Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.08.2012, Az. 4 StR 311/12

4. Strafsenat | REWIS RS 2012, 3824

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4
StR 311/12

vom
21. August 2012
in der Strafsache
gegen

wegen schweren Bandendiebstahls u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 21.
August 2012
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 [X.]
beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten L.

wird das Urteil
des [X.] vom 10.
April 2012, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, so-weit das [X.] von einer Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]s zurück-verwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen
schweren Bandendieb-stahls in 30
Fällen, wobei es in acht Fällen beim Versuch blieb, sowie wegen Diebstahls, Computerbetrugs und versuchter Nötigung in Tateinheit mit gefähr-licher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.
1
-
3
-
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
hat zum Schuld-
und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Ange-klagten ergeben (§
349 Abs.
2 [X.]). Das Rechtsmittel hat jedoch insoweit [X.], als das [X.] davon abgesehen hat, die Unterbringung des Ange-klagten in einer Entziehungsanstalt nach §
64 StGB anzuordnen.
1.
Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte ab dem 13.
Lebensjahr Cannabis und steigerte seinen [X.] bis zu einem täglichen Bedarf von 2
Gramm im Alter von 14
Jahren. Ab dem 16.
Lebensjahr kamen am Wochenende ca. 2
Gramm Amphetamin hinzu, wobei er die jeweilige Dosis

nasal zu sich nahm. Den aus Anlass seiner ersten Inhaftierung im Jahre 2006 unterbrochenen [X.] setzte er unmittelbar nach der [X.] wieder fort. Nach weiteren Verurteilungen sowie einer nachträglich gebil-deten [X.] von zwei Jahren trat der Angeklagte
am 22.
Juni 2007, nachdem die Vollstreckung eines Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt worden war, eine
Drogentherapie im Rahmen des §
35 BtMG an. Nach [X.] befand er
sich von November 2008 bis Dezember 2009 in [X.]. Ab Beginn des Jahres 2010 schnupfte und rauchte der Angeklagte auch
Kokain, wobei eine Menge von 1
Gramm für zwei bis drei Tage ausreichte. [X.] konsumierte er
Kokain
zusammen mit den Mitangeklagten S.

und
O.

sowie dem ehemaligen Mitangeklagten R.

.
Nach erneuter Inhaf-
tierung im Jahre 2010 wurde der Angeklagte
am 7.
September
2010 zur [X.] einer
weiteren
Drogentherapie nach
§
35 BtMG
aus der Haft entlassen.
Bereits eine Woche später brach er die Therapie jedoch ab und kaufte sich von dem Übergangsgeld der JVA Marihuana, um Joints zu rauchen
(UA S.
9
RS).
Das [X.] hat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in
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-
4
-
einer Entziehungsanstalt gemäß §
64 StGB verneint, da weder eine psychische Abhängigkeit, gravierende Entzugserscheinungen, eine
erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit zu den [X.] oder eine Drogendepravation noch eine erhebliche Beeinträchtigung der Gesundheit sowie der
Arbeit-
oder [X.] vorlägen. Ein symptomatischer Zusammenhang zwischen den dem Angeklag

2.
Diese Ausführungen lassen besorgen, dass die [X.] rechts-fehlerhaft von einem zu engen Verständnis eines Hanges im Sinne von §
64 StGB
sowie
des erforderlichen symptomatischen Zusammenhangs zwischen den abgeurteilten Taten und dem Hang ausgegangen ist.
a)
Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder
durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial [X.] oder gefährlich erscheint
(st. Rspr., vgl. Senatsbeschlüsse vom 6.
September 2007

4
StR
318/07, [X.], 8,
und vom 1.
April 2008

4
StR
56/08, [X.], 198, 199;
[X.], Beschluss vom 12.
April 2012

5
StR
87/12). Nicht erforderlich ist, dass beim Täter bereits eine Persönlich-keitsdepravation eingetreten ist (Senatsbeschluss vom 6.
September 2007

