Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.11.2010, Az. 20 F 2/10

Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs 2 VwGO | REWIS RS 2010, 1797

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Gegenstand

Zur zweifelsfreien Rechtserheblichkeit von gesperrten Unterlagen


Leitsatz

Streitigkeiten um Informationszugangsrechte führen nicht gleichsam automatisch zur Verlagerung in das "in-camera"-Verfahren. Ob es zur Beurteilung des Geheimhaltungsbedarfs als Erkenntnishilfe der streitigen Akten bedarf, kann neben dem Zuschnitt der Geheimhaltungsgründe auch davon abhängen, ob der Akteninhalt seinem Gegenstand nach unstreitig ist und auf dieser Grundlage über die fachgesetzlichen Geheimhaltungsgründe entschieden werden kann (Fortführung der Rechtsprechung aus den Beschlüssen vom 31. August 2009 - BVerwG 20 F 10.08 - und vom 25. Juni 2010 - BVerwG 20 F 1.10 -).

Sofern es an einer notwendigen förmlichen Entscheidung des Hauptsachegerichts über die Rechtserheblichkeit bestimmter Behördenakten fehlt, kann der Fachsenat im Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO eine gleichwohl beabsichtigte behördliche Freigabe der Akten außer Vollzug setzen.

Gründe

I.

1

Im Mai 2008 beantragte die [X.] beim [X.] (im Folgenden: [X.]) Auskunft na[X.]h dem [X.] ([X.]) über Beanstandungen bei Ko[X.]hs[X.]hinken, Forms[X.]hinken und S[X.]hinkenimitaten in den Jahren 2007 und 2008. Sie bat mit einer Liste, die 15 Punkte umfasst, um Angabe der Anzahl der insgesamt untersu[X.]hten sowie der beanstandeten Proben und je betroffenem Anbieter um die Mitteilung des Namens, der Bezei[X.]hnung der Speise, des Herstellers, des [X.], des [X.], der Verkehrsbezei[X.]hnung, des Fleis[X.]h-, Brät- und Fremdwasseranteils, weiterer Bestandteile (Bindemittel, Fremdeiweiß, Eiweißhydrolysate, erhöhter Kno[X.]henpartikelanteil) sowie des [X.]es.

2

Na[X.]h Anhörung der betroffenen Firmen gab das [X.] dem Antrag der [X.] mit Bes[X.]heid vom 1. Oktober 2008 im Wesentli[X.]hen statt und legte fest, dass die jeweiligen Datensätze s[X.]hriftli[X.]h zwei Tage na[X.]h Bestandskraft des Bes[X.]heids erteilt werden. Mit S[X.]hreiben vom glei[X.]hen Tag übersandte es der Klägerin einen Abdru[X.]k des Bes[X.]heids und begründete die Informationsfreigabe im Wesentli[X.]hen damit, dass Verstöße gegen lebensmittelre[X.]htli[X.]he Vors[X.]hriften ni[X.]ht unter den S[X.]hutz der Betriebs- oder Ges[X.]häftsgeheimnisse fielen. [X.] sei hier eine irreführende Kennzei[X.]hnung sowie Kennzei[X.]hnungsmängel gewesen. Von einem Verstoß sei auszugehen, wenn die zuständige Behörde eine Normverletzung festgestellt habe; eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit sei ni[X.]ht erforderli[X.]h. Im Übrigen handele es si[X.]h s[X.]hon ni[X.]ht um [X.], weil die Analyse des Produkts, na[X.]hdem es in den Handel gelangt sei, von jedermann dur[X.]hgeführt werden könne.

