Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.12.2023, Az. 4 AZR 322/22

4. Senat | REWIS RS 2023, 10504

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Gegenstand

Korrigierende Rückgruppierung - Höhergruppierungsantrag


Leitsatz

Eine von der Arbeitgeberin aufgrund eines Höhergruppierungsantrags nach § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA vorgenommene Zuordnung der Tätigkeit zu einem neuen Tätigkeitsmerkmal der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA kann nach den Grundsätzen zur korrigierenden Rückgruppierung berichtigt werden. Die auf einen solchen Antrag gestützte Zuordnung zu einer höheren Entgeltgruppe beruht nicht auf der Überprüfung und anschließenden Berichtigung einer nunmehr als fehlerhaft erkannten Zuordnung zu einer bestimmten Entgeltgruppe. Vielmehr handelt es sich um eine erstmalige Eingruppierungsentscheidung, auf die ohne das Hinzutreten besonderer Umstände die Grundsätze zur sog. wiederholten korrigierenden Rückgruppierung nicht angewendet werden können.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 16. August 2022 - 3 [X.] - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

2

Die Klägerin ist seit dem 16. Febr[X.]r 2016 in von der Beklagten betriebenen Kliniken der Neurologie und Akutgeriatrie als Ergotherapeutin beschäftigt. Zunächst erfolgte dies auf Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrags von Jan[X.]r 2016, welcher auszugsweise wie folgt lautete:

        

§ 4   

        

Die Beschäftigte ist derzeit in der [X.] E 8 eingruppiert (§§ 15, 16 TVöD).

        

…“    

3

Am 17. November 2017 schlossen die Parteien einen weiteren Arbeitsvertrag, der eine unbefristete Beschäftigung der Klägerin ab dem 7. Dezember 2017 vorsah und [X.]. nachstehende Bestimmungen enthielt:

        

§ 3   

        

1.    

Auf das Arbeitsverhältnis ist für die Dauer der Mitgliedschaft des Arbeitgebers im [X.] ([X.]) der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K) vom 01. August 2006 in der Fassung der Änderungsvereinbarung Nr. 7 vom 29. April 2016 anzuwenden.

                 

Tarifverträge, die den TVöD in seiner Fassung vom 29. April 2016 ändern, ergänzen oder ersetzen, finden Anwendung, wenn der Arbeitgeber diesen zustimmt. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn der Arbeitgeber innerhalb eines Monats nach deren Inkrafttreten nicht schriftlich widerspricht.

        

…       

        
        

§ 4     

        

Die/Der Beschäftigte wird in die [X.] 8* eingruppiert (§ 12 TVöD-[X.]).

        

…       

        

*Diese Mitteilung dient Ihrer Information und begründet keine eigenen Entgeltansprüche.
Sie steht unter dem Vorbehalt der Überprüfung. Sowohl die Ihnen mitgeteilte [X.] als auch sonstige Entgeltbestandteile des TVöD-K/[X.] können sich ändern.“

        

4

Auf eine ihre Eingruppierung betreffende Antragstellung vom 18. Dezember 2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 1. Febr[X.]r 2018 Folgendes mit:

        

Antrag auf Höhergruppierung vom 18.12.2017

        

Einführung [X.] TVÖD ab 01.01.2017

        

…       

        

Ihren Antrag vom 18.12.2017 auf Überprüfung der Eingruppierung hinsichtlich der seit dem 1.1.2017 gültigen Entgeltordnung des TVöD haben wir erhalten.

        

Unter Einbeziehung und umfassender Prüfung der aktuellen Stellenbeschreibung, der von Ihnen ausgeübten Tätigkeit als Ergotherapeutin sowie der seit 01.01.2017 gültigen Entgeltordnung, insbesondere Teil B Abschnitt XI, Punkt 6 teilen wir Ihnen abschließend mit, das[s] Sie rückwirkend ab dem 01.01.2017 in die [X.] EG 9b Stufe 2 einzugruppieren sind.

