Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2017, Az. 1 StR 360/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 17523

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:120117U1STR360.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
1
StR
360/16

vom
12. Januar 2017
in der Strafsache
gegen

1.
2.

wegen besonders schwerer Brandstiftung

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2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 10. Januar 2017 in der Sitzung am 12. Januar 2017, an denen
teilgenom-men haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,

[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jäger,
[X.],
[X.]in am Bundesgerichtshof
Cirener
und [X.] am Bundesgerichtshof
Dr. Bär,

Oberstaatsanwalt
beim Bundesgerichtshof

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

in der Verhandlung vom 10. Januar 2017

als Verteidiger
des Angeklagten S.

,
Rechtsanwalt

in der Verhandlung vom 10. Januar 2017

als Verteidiger des Angeklagten [X.]

,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

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3
-
1.
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 7. März 2016 mit den Fest-stellungen aufgehoben.

2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten
jeweils wegen besonders schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen rich-ten sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Re-visionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben entsprechend dem Antrag des [X.] mit der Sachrüge Erfolg; auf die [X.] kommt es nicht mehr an.
I.
Das [X.] hat folgende Feststellungen getroffen:
1. Der Angeklagte S.

erwarb im Jahr 2002 das spätere Brandobjekt, ein in H.

gelegenes Wohnhaus mit Nebengebäuden, zum Kaufpreis von 70.000 Euro zu Alleineigentum und lebte dort zuletzt gemeinsam mit seiner Ehefrau und drei volljährigen Kindern. Abgesehen von dem Einbau 1
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einer neuen Heizungsanlage im [X.] nahm er seit dem Erwerb keinerlei Renovierungsarbeiten vor. Im Oktober 2014 wurde ihm ein Renovierungsdarle-hen in Höhe von 80.000 Euro gewährt, über welches er vor dem Tatgeschehen am 30. Dezember 2014 bereits in Höhe von 45.000 Euro durch Barabhebungen verfügte, ohne jedoch Sanierungsarbeiten am Wohnhaus zu finanzieren. Un-mittelbar vor dem Tatgeschehen befand sich das Wohnhaus in einem maroden und stark renovierungsbedürftigen Zustand. Es war mit einfachverglasten Holz-fenstern ausgestattet. Weder die Außenwände noch das Dach waren isoliert. Im [X.] waren tragende Dachbalken an mehreren Stellen mit Holzverstrebun-gen abgestützt. Die dort befindlichen Heizöltanks waren fast ganz leer.
Für das [X.] existierten zwei Schlüssel; einen hatte die Ehe-frau des Angeklagten S.

stets bei sich. Den zweiten Schlüssel nutzten die übrigen Familienmitglieder im Wechsel.
Am Nachmittag des 29. Dezember 2014 hielten sich der Angeklagte S.

und sein Bruder, der Angeklagte [X.]

, als letzte aus der Familie am späteren Brandobjekt auf. Die übrigen Familienmitglieder waren bereits zu Feierlichkeiten im etwa 60 Kilometer entfernten St.

aufgebrochen. Beiden Angeklagten war bekannt, dass sämtliche Familienmit-glieder dort auch übernachten wollten. Diesen Umstand wollten sie bewusst ausnutzen, um das Wohnhaus unter Ausschluss einer Gefährdung für die [X.] anzuzünden, auf diese Weise zu zerstören und im [X.] daran den entstandenen Schaden unrechtmäßig gegenüber der Versicherung geltend zu machen.
Während sich der Angeklagte S.

vom 29. auf den 30.
Dezember 2014 gemeinsam mit seiner Familie in St.

aufhielt, ver-ließ der Angeklagte [X.]

die dortigen Feierlichkeiten bereits gegen 4
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23.00 Uhr und traf gegen 23.50 Uhr an seinem Wohnort in W.

etwa sechs Kilometer von H.

entfernt

ein. Gegen 1.15 Uhr setzte der An-geklagte [X.]

entsprechend dem zuvor mit seinem Bruder [X.] gefassten [X.]

das Wohnhaus des Bruders mit Benzin in Brand, wodurch dieses vollständig ausbrannte. In das Haus gelangte er mit einem Haustürschlüssel, welcher ihm vom Angeklagten S.

