Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2017, Az. StB 41/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 17608

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2017:110117BSTB41.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

StB 41/16

vom
11. Januar 2017
in dem Ermittlungsverfahren
gegen

wegen
Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie des Beschwerdeführers und seiner Verteidiger am 11. Janu-ar 2017
gemäß §
304
Abs.
5
StPO beschlossen:

Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] vom 26. Oktober 2016 -
2 [X.] 709/16 -
in Verbindung mit dem Beschluss des Ermittlungsrichters des [X.] vom 7. Dezember 2016 -
2 [X.] 879/16 -
wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:
1. Der Beschuldigte wurde am 8. November 2016 festgenommen und befindet sich seitdem aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 26.
Oktober 2016 (2 [X.] 709/16) in [X.].
Gegenstand des mit der Beschwerde angefochtenen Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe im Juli und August 2015 eine Vereinigung im außereuropäischen Ausland unterstützt, deren Zwecke und Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§
211 StGB), Totschlag (§
212 StGB) oder Kriegsverbre-chen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 [X.]) zu begehen
(strafbar gemäß § 129a Abs.
5 Satz
1, § 129b Abs.
1 Sätze
1 und 2 StGB), indem er als Teil eines aus mehreren Personen bestehenden Netzwerks auf Anweisung des gesondert verfolgten A.

die Ausreise des gesondert Verfolgten [X.]

nach [X.]
1
2
-
3
-
organisiert habe, wo sich letzterer der [X.]" (im [X.]: [X.]) angeschlossen habe.
2. Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Haftbefehl ist unbe-gründet.
Der Beschuldigte ist der ihm zur Last gelegten Tat dringend verdächtig.
a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
[X.]) Der "Islamische St[X.]t" ist eine Organisation mit militantfundamenta-listischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt [X.], einen das Gebiet des heutigen [X.] und die historische Region "ash-Sham"
-
die heutigen St[X.]ten [X.], [X.] und [X.] sowie [X.] -
umfas-senden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesst[X.]t" zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im [X.] und das Regime des [X.] Prä-sidenten [X.] zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortge-setzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt,
als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüch-terung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.
Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" im Juni 2014 aus "Islamischer St[X.]t im [X.] und in [X.]" in "Islamischer St[X.]t" umbenannte -
wodurch sie von der regionalen Selbstbeschränkung auf ein "[X.]" Abstand nahm -, hat der "Emir" [X.] inne, der von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt wurde, dem die Muslime welt-weit Gehorsam zu leisten hätten. Ihm unterstehen ein Stellvertreter sowie "Mi-3
4
5
6
7
-
4
-
nister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "[X.]" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "[X.]". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "[X.]" produziert und über die Medienstelle "al-I'tisam" verbreitet, die dazu einen ei-genen Twitterkanal und ein [X.] nutzt. Das auch von den [X.] verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift: "Allah -
Rasul -
Muhammad", auf [X.] Grund, überschrieben mit dem [X.] Glaubensbekenntnis. Die meh-reren Tausend Kämpfer sind dem "[X.]" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit
jeweils einem Kommandeur gegliedert.
Die von ihr besetzten Gebiete hat die Vereinigung in Gouvernements eingeteilt und einen [X.] eingerichtet; diese Maßnahmen [X.] auf die Schaffung totalitärer st[X.]tlicher Strukturen. Angehörige der [X.], aber auch von in Gegnerschaft zum [X.] stehenden [X.], ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorgani-sationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des [X.] in Frage stellen, sehen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom [X.] zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der [X.] immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So hat er auch für Anschläge in [X.], etwa in [X.] und [X.], die Verantwortung übernommen.
bb) Der Beschuldigte war in ein Netzwerk um den gesondert Verfolgten

A.

eingebunden,
das Personen in Deutsch-
land gezielt darauf vorbereitete, sich dem [X.] anzuschließen und sie als [X.] in die vom [X.] kontrollierten Gebiete vermittelte. Eine dieser Personen war 8
9
-
5
-
der gesondert Verfolgte

[X.]