        

…       

        

Der entsprechende Änderungsvertrag mit korrigierter [X.] wird Ihnen mit diesem Schreiben ausgehändigt.

        

…“    

5

Die Parteien schlossen am 1./2. Febr[X.]r 2018 einen Änderungsvertrag, der [X.]. folgende Bestimmung enthielt:

        

§ 2   

        

In § 4 des Arbeitsvertrages gültig ab 07.12.2017 werden die Worte [X.] 8 durch die Worte [X.] 9b ersetzt.“

6

Mit E-Mail vom 15. November 2019 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie eine korrigierende [X.] in die [X.] 9a Stufe 3 [X.]/[X.] für die [X.] ab dem 1. Juli 2019 vornehmen werde. Unbeschadet eines vom Personalrat im Rahmen seiner Beteiligung geäußerten Widerspruchs setzte die Beklagte ihre Ankündigung um.

7

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei weiterhin nach [X.] 9b [X.]/[X.] zu vergüten. Eine korrigierende [X.] sei der Beklagten aus Gründen des Vertrauensschutzes verwehrt. Diese sei außerdem deshalb unwirksam, da der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei. Zudem seien die [X.]e der [X.] 9b [X.]/[X.] erfüllt, da sie zeitlich überwiegend die Aufgabe „Ergotherapie bei Patientinnen und Patienten mit Demenz“ erbringe. Maßgebend sei dabei allein eine vorliegende
Demenz unabhängig davon, ob diese bereits im Behandlungszeitpunkt diagnostiziert worden sei.

8

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin für die [X.] ab dem 1. Juli 2019 weiterhin nach der [X.] 9b Stufe 3 TVöD/[X.] zu vergüten.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die tarifliche Anforderung sei nur dann erfüllt, wenn bei den Patientinnen und Patienten im [X.]punkt der ergotherapeutischen Behandlung eine Demenzerkrankung ärztlich diagnostiziert sei. Eine solche Tätigkeit übe die Klägerin nicht mindestens zur Hälfte ihrer Arbeitszeit aus. Der Anteil von Patientinnen und Patienten mit gesicherter Demenzdiagnose habe in den Kliniken, in denen die Klägerin beschäftigt sei, im [X.] nur 10,3 vH, im darauffolgenden Jahr 9,1 vH und im ersten Halbjahr 2019 lediglich 8,5 vH betragen. Diese Patientinnen und Patienten seien gleichmäßig auf alle Ergotherapeuten verteilt worden. Die [X.] sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Die Tätigkeit der Klägerin sei erstmals aufgrund ihres Antrags aus dem Monat Dezember 2017 nach einem neuen [X.] der Anlage 1 - Entgeltordnung ([X.]) zum [X.]/[X.] bewertet und der [X.] 9b [X.]/[X.] zugeordnet worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.

Entscheidungsgründe

[X.]ie zulässige Revision der [X.]n ist begründet. [X.]as [X.] durfte der Berufung nicht mit der gegebenen Begründung stattgeben. Ob die Klage begründet ist, kann der [X.] nicht abschließend entscheiden. Hierfür fehlt es an den erforderlichen Feststellungen durch das [X.]. [X.]as führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und Zurückverweisung der Sache an das [X.] (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

I. [X.]ie Klage ist als allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig (st. Rspr., etwa [X.] 5. Mai 2021 - 4 [X.] - Rn. 12). Insbesondere besteht das erforderliche Feststellungsinteresse. [X.]urch die Entscheidung über den Antrag wird der Streit der Parteien insgesamt bereinigt. Soweit die Klägerin im Antrag neben der [X.] eine bestimmte Stufe nennt, ist dies lediglich als Klarstellung bezogen auf den im Antrag genannten Zeitpunkt und nicht als selbstständiges Feststellungsbegehren zu verstehen. [X.]ie Stufe steht zwischen den Parteien nicht im Streit (sh. dazu [X.] 22. Juni 2022 - 4 [X.] - Rn. 19).

