Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2000, Az. I ZR 21/98

I. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 1713

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BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEILI ZR 21/98Verkündet am:6. Juli 2000FühringerJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem RechtsstreitNachschlagewerk: jaBGHZ : neinBGHR : jaDrei-Streifen-KennzeichnungMarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2Zur Frage der Beurteilung des Gesamteindrucks einer komplexen bildlichenKennzeichnung (hier: Drei-Streifen-Kennzeichnung).BGH, Urt. v. 6. Juli 2000 - I ZR 21/98 - OLG München LG München I- 2 -Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-handlung vom 6. Juli 2000 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmannund die Richter Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Büscherfür Recht erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird unter Nichtannahme der Anschlußre-vision der Beklagten das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesge-richts München vom 27. November 1997 im Kostenpunkt und insoweitaufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlungund Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Beru-fungsgericht zurückverwiesen.Von Rechts wegenTatbestand:Die Klägerin, eine der weltweit größten Sportartikelherstellerinnen,kennzeichnet die von ihr vertriebenen Sportschuhe und Sporttextilien seit Jahr-zehnten mit ihrer Drei-Streifen-Kennzeichnung. Bei Sporttextilien sind die dreiparallelen Streifen zumeist in Längsrichtung entlang den Seitennähten ange-bracht. Regelmäßig steht die Farbe der Streifen im Kontrast zum Untermaterial.- 3 -Die Klägerin ist Inhaberin einer Reihe von eingetragenen Marken. DasBildzeichen Nr. 944 623, eingetragen für Sport- und Freizeitschuhe, zeigt dieAnordnung von drei schrägen Streifen auf einem Sportschuh. Das BildzeichenNr. 897 134, eingetragen für die Waren Sportschuhe und Sportbekleidungs-stücke, zeigt ebenfalls drei schräge Streifen. Ferner ist die Klägerin Inhaberindes Wortzeichens Nr. 988 430 "Die Weltmarke mit den drei Streifen" und desebenfalls eine Kennzeichnung mit drei Streifen enthaltenden Kombinationszei-chens Nr. 1 016 436, die als durchgesetzte Zeichen unter Geltung des Waren-zeichengesetzes für Sport- und Freizeitbekleidungsstücke eingetragen wordensind. Die Klägerin ist schließlich Inhaberin der Marken Nr. 720 836,Nr. 944 624, Nr. 980 375, Nr. 980 376 und Nr. 1 021 772, die eine Drei-Streifen-Kennzeichnung darstellen und zum Teil für "Sportschuhe" und zumTeil für "Bekleidungsstücke" eingetragen sind. Für die Klägerin stehen auch diejeweils eine Drei-Streifen-Kennzeichnung darstellenden IR-MarkenNr. R 414 034, Nr. R 414 035 und Nr. R 414 037 für die Waren "Bekleidungs-stücke, insbesondere für Sport und Freizeit", bzw. "Hemden, insbesondereSporthemden", bzw. "Hosen, insbesondere Sporthosen" in Kraft.Die Beklagte, eines der größten Textileinzelhandelsunternehmen inDeutschland, hat - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - dievon der Klägerin angegriffenen, als Anlagen K 6 bis K 10 vorgelegten Sport-bzw. Freizeitbekleidungsstücke vertrieben, die jeweils Streifenmuster tragen,wie sie aus den nachstehend wiedergegebenen Klageanträgen ersichtlich sind.Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte habe damit ihre Aus-stattungsrechte an der Drei-Streifen-Kennzeichnung für Sporttextilien und ihrefür Sport- und Freizeitbekleidung durch Eintragung geschützten Markenrechte- 4 -sowie ihre Markenrechte aufgrund notorischer Bekanntheit ihrer Drei-Streifen-Kennzeichnung verletzt. Diese seien 95% der angesprochenen Verkehrskreisebekannt. Der Umstand, daß die angegriffenen Bekleidungsstücke teilweise nurzwei Streifen aufwiesen, führe nicht aus dem Schutzbereich ihrer Marken hin-aus. Darüber hinaus hänge sich die Beklagte an den Ruf der Klagemarken an.Schließlich verbinde der Verkehr mit der Drei-Streifen-Kennzeichnung einebesondere Gütevorstellung und werde irregeführt, weil er den Produkten derBeklagten die Wertschätzung entgegenbringe, die den Adidas-Produkten zu-komme.Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ord-nungsmitteln zu verurteilen,es zu unterlassen, Kleidungsstücke gemäß den nachstehenden Ab-bildungen anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den ge-nannten Zwecken zu besitzen und/oder einzuführen oder auszufüh-ren sowie zu bewerben:- 5 -- 6 -Die Klägerin hat die Beklagte des weiteren, rückbezogen auf den Un-terlassungsanspruch, auf Rechnungslegung und Feststellung der Schadenser-satzpflicht in Anspruch genommen.Die Beklagte ist dem entgegengetreten.Sie hat geltend gemacht, Zwei-Streifen-Muster gehörten als Zierrat zuden naheliegenden und gebräuchlichen Musterelementen im Bereich derSportbekleidung. Die Klägerin genieße Schutz für ihre Drei-Streifen-Kennzeichnung nur insoweit, als es sich um drei parallel geführte, gleichbreiteund gleichlange Streifen mit untereinander gleichem Abstand an einer charak-teristischen Stelle handele. Ansprüche aus Markenrecht seien jedenfalls nichtgegeben, weil es insoweit an einer kennzeichenmäßigen Benutzung fehle; beiden von ihr vertriebenen Bekleidungsstücken wirkten die Zwei-Streifen-Musternicht als Kennzeichnung, sondern als ein zum Wesen der modischen Waregehörender Zierrat. Eine Verwechslungsgefahr bestehe nicht. Der Verkehr er-kenne aufgrund der Übersichtlichkeit von Zwei-Streifen-Mustern den Unter-schied zu Drei-Streifen-Kennzeichnungen der Klägerin auch bei flüchtiger Be-trachtung. Auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche seien nicht gegeben, da dasMarkengesetz sämtliche Markenfunktionen schütze. Die Klageansprüche seienauch deshalb nicht begründet, weil die Parteien den Schutzumfang der Strei-fenmarke der Klägerin vertraglich festgelegt hätten. Im übrigen stehe mögli-chen Ansprüchen der Klägerin auch der Verwirkungseinwand entgegen. Be-reits seit 1974 bestehe eine Korrespondenz, die eine Situation besonderer Artgeschaffen habe, wonach sie, die Beklagte, darauf habe vertrauen dürfen, daßsie speziell bei Zwei-Streifen-Gestaltungen im Bereich der Sportbekleidung freiund insoweit eine Überprüfung unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht erfor-derlich sei.- 7 -Das Landgericht hat der Klage bezüglich der Sporthose gemäß AnlageK 6 und des kurzen Rocks gemäß Anlage K 7 stattgegeben. Bezüglich derweiteren Bekleidungsstücke (Anlagen K 8 bis K 10) hat es die Klage abgewie-sen.Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Auf die Anschlußbe-rufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage auch hinsichtlich derSporthose gemäß Anlage K 6 abgewiesen.Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre ursprünglichen Klageanträ-ge, soweit ihnen nicht entsprochen worden ist, weiter. Die Beklagte begehrt mitihrer Anschlußrevision die Abweisung der Klage insgesamt. Die Parteien be-antragen jeweils die Zurückweisung der gegnerischen Revision.Entscheidungsgründe:I. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der angegriffenen Bekleidungs-stücke gemäß den Anlagen K 8, K 9, K 10 sowie K 6 eine Markenrechtsverlet-zung wegen fehlender Verwechslungsgefahr und einen Wettbewerbsverstoß(§§ 1, 3 UWG) wegen fehlender Annäherung an die Kennzeichen der Klägerinverneint. Bezüglich des Bekleidungsstücks gemäß Anlage K 7 hat es die gel-tend gemachten Ansprüche wegen Markenverletzung für begründet erachtet.Es hat ausgeführt:- 8 -Die Markenrechte der Klägerin aus ihren eingetragenen Marken sowieaus § 4 Nr. 2 und Nr. 3 MarkenG schützten jeweils nicht eine Streifenkenn-zeichnung schlechthin, sondern stets eine Drei-Streifen-Aufmachung gemäßden eingetragenen Marken oder der konkret benutzten Ausgestaltung. Hieraufsei der Kennzeichenschutz beschränkt. Zwar bestehe zwischen den die Ver-wechslungsgefahr bestimmenden Faktoren des Ähnlichkeitsgrades der Mar-ken, deren Kennzeichnungskraft sowie der Warenähnlichkeit eine Wechselwir-kung, wonach der Ähnlichkeitsgrad um so geringer sein könne, je größer dieKennzeichnungskraft oder die Warennähe sei. Gleichwohl folgere die Klägerinzu Unrecht aus dem Umstand, daß Warenidentität und auf hoher Bekanntheitberuhende starke Kennzeichnungskraft gegeben seien, der Unterschied zwi-schen zwei oder drei Streifen falle für den Verkehr jedenfalls dann nicht mehrentscheidend ins Gewicht, wenn die Streifen als einziges Kennzeichnungsmit-tel angebracht seien. Die große Bekanntheit der Klägerin und ihrer Kennzeich-nung beziehe sich auf die berühmten drei Streifen. Erkenne der Verbraucherdemgegenüber zwei Streifen, so komme es nicht zu einer Fehlzurechnung desProdukts auf den Markeninhaber. Gerade weil das interessierte Käuferpubli-kum aufgrund der großen Bekanntheit der "Marken mit den drei Streifen" fürStreifenmuster sensibilisiert und ihm bekannt sei, daß auch mit Streifen verse-hene Produkte anderer Unternehmen auf dem Markt seien, werde der verstän-dige Verbraucher als zwei Streifen identifizierbare Gestaltungen nicht mit derKlägerin in Verbindung bringen. Hieran ändere auch der Erfahrungssatz nichts,daß der Verbraucher die ähnlichen Marken regelmäßig nicht gleichzeitig ne-beneinander wahrnehme und miteinander vergleiche. Zwar träten bei nur un-deutlicher Erinnerung an nicht unmittelbar nebeneinander auftretende Kenn-zeichnungen regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale stärker hervor alsdie Unterschiede. Das allgemeine Publikum habe aber nicht etwa eine nur un-deutliche Erinnerung an die Kennzeichnung der Klägerin, es verbinde mit ihr- 9 -nicht etwa Streifen schlechthin, sondern gerade die markanten drei Streifen.Sei dem verständigen Betrachter von Sportbekleidung die Marke der Klägerinals Drei-Streifen-Marke in Erinnerung, so werde er, wenn er auf mit Streifenversehene Sportbekleidung treffe, sein Augenmerk unwillkürlich auf die Strei-fenzahl richten; erkenne er zwei Streifen, so realisiere er schon deshalb, weiler wisse, wie die Klägerin kennzeichne, daß es sich gerade nicht um derenKennzeichnung handele. Die Tatsache, daß die Klägerin ihre Streifen-Kennzeichnung vielfältig variiere und sich die Streifen auch in anderer Formoder an anderen Stellen finden könnten, führe nicht zu einer Verstärkung derVorstellung von einer stets an den Seitennähten angebrachten Kennzeichnung.Ob ein Zwei-Streifen-Eindruck oder ein Drei-Streifen-Eindruck entstehe, hängeauch nicht davon ab, ob sich auf dem Bekleidungsstück noch weitere Verzie-rungen oder Kennzeichnungsmittel fänden.Auch die Gefahr eines gedanklichen In-Verbindung-Bringens der kolli-dierenden Marken im Sinne einer Herkunftstäuschung über den Produktur-sprung oder dahin, daß das Publikum auf das Bestehen von geschäftlichen,wirtschaftlichen oder organisatorischen Zusammenhängen der miteinandernicht verbundenen Unternehmen schließe, scheide aus. Zwar sei für den Ver-wechslungsschutz der Marke eine Fehlvorstellung des Publikums dahin ausrei-chend, die kollidierenden Marken identifizierten die verschiedenen Produktehinsichtlich der Produkteigenschaften als zusammengehörend. Es könne je-doch nicht festgestellt werden, daß eine solche Fehlzurechnung von Zwei-Streifen-Gestaltungen ausgelöst werde. Das Vorliegen assoziativer Fehlvor-stellungen könne nicht schon dann angenommen