3

Die Klägerin hat gegen den Bes[X.]heid vom 1. Oktober 2008 Anfe[X.]htungsklage erhoben. Das Geri[X.]ht der Hauptsa[X.]he hat den beklagten [X.], vertreten dur[X.]h das [X.], zunä[X.]hst formularmäßig um Übersendung der Verwaltungsvorgänge gebeten und dies sodann dahin präzisiert, dass nur die Akten angefordert würden, die si[X.]h ni[X.]ht auf die streitgegenständli[X.]hen Informationen bezögen. Das [X.] hat mit S[X.]hreiben vom 6. April 2009 die Verwaltungsakten teilweise vorgelegt und die zurü[X.]kgehaltenen Aktenbestandteile des Näheren bes[X.]hrieben. Dana[X.]h handelt es si[X.]h um die Labordatensätze zu den Anfrageparametern der betroffenen Firmen sowie um S[X.]hriftverkehr, [X.] und [X.] mit den Namen und teilweise den Daten der betroffenen Firmen. Bezogen auf die Klägerin werden in dem S[X.]hreiben vom 6. April 2009 bestimmte Blattzahlen aus dem [X.] bezei[X.]hnet, die das Anhörungsverfahren und die mit der Klägerin geführte Korrespondenz betreffen (Seiten 865 bis 958 mit Ausnahme der vorgelegten Seiten 925 bis 928 und 947 bis 956). Mit S[X.]hreiben vom 12. Juni 2009 teilte der Beri[X.]hterstatter dem Beklagten mit, das Geri[X.]ht sei na[X.]h Dur[X.]hsi[X.]ht der Akten zu dem Ergebnis gekommen, dass diese für eine Ents[X.]heidungsfindung mögli[X.]herweise ni[X.]ht ausrei[X.]hend seien. Daher werde gebeten, die vollständigen Verwaltungsakten vorzulegen oder eine Sperrerklärung na[X.]h § 99 Abs. 1 VwGO abzugeben.

4

Mit S[X.]hreiben vom 13. August 2009 nahm der Beigeladene als oberste Aufsi[X.]htsbehörde des [X.]s zu der erbetenen Aktenvorlage Stellung und bes[X.]hrieb dabei au[X.]h den Inhalt der dem Geri[X.]ht ni[X.]ht vorgelegten, das Verfahren der Klägerin betreffenden Aktenbestandteile (Seiten 865 bis 958). Bei diesen Aktenseiten handelt es si[X.]h um S[X.]hreiben der Klägerin oder Anlagen zu sol[X.]hen S[X.]hreiben, die Informationen zur Identität der Klägerin, der Verkehrsbezei[X.]hnung des beanstandeten Produkts und seiner Vertriebswege enthalten, ferner um ein Guta[X.]hten zu einer Verda[X.]htsprobe eines Produkts der Klägerin sowie ein dazugehöriges Probenahmeprotokoll, ein S[X.]hreiben der Klägerin im Rahmen der Anhörung, eine tabellaris[X.]he Zusammenfassung des Guta[X.]htens sowie um allgemeine Hinweise für Dritte zur Behandlung von Anwaltss[X.]hriftsätzen. Zur Frage der Vorlage dieser Aktenbestandteile hat der Beigeladene ausgeführt, dass eine Verweigerung der Vorlage ni[X.]ht in Betra[X.]ht komme, weil dafür kein Geheimhaltungsgrund im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO bestehe. Bei dem vom [X.] festgestellten Sa[X.]hverhalt handele es si[X.]h um einen Verstoß im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]. Deshalb könne si[X.]h der Betroffene na[X.]h § 2 Satz 3 [X.] gegenüber einem Auskunftsbegehren ni[X.]ht auf Auss[X.]hluss- oder Bes[X.]hränkungsgründe na[X.]h § 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] berufen. Unbes[X.]hadet dessen berühre der festgestellte Sa[X.]hverhalt kein Ges[X.]häfts- oder Betriebsgeheimnis; au[X.]h sei ein bere[X.]htigtes wirts[X.]haftli[X.]hes Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Firma ni[X.]ht ersi[X.]htli[X.]h. § 4 Abs. 3 Satz 3 [X.], der den Informationszugang erst na[X.]h Bestandskraft der Ents[X.]heidung über das Auskunftsbegehren vors[X.]hreibe, stehe der Vorlage im geri[X.]htli[X.]hen Verfahren ebenfalls ni[X.]ht entgegen; die Vors[X.]hrift sei kein Gesetz im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Da die tatbestandli[X.]hen Voraussetzungen für eine Verweigerung der Aktenvorlage ni[X.]ht gegeben seien, erübrigten si[X.]h [X.]. Das [X.] hat dieses S[X.]hreiben des Beigeladenen - ohne die freigegebenen Aktenbestandteile - dem Geri[X.]ht der Hauptsa[X.]he vorgelegt.