II. [X.]ie Annahme des [X.]s, die Klägerin sei ab dem 1. Juli 2019 weiterhin nach [X.] 9b Stufe 3 [X.]/[X.] zu vergüten, ist nicht frei von [X.]. [X.]ie von der [X.]n vorgenommene korrigierende [X.] verstößt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht gegen [X.] und Glauben (§ 242 BGB).

1. Im Fall einer sog. korrigierenden [X.], dh. bei einer beabsichtigten Zuordnung zu einer niedrigeren als der bisher von der Arbeitgeberin als zutreffend angenommenen [X.], ist nach der Rechtsprechung des [X.] hinsichtlich des der Arbeitnehmerin zu gewährenden Vertrauensschutzes in die Richtigkeit der zuvor als maßgebend mitgeteilten [X.] zwischen zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden.

a) Grundsätzlich kann eine Beschäftigte aufgrund der Mitteilung der von der Arbeitgeberin vorgenommenen ursprünglichen Eingruppierung lediglich einen „begrenzten Vertrauensschutz“ in Anspruch nehmen. [X.]ie Arbeitgeberin ist aufgrund ihrer Sachnähe und Kompetenz verpflichtet, die Eingruppierung sorgfältig und korrekt vorzunehmen. [X.]ie hierbei vertrauensbegründende Sorgfalt und Kompetenz bezieht sich nicht allein auf die Mitteilung der maßgebenden [X.] innerhalb der jeweiligen Entgeltordnung. Sie erfasst auch die von der Arbeitgeberin aufgrund einer Bewertung vorgenommene Zuordnung der Tätigkeit der Beschäftigten sowie die von ihr angenommene Erfüllung von Anforderungen des konkreten [X.] einer Entgeltordnung. Auf die Richtigkeit gerade dieses Bewertungs- und Zuordnungsvorgangs darf eine Beschäftigte vertrauen. In Umsetzung des Vertrauensschutzes obliegt der Arbeitgeberin die [X.]arlegungs- und Beweislast für die objektive Fehlerhaftigkeit der bisherigen Eingruppierung, wenn sich eine Beschäftigte auf die von der Arbeitgeberin zuvor als maßgebend mitgeteilte [X.] beruft ([X.] 27. April 2022 - 4 [X.] - Rn. 27 f. [X.], [X.]E 177, 338).

b) Im Einzelfall kann das Vertrauen in die Richtigkeit einer vormaligen Eingruppierung allerdings in so hohem Maße schutzwürdig sein, dass eine korrigierende [X.] durch die Arbeitgeberin gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“) als Ausprägung des Grundsatzes von [X.] und Glauben (§ 242 BGB) verstößt. Hierfür müssen besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer das Berufen der Arbeitgeberin auf eine Fehlerhaftigkeit der bisherigen tariflichen Bewertung als treuwidrig erscheint.

aa) [X.]ies ist insbesondere dann der Fall, wenn durch das Verhalten der Arbeitgeberin - bewusst oder unbewusst - für die Arbeitnehmerin ein schützenswer-tes Vertrauen auf den Fortbestand des Bisherigen geschaffen worden ist. Ein solches Vertrauen kann auch durch Umstände begründet werden, die nach der Eingruppierung eingetreten sind. [X.] Vertrauen kann sich zudem aus der Gesamtschau einzelner Umstände ergeben, von denen jeder für sich allein keinen hinreichenden Vertrauenstatbestand begründen kann ([X.] 13. [X.]ezember 2017 - 4 [X.] - Rn. 21, [X.]E 161, 170).

