehmenskennzeichen umfassend benutzt, nicht zwingend zu dem Schluss führt, dass die benutzte Marke auch erhöhte Bekanntheit erlangt hat.

cc) Auch wenn wegen der gegebenen Warenidentität strenge Anforderungen an den erforderlichen Markenabstand zu stellen sind, um eine [X.] im markenrechtlichen Sinn auszuschließen, reichen die schriftbildlichen, klanglichen und begrifflichen Abweichungen aus, um die Gefahr von Verwechslungen im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] hinreichend sicher auszuschließen.

[X.] unterscheiden sich die Marken durch die graphische Ausgestaltung der als Wort-/Bildmarke angemeldeten Widerspruchsmarke und durch den nur in dem angegriffenen Zeichen enthaltenen Bestandteil "Volks-" ausreichend voneinander.

Klanglich stimmt die Widerspruchsmarke „[X.]“ mit der angegriffene Marke „[X.]“ nur im zweiten Bestandteil überein, jedoch nicht im Gesamteindruck.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin wird der Gesamteindruck der mehrbestandteiligen jüngeren Marke auch nicht durch den mit der [X.] übereinstimmenden und durch den Bildbestandteil untermalten Bestandteil „[X.]“ geprägt, wie die Markenstelle bereits zutreffend und eingehend ausgeführt hat und worauf der Senat ausdrücklich Bezug nimmt. Der weitere Bestandteil „volks-“ tritt nicht in den Hintergrund und bleibt für den Gesamteindruck des angegriffenen Zeichens von Bedeutung, was eine [X.] verhindert ([X.], 598 - Kleiner Feigling; GRUR 2004 865 - Mustang).

Im [X.] Sprachraum sind mit dem Wort „[X.]“ zusammengesetzte Wörter, wie etwa [X.], [X.], Volksfest, Volkshochschule, bekannt und üblich. Das unterstreicht die Wirkung als Gesamtbegriff.

Das Präfix „volks“ bedeutet so viel wie „für jedermann", „für alle“, „für die Allgemeinheit“ oder „der breiten Masse zugänglich". „[X.]“ weist in [X.] auf ein bestimmtes Glücksspiel hin. „[X.]“ beschreibt demnach ein Glücksspiel für jedermann.

In Bezug auf die hier maßgeblichen Waren (Bekleidungsstücke und Kopfbedeckungen) und selbst bei einer Bedeutung von „[X.]“ als „Spiel für jedermann“ ist ein beschreibender Sinngehalt der Bestandteile „[X.]“ und „volks“ nicht ersichtlich. Daher tritt keiner der beiden Bestandteile hinter dem anderen zurück. Beide bleiben für den Gesamteindruck der jüngeren Marke von Bedeutung.

„[X.]“ ist auch nicht mit einem Begriff wie „[X.]“ ([X.]; Beschluss vom 1. Dezember 2005, [X.].: [X.]/04 - [X.]kraft / [X.]) vergleichbar. Bei dieser Entscheidung bestand abweichend von dem vorliegenden Fall die Annahme, dass sich die Marken auch begrifflich nicht unterschieden, um ihre klangliche und bildliche Ähnlichkeit auszugleichen. Darüber hinaus war erheblich, dass nur das zusätzliche Wort „[X.]“ in dem angegriffenen Zeichen für die jeweils maßgeblichen Verbraucher einen Bedeutungsinhalt habe. Das Publikum würde daher das angegriffene Zeichen spontan in seine beiden Wortbestandteile zerlegen und den übereinstimmenden Bestandteil als das beherrschende Element ansehen. Da weder „[X.]“ noch „volks“ beschreibend sind, tritt hier keiner der beiden Bestandteile hervor oder zurück.

Etwas anderes folgt entgegen der Annahme der Widersprechenden auch nicht daraus, dass das Wort „volks“ als Bestandteil in einer Vielzahl von Marken erscheint. Allein, dass die Verbraucher an die Verwendung von „volks“ in Marken gewöhnt sein mögen, führt noch nicht dazu, dass dieser Bestandteil stets in den Hintergrund tritt.

Dass im hier relevanten Modebereich („Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“) das Präfix „Volks“ verbreitet und dem Publikum geläufig sei, dass die Hersteller günstigere Zweitmarken dieses so in ihr Portfolio aufnehmen, ist nicht ersichtlich. Auch wenn sich die Benennung von Zweitmarken oftmals an der „Originalmarke“ orientiert („[X.]“, „[X.]“ bzw. „&“; „[X.]“, „[X.]“; „[X.]“, „[X.]“, „[X.] Orange“ usw.) sind Zweitmarken mit „Volks” weder genannt noch bekannt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass Unternehmen ihre Waren für das breite Publikum in einer Markenlinie unter dem Präfix „Volks“ herstellen bzw. vertreiben.

Der übereinstimmende Teil „[X.]“ hat auch nicht als isoliertes Zeichen aufgrund seiner tatsächlichen Benutzung eine so erhöhte Kennzeichnungskraft erlangt, dass er als Bestandteil des jüngeren Zeichens als Hinweis auf die Widerspruchsmarke wahrgenommen wird und damit [X.] begründet (vgl. [X.], 880 - City Plus).

Nicht jede (identische) Übernahme einer älteren Marke in ein jüngeres [X.] führt zwangsläufig zur [X.]. Das kann etwa der Fall sein, wenn der älteren Marke lediglich der Handelsname oder eine bekannte Marke des [X.] hinzugefügt wird (Hacker, Markenrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 461).

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Es besteht auch nicht die Gefahr, dass die Vergleichsmarken im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbs. [X.] gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Diese Art von [X.] setzt voraus, dass der Verbraucher die Unterschiede beider Marken zwar wahrnimmt, auf Grund von Gemeinsamkeiten in der Zeichenbildung jedoch Anlass hat, die angegriffene Marke (irrtümlich) der Inhaberin der Widerspruchsmarke zuzuordnen oder auf sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen zwischen den Markeninhabern, vor allem im Sinn einer gemeinsamen Verantwortung für das Warenangebot zu schließen ([X.] GRUR 2005, 1042 - [X.] Life; [X.], 322 - Malteserkreuz).

Es ist nicht ersichtlich, dass die Widersprechende hier bereits mit einer Serie von Marken aufgetreten ist, die das in den Vergleichsmarken übereinstimmende Element als Stammbestandteil neben mit „[X.]“ vergleichbaren weiteren Worten enthalten. Insoweit ist der [X.] Markt maßgeblich und weiteres mögliches Auftreten der Widersprechenden in anderen Ländern ist ohne Bedeutung in [X.] hat außer Betracht zu bleiben.

Insgesamt besteht deshalb kein Ähnlichkeitsgrad der Marken, der trotz Identität der Waren und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie Berücksichtigung allgemeiner Verbraucherkreise eine [X.] befürchten ließe.

3. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeit (§ 71 Abs. 1 [X.]) besteht kein Anlass.

4. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen.

Der Senat hat nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] und des [X.] entschieden. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil der Senat nicht von Entscheidungen anderer Senate des [X.] oder anderer nationaler Gerichte abgewichen ist, sondern eine Einzelfallentscheidung anhand von tatsächlichen Gegebenheiten getroffen hat.

Meta

27 W (pat) 173/10

07.10.2011

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.10.2011, Az. 27 W (pat) 173/10 (REWIS RS 2011, 2574)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2574

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