4
StR
318/07, [X.], 8). Dem Umstand, dass durch den Rauschmit-telkonsum
die Gesundheit sowie die Arbeits-
und Leistungsfähigkeit des Be-troffenen beeinträchtigt sind, kommt nur eine indizielle Bedeutung zu. Das [X.] solcher Beeinträchtigungen schließt nicht notwendigerweise die Bejahung 5
6
-
5
-
eines Hanges aus (Senatsbeschluss vom 1.
April 2008

4
StR
56/08, [X.], 198). Für die [X.] nach §
64 StGB kommt es auch
nicht darauf an, dass der Angeklagte die Taten im Zustand zumindest vermin-derter Schuldfähigkeit begangen hat (Senatsbeschluss vom 30.
September 2003

4
StR
382/03, [X.], 78, 79).
Danach drängt sich hier das Vorliegen eines Hanges schon angesichts des festgestellten [X.]verhaltens des Angeklagten und der beiden (abge-brochenen) Drogentherapien
aus den Jahren 2007
und 2010
auf. [X.] hat das [X.] seine Auffassung, dass eine psychische Abhängigkeit zu verneinen sei, nicht näher begründet.
Es hat außerdem
davon abgesehen, den Inhalt der Ausführungen des Sachverständigen hierzu mitzuteilen.
b)
Auch der Symptomwert der festgestellten Taten für den
Hang des [X.] liegt

entgegen der Auffassung des [X.]s

ausgesprochen nahe. Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die [X.] ist. Vielmehr ist ein symptomatischer Zu-sammenhang auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen [X.] mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat, und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist
(vgl. Senatsbeschlüsse vom 30.
September 2003

4
StR
382/03, [X.], 78, vom 25.
Mai 2011

4
StR
27/11, [X.], 309, und vom 25.
Oktober 2011

4
StR
416/11). So liegt es hier. Denn der berufs-
und arbeitslose Angeklagte hat seinen beträchtlichen [X.] ganz überwiegend durch die gewerbsmäßige Begehung von Einbruchs-diebstählen finanziert (UA S.
12
RS). Damit liegt nahe, dass der Drogenkonsum des Angeklagten die abgeurteilten Taten mit ausgelöst hat.
7
8
-
6
-
c)
Den bisher getroffenen Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass die Maßregel jedenfalls deswegen ausscheiden müsste, weil es an der hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolges fehlt (§
64 Satz
2 StGB).
Der Angeklagte ist noch vergleichsweise jung. Die in den Jahren 2007 und 2010 (abgebrochenen)
Therapieversuche stehen §
64 StGB nicht zwingend entgegen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7.
Januar 1997

4
StR
628/96, und vom 10.
April 1997

4
StR
130/97, beide bei Detter,
[X.] 1997,
476, 480).
Die Frage
der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in
einer Ent-ziehungsanstalt bedarf deshalb
unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§
246a Satz
2 [X.])
der erneuten Prüfung und Entscheidung. Der neue [X.] wird gegebenenfalls §
67 Abs.
2 StGB zu beachten haben.
3.
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nach-holung der Unterbringungsanordnung nicht (§
358 Abs.
2 Satz
3 [X.]; [X.], Urteil vom 10.
April 1990

1
StR
9/90, [X.]St 37,
5, 9). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des §
64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. [X.], Urteil vom 7.
Oktober 1992

2
StR
374/92, [X.]St 38, 362
f.).
4.
Der Senat kann ausschließen, dass das [X.] bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mildere Einzelstrafen oder eine
geringere Gesamtstrafe verhängt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb be-stehen bleiben.
5.
Eine Erstreckung der Entscheidung (§
357 [X.]) auf die nicht [X.] führenden Mitangeklagten kommt nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschluss 9
10
11
12
13
-
7
-
vom 4.
Juli 2012

4
StR
173/12; [X.], [X.], 55.
Aufl., §
357 Rn.
15 mwN).
Mutzbauer
Roggenbuck
Franke

Quentin
Reiter

Meta

4 StR 311/12

21.08.2012

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.08.2012, Az. 4 StR 311/12 (REWIS RS 2012, 3824)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3824

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