bb) Regelmäßig treuwidrig und deshalb von Rechts wegen ausgeschlossen ist danach eine wiederholte korrigierende [X.] der Arbeitnehmerin bei unveränderter Tätigkeit und [X.]. [X.]urch die nunmehr gewonnene Erkenntnis der Arbeitgeberin, wie die Arbeitnehmerin [X.] eingruppiert ist, misst sie ihr ein höheres Maß an Richtigkeitsgewähr bei als der vorherigen, jetzt korrigierten Eingruppierung. [X.]ie Arbeitnehmerin muss daher nicht damit rechnen, die Arbeitgeberin werde die nunmehrige, die Beseitigung eines - angeblichen - [X.] beinhaltende Korrektur selbst erneut in Frage stellen ([X.] 13. [X.]ezember 2017 - 4 [X.] - Rn. 22, [X.]E 161, 170). [X.]as erhöhte Maß an Richtigkeitsgewähr kann sich auch dadurch ergeben, dass die Arbeitgeberin im Rahmen einer Höhergruppierung eine erneute Überprüfung der ursprünglichen Eingruppierung vornimmt und diese - mittelbar - bestätigt. Schließlich kann auch ein anderweitiges Verhalten der Arbeitgeberin als vertrauensbegründendes Element in Betracht kommen, wenn es auf eine besondere Bestätigung der Eingruppierung gerichtet ist (vgl. [X.] 13. [X.]ezember 2017 - 4 [X.] - Rn. 24, 29, 32, aaO).

2. Nach diesen Maßstäben ist es der [X.]n entgegen der Auffassung des [X.]s nicht verwehrt, gegenüber der Klägerin eine korrigierende [X.] vorzunehmen.

a) [X.]ie Würdigung der Tatsachengerichte, ob bei einer bestimmten Sachlage ein Verstoß gegen [X.] und Glauben iSv. § 242 BGB vorliegt, ist in der Revisionsinstanz als Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs nur eingeschränkt überprüfbar. [X.]ie Überprüfung ist darauf beschränkt, ob das Berufungsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm bei seiner Anwendung keine Verstöße gegen [X.]enkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Umstände berücksichtigt hat ([X.] 13. [X.]ezember 2017 - 4 [X.] - Rn. 25 [X.], [X.]E 161, 170).

b) [X.]ie Entscheidung des [X.]s hält diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab nicht stand. [X.]ie auf einen Antrag der Klägerin nach § 29b Abs. 1 TVÜ-[X.] gestützte Höhergruppierung zu Beginn des Jahres 2018 begründet kein über einen „begrenzten Vertrauensschutz“ hinausgehendes gesteigertes Vertrauen. Bei der damals vorgenommenen Zuordnung der Tätigkeit der Klägerin zur [X.] 9b [X.]/[X.] handelt es sich um eine erstmalige Eingruppierungsentscheidung nach Maßgabe der Anlage 1 - Entgeltordnung ([X.]) zum [X.]/[X.].

aa) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund der Bezugnahmeklausel in § 3 des Arbeitsvertrags die Bestimmungen des [X.]/[X.] einschließlich des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-[X.]) Anwendung. Bei der Bezugnahmeregelung handelt es sich bereits nach dem äußeren Erscheinungsbild um eine Klausel in einem Formularvertrag, die nach den Bestimmungen über allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen ist (vgl. [X.] 22. Februar 2023 - 4 [X.] - Rn. 16). Es kann allerdings vorliegend dahinstehen, ob diese einer Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB (namentlich § 308 Nr. 4, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) stand hielte. Jedenfalls könnte sich die [X.] als Klauselverwenderin hierauf gegenüber der eine Vergütung nach dem [X.]/[X.] begehrenden Klägerin nicht berufen (vgl. [X.] 28. April 2021 - 4 [X.] - Rn. 40 [X.], [X.]E 174, 382).

bb) [X.]ie maßgebenden [X.]e im Teil B Abschnitt XI - „Beschäftigte in Gesundheitsberufen“ - der Anlage 1 - Entgeltordnung ([X.]) zum [X.]/[X.] lauten wie folgt:

        

6.    

Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten

        

[X.] 5

        

Beschäftigte in der Tätigkeit von Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten.

        

[X.] 7

        

Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit.

        

[X.] 8

        

Beschäftigte der [X.] 7, die mindestens zu einem Viertel schwierige Aufgaben erfüllen.

        

(Hierzu Protokollerklärung)

        

[X.] 9a

        

Beschäftigte der [X.] 7, die schwierige Aufgaben erfüllen.

