Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.04.2023, Az. 3 AV 1/23

3. Senat | REWIS RS 2023, 2606

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Gegenstand

Rechtsweg für Streitigkeiten zwischen dem Erbringer von Leistungen nach der Coronavirus-Testverordnung und der Kassenärztlichen Vereinigung über die Abrechnung von Testungen; Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses


Tenor

Als zuständiges Gericht wird das [X.] bestimmt.

Gründe

I

1

Die Antragstellerin betrieb ab dem 8. März 2021 im Auftrag des öffentlichen Gesundheitsdienstes des [X.]eigeladenen eine Teststation zur Durchführung von [X.] auf das Coronavirus SARS-CoV-2. Sie hat beim [X.] die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen einen [X.]escheid vom 19. September 2022 beantragt, mit dem die [X.] (Antragsgegnerin) für die Leistungsmonate Dezember 2021 bis März 2022 gezahlte Vergütungen in Höhe von insgesamt 387 433,31 € zurückgefordert und insoweit die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Die Vergütungen hatte die Antragsgegnerin auf der Grundlage der Verordnung zum Anspruch auf Testung in [X.]ezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 ([X.] - [X.]) vom 21. September 2021 ([X.]Anz [X.] vom 21. September 2021 V1) festgesetzt. Das [X.] hat durch [X.]eschluss vom 28. November 2022 - [X.] KA 119/22 ER - den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das [X.] verwiesen. Das [X.] hat die [X.]eschwerde der Antragsgegnerin gegen den Verweisungsbeschluss durch [X.]eschluss vom 18. Januar 2023 - L 7 KA 28/22 [X.] - zurückgewiesen. Die weitere [X.]eschwerde zum [X.] nach § 17a Abs. 4 Satz 4 [X.] hat es nicht zugelassen. Das [X.] hat durch [X.]eschluss vom 14. Februar 2023 - 14 L 23/23 - festgestellt, der Verwaltungsrechtsweg sei unzulässig, und das [X.] zur [X.]estimmung des zuständigen Gerichts angerufen. Es handele sich um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung, über die gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG die Gerichte der [X.]barkeit zu entscheiden hätten. Der Verweisungsbeschluss des [X.] habe entgegen § 17a Abs. 2 Satz 3 [X.] keine [X.]indungswirkung, weil die vom Sozial- und dem [X.] angeführten Gründe für die Verweisung nicht nachvollziehbar seien.

II

2

Das [X.] ist für die Entscheidung des negativen [X.]s zwischen dem [X.] und dem [X.] zuständig. Gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 VwGO wird ein negativer [X.] zwischen Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit von dem Gericht entschieden, das den beteiligten Gerichten übergeordnet ist. Die Vorschrift ist auf den rechtswegübergreifenden [X.] zwischen einem Verwaltungsgericht und einem Sozialgericht weder unmittelbar anwendbar noch gibt es für einen solchen Fall an anderer Stelle eine gesetzliche Regelung. Diese Regelungslücke ist - im Einklang mit der Rechtsprechung anderer oberster Gerichtshöfe des [X.]undes - in der Weise zu schließen, dass dasjenige oberste [X.] den negativen [X.] zwischen den Gerichten verschiedener Gerichtszweige entscheidet, das einem der beteiligten Gerichte übergeordnet ist und zuerst angegangen wird (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 23. April 2021 - 8 AV 1.21 - juris Rn. 5 und vom 29. Dezember 2021 - 3 AV 1.21 - NVwZ 2022, 421 Rn. 6, jeweils [X.]; [X.]SG, [X.]eschluss vom 16. November 2016 - [X.] SF 5/16 R - juris Rn. 2).

