Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.06.2011, Az. VI ZR 260/10

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6025

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]
Verkündet am:

7. Juni 2011

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

BGB § 398
Tritt der Geschädigte nach einem Fahrzeugschaden seine Ansprüche aus dem [X.] in Höhe der Gutachterkosten ab, ist die Abtretung mangels hinreichender Bestimmbarkeit unwirksam.
[X.], Urteil vom 7. Juni 2011 -
VI [X.] -
LG [X.]

AG [X.]

-
2
-
Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juni 2011 durch den Vorsitzenden [X.], [X.],
die Richterin [X.], [X.] und die Richterin von
Pentz
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 13.
Zivilkammer des [X.] vom 15.
Oktober 2010 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin, die ein Kfz-Sachverständigenbüro
betreibt, begehrt von dem beklagten Haftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht des Geschädig-ten [X.] Ersatz restlichen Schadens aus einem Verkehrsunfall. Die volle Ein-standspflicht der Beklagten steht außer Streit. [X.] beauftragte die Klägerin mit der Erstattung eines Gutachtens zur Schadenshöhe und trat seine gegen den Fahrer, den Halter und den Versicherer des unfallbeteiligten Fahrzeugs beste-henden Schadensersatzansprüche in Höhe der Gutachterkosten einschließlich Mehrwertsteuer formularmäßig erfüllungshalber an die Klägerin ab. Diese be-rechnete ein Honorar von 1.202,32

ssual 471

erstattete. Der Restbetrag von 731,32

sowie außergerichtliche Rechtsan-waltskosten sind
Gegenstand der Klage.
1
-
3
-
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ver-folgt sie ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in [X.] 2010, 446 veröf-fentlicht ist, hält die Abtretung für unwirksam. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts liege zwar keine nach §§
3, 5 Abs.
1 [X.] erlaubnispflichtige In-kassotätigkeit vor, doch sei die Abtretung inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Sie erfasse nämlich -
der Höhe nach beschränkt auf die Gutachterkosten
-
sämtliche Schadensersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall, ohne diese der Höhe und der Reihenfolge nach aufzuschlüsseln. Die Abtretungserklärung [X.] offen, ob und gegebenenfalls in welcher anteiligen Höhe der Zessionar Inha-ber der Ansprüche auf Ersatz einzelner Schäden (z.B. Sachverständigenkosten, Reparaturkosten, gegebenenfalls Mietwagenkosten, Heilbehandlungskosten etc.) werde. Eine Umdeutung in eine Ermächtigung zur Geltendmachung des fremden Anspruchs im eigenen Namen scheide aus, denn diese dürfe den [X.], den die Parteien regeln wollten, nicht erweitern. So läge es aber hier, denn weil die Abtretungserklärung nicht bestimme, dass die [X.] im Ganzen abgetreten seien, ginge eine Umdeutung in eine Einzugsermächtigung hinsichtlich der (gesamten) Sachverständigenkosten in-soweit über den Gegenstand der nichtigen Vereinbarung hinaus. Die infolge der Unwirksamkeit der Abtretungsvereinbarung entstehende Lücke könne auch nicht im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden. Dies komme im Falle der Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedin-2
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4
-
gung, wie sie hier gegeben sei, nämlich nur ausnahmsweise in Betracht und setze voraus, dass sich die mit dem Wegfall der unwirksamen Vertragsklausel entstehende Lücke nicht durch [X.] Gesetzesrecht füllen lasse und deswegen zu einem Ergebnis führe, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trage, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig verschiebe. Letzteres sei hier nicht der Fall, da der Klägerin ihr Hono-raranspruch gegen den Geschädigten verbleibe und die aufgrund der unwirk-samen Abtretung fehlende Besicherung dieses Anspruchs nicht zu einem un-zumutbaren Ergebnis führe.