5

Die Klägerin hat daraufhin beantragt festzustellen, dass die Vorlage der Akten in dem im S[X.]hreiben des Beigeladenen vom 13. August 2009 vorgesehenen Umfang re[X.]htswidrig sei. Der Vorlage der Akten stünde § 2 Satz 1 Nr. 2 Bu[X.]hst. [X.] [X.] entgegen. Der Beigeladene könne si[X.]h ni[X.]ht auf § 2 Satz 3 [X.] berufen; denn ein Verstoß im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] erfordere die re[X.]htskräftige Feststellung in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren. Außerdem würde die Vorlage der Akten gegen die Verpfli[X.]htung zur Geheimhaltung na[X.]h Art. 7 Abs. 2 und 3 VO ([X.]) Nr. 882/2004 verstoßen. Au[X.]h § 4 Abs. 3 Satz 3 [X.] stehe der Vorlage der Akten entgegen.

6

Der Fa[X.]hsenat des Verwaltungsgeri[X.]htshofs hat mit Bes[X.]hluss vom 22. Dezember 2009 festgestellt, dass die beabsi[X.]htigte Vorlage der Akten re[X.]htmäßig sei. Der Antrag sei na[X.]h § 99 Abs. 2 VwGO statthaft; die Vors[X.]hrift ermögli[X.]he au[X.]h die Überprüfung der behördli[X.]hen Anordnung der [X.]. Dass das Verwaltungsgeri[X.]ht keinen förmli[X.]hen Beweisbes[X.]hluss zur Aktenvorlage erlassen habe, sei uns[X.]hädli[X.]h. Die zurü[X.]kgehaltenen Unterlagen seien zweifelsfrei re[X.]htserhebli[X.]h, weil der Fall verglei[X.]hbar sei mit Hauptsa[X.]heverfahren, in denen es um die Verpfli[X.]htung der Behörde zur Aktenvorlage gehe. Der Antrag sei jedo[X.]h unbegründet. Die Akten seien ni[X.]ht na[X.]h dem [X.] als einem Gesetz im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO geheim zu halten. Eine Berufung auf Betriebs- oder Ges[X.]häftsgeheimnisse oder sonstige wettbewerbsrelevante Informationen sei der Klägerin na[X.]h § 2 Satz 3 [X.] verwehrt. Insoweit rei[X.]he aus, dass das [X.] eine unzutreffende Etikettierung des S[X.]hinkenprodukts festgestellt habe; zu einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren müsse es ni[X.]ht gekommen sein. Diese Auslegung entspre[X.]he dem Gemeins[X.]haftsre[X.]ht. Unabhängig davon s[X.]hütze das Gesetz keine ohnehin offenkundigen Umstände. Bei den streitgegenständli[X.]hen Informationen gehe es nur darum, dass die auf dem Produkt angebra[X.]hte Etikettierung ni[X.]ht mit dem Produktinhalt übereinstimme. Das betreffe kein Produktionsgeheimnis. Die gemeins[X.]haftsre[X.]htli[X.]hen Vorgaben für die Dur[X.]hführung amtli[X.]her Kontrollen begründeten ebenfalls keine Geheimhaltungspfli[X.]ht. S[X.]hließli[X.]h stehe au[X.]h § 4 Abs. 3 Satz 3 [X.] ni[X.]ht entgegen; § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gehe als prozessuale Spezialnorm vor. Eine Ermessensbetätigung des Beigeladenen sei ausnahmsweise ni[X.]ht erforderli[X.]h gewesen, weil das Ergebnis der Abwägung vorgezei[X.]hnet sei.

II.

7

Die Bes[X.]hwerde der Klägerin hat teilweise Erfolg. Über die Re[X.]htmäßigkeit der Absi[X.]ht des Beigeladenen, dem Verwaltungsgeri[X.]ht die Akten des Bayeris[X.]hen [X.]s für Gesundheit und Lebensmittelsi[X.]herheit in dem im S[X.]hreiben vom 13. August 2009 festgelegten Umfang vorzulegen, kann in der Sa[X.]he ni[X.]ht ents[X.]hieden werden, weil es derzeit an einer förmli[X.]h verlautbarten Ents[X.]heidung des Geri[X.]hts der Hauptsa[X.]he zur Ents[X.]heidungserhebli[X.]hkeit der betreffenden Akten und damit an einer notwendigen Voraussetzung für eine Feststellung des Fa[X.]hsenats na[X.]h § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO fehlt. Das führt in der vorliegenden Konstellation dazu, dass die beabsi[X.]htigte Freigabe der Akten dur[X.]h den Beigeladenen vorerst ni[X.]ht vollzogen werden darf. Im Einzelnen:

8

1. Der Fa[X.]hsenat des Verwaltungsgeri[X.]htshofs ist zutreffend davon ausgegangen, dass mit einem Antrag na[X.]h § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO ni[X.]ht nur die Re[X.]htmäßigkeit einer Sperrerklärung der obersten Aufsi[X.]htsbehörde zur Überprüfung gestellt werden kann, sondern ebenso die behördli[X.]he Ents[X.]heidung, einem Aktenvorlageersu[X.]hen des Verwaltungsgeri[X.]hts zu entspre[X.]hen, sei es, weil s[X.]hon [X.] na[X.]h § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO verneint werden, sei es, weil im Rahmen der Ermessensents[X.]heidung die Abwägung zugunsten einer Vorlage ausfällt (Bes[X.]hlüsse vom 14. August 2003 - BVerwG 20 F 1.03 - BVerwGE 118, 350 ff.; vom 12. Januar 2006 - BVerwG 20 F 12.04 - BVerwGE 125, 40 und vom 22. März 2007 - BVerwG 20 F 3.06 - juris Rn. 3 bis 6).

9

2. Der Fa[X.]hsenat des Verwaltungsgeri[X.]htshofs hat aber zu Unre[X.]ht angenommen, dass die für eine Sa[X.]hents[X.]heidung über die Re[X.]htmäßigkeit einer Sperrerklärung oder - hier - einer Freigabeerklärung grundsätzli[X.]h erforderli[X.]he förmli[X.]h verlautbarte Ents[X.]heidung des Hauptsa[X.]hegeri[X.]hts zur Ents[X.]heidungserhebli[X.]hkeit der in Rede stehenden Unterlagen ausnahmsweise entbehrli[X.]h sei, weil die Unterlagen, die der Beigeladene in seinem S[X.]hreiben vom 13. August 2009 bezei[X.]hnet hat, zweifelsfrei re[X.]htserhebli[X.]h seien.

a) Vor Einleitung des Zwis[X.]henverfahrens na[X.]h § 99 Abs. 2 VwGO bedarf es zur Klarstellung seines Gegenstands grundsätzli[X.]h einer förmli[X.]hen Verlautbarung des Geri[X.]hts der Hauptsa[X.]he, dass es die von der obersten Aufsi[X.]htsbehörde zurü[X.]kgehaltenen oder - hier - freigegebenen Akten, Unterlagen oder Dokumente für die Aufklärung des ents[X.]heidungserhebli[X.]hen Sa[X.]hverhalts benötigt. Ein formelhafter Bes[X.]hluss, in dem s[X.]hli[X.]ht darauf hingewiesen wird, dass die Vorlage der streitigen Verwaltungsvorgänge als ents[X.]heidungserhebli[X.]h angesehen wird, genügt dafür grundsätzli[X.]h ni[X.]ht (Bes[X.]hluss vom 17. März 2008 - BVerwG 20 F 42.07 - juris Rn. 5), erst re[X.]ht ni[X.]ht die formlose Mitteilung des Beri[X.]hterstatters, dass die bislang übersandten Akten "mögli[X.]herweise" für eine Ents[X.]heidungsfindung des Geri[X.]hts ni[X.]ht ausrei[X.]hten. Das Geri[X.]ht der Hauptsa[X.]he muss vielmehr dur[X.]h Angabe des [X.] deutli[X.]h ma[X.]hen, dass es die Unterlagen oder Dokumente als erhebli[X.]h ansieht. Je na[X.]h Fallkonstellation darf si[X.]h das Hauptsa[X.]hegeri[X.]ht dabei ni[X.]ht allein auf die Angabe des [X.] und der als ents[X.]heidungserhebli[X.]h era[X.]hteten Aktenteile (Beweismittel) bes[X.]hränken, sondern muss in den Gründen des Bes[X.]hlusses zur Ents[X.]heidungserhebli[X.]hkeit im konkreten Fall - sei es mit Bli[X.]k auf die Zulässigkeit des Re[X.]htss[X.]hutzbegehrens, sei es unter Darlegung der materiellre[X.]htli[X.]hen Voraussetzungen des geltend gema[X.]hten Anspru[X.]hs sowie der fa[X.]hgesetzli[X.]hen Ablehnungsgründe - Stellung nehmen (Bes[X.]hlüsse vom 31. August 2009 - BVerwG 20 F 10.08 - Bu[X.]hholz 310 § 99 VwGO Nr. 55 Rn. 3 und vom 22. Januar 2009 - BVerwG 20 F 5.08 - Bu[X.]hholz 310 § 99 VwGO Nr. 53 Rn. 2).