. Dieser wurde von anderen Angehörigen

des Netzwerks zunächst in [X.] unterrichtet und ihm wurden radikal-islamistische Inhalte vermittelt; insbesondere wurde ihm erklärt, nur [X.] des [X.] seien wahre Muslime und das Leben im "Islamischen St[X.]t" sei deshalb obligatorisch. Außerdem wurden die grausamen Hinrichtungen durch den [X.] gerechtfertigt. Nach Abschluss dieser Ausbildung und Indoktrinierung traf [X.]

in H.

mit A.

zusammen, der seine Ausreise nach Sy-
rien in die Wege leiten sollte. Dieser nannte ihm "als seine rechte und seine linke Hand" den gesondert Verfolgten [X.].

und den Beschuldigten. Mit die-
sen traf sich [X.]

mehrfach. Sie empfahlen ihm, zunächst auf dem Landweg
nach [X.] zu reisen, von dort nach [X.] zu fliegen und dann weiter in
die [X.] und letztlich nach zu [X.] reisen. So sollte ein Einschreiten der [X.] verhindert werden, das die Beteiligten befürchteten, weil [X.]

bereits am
7. Juli 2015 eine Verfügung der Stadt Aa.

zugestellt worden war, mit der
ihm sein Reisepass entzogen und der Geltungsbereich seines [X.] auf das [X.] beschränkt worden war. Außerdem gaben ihm der Beschuldigte und [X.].

Telefonnummern von [X.], die er nach sei-
nem Eintreffen in der [X.] kontaktieren sollte, um seine Weiterreise nach [X.] zu bewerkstelligen, und erteilten ihm klare Anweisungen, wie er sich nach der Ankunft in der [X.] verhalten solle. Schließlich schlugen sie ihm vor, zur Ausreisefinanzierung Mobilfunkverträge abzuschließen, um in den Besitz hoch-preisiger Apple-Geräte zu gelangen. Dem kam [X.]

nach und händigte die
Geräte an den gesondert Verfolgten [X.].

und dessen Begleiter aus, die ihm
dafür mehrere Hundert Euro gaben. Zuvor hatte sich [X.]

noch ein Rechts-
gutachten von dem
gesondert Verfolgten A.

ausstellen lassen, das ein
solches Vorgehen für islamisch gerechtfertigt erklärte, weil "jeder Muslim auf der Welt das Recht hätte, sich das Eigentum eines Nicht Muslim anzueignen." [X.] und Blut der Nicht Muslime" sei
nicht geschützt.
-
6
-
Tatsächlich reiste der gesondert Verfolgte [X.]

mit seiner Frau ab dem
7.
August 2015 über [X.] und [X.] nach [X.] in der [X.]. Von dort teilte [X.]

wie verabredet dem Beschuldigten seine Ankunft mit. Außerdem
kontaktierte er einen der ihm von dem Beschuldigten genannten Schleuser un-ter der angegebenen Telefonnummer, der ihn wiederum an eine weitere Per-son verwies, mit deren Hilfe [X.]

und seine Frau ein sogenanntes Safe-
House in [X.] in der [X.] erreichten. Von dort wurden sie schließlich nach [X.] geschleust, wo sich [X.]

dem [X.] als Mitglied anschloss.
b) Entstehung, Ziele, Vorgehensweise und Struktur des [X.] waren bereits mehrfach Gegenstand von Entscheidungen des Senats, dem aus diesen Ver-fahren Auswertungen des [X.] und insbesondere gutachterli-che Ausführungen des Sachverständigen Dr. S.

bekannt sind, aus de-
nen sich der dringende Tatverdacht ergibt, dass es sich beim [X.] um eine [X.] handelt.
Dass es mit großer Wahrscheinlichkeit ein überregionales Netzwerk um den gesondert Verfolgten A.

gab, dass der Beschuldigte in dieses einge-
bunden war und in der beschriebenen Art und Weise an der [X.] [X.]

s nach [X.] zum [X.] an den [X.] mitwirkte, folgt aus den
Angaben des [X.]

in seinen Beschuldigtenvernehmungen. Diese werden
weitgehend bestätigt durch Angaben einer durch das [X.] geführten Vertrauensperson, der der [X.] Vertraulichkeit zugesichert hat. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug auf die Ausführungen in dem Haftbefehl sowie in dem Beschluss des Ermittlungsrichters des [X.] vom 7.
Dezember 2016 (2 [X.] 879/16), mit dem er den Haftbefehl aufrecht erhalten und in Vollzug belassen hat.
10
11
12
-
7
-
Das Beschwerdevorbringen und die darin in Bezug genommenen [X.] Ausführungen der Verteidigung im Haftprüfungsverfahren geben kei-nen Anlass zu einer abweichenden
Beurteilung: Letztlich zeigt der Beschuldigte lediglich auf, dass [X.]

in seiner ersten Beschuldigtenvernehmung angege-
ben hat, er habe die durch den Abschluss von Mobilfunkverträgen erlangten Geräte an den Beschuldigten und [X.].