        

(Hierzu Protokollerklärung)

        

[X.] 9b

        

Beschäftigte der [X.] 7, die mindestens zur Hälfte folgende Aufgabe erfüllen:

        

Ergotherapie bei Patientinnen oder Patienten mit [X.]emenz.

        

Protokollerklärung:

        

Schwierige Aufgaben sind z.B. Ergotherapie bei Querschnittslähmungen, in Kinderlähmungsfällen, bei Schlaganfällen, mit spastisch Gelähmten, in Fällen von [X.]ysmelien, in der Psychiatrie oder Geriatrie oder bei Kleinkindern bis sechs Jahren.“

cc) Auch nach Inkrafttreten der Anlage 1 - Entgeltordnung ([X.]) zum [X.]/[X.] am 1. Januar 2017 verbleibt es grundsätzlich bei der bis zum 31. [X.]ezember 2016 zutreffenden Eingruppierung. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-[X.] gelten für die in den [X.] übergeleiteten Beschäftigten sowie für die zwischen dem Inkrafttreten des [X.]/[X.] und dem 31. [X.]ezember 2016 neu eingestellten Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis über den 31. [X.]ezember 2016 hinaus fortbesteht, ab dem 1. Januar 2017 für (Neu-)Eingruppierungen §§ 12, 13 [X.]/[X.] iVm. der Anlage 1 - Entgeltordnung ([X.]) zum [X.]/[X.]. Eine Überprüfung und Neufeststellung der Eingruppierung anhand dieser Vorschriften fand jedoch anlässlich der Überleitung in die Entgeltordnung nicht statt (§ 29a Abs. 1 Satz 2 TVÜ-[X.]). Vielmehr erfolgte die Überleitung zum 1. Januar 2017 gemäß § 29a Abs. 1 Satz 1 TVÜ-[X.] unter Beibehaltung der bisherigen [X.]. [X.]ies ist nach der Protokollerklärung zu § 29a Abs. 1 TVÜ-[X.] diejenige, die nach Anlage 1 oder 3 TVÜ-[X.] in der bis zum 31. [X.]ezember 2016 geltenden Fassung der Vergütungsgruppe des [X.] ([X.]), deren tarifliche Anforderungen die Tätigkeit erfüllte, zugeordnet war (vgl. [X.] 5. Juli 2023 - 4 [X.] - Rn. 15).

dd) Eine Ausnahme besteht für die in § 29b Abs. 1 TVÜ-[X.] geregelte Fallgestaltung. [X.]anach kommt bei unveränderter Tätigkeit eine Eingruppierung nach § 12 [X.]/[X.] nur in Betracht, wenn sich nach der Anlage 1 - Entgeltordnung ([X.]) zum [X.]/[X.] eine höhere [X.] als in der Anlage 1 oder 3 TVÜ-[X.] vorgesehen ergibt und die Beschäftigte bis zum 31. [X.]ezember 2017 eine dementsprechende Eingruppierung beantragt hat ([X.] 16. August 2023 - 4 [X.] - Rn. 19).

ee) [X.]ie von der [X.]n zu Beginn des Jahres 2018 auf einen Höhergruppierungsantrag der Klägerin nach § 29b Abs. 1 TVÜ-[X.] gestützte Zuordnung zur höheren [X.] 9b [X.]/[X.] beruht nicht auf einer Überprüfung und anschließenden Korrektur einer nunmehr für rechtsfehlerhaft erachteten vormaligen Eingruppierung. Es liegt eine erstmalige Eingruppierungsentscheidung nach einem neuen [X.] der Anlage 1 - Entgeltordnung ([X.]) zum [X.]/[X.] vor, von der kein erhöhtes Maß an Richtigkeitsgewähr ausgeht, welches einer korrigierenden [X.] nach den dargestellten Maßstäben (Rn. 14 ff.) entgegensteht.

