Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2004, Az. XII ZB 45/01

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 448

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[X.][X.]/01
vom 1. Dezember 2004 in der Familiensache

Nachschlagewerk: ja

[X.]: nein

[X.]R: ja

BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 lit. c, Abs. 3

Versorgungsanrechte, deren Wert tatsächlich in gleicher oder nahezu glei-cher Weise steigt wie der Wert von Anrechten in der gesetzlichen Renten-versicherung oder in der Beamtenversorgung, sind auch dann als volldyna-misch anzusehen, wenn sie mittels Deckungskapitals finanziert werden.
[X.], Beschluß vom 1. Dezember 2004 - [X.]/01 - OLG Hamburg

AG Hamburg
- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 1. Dezember 2004 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], [X.], Prof. Dr. Wagenitz und [X.] beschlossen: Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2. wird der Be-schluß des 3. Familiensenats des [X.] vom 2. Januar 2001 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das Oberlandesge-richt zurückverwiesen. [X.]: 2.736 • (= 5.351,16 DM)

Gründe: [X.] Die am 1. September 1989 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den dem Ehemann (Antragsgegner) am 14. Mai 1999 zugestellten Antrag der Ehefrau (Antragstellerin) durch Verbundurteil des Amtsgerichts - Familien-gericht - vom 13. Juli 2000 (insoweit rechtskräftig seit 9. Oktober 2000) ge-schieden und der Versorgungsausgleich geregelt. Während der Ehezeit (1. September 1989 bis 30. April 1999; § 1587 Abs. 2 BGB) erwarb die am 17. September 1958 geborene Ehefrau [X.] 3 - wartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der [X.] für Angestellte (Verfahrensbeteiligte zu 1., [X.]) in Höhe von 360,32 DM monatlich und bezogen auf den 30. April 1999. Der am 13. Mai 1956 geborene Ehemann ist seit dem 1. April 1990 Mitglied im Versorgungs-werk der Architektenkammer [X.] (Beteiligte zu 2., [X.]). Er hat dort bis zum Ende der Ehezeit Versorgungsanrechte erworben, deren [X.] 76.318 DM beträgt. Das [X.] gewährt seinen Mitgliedern Rente wegen Berufsunfähigkeit sowie mit Vollendung des 65. Lebensjahres ein Alters-ruhegeld, dessen Jahresbetrag in Prozentsätzen der bis zum Eintritt des Versi-cherungsfalles geleisteten Beiträge berechnet wird. Der Berechnung liegt ein Jahreszinsfuß von 4 % zugrunde. Leistungserhöhungen werden lediglich auf-grund von Zinsüberschüssen gewährt. Nach Mitteilung des [X.] beläuft sich die vom Ehemann in der Ehe erworbene erhöhte [X.] auf mo-natlich 1.252,18 DM. Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß es zu Lasten der beim [X.] bestehenden Anrechte des Ehemannes für die Ehe-frau [X.]en bei der [X.] in Höhe von 445,93 DM, bezogen auf den 30. April 1999, begründet hat. Dabei hat es die Anrechte des Ehemannes beim [X.] als volldynamisch angesehen und mit ihrem Nominalbetrag in die Ausgleichsbilanz eingestellt (1.252,18 DM - 360,32 DM = 891,86 DM : 2 = 445,93 DM). Die hiergegen gerichteten Beschwerden des Ehemannes und des [X.] hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der zugelassenen weite-ren Beschwerde macht das [X.] geltend, daß die bei ihm begründeten An-rechte des Antragsgegners nicht volldynamisch und deshalb in den angefoch-tenen Entscheidungen zu hoch bewertet worden seien. - 4 - I[X.] Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]. 