übergeben, wohingegen sich aus
den bei den Akten befindlichen Observationsberichten ergibt, dass bei dieser Übergabe der Beschuldigte nicht persönlich zugegen war. Die weiteren [X.] gegen die Beweisgrundlage erschöpfen sich im Wesentlichen im [X.] der Angaben des gesondert verfolgten [X.]

, in eigenen Bewertungen
der Beweismittel sowie in Spekulationen darüber, dass [X.]

den Beschuldig-
ten erst belastet habe, nachdem er über die Regelung des §
46b StGB belehrt worden sei. Nachdem der gesondert Verfolgte [X.]

mit diesen Vorhalten in
seiner Nachvernehmung vom 28.
November 2016 konfrontiert worden ist, hat er Widersprüche auszuräumen vermocht; angesichts der Bestätigung, die seine Angaben im weiteren Ermittlungsverfahren (Angaben der Vertrauensperson, Ermittlungen zu Reisebewegungen [X.]

s, Ergebnisse retrograder Telefon-
überwachung) gefunden haben, ist weder die Glaubhaftigkeit seiner Angaben noch seine Glaubwürdigkeit in einem Maße erschüttert, dass der dringende Tatverdacht entfiele.
c) In rechtlicher Hinsicht ergibt sich auf dieser Beweisgrundlage der drin-gende Tatverdacht, dass sich der Beschuldigte wegen Unterstützung einer ter-roristischen Vereinigung im Ausland, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord (§
211 StGB), Totschlag

212 StGB) oder Kriegsverbre-chen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 [X.]) zu begehen, nach §
129a Abs.
5 Satz
1, §
129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB strafbar gemacht hat. Ihm war [X.], dass [X.]

sich dem [X.] als Kämpfer anschließen wollte. Indem er ihm
13
14
-
8
-
bei der Organisation seiner -
erfolgreichen -
Ausreise und dem [X.] an den [X.] behilflich war, förderte er die terroristischen Ziele dieser Vereinigung.
Insoweit ist [X.] Strafrecht anwendbar: Dies folgt unmittelbar aus
§
129b Abs. 1 Satz 2 Variante 1 und 4 StGB, weil die Tat durch eine in [X.] ausgeübte Tätigkeit begangen wurde und der Angeklagte sich in [X.] befindet (vgl. zum Strafanwendungsrecht nach § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB nunmehr auch [X.], Beschluss vom 6.
Oktober 2016 -
AK 52/16, juris Rn.
34 ff.).
Die nach § 129b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von bereits begangenen und künftigen Taten im Zusammenhang mit der sich als "Islamischer St[X.]t im [X.] und [X.]" sowie als "Islamischer St[X.]t" bezeichnenden ausländischen terroristischen Vereinigung liegt -
als Neufassung der bisherigen Verfolgungsermächtigung -
seit dem 13.
Oktober 2015 vor.
3. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr, §
112 Abs.
2 Nr.
2 StP[X.] Der Beschuldigte hat im Fall seiner Verurteilung eine empfindliche Freiheits-strafe zu erwarten, die einen erheblichen Fluchtanreiz begründet. Bei dem [X.] handelt es sich um eine besonders gefährliche und grausam vorgehende [X.]. Die Unterstützungshandlung des Beschuldigten war auch schwerwiegend, weil er als Teil eines überregional agierenden Netzwerks dazu beitrug, dieser Vereinigung einen Kämpfer zur Verfügung zu stellen.
Mit Blick darauf steht nicht zu erwarten, dass der Beschuldigte dem von der Straferwartung ausgehenden Fluchtanreiz widerstehen und sich den deut-schen Strafverfolgungsbehörden freiwillig zur Verfügung stellen wird. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass der Beschuldigte als kamerunischer 15
16
17
18
-
9
-
St[X.]tsangehöriger aktiv für die Ausreise aus der [X.] und den [X.] an den [X.] eintritt. Seine Kontaktpersonen im In-
und Ausland sind mit der Schleusung ausreisewilliger Personen befasst, so dass zu befürchten ist, dass auch der Beschuldigte im Fluchtfall auf ihre Unterstützung zurückgreifen und sich dem Strafverfahren entziehen wird. Der Zweck der Untersuchungshaft kann deshalb auch nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des §
116 StPO erreicht werden.
4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht
nach alledem nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§
120 Abs.
1 Satz
1 StPO).
Becker Gericke Tiemann

19

Meta

StB 41/16

11.01.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2017, Az. StB 41/16 (REWIS RS 2017, 17608)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17608

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.