Ein grundsätzli[X.]h erforderli[X.]her Beweisbes[X.]hluss oder eine verglei[X.]hbare förmli[X.]he Äußerung des Hauptsa[X.]hegeri[X.]hts zur Klärung der re[X.]htli[X.]hen Erhebli[X.]hkeit des [X.] für die Ents[X.]heidung des Re[X.]htsstreits ist nur ausnahmsweise dann entbehrli[X.]h, wenn die zurü[X.]kgehaltenen oder freigegebenen Unterlagen zweifelsfrei re[X.]htserhebli[X.]h sind. Das ist dann der Fall, wenn die Pfli[X.]ht zur Vorlage der Behördenakten bereits Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsa[X.]he ist und die dortige Ents[X.]heidung von der allein anhand des Inhalts der umstrittenen Akten zu beantwortenden Frage abhängt, ob die Akten, wie von der Behörde oder dem einer Freigabe widerspre[X.]henden Beteiligten geltend gema[X.]ht, geheimhaltungsbedürftig sind (stRspr, vgl. nur Bes[X.]hluss vom 19. April 2010 - BVerwG 20 F 13.09 - juris Rn. 4 <zur Veröffentli[X.]hung in BVerwGE vorgesehen>; Bes[X.]hluss vom 25. Juni 2010 - BVerwG 20 F 1.10 - juris Rn. 7).

Allein aus dem Umstand, dass Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsa[X.]he die Pfli[X.]ht zur Vorlage der [X.] oder - hier - die Re[X.]htmäßigkeit einer Informationsfreigabe ist, folgt jedo[X.]h ni[X.]ht, dass es zwingend der Einsi[X.]ht in die zurü[X.]kgehaltenen Akten bedarf. Streitigkeiten um Informationszugangsre[X.]hte führen ni[X.]ht glei[X.]hsam automatis[X.]h zur Verlagerung in das "in-[X.]amera"-Verfahren. Demgemäß hat der [X.] s[X.]hon bislang na[X.]h der Art der geltend gema[X.]hten [X.] differenziert. Werden materiellre[X.]htli[X.]he [X.] geltend gema[X.]ht, also Gründe, die si[X.]h unmittelbar aus dem Inhalt der Akte ergeben, liegt es in der Regel auf der Hand, dass si[X.]h im Streitfall nur dur[X.]h Einsi[X.]htnahme in die Akten verlässli[X.]h klären lässt, ob der Geheimhaltungsgrund vorliegt, während über prozedurale [X.] bei entspre[X.]hender Substanziierung des (abstrakten) [X.] unter Umständen au[X.]h ohne Kenntnis des konkreten [X.] befunden werden kann (Bes[X.]hluss vom 25. Juni 2010 a.a.O.).

