Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.01.2008, Az. 4 StR 595/07

4. Strafsenat | REWIS RS 2008, 5863

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[X.] vom 29. Januar 2008 in der Strafsache gegen wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a. - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 29. Januar 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. Juli 2007 a) im Schuldspruch dahin klargestellt, dass der Ange-klagte der besonders schweren Vergewaltigung und der schweren Vergewaltigung schuldig ist, b) mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Un-terbringung des Angeklagten in einem psychiatri-schen Krankenhaus angeordnet worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fäl-len schuldig gesprochen, "wobei er in einem Fall ein gefährliches Werkzeug verwendete und in dem anderen Fall ein sonstiges Mittel bei sich führte, um den Widerstand einer anderen Person durch Drohung mit Gewalt zu verhindern". Es hat ihn deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen 1 - 3 - Krankenhaus angeordnet und im Fall II. 2 im Adhäsionsverfahren der Neben-klägerin Schadensersatz zuerkannt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, ist zum Schuld-, Straf- und Adhäsionsausspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, weil die Überprüfung des Urteils auf Grund der [X.] insoweit keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Der [X.] hat hingegen keinen Bestand. 2 1. Im Fall II. 2 tragen die Feststellungen eine Verurteilung des Angeklag-ten wegen des [X.] des § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB (vgl. [X.], 261). Dass die [X.] dies bei der rechtlichen Würdi-gung der Tat in den Urteilsgründen nicht zum Ausdruck gebracht hat, steht dem nicht entgegen. Das [X.] ist deshalb bei der Strafzumessung im [X.] zu Recht von dem sich aus § 177 Abs. 3 StGB ergebenden erhöhten Straf-rahmen von drei Jahren bis 15 Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen. Der Erörte-rung des § 177 Abs. 5 2. Halbs. StGB bedurfte es nicht, da die Annahme eines minder schweren Falles bei dem rechtsfehlerfrei festgestellten Tatgeschehen fern lag. 3 Jedoch ist die Urteilsformel mit Blick auf die Verwirklichung der [X.] dahin klarzustellen, dass der Angeklagte im Fall II. 1 der [X.] schweren Vergewaltigung (§ 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB) und im Fall II. 2 der schweren Vergewaltigung (§ 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB) schuldig ist (vgl. BGHR StPO § 260 IV 1 Urteilsformel 4). 4 - 4 - 2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiat-rischen Krankenhaus nach § 63 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. 5 Die Anordnung dieser Maßregel kommt nur bei solchen Personen in [X.], deren Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderte Schuldfähigkeit durch einen positiv festgestellten, länger andauernden und nicht nur vorüberge-henden Zustand im Sinne der §§ 20, 21 StGB hervorgerufen ist (st. Rspr., BGHSt 34, 22, 27; 42, 385 f.). Diese Voraussetzungen sind nicht rechtsfehler-frei dargetan. 6 Das [X.] hat angenommen, die Steuerungsfähigkeit des Ange-klagten sei bei der ersten Tat, nicht hingegen bei der zweiten Tat, erheblich im Sinne des § 21 StGB infolge einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung ([X.]) vermindert gewesen. Der Angeklagte weise eine kombinierte Persönlichkeits-störung auf der "Basis einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur in Form ei-nes sogenannten 'verdeckten Narzissmus' " auf, die für sich genommen zwar eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit nicht begründen könne. Jedoch [X.] sich der Angeklagte bei Begehung der Tat II. 1, anders als bei der zweiten Tat, auf Grund einer akuten und ernsten Beziehungskrise mit seiner damaligen Lebensgefährtin [X.]in einer belastenden Situation im Sinne einer Lebenskrise befunden. Dies habe im Zusammentreffen mit dem labilen Persön-lichkeitsgefüge des Angeklagten bei Begehung der ersten Tat zum Nachteil der [X.]