am 29. De-zember 2014 zu diesem Zweck übergeben und der später im Flur des [X.] im Brandschutt aufgefunden wurde. Noch am 30. Dezember 2014 mel-dete der Angeklagte S.

ebenfalls dem gemeinsamen [X.] entsprechend

den entstandenen Schaden der Versicherung, bei welcher seit dem 1. Februar 2010 eine Versicherung zum gleitenden Neuwert mit einer Ver-sicherungssumme von 410.000 Euro bestand. Bis dahin war das [X.] noch zum jeweiligen Zeitwert versichert. Zu einer Auszahlung der [X.] kam es in der Folge nicht.
2. [X.] stützt die Tatbeteiligung des die Tat bestreitenden und in der Hauptverhandlung schweigenden Angeklagten [X.]

maß-geblich darauf, dass er den Brand vorsätzlich unter Verwendung von Benzin als Brandbeschleuniger im wirtschaftlichen Interesse seines Bruders S.

gelegt habe. Sie schließe eine Brandlegung durch außenstehende Dritte

etwa aus einer fremdenfeindlichen Motivation heraus

aufgrund der [X.]spuren aus. Das unmittelbare Anzünden des [X.] könne aus-schließlich durch den Angeklagten [X.]

erfolgt sein, der den [X.] zum Betreten des Hauses von dem Angeklagten S.

vor Tat-begehung zur Verfügung gestellt bekommen habe. Die Auswertung der Mobil-funkverbindungsdaten des vom Angeklagten [X.]

genutzten Handys habe ergeben, dass er sich am 29. Dezember 2014 um 23.50 Uhr an seinem 7
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Wohnort in W.

aufgehalten habe, so dass es ihm zeitlich möglich gewe-sen sei, den Brand am etwa sechs Kilometer entfernten [X.] zu legen.
Für den Nachweis der Täterschaft des Angeklagten [X.]

sei es nicht von Bedeutung gewesen, dass bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 26. Februar 2015 ein Bargeldbetrag von 12.000 Euro aufgefunden worden sei. Gleiches gelte für zwei anonyme, an die Ermittlungsbehörden gerichtete Schreiben vom 5. Januar 2015, in denen der Verdacht geäußert worden sei, die
Familie des Angeklagten S.

und
der Angeklagte [X.]

r-sicherungsleistungen zu erlangen. Auch etwaige weitere mögliche strafbare Handlungen des Angeklagten [X.]

, u.a. der Verdacht einer
Brandle-gung in seiner eigenen Wohnung im Jahr 2003 seien unberücksichtigt geblie-ben.
II.
Die Beweiswürdigung des [X.], mit der es sich von der [X.] überzeugt hat, hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
1.
Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatgerichts, das
sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld des Angeklagten zu bilden hat (§ 261 StPO). Die tatsächlichen Schlussfolge-rungen des Tatgerichts müssen nicht zwingend sein; es genügt, dass sie mög-lich sind und das Tatgericht von ihrer Richtigkeit überzeugt ist (vgl. [X.], Urteile vom 30. März 2004

1 [X.], [X.], 238 und
vom 1. Juli 2008

1 [X.]). Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatgerichts mit Rechtsfehlern behaftet ist, weil sie Lü-8
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cken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesicherten Er-fahrungswissen nicht übereinstimmt oder sich so weit von einer [X.] entfernt, dass sich die gezogenen Schlussfolgerungen letztlich als reine Vermutung erweisen (vgl. [X.], Urteil vom 21. März 2013

3 [X.], [X.], 420 mwN). Zudem muss das Urteil erkennen lassen, dass das [X.] solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überle-gungen einbezogen hat. Dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet werden, sondern müssen in eine umfassende Gesamtwür-digung eingestellt worden sein ([X.], Urteile vom 5. Dezember 2013

4 StR 371/13, [X.], 87 und vom 2. April 2015

3 [X.]).
2. Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des [X.] nicht gerecht. Die
Überzeugung von der
Täterschaft des Angeklagten [X.]