b) Der vorliegende Fall zeigt, dass es Konstellationen geben kann, bei denen au[X.]h für die Feststellung, ob einem Informationsanspru[X.]h materielle [X.] entgegenstehen, der konkrete Akteninhalt ni[X.]ht zwingend re[X.]htserhebli[X.]h sein muss. Streitgegenstand des Hauptsa[X.]heverfahrens ist der Bes[X.]heid des [X.]s vom 1. Oktober 2008, mit dem dem Auskunftsanspru[X.]h der [X.] stattgegeben wird. Ob dieser Bes[X.]heid re[X.]htmäßig ist oder die Klägerin in ihren Re[X.]hten verletzt, hängt maßgebli[X.]h davon ab, ob das Fa[X.]hre[X.]ht zugunsten der Klägerin [X.] bereithält. Demgemäß streiten die Beteiligten in erster Linie darüber, ob es si[X.]h bei den Daten, die der [X.] mitgeteilt werden sollen, um Betriebs- und Ges[X.]häftsgeheimnisse oder sonstige wettbewerbsrelevante Informationen im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 2 Bu[X.]hst. [X.] [X.] handelt und - [X.] - ob deren S[X.]hutz na[X.]h § 2 Satz 3 [X.] ausges[X.]hlossen ist, weil es si[X.]h um Informationen über Verstöße gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbu[X.]h im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] handelt. Für die Ents[X.]heidung dieser Fragen rei[X.]ht es zunä[X.]hst aus, den Gegenstand der in Rede stehenden Daten in den Bli[X.]k zu nehmen, wie er in dem Bes[X.]heid mit der die 15 Punkte umfassenden Liste abstrakt bes[X.]hrieben wird. Ob etwa Angaben über den Hersteller, den Produktnamen, den Fleis[X.]hanteil oder den [X.] na[X.]h den Umständen des Falles unter § 2 Satz 1 Nr. 2 Bu[X.]hst. [X.] [X.] fallen, kann unabhängig davon ents[X.]hieden werden, um wel[X.]he konkreten Daten es geht. Mit anderen Worten: Das Geri[X.]ht der Hauptsa[X.]he muss ni[X.]ht den jeweiligen Produktnamen oder etwa das konkrete Analyseergebnis kennen, um ents[X.]heiden zu können, ob es si[X.]h bei diesen Angaben um Betriebs- oder Ges[X.]häftsgeheimnisse oder sonstige wettbewerbsrelevante Informationen handelt. Das gilt erst re[X.]ht für die Beantwortung der Frage, ob es si[X.]h bei diesen Daten s[X.]hon deshalb ni[X.]ht (mehr) um Betriebs- oder Ges[X.]häftsgeheimnisse handelt, weil si[X.]h das Produkt im Handel befindet. Aufklärungsbedarf würde si[X.]h an dieser Stelle erst dann ergeben, wenn Zweifel daran bestünden, ob der die Klägerin betreffende Datensatz, der der [X.] mitgeteilt werden soll, tatsä[X.]hli[X.]h nur die Angaben enthält, die in dem Bes[X.]heid mit der Liste abstrakt bes[X.]hrieben werden. Darüber besteht zwis[X.]hen den Beteiligten aber kein Streit. Der Klägerin ist im Rahmen ihrer Anhörung der Datensatz bekannt gegeben worden und sie hat keinen Anlass gesehen, eine etwaige Abwei[X.]hung von dem abstrakt bes[X.]hriebenen Dateninhalt zu rügen.

Ähnli[X.]hes gilt für die zwis[X.]hen den Beteiligten streitige Frage, ob ein Verstoß im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] stets - wie die Klägerin meint - eine festgestellte Ordnungswidrigkeit oder Straftat erfordert. Angespro[X.]hen ist insoweit die Auslegung des Begriffs "Verstoß" im Sinne des [X.]es, über dessen Konturen in Re[X.]htspre[X.]hung und S[X.]hrifttum unter vers[X.]hiedenen Aspekten, etwa unter dem Gesi[X.]htspunkt des S[X.]hutzes der Berufsfreiheit betroffener Unternehmer und der Bedeutung des § 5 Abs. 3 [X.], aber au[X.]h in Bezug auf die Feststellungskompetenz, unters[X.]hiedli[X.]he Auffassungen geäußert werden (vgl. etwa [X.], Urteil vom 13. September 2010 - [X.] - juris Rn. 20 ff. m.w.N.; Zilkens, NVwZ 2009, 1465 f.; [X.], [X.] 2007, 242 ff.). Erst wenn das Geri[X.]ht der Hauptsa[X.]he diese Aspekte insgesamt im Sinne des Re[X.]htsstandpunkts des Beklagten beantwortete, könnte es in einem weiteren Prüfungss[X.]hritt darauf ankommen, ob es ausrei[X.]ht, dass das [X.] aufgrund hinrei[X.]hend konkreter Informationen eine Abwei[X.]hung von Vors[X.]hriften des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbu[X.]hes annimmt (hier: irreführende bzw. unzutreffende Angaben auf dem Etikett) oder ob diese Annahme des [X.]s vom Geri[X.]ht der Hauptsa[X.]he bestätigt werden muss, um einen Verstoß bejahen zu können. Dann freili[X.]h - und nur dann - wäre die Kenntnis erforderli[X.]h, wel[X.]he konkrete Angabe auf dem Etikett im Hinbli[X.]k auf wel[X.]hen Inhalt des Produkts beanstandet worden ist. Über diese vorgelagerten Re[X.]htsfragen muss si[X.]h das Geri[X.]ht der Hauptsa[X.]he zunä[X.]hst Klarheit vers[X.]haffen.