1. Das [X.] ist bei der Ermittlung der in der Ehezeit erwor-benen Versorgungsanrechte des Ehemannes beim [X.] von § 1587a Abs. 2 Nr. 4 lit. [X.] ausgegangen. Das ist frei von Rechtsirrtum (vgl. Senatsbe-schluß vom 4. Oktober 1990 - [X.] ZB 115/88 - FamRZ 1991, 310, 311) und wird von der weiteren Beschwerde auch nicht angegriffen. 2. Nach Auffassung des [X.]s ist der vom Versorgungsträ-ger mitgeteilte Nominalbetrag der vom Ehemann in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte nicht nach § 1587a Abs. 3 BGB umzurechnen, da diese Anrechte sowohl im Anwartschaftsstadium als auch im [X.] voll-dynamisch seien. Dies ergebe sich aus dem gebotenen Vergleich mit der [X.] der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung. Während diese Versorgungen in der [X.] von 1990 bis 1999 eine Erhöhung von durchschnittlich 2,33 % (gesetzliche Rentenversicherung) bzw. 2,62 % (Beam-tenversorgung) aufwiesen, sei der Wert der Anwartschaften und Renten beim Versorgungswerk der Architektenkammer [X.] in diesem [X.]-raum um durchschnittlich 2,23 % gestiegen. Für die Annahme der Volldynamik genüge, daß die zu beurteilende Versorgung mit nur einer der beiden Ver-gleichsversorgungen - hier: mit der gesetzlichen Rentenversicherung - ver-gleichbar sei; geringe Abweichungen nach unten - hier: um (2,33 - 2,23 =) 0,1 % - seien dabei unbeachtlich. Der Umstand, daß der Ehemann nach der Satzung des [X.] keinen Rechtsanspruch auf eine entsprechende Wertsteige-rung habe, stehe der Annahme der Volldynamik nicht entgegen. Maßgebend sei vielmehr die tatsächliche Übung über einen längeren [X.]raum; allerdings - 5 - müsse eine ähnliche Entwicklung auch für die Zukunft zu erwarten sein. Beide Voraussetzungen lägen hier vor: Das [X.] habe über zehn Jahre Zinsüber-schüsse aus den entrichteten Beiträgen erwirtschaftet und - durch Erhöhung von Anwartschaften und Renten - an die Mitglieder weitergegeben. Es spreche nichts dafür, daß hiervon in Zukunft abgewichen werde. Der Umstand, daß die Anrechte beim [X.] nach dem Anwartschaftsdeckungsverfahren finanziert würden, hindere nach Wortlaut und Sinn des § 1587a Abs. 3 BGB die Annahme einer Volldynamik ebenfalls nicht; für die Vergleichbarmachung von Anrechten im Rahmen des Versorgungsausgleichs zähle nicht die Art ihrer Finanzierung, sondern nur das Ergebnis. Diese Ausführungen sind im Grundsatz nicht zu beanstanden. Richtig ist, daß die beim [X.] begründeten Anrechte nicht rein statisch sind. Dies entspricht einer früheren Einschätzung des Senats ([X.] vom 4. Oktober 1990 aaO; vgl. auch die Bezugnahme im [X.] vom 25. März 1992 - [X.] ZB 88/89 - FamRZ 1992, 1051, 1053 f. betr. BVV), die durch die Feststellungen des [X.]s bestätigt wird. Danach hat das [X.] in der Vergangenheit Zinsüberschüsse erwirtschaftet, die zu Erhö-hungen der Anwartschaften und Renten verwandt worden sind. Wie der Senat bereits dargelegt hat, steht der Berücksichtigung solcher Wertsteigerungen we-der entgegen, daß sie aus Überschußerträgen finanziert werden ([X.] vom 9. Oktober 1996 - [X.] ZB 188/94 - FamRZ 1997, 166, 168 und vom 10. Juli 2002 - [X.] ZB 122/99 - FamRZ 2002, 1554, 1555), noch daß den Mitgliedern des Versorgungswerks auf die so finanzierten Verbesserungen ihrer Versorgung kein Rechtsanspruch zusteht (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 25. September 1996 - [X.] ZB 227/94 - FamRZ 1997, 164, 166 und vom 9. Oktober 1996 aaO 167 f.). - 6 - Die Frage, ob die vom [X.] festgestellten Wertsteigerun-gen die Annahme rechtfertigen, daß der Wert der beim [X.] begründeten An-rechte in gleicher oder nahezu gleicher