II.
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
1. Die von dem Geschädigten [X.] erklärte Abtretung ist unwirksam.
a) Eine Abtretung ist, wie in der Rechtsprechung und Rechtslehre aner-kannt ist, nur wirksam, wenn die Forderung, die Gegenstand der Abtretung ist, bestimmt oder wenigstens bestimmbar ist ([X.], Urteile vom 25.
Oktober 1952 -
I
ZR 48/52, [X.]Z 7, 365, 357; vom 3.
April 1974 -
VIII
ZR 235/72, NJW 1974, 1130 und vom 16.
März 1995 -
IX
ZR 72/94, NJW 1995, 1668, 1969; [X.]/[X.],
5.
Aufl., §
398 Rn.
67). Dieses Erfordernis ergibt sich aus der Rechtsnatur der Abtretung, die ein dingliches Rechtsgeschäft ist. Die Abtretung bewirkt, dass das Gläubigerrecht an einer Forderung von dem bisherigen Gläu-biger auf eine andere Person als neuen Gläubiger übergeht (§
398 BGB). Wie ein Gläubigerrecht nur an einer bestimmten oder mindestens bestimmbaren Forderung bestehen kann, so kann auch nur das Gläubigerrecht an einer be-stimmten oder bestimmbaren Forderung Gegenstand der Abtretung sein ([X.], 4
5
6
-
5
-
Urteil vom 27.
Februar 1920 -
VII
296/19, [X.]Z 98, 200, 202). An diesem Erfor-dernis der Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit fehlt es, wenn von mehreren selbständigen Forderungen ein Teil abgetreten wird, ohne dass erkennbar ist, von welcher oder von welchen Forderungen
ein Teil abgetreten werden soll ([X.], Urteile vom 18.
Februar 1965 -
II
ZR 166/62, [X.], 562; vom 27.
Mai 1968 -
VIII
ZR 137/66, [X.] 1968, Nr.
165 und vom 2.
April 1970 -
VII
ZR 153/68, [X.], 848; [X.], [X.], 248; [X.] VersR 1998, 1269, 1270
und [X.] 2005, 975; [X.]/Busche, BGB [2005], §
398 Rn.
61; [X.]/[X.],
aaO,
Rn.
75).
b) Entstehen aus einem Verkehrsunfall für den Geschädigten mehrere Forderungen, so kann von der Gesamtsumme dieser Forderungen nicht ein nur summenmäßig bestimmter Teil abgetreten werden (Senatsurteil vom 8.
Oktober 1957 -
VI
ZR 128/56, [X.], 753). Um verschiedene Forderungen handelt es sich etwa dann, wenn neben dem Anspruch auf Ersatz des an dem beschä-digten Kraftfahrzeug entstandenen Sachschadens ein Anspruch auf Ersatz von Verdienstausfall geltend gemacht wird (Senatsurteile vom 19.
November 1957 -
VI
ZR 122/57, [X.], 91, 93
f.
und vom 22.
Mai 1984 -
VI
ZR 228/82, [X.], 782, 783). Dasselbe gilt für das Verhältnis zwischen dem [X.] auf Ersatz des [X.] und dem Anspruch auf Ersatz von Schäden an der Ladung des Fahrzeugs (vgl. Senatsurteil vom 8.
Oktober 1957 -
VI
ZR 128/56 aaO). Für die Annahme verschiedener Forderungen spricht in diesen Fällen schon die Möglichkeit unterschiedlicher Entwicklungen in der [X.]sinhaberschaft, die sich daraus ergibt, dass die Ersatzansprüche im [X.] gegebenenfalls auf verschiedene Versicherer übergehen können (Kaskoversicherung, Betriebsausfallversicherung, Transportversicherung; vgl. Senatsurteil vom 22.
Mai 1984 -
VI
ZR 228/82, aaO). Eine Verschiedenheit von Forderungen liegt nur dann nicht vor, wenn es sich bei einzelnen Beträgen um lediglich unselbständige Rechnungsposten aus einer klar abgrenzbaren [X.]
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6
-
gesamtheit handelt (vgl. Senatsurteile vom 26.
Februar 1980 -
VI
ZR 53/79, [X.]Z 76, 216, 219
f.
und vom 22.
Mai 1984 -
VI
ZR 228/82, aaO), wie dies [X.] bei Einzelelementen der Reparaturkosten der Fall ist (vgl. [X.], Urteile vom 19.
Juni 2000 -
II
ZR 319/98, [X.], 3718, 3719 und vom 13.
März 2003 -
VII
ZR 418/01, [X.] 2003, 824
f.; [X.], Haftungsrecht des [X.], 4.
Aufl., §
37 Rn.
17 [Stand: 10.
Januar 2010]).