3

Zuständig für die Entscheidung über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Rückforderung der Vergütungen für die Testungen auf das Coronavirus SARS-CoV-2 durch den [X.]escheid der Antragsgegnerin ist das [X.]. Das ergibt sich aus dem Verweisungsbeschluss des [X.], der gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 [X.] hinsichtlich des Rechtsweges bindend ist. Die [X.]indungswirkung tritt auch bei einem fehlerhaften Verweisungsbeschluss ein, etwa wenn der Rechtsweg zu dem verweisenden Gericht entgegen dessen Rechtsauffassung gegeben war. Mit Rücksicht auf die in § 17a [X.] eröffnete Möglichkeit, einen Verweisungsbeschluss in dem in § 17a Abs. 4 Satz 3 bis 6 [X.] vorgesehenen Instanzenzug überprüfen zu lassen, kann die gesetzliche [X.]indungswirkung eines unanfechtbaren Verweisungsbeschlusses allenfalls bei extremen Rechtsverstößen durchbrochen werden. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn sich die Verweisung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist. Hiervon kann nur ausgegangen werden, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 23. April 2021 - 8 AV 1.21 - juris Rn. 7 und vom 29. Dezember 2021 - 3 AV 1.21 - NVwZ 2022, 421 Rn. 11, jeweils [X.]). Das ist hier nicht der Fall. Dass die maßgeblichen Normen bereits deshalb nicht dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen seien, weil sie nicht im [X.] selbst enthalten seien, sondern in der [X.], ist nicht - wie das [X.] meint ([X.] - [X.] der landessozialgerichtlichen Argumentation. Das [X.] ist der Auffassung, dass die Grundlage der geltend gemachten Vergütungsrückforderung in § 7a Abs. 5 Satz 2 [X.] ihre prägende Wurzel nicht im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung habe ([X.] S. 6).

4

Da der Verweisungsbeschluss des [X.] gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 [X.] hinsichtlich des Rechtsweges bindend ist, kann der Senat offen lassen, ob für Streitigkeiten zwischen einem Erbringer von [X.] und der [X.] über die Abrechnung der Leistungen auf der Grundlage der [X.] gemäß § 40 Abs. 1 VwGO der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten oder gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 oder 5 SGG der Rechtsweg zu den Sozialgerichten zulässig ist. Die Frage ist nicht nur zwischen den Sozialgerichten und dem Verwaltungsgericht des [X.], sondern auch sonst umstritten (für Sozialgerichte: [X.], [X.]eschluss vom 28. Oktober 2022 - L 16 KR 433/22 [X.] ER; [X.], in[X.]/Meßling/[X.], COVID-19 - [X.] - Gesundheit und Soziales, 2. Aufl. 2022, § 14 Rn. 51; für Verwaltungsgerichte: VG Frankfurt, [X.]eschluss vom 20. Dezember 2022 - 5 L 3332/22.F - juris; ohne abschließende Stellungnahme [X.], in: [X.], 2. Aufl. 2022, § 51 Rn. 154 bis 154.5; [X.], [X.] 2022, 273 <278>). [X.]eim [X.] ist eine weitere [X.]eschwerde nach § 17a Abs. 4 Satz 4 bis 6 GKG gegen die Unzulässigerklärung des Rechtsweges zu den Sozialgerichten für einen Rechtsstreit betreffend die Abrechnung von Leistungen nach der [X.] anhängig ([X.] SF 1/23 R). Eindeutig ist die Zuordnung ebenso wenig wie bei der Heranziehung von Nichtvertragsärzten zu [X.]eiträgen zur Finanzierung des Ärztlichen [X.]ereitschaftsdienstes einer [X.] (vgl. [X.]SG, [X.]eschluss vom 5. Mai 2021 - [X.] SF 1/20 R - juris; [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 6. Juli 2022 - 3 [X.] 31.21 - [X.]uchholz 300 § 17a [X.] Nr. 45).

Meta

3 AV 1/23

24.04.2023

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AV

vorgehend VG Berlin, 14. Februar 2023, Az: 14 L 23/23, Beschluss

§ 53 Abs 1 Nr 5 VwGO, § 53 Abs 3 VwGO, § 17a Abs 2 GVG, § 17a Abs 4 GVG, § 51 Abs 1 Nr 2 SGG, § 51 Abs 1 Nr 5 SGG, § 20i Abs 3 SGB 5, § 75 Abs 1 SGB 5, § 221 SGB 5, § 1 Abs 3 TestV, § 6 Abs 1 TestV, § 7 TestV, § 7a TestV, § 13 Abs 5 TestV, § 14 Abs 1 TestV, § 15 Abs 1 TestV

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.04.2023, Az. 3 AV 1/23 (REWIS RS 2023, 2606)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2606

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

B 6 SF 1/23 R

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