Weise steigt wie der Wert von [X.] der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung (§ 1587a Abs. 3 BGB), läßt sich - worauf das [X.] mit Recht hin-weist - nicht schon deshalb verneinen, weil die beim [X.] begründeten An-rechte im Wege eines [X.] finanziert werden. Richtig ist zwar, daß dem einer Versorgung zugrunde liegenden Finanzierungssystem In-dizwirkung für eine künftig zu erwartende Wertsteigerung der Anwartschaften zukommt. So wird namentlich die Finanzierung im Umlage- oder offenen Dek-kungsplanverfahren vielfach als ein Indiz für eine volle Anwartschaftsdynamik angesehen (vgl. etwa [X.]/[X.]/[X.] Eherecht 4. Aufl. § 1587a [X.]. 235; [X.] Versorgungsausgleich 2004 [X.]. 178). Daraus läßt sich jedoch nicht herleiten, daß Versorgungen, die nach dem Kapitaldeckungsverfahren finanziert werden, zwingend als im Anwartschafts- oder im [X.] nicht volldynamisch einzustufen wären. Eine solche Folgerung widerspräche nicht nur der neueren Rechtsprechung des Senats, die im Einzelfall auch dek-kungskapitalfinanzierte Versorgungen als jedenfalls im [X.] voll-dynamisch beurteilt hat (Senatsbeschlüsse jeweils vom 25. September 1996 - [X.] ZB 226/94 - FamRZ 1997, 161 und - [X.] ZB 227/94 - FamRZ 1997, 164; grundsätzlich anders noch Senatsbeschlüsse vom 4. Oktober 1990 aaO 311 f. und vom 25. März 1992 aaO 1053 f.). Sie wäre auch mit dem System des § 1587a Abs. 3 BGB nicht zu vereinbaren, der ersichtlich davon ausgeht, daß auch deckungskapitalfinanzierte Anwartschaften gleichen oder nahezu gleichen Wertsteigerungen unterliegen können wie die dort genannten Maßstabsversor-gungen und deshalb nur dann dem Umwertungsmechanismus des § 1587a Abs. 3 Nr. 1 BGB unterliegen, wenn sie eine solche Wertsteigerung nicht auf-weisen. Dies gilt umso mehr, als die etwa der [X.] zugrundeliegende - 7 - Annahme eines langfristigen Gleichklangs von Zins- und Einkommensdynamik nicht aufrechterhalten werden kann (vgl. [X.], [X.] 2004, 122, 125 f.) und sich das Verhältnis der beiden Parameter seit 1977 zugunsten der Kapitalrendi-te verändert hat. Hinzu kommt, daß die Volldynamik der gesetzlich definierten [X.] nicht mehr mit einer der Entwicklung der Erwerbsein-kommen folgenden Wertsteigerung gleichgesetzt werden kann. Änderungen insbesondere des Rentenversicherungsrechts - zuletzt durch die Einführung eines Nachhaltigkeitsfaktors aufgrund des Gesetzes zur Sicherung der nachhal-tigen Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltig-keitsgesetz) vom 21. Juli 2004 ([X.] I S. 1791) - haben zwischenzeitlich zu einer deutlichen Dämpfung der Rentendynamik sowie zu ihrer zumindest teil-weisen Entkoppelung von der Entwicklung der Einkünfte der Aktiven geführt (vgl. [X.] in: [X.], 2003, Kapitel [X.] 16 Rz. 208 ff.). Für die Bewertung der für den Ehemann beim [X.] begründeten An-rechte ist vielmehr entscheidend, ob der Wert dieser Anrechte tatsächlich in gleicher oder nahezu gleicher Weise steigt wie der Wert von Anrechten in den [X.]. Dazu bedarf es einer Prognose der weiteren Entwicklung der Anrechte. Dafür kann deren tatsächliche bisherige Entwicklung über einen angemessenen Vergleichszeitraum hin als Indiz herangezogen werden. Die Aussagekraft, die solchen in der Vergangenheit liegenden Abläufen für die Einschätzung der zu-künftigen Anrechtsentwicklung zukommt, mag im Einzelfall durch das Finanzie-rungssystem, das dem zu beurteilenden Anrecht zugrunde liegt, mit beeinflußt werden. So hat der Senat die Bewertung eines mittels Deckungskapitals