(1) [X.]ie [X.] hat die Anfang Februar 2018 vorgenommene Höhergruppierung auf Grundlage des neuen [X.] der [X.] 9b [X.]/[X.] in der zum 1. Januar 2017 in [X.] getretenen neuen Entgeltordnung vorgenommen. Unter Anwendung der vormaligen [X.]e für Beschäftigungstherapeuten (zur früheren Terminologie für die Ergotherapeuten sh. [X.]/[X.]/[X.]/[X.] [X.] Teil IIIb Stand November 2023 EntgO [X.] - [X.] - Gesundheitsberufe Rn. 757) des [X.][X.] der Anlage 1a zum [X.] kam eine Überleitung nach den Bestimmungen des TVÜ-[X.] in die [X.] 9b [X.]/[X.] nicht in Betracht.

(2) Entgegen der Auffassung des [X.]s konnte die Klägerin nicht davon ausgehen, die [X.] habe bereits zuvor die Zuordnung ihrer Tätigkeit zur [X.] 8 [X.]/[X.] anhand der neuen Entgeltordnung [X.] und diese erst nach der Höhergruppierung in die [X.] 9b [X.]/[X.] aufgrund einer erst danach als fehlerhaft erkannten Bewertung korrigieren wollen.

(a) Eine solche Annahme kann - anders als das [X.] es meint - nicht auf den Umstand gestützt werden, dass im Arbeitsvertrag vom 17. November 2017 in § 4 Abs. 1 der Klammerzusatz „§ 12 [X.]-[X.]“ aufgenommen wurde. [X.]ies lässt nicht den Schluss zu, die [X.] habe die Eingruppierung anhand der neuen Entgeltordnung überprüft. Zwar sieht § 12 [X.]/[X.] vor, dass sich die Eingruppierung einer Beschäftigten nach den [X.]en der Anlage 1 - Entgeltordnung ([X.]) richtet. Nach § 29a Abs. 1 Satz 1 TVÜ-[X.] fand aber bei unveränderter Tätigkeit eine Überprüfung und Neufeststellung der Eingruppierung nicht statt (Rn. 24). Einen hierfür erforderlichen konstitutiv wirkenden Höhergruppierungsantrag nach § 29b TVÜ-[X.] (vgl. [X.] 16. August 2023 - 4 [X.] - Rn. 20) hatte die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt noch nicht gestellt. [X.]ie Zuordnung ihrer Tätigkeit zur [X.] 8 [X.]/[X.] im Arbeitsvertrag vom 17. November 2017 erfolgte daher - ebenso wie die im Arbeitsvertrag aus Januar 2016 - nach den vormaligen [X.]en für Beschäftigungstherapeuten.

(b) Eine andere Beurteilung hat auch nicht aufgrund des Schreibens der [X.]n vom 1. Februar 2018 an die Klägerin zu erfolgen. Aus diesem ergibt sich, wenngleich § 29b Abs. 1 TVÜ-[X.] nicht ausdrücklich genannt wird, dass die Höhergruppierung auf einen entsprechenden „Antrag“ der Klägerin gestützt wird und auf der Einführung der seit 1. Januar 2017 geltenden (neuen) Entgeltordnung beruht. Anhaltspunkte dafür, es handele sich um eine erneute Überprüfung anhand der neuen Entgeltordnung, können dem Schreiben nicht entnommen werden.

ff) Es sind zudem keine weiteren Umstände ersichtlich, die die Annahme rechtfertigen könnten, die vorgenommene korrigierende [X.] sei treuwidrig. Soweit die [X.] im Schreiben vom 1. Februar 2018 mitteilt, die Höhergruppierung beruhe auf einer umfassenden Prüfung der aktuellen Stellenbeschreibung, wird damit lediglich diejenige Sorgfalt umschrieben, die einen „begrenzten Vertrauensschutz“ begründen kann. Ein weitergehender Vertrauensschutz folgt schließlich nicht aus der dort enthaltenen Erwähnung, es handele sich um eine „abschließende“ Mitteilung. Mit dieser Formulierung wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass es sich um die endgültige Stellungnahme zum Höhergruppierungsantrag der Klägerin handele. Eine weitergehende - vertrauensbegründende - Aussage, wonach eine Überprüfung dieser Höhergruppierung seitens der [X.]n ausgeschlossen werde, ergibt sich daraus nicht.