Keine Kenntnis der konkreten Daten erfordern s[X.]hließli[X.]h die im Verfahren aufgeworfenen weiteren Re[X.]htsfragen, namentli[X.]h ob die mit dem angefo[X.]htenen Bes[X.]heid verfügte Datenfreigabe gegen Gemeins[X.]haftsre[X.]ht verstößt und ob sie in Konflikt mit § 4 Abs. 3 Satz 3 [X.] gerät.

[X.]) Dass im Hauptsa[X.]heverfahren je na[X.]h Verständnis des [X.]es auf der Grundlage des bislang feststehenden Sa[X.]hverhalts über die Re[X.]htmäßigkeit des angefo[X.]htenen Bes[X.]heids ents[X.]hieden werden kann, zeigt ni[X.]ht zuletzt der Bes[X.]hluss des Fa[X.]hsenats des Verwaltungsgeri[X.]htshofs selbst. Der Fa[X.]hsenat hat den Informationsanspru[X.]h und mögli[X.]he Auss[X.]hluss- und Bes[X.]hränkungsgründe na[X.]h Maßgabe des [X.]es und des Gemeins[X.]haftsre[X.]hts geprüft und ist dabei zu einem eindeutigen Ergebnis gelangt, ohne dazu auf den Inhalt der in Rede stehenden Akten, die ihm ni[X.]ht vorlagen, zurü[X.]kgreifen zu müssen. Vor diesem Hintergrund ist ni[X.]ht na[X.]hvollziehbar, dass es keiner förmli[X.]hen Verlautbarung des Hauptsa[X.]hegeri[X.]hts bedurft habe, weil der Akteninhalt zweifelsfrei ents[X.]heidungserhebli[X.]h sei. Vielmehr gebietet es die dur[X.]h § 99 VwGO vorgegebene Aufgabenverteilung zwis[X.]hen dem Fa[X.]hsenat und dem Geri[X.]ht der Hauptsa[X.]he, dass in einer sol[X.]hen Konstellation zunä[X.]hst das zur Sa[X.]hents[X.]heidung berufene Hauptsa[X.]hegeri[X.]ht prüft und förmli[X.]h darüber befindet, ob und gegebenenfalls wel[X.]he Informationen aus den Akten, deren Inhalt der Beigeladene im Einzelnen abstrakt bes[X.]hrieben hat, für eine Sa[X.]hents[X.]heidung erforderli[X.]h sind, bevor der Beigeladene na[X.]h § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO über die Freigabe oder Verweigerung der (dann eventuell no[X.]h) in Rede stehenden Aktenteile befindet.

3. Konsequenz der bislang fehlenden förmli[X.]hen Bekundung der Ents[X.]heidungserhebli[X.]hkeit der Unterlagen dur[X.]h das Hauptsa[X.]hegeri[X.]ht für das Verfahren na[X.]h § 99 Abs. 2 VwGO ist in Konstellationen wie der vorliegenden, in denen ein Verfahrensbeteiligter die Freigabe von Unterlagen zu verhindern su[X.]ht, die im Tenor ausgespro[X.]hene Aussetzung der beabsi[X.]htigten Freigabe der Unterlagen dur[X.]h den Fa[X.]hsenat. Auf diese Weise wird dem Re[X.]htss[X.]hutzinteresse der Klägerin jedenfalls insoweit Re[X.]hnung getragen, als eine behördli[X.]he Freigabe von Akten unterbleibt, solange ni[X.]ht über deren Ents[X.]heidungserhebli[X.]hkeit dur[X.]h das Hauptsa[X.]hegeri[X.]ht befunden und dadur[X.]h die Voraussetzung dafür ges[X.]haffen worden ist, die Re[X.]htmäßigkeit der behördli[X.]hen Ents[X.]heidung auf dieser Grundlage dur[X.]h den Fa[X.]hsenat inhaltli[X.]h überprüfen lassen zu können.

Meta

20 F 2/10

02.11.2010

Bundesverwaltungsgericht Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs 2 VwGO

Beschluss

Sachgebiet: F

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 22. Dezember 2009, Az: G 09.2, Beschluss

§ 99 Abs 2 S 1 VwGO, § 1 Abs 1 S 1 VIG, § 2 S 1 Nr 2 Buchst c VIG, § 2 S 3 VIG, § 4 Abs 3 VIG, § 5 Abs 3 VIG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.11.2010, Az. 20 F 2/10 (REWIS RS 2010, 1797)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1797

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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