werden, wenn es die Be-klagte, wie die Klägerin behaupte, mit ihrer Kennzeichnungspraxis darauf anle-ge, ihre Produkte über Zwei-Streifen-Verzierungen in die Nähe der Produkteder Klägerin zu rücken. Entscheidendes Kriterium der Verwechslungsgefahr sei- 10 -allein die objektive Eignung der gewählten Kennzeichnungen, Fehlvorstellun-gen hervorzurufen.Die Klägerin könne die geltend gemachten Ansprüche auch nicht auf§§ 1, 3 UWG stützen. Die außerordentliche Bekanntheit und der hervorragen-de Ruf der Kennzeichnung der Klägerin bezögen sich nicht auf eine Streifen-kennzeichnung schlechthin, sondern auf die allseits bekannten drei Streifen.Sehe man in der Verwendung von Zwei-Streifen-Mustern eine Annäherung andiese Kennzeichnung, so folge daraus noch nicht, daß dies wettbewerbsrecht-lich unzulässig sei. Die Annäherung sei jedenfalls nicht so eng, daß die Gefahrder Verwechslung mit den Marken der Klägerin bestehe oder daß die Kenn-zeichnung mit dieser Marke gedanklich in Verbindung gebracht werde. Solangedie Grenze der Verwechslungsgefahr nicht überschritten sei, müsse die Kläge-rin auch eine etwaige Begrenzung des Schutzumfangs ihres Kennzeichensdurch Zwei-Streifen-Verzierungen hinnehmen.Da auch die Trainingshose gemäß Anlage K 6 dem Verkehr als Zwei-Streifen-Kennzeichnung gegenübertrete, sei auf die Anschlußberufung der Be-klagten die Klage auch insoweit abzuweisen.Anders sei dagegen die Gesamtwirkung der Streifengestaltung bei demBekleidungsstück gemäß Anlage K 7. Obwohl auch dieser Rock entlang denSeitennähten jeweils mit einem Band versehen sei, das zwei weiße paralleleStreifen zeige, würden die beiden Außenstreifen des Bandes vom ebenfallsschwarzen Stoff des Rockes jedenfalls durch zwei dünne weiße Linien abge-grenzt, so daß bei flüchtiger wie auch bei genauerer Betrachtung drei schwarzeStreifen hervorträten. Da die Beklagte diese Aufmachung kennzeichenmäßigund nicht lediglich als Zierrat benutze, verletze die für den Rock verwendete- 11 -Streifengestaltung neben den Ausstattungsrechten insbesondere die Rechtean den eingetragenen Bildmarken der Klägerin. Eine rechtsverbindliche Zusa-ge der Klägerin, eine Streifengestaltung, die den Eindruck von drei Streifenerwecken könne, zu dulden, könne entgegen der Auffassung der Beklagtendem 1974 zwischen den Parteien geführten Briefwechsel nicht entnommenwerden.II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision habenErfolg. Sie führen zur Aufhebung und Zurückverweisung, soweit das Beru-fungsgericht zum Nachteil der Klägerin erkannt hat. Die Anschlußrevision derBeklagten wird nicht zur Entscheidung angenommen.A. Die RevisionDie Verneinung einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr (§ 14Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) hinsichtlich der vier angegriffenen Verwendungsformen(Anlagen K 6, 8, 9 und 10) ist nicht frei von Rechtsfehlern.1. Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist nach derständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaf-ten zu Art. 4 Abs. 1 Buchst. b und Art. 5 Abs. 1 Buchst. b MarkenRL unter Be-rücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl.EuGH GRUR 1998, 387, 389 f. Tz. 22 = WRP 1998, 39 - Sabèl/Puma; GRUR1998, 922, 923 Tz. 16 f. = WRP 1998, 1165 - Canon; GRUR Int. 1999, 734,736 Tz. 18 = WRP 1999, 806 - Lloyd; MarkenR 2000, 255, 258 Tz. 40 - MarcaMode/Adidas). Dabei besteht - wie das Berufungsgericht im Ausgangspunktnicht verkannt hat - eine Wechselbeziehung zwischen den in Betracht zu zie-henden Faktoren, insbesondere der Identität oder Ähnlichkeit der in Frage ste-- 12 -henden Waren, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie der Kenn-zeichnungskraft der Klagekennzeichnungen. Demnach kann insbesondere eingeringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad derÄhnlichkeit der Waren und/oder eine besondere Bekanntheit der älteren Markeim Markt ausgeglichen werden (BGH, Urt. v. 13.1.2000 - I ZR 223/97, GRUR2000, 506, 508 = WRP 2000, 535 - ATTACHÉ/TISSERAND, m.w.N).a) Bei den in Betracht zu ziehenden Waren der Klagemarken und denangegriffenen Bekleidungsstücken handelt es sich - wie das Berufungsgerichtzutreffend zugrunde gelegt hat - um identische Waren.b) Bezüglich der Kennzeichnungskraft der Klagemarken hat das Beru-fungsgericht Feststellungen nicht getroffen; es ist davon ausgegangen, daß dieKlagemarken eine auf hoher Bekanntheit beruhende starke Kennzeichnungs-kraft haben. Die Klägerin hat sich insoweit darauf berufen, daß es sich bei ihrerKennzeichnung, die eine Verkehrsbekanntheit von 95% habe, um eine be-rühmte Marke handele. Das ist für das Revisionsverfahren zu unterstellen.c) Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung zutreffend zugrunde ge-legt, daß bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr aufden jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen abzu-stellen ist (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND,m.w.N.). Es hat es aber rechtsfehlerhaft unterlassen, den Gesamteindruck derkollidierenden Zeichen festzustellen. Wenn es anführt, bei der Klagekenn-zeichnung handele es sich um eine Drei-Streifen-Kennzeichnung, bei den an-gegriffenen Bekleidungsstücken jedoch um eine Zwei-Streifen-Kennzeichnung,erfaßt es den Gesamteindruck der Kennzeichnungen nicht und verstellt sichdadurch den Blick für den Umfang der bestehenden Markenähnlichkeit. Bei- 13 -beiden Kennzeichnungen handelt es sich um farblich kontrastierende, an denSeitennähten der Bekleidungsstücke parallel verlaufende Streifen, die sich al-lein in der Zahl der Streifen - bei den Klagekennzeichen drei, bei den ange-griffenen Verwendungsformen zwei - unterscheiden. Das Maß der dadurch be-gründeten Markenähnlichkeit wird das Berufungsgericht im neu eröffneten Be-rufungsverfahren zu beurteilen haben.d) Ist für das Revisionsverfahren davon auszugehen, daß zwei der fürdie Annahme einer Verwechslungsgefahr maßgebenden Faktoren in kaum zusteigernder Intensität vorliegen, weil neben gegebener Warenidentität aucheine durch die von der Klägerin behauptete Berühmtheit gesteigerte Kenn-zeichnungskraft der Klagekennzeichen zugrunde zu legen ist, genießen dieseeinen umfassenderen Schutz als Marken, deren Kennzeichnungskraft geringerist (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 18 - Canon; MarkenR 2000, 255, 258Tz. 40 f. - Marca Mode/Adidas).Diesem Grundsatz steht nicht entgegen, daß - wie das Berufungsgerichtzutreffend angeführt hat - bei der Beurteilung, ob für das Publikum die Gefahrvon Verwechslungen besteht, nicht maßgeblich vom flüchtigen Durchschnitts-verbraucher auszugehen ist, sondern auf einen durchschnittlich informierten,aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffendenWarenart abzustellen ist (EuGH GRUR Int. 1999, 734, 736 Tz. 26 - Lloyd;BGH, Urt. v. 18.6.1998 - I ZR 15/96, GRUR 1998, 942, 943 = WRP 1998, 990- ALKA-SELTZER; GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND). Dennauch dieser Durchschnittsverbraucher muß sich, da ihm die kollidierendenMarken regelmäßig nicht nebeneinander begegnen, nicht nur auf das unvoll-kommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat. Es istauch zu berücksichtigen, daß seine Aufmerksamkeit je nach der Art der in Fra-- 14 -ge stehenden Waren unterschiedlich hoch sein kann (EuGH GRUR Int. 1999,734, 736 Tz. 26 - Lloyd).Darüber hinaus werden erfahrungsgemäß dem Verkehr unterschei-dungskräftige, insbesondere berühmte Kennzeichnungen eher in Erinnerungbleiben. Solche ihm bekannten Kennzeichnungen wird das angesprochene Pu-blikum deshalb