III. [X.]er Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Berufungsentscheidung (§ 562 Abs. 1 ZPO) und Zurückverweisung der Sache an das [X.] (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). [X.]er [X.] kann auf Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen, ob die Klägerin ab dem 1. Juli 2019 weiterhin eine Vergütung nach [X.] 9b Stufe 3 [X.]/[X.] beanspruchen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO).

1. [X.]as [X.] hat - aus seiner Sicht konsequent - keine Feststellungen dazu getroffen, welche konkreten Aufgaben die Klägerin wahrnimmt und wie die [X.] ausgestaltet ist. [X.]ies wird es nachzuholen und anschließend zu bestimmen haben, ob die Tätigkeit der Klägerin ab dem 1. Juli 2019 aus einem einheitlichen Arbeitsvorgang oder mehreren Arbeitsvorgängen besteht (vgl. dazu etwa [X.] 16. August 2023 - 4 [X.] - Rn. 18; ausf. 26. April 2023 - 4 [X.] - Rn. 20 ff. [zu § 22 [X.]]; 9. September 2020 - 4 [X.] - Rn. 27 ff., [X.]E 172, 130 [zu § 12 TV-L]).

2. Bei der Annahme eines [X.] ist es zur Erfüllung der qualifizierenden tariflichen Anforderung - hier Ergotherapie „bei Patientinnen oder Patienten mit [X.]emenz“ - ausreichend, wenn diese innerhalb des [X.] in rechtlich erheblichem Ausmaß vorliegt. Nicht erforderlich ist, dass innerhalb eines [X.] das [X.] seinerseits in dem von § 12 Abs. 2 Satz 2, Satz 5 [X.]/[X.] bestimmten Maß anfällt (st. Rspr., etwa [X.] 9. September 2020 - 4 [X.] - Rn. 65 ff. [X.], [X.]E 172, 130 [zu § 12 TV-L]; 22. Februar 2017 - 4 [X.] - Rn. 41). Falls die Tätigkeit der Klägerin aus mehreren Arbeitsvorgängen besteht, von denen einer oder mehrere die tariflichen Anforderungen des in Anspruch genommenen [X.] der [X.] 9b [X.]/[X.] erfüllen, wird zu prüfen sein, ob diese Arbeitsvorgänge zeitlich mindestens zur Hälfte der Arbeitszeit anfallen.

3. Eine Ergotherapie bei Patientinnen oder Patienten mit [X.]emenz iSd. [X.] 9b [X.]/[X.] setzt voraus, dass die [X.]emenz im Zeitpunkt der Behandlung ärztlich diagnostiziert ist. [X.]as ergibt die Auslegung der Tarifregelung (zu den Maßstäben der Tarifauslegung zB [X.] 12. [X.]ezember 2018 - 4 [X.] - Rn. 35 [X.], [X.]E 164, 326).

a) [X.]ie Tarifvertragsparteien haben den Begriff der [X.]emenz nicht eigenständig definiert. Bei der Auslegung ist daher anzunehmen, dass der Begriff in dem Sinne verwendet wird, der dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem der beteiligten Kreise entspricht, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind ([X.] 16. August 2023 - 4 [X.] - Rn. 35 [X.]). [X.]ie Tarifregelung findet sich in Teil B der Anlage 1 - Entgeltordnung ([X.]) zum [X.]/[X.] im Bereich für Beschäftigte in Gesundheitsberufen. [X.]ies spricht dafür, dass der Begriff der [X.]emenz in einem medizinischen Sinne verwendet wird. Bei einer [X.]emenz handelt es sich danach um eine chronisch progrediente Störung der kognitiven, [X.] und emotionalen Gehirnfunktionen, die über mindestens sechs Monate besteht. Leitsymptome sind Gedächtnisverlust und chronische Verwirrtheit. [X.]iagnostiziert wird eine [X.]emenz klinisch-neurologisch, psychiatrisch, mittels kranialer Bildgebung sowie [X.]emenz-Tests ([X.], https://www.pschyrembel.de/[X.]emenz/K05MH, letzte Aktualisierung des Artikels 3/2022).