c) Die Abtretung des Geschädigten [X.] wird diesen Erfordernissen nicht gerecht, denn sie ist weder hinreichend bestimmt noch bestimmbar. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut erfasst sie eine Mehrzahl von Forderungen, nämlich sämt-liche Ansprüche des Geschädigten aus dem betreffenden Verkehrsunfall. Mit Recht hat das Berufungsgericht in der Bezugnahme der Abtretung auf die Höhe der Gutachterkosten lediglich eine Beschränkung hinsichtlich des Umfangs der Abtretung gesehen. Die Abtretung sollte ersichtlich nicht nur die Forderung auf Ersatz der Gutachterkosten erfassen. Dieser Anspruch ist entgegen der [X.] der Revision auch kein unselbständiger Rechnungsposten, sondern im Verhältnis zu dem Anspruch auf Ersatz des [X.] vielmehr eine selbständige Forderung. Dies folgt schon aus der Möglichkeit unterschiedlicher Entwicklungen in der [X.], denn anders als der Anspruch auf Ersatz des [X.] geht der hiervon schon dem Gegenstand nach klar abgrenzbare (vgl. Senatsurteil vom
22.
Mai 1984 -
VI
ZR 228/82,
aaO) Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten im Regulierungsfall gemäß §
86 Abs.
1 [X.] nur unter engen Voraussetzungen auf den Kaskoversicherer über (vgl. Ziffer [X.] 08 [Stand: 9.
Juli 2008]). Um dem Bestimmbarkeitserfor-dernis zu genügen, wäre es deshalb erforderlich gewesen, in der Abtretungser-klärung den Umfang der von der Abtretung erfassten Forderungen der Höhe und der Reihenfolge nach aufzuschlüsseln. Daran fehlt es bei der hier verwen-deten Abtretungserklärung. Da es sich dabei nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen um von der Klägerin gestellte [X.]
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7
-
schäftsbedingungen handelt, gehen bestehende Unklarheiten zu ihren Lasten (§
305c Abs.
2 BGB).
2. Mit Recht hat es das Berufungsgericht abgelehnt, die nichtige Abtre-tung gemäß §
140 BGB in eine Prozessführungsermächtigung umzudeuten.
a) Eine Umdeutung in ein Ersatzgeschäft darf nicht dazu führen, dass an die Stelle des nichtigen Geschäfts ein solches gesetzt wird, das über den Erfolg des ursprünglich gewollten Geschäfts hinausgeht ([X.], Urteile vom 15.
Dezember 1955 -
II
ZR 204/54, [X.]Z 19,
269, 275 und vom 14.
Mai 1956 -
II
ZR 229/54, [X.]Z 20, 363, 370
f.; [X.],
[X.], 592; [X.]/
Busche, aaO, §
140 Rn.
17 mwN). Dies wäre hier entgegen der Auffassung der Revisionsbegründung aber der Fall, wenn die (unwirksame) Abtretung umge-deutet würde in die Ermächtigung, die Gutachterkosten im eigenen Namen gel-tend zu machen. Da sich der Abtretungserklärung gerade nicht entnehmen lässt, dass die Klägerin Gläubigerin der gesamten Forderung auf Ersatz der Gutachterkosten werden sollte, verbietet sich eine Umdeutung dahin gehend, sie als ermächtigt anzusehen, im Wege der Prozessstandschaft diese Forde-rung in voller Höhe im eigenen Namen geltend zu machen.
b) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus der in der Abtretungsvereinbarung enthaltenen Anweisung an den regulierungspflichtigen Versicherer, die Sachverständigenkosten unmittelbar an die Klägerin zu zahlen. Diese Zahlungsanweisung darf nicht isoliert ausgelegt werden, sondern ist im Zusammenhang mit der im vorausgehenden Satz [X.] Abtretung zu sehen. Sie nimmt ersichtlich Bezug auf die Höhe des von der vorgesehenen Abtretung erfassten
Betrags und bezieht sich nicht auf einen von der (unwirksamen) Abtretung möglicherweise nicht erfassten Teil der [X.] auf Ersatz der Gutachterkosten. Eine auf diese Zahlungsanweisung ge-9
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-
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-
stützte Klage wäre mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig (vgl. [X.], Urteil vom 3.
Dezember 1953 -
III
ZR 66/52, [X.]Z 11, 192, 194; [X.], aaO Rn.
17, 19).

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO.

Galke
Zoll
[X.]

Pauge
von Pentz
Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 19.05.2010 -
26 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 15.10.2010 -
13 [X.]/10 -

12

Meta

VI ZR 260/10

07.06.2011

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.06.2011, Az. VI ZR 260/10 (REWIS RS 2011, 6025)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6025

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZR 260/10

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