. infolge einer affektiv bedingt eingeengten Wahrnehmung zu einem sexuellen Impulsdurchbruch geführt, welcher für den Angeklagten nur bedingt steuerbar gewesen sei. 7 a) Eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit bei Begehung der Tat II. 1 wird durch diese Ausführungen nicht belegt. 8 - 5 - Die der Schuldfähigkeitsbeurteilung als Anknüpfungstatsache zu Grunde gelegte "akute und ernste" trennungsbedingte Krisensituation des Angeklagten kann dem angefochtenen Urteil nicht entnommen werden. Ausweislich der Ur-teilsgründe ging die Trennung nämlich nicht etwa von [X.] S. , sondern vom Angeklagten aus. Es war auch der Angeklagte, der darauf bestand, dass [X.]ca. zwei Monate vor der Tat aus der gemeinsamen Wohnung auszog, was diese auch befolgte. Vor diesem Hintergrund ist bereits nicht zu erkennen, weshalb sich die Trennung von seiner Lebensgefährtin für den [X.] noch zwei Monate später bei Begehung der Tat zum Nachteil der [X.]. als schwere Belastungssituation darstellen konnte. 9 Hinzu kommt, dass sich die [X.] nicht damit auseinandergesetzt hat, dass die Tat II. 2, die der Angeklagte ca. zehn Monate nach der ersten Tat in - wovon die [X.] rechtsfehlerfrei ausgeht - uneingeschränkt schuld-fähigem Zustand beging, ein nahezu identisches Tatmuster wie die erste Tat aufwies. Dies gilt nicht nur für das Sichbemächtigen der dem Angeklagten un-bekannten jungen Frauen anlässlich nächtlicher Fahrten durch [X.] und die Durchführung der Taten selbst, sondern auch für die sinngleichen, drohenden Äußerungen des Angeklagten gegenüber den jeweiligen [X.], etwa "er habe nichts zu verlieren" bzw. ihm "sei sowieso alles egal". In Anbetracht der übereinstimmenden Tatbilder vermag die von der [X.] hervorgehobene Äußerung des Angeklagten gegenüber der Nebenklägerin bei Begehung der Tat II. 2 die unterschiedliche Schuldfähigkeitsbeurteilung nicht zu belegen ([X.]). 10 b) Darüber hinaus vermögen die Feststellungen des [X.]s die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus auch deshalb nicht zu tragen, weil ihnen eine die Unterbringung rechtfertigende [X.] - 6 - rung im Sinne eines länger andauernden "Zustands" nicht entnommen werden kann. Nach den bisherigen Feststellungen führt die diagnostizierte Persönlich-keitsstörung vielmehr erst dann zu einer Verminderung der Schuldfähigkeit, wenn sich der Angeklagte in "mehr oder weniger krisenhaften Situationen, ins-besondere Beziehungskrisen" befindet. Diese auf die diagnostizierte Persön-lichkeitsstörung zurückzuführende Disposition, in bestimmten [X.] wegen mangelnder Fähigkeit zur Impulskontrolle in den Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit zu geraten, reicht zur Bejahung eines [X.] Zustands im Sinne des § 63 StGB nicht aus (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 2. Dezember 2004 - 4 StR 452/04 und vom 10. Januar 2008 - 4 [X.]). 12 3. Der [X.] kann daher nicht bestehen bleiben. Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil sich möglicherweise noch Feststellungen treffen lassen, die die Maßregelanordnung tragen können. Für die neue Hauptverhandlung wird es sich jedoch empfehlen, einen weiteren 13 - 7 - Sachverständigen hinzuzuziehen. Der Strafausspruch wird durch die Aufhebung der Unterbringungsanordnung nicht berührt, da der Angeklagte durch die An-nahme des § 21 StGB im Fall II. 1 bei der Strafzumessung nicht beschwert ist. [X.] RiBGH Athing ist infolge Urlaubs

gehindert zu unterschreiben

Tepperwien
[X.] Sost-Scheible

Meta

4 StR 595/07

29.01.2008

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.01.2008, Az. 4 StR 595/07 (REWIS RS 2008, 5863)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 5863

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