auch eher in einer anderen Kennzeichnung wiederzuerkennenglauben (vgl. BGH, Urt. v. 17.1.1985 - I ZR 172/82, GRUR 1985, 461, 462 =WRP 1985, 338 - Gefa/Gewa; Urt. v. 28.10.1987 - I ZR 165/85, GRUR 1988,635, 636 = WRP 1988, 440 - Grundcommerz).Zu diesen Rechtsprechungsgrundsätzen und Erfahrungssätzen hat sichdas Berufungsgericht mit seiner Annahme, angesichts der Bekanntheit derDrei-Streifen-Kennzeichnung der Klägerin sei der Verkehr für die Streifenan-zahl sensibilisiert, er werde sein Augenmerk darauf richten und als Zwei-Streifen-Kennzeichnungen erkennbare Gestaltungen nicht der Klägerin zu-rechnen, in Widerspruch gesetzt.2. Das Berufungsgericht wird nunmehr über die Beurteilung des Ge-samteindrucks der einander gegenüberstehenden Kennzeichnungen hinausdas Maß der Bekanntheit der Drei-Streifen-Kennzeichnung der Klägerin festzu-stellen und auf dieser Grundlage die Frage einer Verwechslungsgefahr zu be-antworten haben.Es wird dabei zu beachten haben, daß der Bejahung einer Verwechs-lungsgefahr nicht die Vorabentscheidung des Gerichtshofs der EuropäischenGemeinschaften in Sachen Marca Mode/Adidas (EuGH MarkenR 2000, 255)entgegensteht. In diesem Verfahren hat der Gerichtshof die Frage, ob eine- 15 -Markenrechtsverletzung angenommen werden könne, wenn - wie der vorle-gende Hoge Raad es formuliert hatte - die Gefahr einer Verwechslung zwi-schen der Marke und dem Zeichen vermutet werden könne, verneint. Um dieseFrage geht es im Streitfall nicht, in dem, wie vorstehend ausgeführt ist, unterBerücksichtigung aller Umstände die Gefahr von Verwechslungen für das Pu-blikum zu beurteilen ist.Des weiteren kann das Berufungsgericht - wie schon im angefochtenenUrteil - davon ausgehen, daß die Zwei-Streifen-Muster der Beklagten in denangegriffenen Verwendungsformen markenmäßig im Sinne der Rechtspre-chung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH GRUR Int.1999, 438, 440 Tz. 31 ff. = WRP 1999, 407 - BMW) und nicht als bloßer Zierratverwendet werden. Das kann angesichts der auch in diesem Zusammenhangfür die Revisionsinstanz zu unterstellenden großen Bekanntheit der Klage-kennzeichnungen nicht zweifelhaft sein, weil der Verkehr angesichts der Kenn-zeichnungspraxis der Klägerin daran gewöhnt ist, in der in Rede stehendenAufmachung von Bekleidungsstücken einen Herkunftshinweis zu sehen.3. Ohne Erfolg macht die Beklagte unter Berufung auf das Schreiben derPatentanwälte der Klägerin vom 13. März 1974 geltend, diese habe der Ver-wendung von Zwei-Streifen-Kennzeichnungen durch die Beklagte zugestimmtund könne deshalb die geltend gemachten Ansprüche nicht durchsetzen. DasBerufungsgericht hat dem Schreiben keine derartige rechtsverbindliche Zu-stimmung entnommen. Diese Beurteilung ist im Revisionsverfahren nur einge-schränkt darauf überprüfbar, ob das Berufungsgericht gegen Denkgesetze oderErfahrungssätze verstoßen hat. Das zeigt die Beklagte in der Anschlußrevisi-onsbegründung nicht auf. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Ausle-- 16 -gung des Schreibens ist möglich und deshalb revisionsrechtlich nicht angreif-bar.B. Die AnschlußrevisionDie Anschlußrevision der Beklagten wird mangels Erfolgsaussicht undwegen fehlender Grundsatzbedeutung nicht zur Entscheidung angenommen(§ 554b ZPO).III. Danach war das Berufungsurteil, soweit zum Nachteil der Klägerinerkannt worden ist, aufzuheben und die Sache in diesem Umfang an das Be-rufungsgericht zurückzuverweisen. Die Anschlußrevision hat sich durch dieNichtannahme erledigt.ErdmannStarckBornkamm Pokrant Büscher

Meta

I ZR 21/98

06.07.2000

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2000, Az. I ZR 21/98 (REWIS RS 2000, 1713)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 1713

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