b) Eine Ergotherapie bei Patientinnen oder Patienten „mit“ [X.]emenz setzt begrifflich voraus, dass die [X.]emenz im Zeitpunkt der ergotherapeutischen Behandlung vorliegt. Für das Ausreichen lediglich von Anzeichen einer [X.]emenz bietet der Wortlaut keine Anhaltspunkte.

c) Auch aus der Tarifsystematik ergibt sich, dass lediglich Anzeichen einer [X.]emenz für die Erfüllung des tariflichen [X.]s nicht genügen. [X.]ie Prävalenz einer [X.]emenzerkrankung nimmt mit steigendem Lebensalter zu. Bei über 90-Jährigen beträgt sie rund 35 vH. Häufige Vorstufe einer [X.]emenz sind im höheren Alter eine mäßige Beeinträchtigung von Gedächtnis, Aufmerksamkeit und [X.]enkvermögen ohne wesentliche Alltagseinschränkungen, wobei [X.] dieser Fälle jährlich in eine [X.]emenz übergehen ([X.], https://www.pschyrembel.de/[X.]emenz/K05MH, letzte Aktualisierung des Artikels 3/2022). Gedächtnis-, Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Intelligenzstörungen können aber auch Folgen des physiologischen Alterungsprozesses sein (vgl. [X.], https://www.pschyrembel.de/Kognitive Beeinträchtigung/P05TH, letzte Aktualisierung des Artikels 5/2021). Bei der Ergotherapie in der Geriatrie, welche die Erkrankungen alter Menschen betrifft ([X.] 31. Januar 2018 - 10 [X.] - Rn. 26), stellt es daher insgesamt keine Besonderheit dar, dass die Patientinnen und Patienten kognitive Beeinträchtigungen aufweisen. Nach dem Tarifvertrag stellt die Aufgabe Ergotherapie in der Geriatrie bereits an sich eine schwierige Aufgabe dar, die ausweislich der zugehörigen Protokollerklärung nach [X.] 9a [X.]/[X.] zu vergüten ist. Steht nicht fest, ob die erkannten Symptome Anzeichen einer [X.]emenz oder lediglich der Vorstufe einer [X.]emenz oder Ausfluss des physiologischen Alterungsprozesses sind, ergeben sich keine Unterschiede bei der Aufgabenwahrnehmung.

4. Eine etwaige Verletzung eines Mitbestimmungsrechts bei der Eingruppierung ist für den Vergütungsanspruch unerheblich (st. Rspr., etwa [X.] 20. Mai 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 46 [X.]).

        

    Treber    

        

    M. Rennpferdt    

        

    Betz    

        

        

        

    J. Ratayczak    

        

    T. Wolff    

                 

Meta

4 AZR 322/22

13.12.2023

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Dresden, 20. Januar 2021, Az: 11 Ca 967/20, Urteil

§ 29b Abs 1 TVÜ-VKA, Anl 1 Teil B Abschn XI Nr 6 Entgeltgr 9b TVöD, § 12 TVöD, § 29a TVÜ-VKA, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.12.2023, Az. 4 AZR 322/22 (REWIS RS 2023, 10504)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 10504

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 AZR 463/21 (Bundesarbeitsgericht)

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3 TaBV 37/19 (LArbG München)

Gerichtliche Zustimmungsersetzung bei Umgruppierungen


6 AZR 41/20 (Bundesarbeitsgericht)

Überleitung aus der sog. großen EG 9 TVöD in die neue EGO TVöD (VKA)


4 AZR 339/22 (Bundesarbeitsgericht)

Korrigierende Rückgruppierung


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