Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.06.2015, Az. 2 StR 358/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 9621

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Gegenstand

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Verminderte Schuldfähigkeit durch einen länger andauernden Zustand bei Persönlichkeitsstörung mit mangelnder Fähigkeit zur Impulskontrolle


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. April 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beleidigung in zwei Fällen, Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung, Sachbeschädigung in zwei Fällen und wegen versuchter schwerer Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet; im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Seine auf die Sachrüge gestützte Revision ist auf den [X.] beschränkt. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

2

1. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den [X.], der grundsätzlich isoliert auf Rechtsfehler überprüfbar ist (vgl. auch Senat, Beschluss vom 26. November 1997 - 2 StR 551/97; [X.] in Löwe/[X.], [X.], 26. Aufl., § 344 Rn. 53; [X.] in KK, [X.], 7. Aufl., § 344 Rn. 12; [X.]/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1322, jeweils mwN), ist hier wirksam, da keine untrennbare Wechselwirkung zum Schuld- bzw. Strafausspruch besteht.

3

2. Gegen die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Die Maßregel setzt u.a. die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Zustands voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr., vgl. nur [X.], Urteil vom 6. März 1986 - 4 StR 40/86, [X.]St 34, 22, 27; Beschluss vom 6. Februar 1997 - 4 [X.], [X.]St 42, 385 f.; Senat, Beschluss vom 1. April 2014 - 2 [X.], insoweit in NStZ-RR 2014, 207 nicht abgedruckt). Das Vorliegen eines solchen länger andauernden Zustands ist hier nicht belegt.

4

a) Die - sachverständig beratene - [X.] hat festgestellt, dass beim Angeklagten zu den jeweiligen [X.] (März bis September 2013) das Merkmal der tiefgreifenden Bewusstseinsstörung im Sinne der §§ 20, 21 StGB in Form einer erheblichen Störung der Affektverarbeitung in Kombination mit einer extremen - aufgrund [X.] Vereinsamung und Isolation in [X.] entstandenen - Grundanspannung vorlag. In bestimmten objektiv oder lediglich subjektiv empfundenen Belastungssituationen, die "sozusagen das Fass zum Überlaufen bringen", gerate der Angeklagte wegen seiner mangelnden Fähigkeit zur Impulskontrolle in den Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit. Mit den Sachverständigen ist das [X.] der Auffassung, dass die beim Angeklagten bestehende extreme Grundanspannungslage fortbestehe, denn "die Situation des Angeklagten in [X.] hat bisher keine positive Veränderung erfahren und wird dies auch in Zukunft nicht. Diese extreme Anspannungslage kann durch das Hinzutreten eines beliebigen weiteren Ereignisses [...] zu einem förmlichen 'Ausrasten' des Angeklagten führen", zumal "Alkoholkonsum zu einer zusätzlichen Enthemmung" führt.

5

b) Diese Feststellungen des [X.]s ergeben den für die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus erforderlichen länger andauernden Zustand (zumindest) verminderter Schuldfähigkeit nicht.

6

Bereits nicht belegt ist die Annahme des [X.]s, die Situation des - bei nahezu allen Taten alkoholisierten - Angeklagten in [X.] werde auch in Zukunft keine positive Veränderung erfahren, zumal im Wesentlichen die aus Sicht des Angeklagten unzureichende Wohnsituation im Asylbewerberheim jeweils tatkonstellierend gewesen ist.

7

Zudem reicht die auf die Persönlichkeitsstörung in Kombination mit der Grundanspannung zurückzuführende Disposition des Angeklagten, in bestimmten Belastungssituationen wegen mangelnder Fähigkeit zur Impulskontrolle in den Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit zu geraten, zur Bejahung eines dauernden Zustands im Sinne des § 63 StGB nicht aus (vgl. [X.], Beschlüsse vom 2. Dezember 2004 - 4 StR 452/04; vom 26. Januar 2007 - 2 [X.], [X.]R StGB § 63 Zustand 39; vom 10. Januar 2008 - 4 [X.]/07, [X.], 140, 141). Denn die Störung der Affektverarbeitung führt erst in Kombination mit der - aufgrund [X.] Vereinsamung und Isolation entstandener - Grundanspannungslage und einer zusätzlichen Belastungssituation zur tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, wobei der Alkoholkonsum "zu einer zusätzlichen Enthemmung" führt. Ein dauerhaft bestehender, den Täter beeinträchtigender psychischer Zustand ist damit nicht ausreichend belegt.

8

3. Da der Angeklagte im Zeitpunkt der Taten bereits erwachsen war, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer des [X.]s zurück.

Fischer                    Krehl                      Eschelbach

                 Zeng                    Bartel

Meta

2 StR 358/14

17.06.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bonn, 28. April 2014, Az: 22 KLs 3/14

§ 20 StGB, § 21 StGB, § 63 StGB, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.06.2015, Az. 2 StR 358/14 (REWIS RS 2015, 9621)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9621

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