ist nicht tragfähig begründet, so dass die vom [X.] gezogenen Schlussfolgerungen sich als bloße Vermutungen erweisen (dazu unten a). Die-ser Rechtsfehler lässt auch die Grundlage für die Verurteilung des Angeklagten S.

als Mittäter entfallen (dazu unten b).
a) Die vom [X.] in seine Gesamtwürdigung einbezogenen [X.] genügen nicht, um eine Täterschaft des Angeklagten [X.]

bei der unmittelbaren Brandlegung tragfähig zu begründen. Die [X.] zeigt lediglich auf, dass er die Möglichkeit zur Tatausführung gehabt habe, weil er in Besitz des [X.] durch dessen Überlassung sei-tens des Angeklagten S.

vor Tatbegehung gekommen sein kann und die Tat aufgrund seiner Nähe zum [X.] in zeitlicher Hinsicht began-gen haben kann.
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aa) Der Umstand, dass dieser Schlüssel nach dem Brand im Brand-schutt des Wohnhauses aufgefunden wurde, besagt zur Täterschaft des Ange-klagten [X.]

jedoch nichts. Das [X.] trifft insoweit auch keine Feststellungen dazu, dass der Angeklagte S.

nach der Tat nicht (mehr) im Besitz eines [X.] gewesen ist.
bb) Die Möglichkeit des Angeklagten [X.]

, zum Tatzeitpunkt am [X.] gewesen zu sein, reicht allein zu dessen Überführung nicht aus. Die Erwägung des [X.], der Angeklagte könnte sein Handy, das zuletzt an seinem Wohnort in W.

und nicht am [X.] eingebucht war, nicht zum [X.] mitgenommen oder ausgeschaltet haben, belegt seine Anwesenheit am [X.] nicht. Die Begründung des [X.], dass dieser Umstand seiner i-gung des gesamten [X.], das ebelege, über die Möglichkeit der Erhebung von [X.] bewusst gewesen sei und deshalb Vorkehrungen getroffen habe, ist jedenfalls kreisschlüssig. Die nachzuweisende Tatbeteiligung des Angeklag-ten [X.]

wird daraus hergeleitet, dass er die Tat mit dem Angeklag-ten S.

detailliert geplant habe und deshalb sein Handy nicht am [X.] eingeloggt war. Die zu beweisende Tatsache, nämlich die detaillierte [X.]ung der Täter, wird insoweit zum [X.] der Täterschaft des An-geklagten [X.]

vorausgesetzt.
cc) Das [X.] begründet des Weiteren nicht, warum ausschließlich der Angeklagte [X.]

als Tatausführender in Betracht kommt. Nach den Feststellungen ist der Angeklagte S.

in der Tatnacht gegen 2.00 Uhr von seinem Schwager angerufen worden, der ihm vom Brand des Wohnhauses berichtet habe. Es stellt angesichts der vorliegenden Beweislage 13
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einen Erörterungsmangel dar, weshalb der Schwager des Angeklagten S.

trotz zeitnaher Kenntnis vom Brandgeschehen als Täter ausschei-det.
[X.]) [X.], die sich aus den wirtschaftlichen Inte-ressen des Angeklagten S.

an der Brandlegung herleiten, be-treffen den Angeklagten [X.]

nicht unmittelbar; sie sind daher ohne weitere Beweisanzeichen nicht dazu geeignet, den Angeklagten [X.]

als unmittelbaren Täter der Inbrandsetzung zu überführen.
b) Die Verurteilung des Angeklagten S.

ist

obwohl ge-wichtige Umstände für seine Tatbeteiligung sprechen

bereits deswegen auf-zuheben, weil seine Mittäterschaft im Rahmen der Beweiswürdigung
untrenn-bar aus dem Zusammenwirken mit dem Angeklagten [X.]

hergeleitet wird, dessen Täterschaft indes nicht rechtsfehlerfrei begründet wurde.
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3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entschei-dung.
Raum

Jäger [X.]

Cirener Bär
18

Meta

1 StR 360/16

12.01.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2017, Az. 1 StR 360/16 (REWIS RS 2017, 17523)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17523

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3 StR 247/12

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