finan-zierten Anrechts als nicht volldynamisch gebilligt, weil nach einer durch [X.] gestützten tatrichterlichen Einschätzung die langfristige Anlage der Deckungsmittel zu einem relativ konstanten Zinsfuß führe ([X.] vom 29. September 1993 - [X.] ZB 31/90 - FamRZ 1994, 23, 24). [X.] hat der Senat die Einstufung eines mittels Deckungskapitals finanzier-ten Anrechts als im [X.] volldynamisch nicht beanstandet, weil die wirtschaftliche Entwicklung des Versorgungsträgers nach tatrichterlicher [X.] die Annahme rechtfertigte, daß die Versorgung seiner Mitglieder auch künftig eine mit den volldynamischen Anrechten vergleichbare Steigerung erfahren werde (Senatsbeschlüsse vom 25. September 1996 und vom 9. Oktober 1996 jeweils aaO). Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des [X.]s haben auch die beim [X.] begründeten Versorgungs-anrechte eine solche Prognose gerechtfertigt. Die Rüge der weiteren Be-schwerde, das [X.] habe bei seiner Beurteilung seine Amtsermitt-lungspflicht (§ 12 [X.]) verletzt, greift nicht durch; insbesondere ist nicht er-sichtlich, welche weiteren, über die Erfassung der bisherigen Entwicklung hi-nausgehenden Feststellungen das [X.] damals hätte treffen [X.], um sich über die voraussichtliche künftige Entwicklung der beim [X.] be-gründeten Versorgungsanrechte mit vertretbarem Aufwand zusätzliche Er-kenntnisgrundlagen zu verschaffen. 3. Dennoch kann die angefochtene Entscheidung nicht bestehen bleiben. Das [X.] hat sich für seine Beurteilung, die beim [X.] beste-henden Anrechte seien im Anwartschafts- wie im [X.] volldyna-misch, auf eine Darstellung des Versorgungswerks über die Steigerung der Anwartschaften wie der laufenden Renten in der [X.] von 1990 bis 1999 ge-stützt. Diese Übersicht erscheint für eine aktuelle Beurteilung der [X.] nicht mehr hinreichend aussagekräftig. Der Senat hält es deshalb für geboten, die Entwicklung der beim [X.] begründeten Versorgungen [X.] zeitnaher Daten zu überprüfen. Hinsichtlich der Frage, welche Steige-rungsraten einer Versorgung die Annahme rechtfertigen, daß der Wert dieser Versorgung in gleicher oder nahezu gleicher Weise steigt wie der Wert einer - 9 - Versorgung der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversor-gung, verweist der Senat auf seinen Beschluß vom 7. Juli 2004 - [X.] ZB 277/03 - FamRZ 2004, 1174 (zur Dynamik von Anrechten der [X.]). 4. Der Senat vermag aus den genannten Gründen in der Sache nicht ab-schließend zu entscheiden. Die Sache war vielmehr an das [X.] zurückzuverweisen, damit es die für eine aktuelle Ermittlung des Wertes der vom Ehemann beim [X.] erworbenen Anrechte erforderlichen Feststellungen trifft. Die Zurückverweisung gibt zugleich Gelegenheit, der durch § 36a der [X.] des [X.] (in der seit dem 1. Dezember 2002 geltenden Fassung) eröff-neten Möglichkeit einer Realteilung nachzugehen (vgl. [X.], 1794; zur Berücksichtigung einer durch Satzungsänderung nach dem Ende der Ehezeit erfolgten Einführung der Realteilung vgl. etwa [X.] vom 12. Mai 1989 - [X.] - FamRZ 1989, 951, 953 und vom 22. Oktober 1997 - [X.] ZB 81/95 - FamRZ 1998, 421, 422) und ferner die Höhe der von der Ehefrau bei der [X.] erworbenen Anrechte anhand einer aktuellen Auskunft zu überprüfen.

[X.] [X.] [X.]

Wagenitz

[X.]

Meta

XII ZB 45/01

01.12.2004

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2004, Az. XII ZB 45/01 (REWIS RS 2004, 448)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 448

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