Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.07.2022, Az. 8 B 22/22

8. Senat | REWIS RS 2022, 4624

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Gegenstand

Keine Vorlagepflicht nach § 12 Abs. 1 i. V. m. § 11 Abs. 2 VwGO bei Abweichung von der Rechtsprechung (nur) des eigenen Senats


Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 7. Februar 2022 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3 312 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Klägerin wendet sich gegen die [X.]eendigung ihrer freiwilligen Mitgliedschaft bei der [X.]. Im März 2019 teilte die [X.]eklagte der Klägerin mit, dass ihre seit September 1994 bestehende freiwillige Mitgliedschaft kraft Satzung mit Ablauf des 30. Dezember 2018 beendet worden sei, da sie ab dem 31. Dezember 2018 Mitglied der [X.]eigeladenen geworden sei. Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat dieses Urteil geändert und festgestellt, dass die freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin bei der [X.] nicht durch die [X.]egründung einer Pflichtmitgliedschaft bei der [X.]eigeladenen mit Ablauf des 30. Dezember 2018 beendet worden sei. Die Revision gegen sein Urteil hat er nicht zugelassen.

2

Die [X.]eschwerde der [X.], die sich auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO stützt, hat keinen Erfolg.

3

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlich klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist (stRspr, vgl. nur [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 28. Januar 2019 - 8 [X.] 37.18 - ZfWG 2019, 262 Rn. 4). Diesen Voraussetzungen genügt die [X.]eschwerde nicht.

4

Die von der [X.] aufgeworfene Frage,

ob das dem Verwaltungsrat der [X.] ([X.]) eingeräumte weite Satzungsermessen in Form der umfassenden Umsetzung des Lokalitätsprinzips dann einzuschränken ist, wenn ein bislang freiwilliges Mitglied der [X.] eine Pflichtmitgliedschaft bei einer anderen berufsständischen Versorgungseinrichtung begründet, jedoch dort - und zwar aus Gründen, die allein im Einflussbereich des dortigen [X.] liegen - keine Ansprüche auf Versorgung wegen Alters erwerben kann,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Damit ist keine klärungsbedürftige Rechtsfrage zur Auslegung von Normen des [X.]undesrechts oder sonstigen revisiblen Rechts aufgeworfen. Die [X.]eklagte misst der Auslegung und Anwendung der einschlägigen [X.]estimmung ihrer Satzung durch das [X.]erufungsgericht zwar unter verschiedenen Aspekten grundsätzliche [X.]edeutung bei. Das Satzungsrecht einer berufsständischen Versorgungseinrichtung gehört indessen zum Landesrecht, das nicht revisibel ist (vgl. nur [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 16. Dezember 2015 - 10 [X.] 7.15 - juris Rn. 3 und vom 17. Juni 2019 - 10 [X.] 21.18 - juris Rn. 6). Soweit die [X.]eklagte eine unzureichende [X.]erücksichtigung des Verfassungs- und Unionsrechts durch das [X.]erufungsgericht geltend macht, ist damit eine Grundsatzbedeutung nicht dargetan. Dazu fehlt eine substantiierte Darlegung, dass der verfassungs- und unionsrechtliche Maßstab selbst einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Klärungsbedarf aufweist (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 28. September 2010 - 8 [X.] 5.10 - juris Rn. 2).

5

2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. nur [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 20. April 2017 - 8 [X.] 56.16 - juris Rn. 5). Diese Anforderungen sind nicht erfüllt.

6

Die von der [X.] angeführten vermeintlich divergierenden Entscheidungen des [X.]undesverfassungsgerichts und des [X.]undesverwaltungsgerichts betreffen schon nicht die Auslegung und Anwendung einer im angegriffenen Urteil herangezogenen Rechtsvorschrift. Ungeachtet dessen ist das [X.]erufungsgericht nicht von den angeführten Entscheidungen abgewichen. Es hat keinen Rechtssatz aufgestellt, der dem Rechtssatz, der autonomen Satzungsgewalt von [X.] dürfe ein angemessener Gestaltungsspielraum belassen werden (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 - 1 C 11.89 - [X.]VerwGE 87, 324 <326>), widersprochen hätte. Ebenso wenig hat es einen von den angeführten Entscheidungen des [X.]undesverfassungsgerichts ([X.]VerfG, [X.]eschlüsse vom 9. Februar 1977 - 1 [X.]vL 11/74 u. a. - [X.]VerfGE 44, 70 <90 f.> und vom 31. August 2004 - 1 [X.]vR 1776/97 - [X.]VerfGK 4, 46 <48>) abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Mit Einwänden gegen die Anwendung höchstrichterlich entwickelter Rechtssätze im konkreten Fall ist keine Divergenz zu begründen.

7

3. Das angegriffene Urteil leidet nicht unter einem Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die [X.]eklagte macht geltend, der erkennende Senat des Verwaltungsgerichtshofs hätte die Sache dem [X.] des Verwaltungsgerichtshofs vorlegen müssen, weil er mit der angegriffenen Entscheidung von seinem früheren [X.]eschluss vom 15. August 2011 - 21 Z[X.] 10.1314 - in [X.]ezug auf das Lokalitätsprinzip abgewichen sei.

8

Die pflichtwidrige Nichtvorlage einer Sache an den [X.] eines Verwaltungsgerichtshofs wegen Abweichung von einer Entscheidung eines anderen Senats desselben Gerichts (§ 12 Abs. 1 i. V. m. § 11 Abs. 2 und 3 VwGO) kann einen Verstoß gegen die Garantie des gesetzlichen Richters (§ 138 Nr. 1 VwGO) darstellen und damit ein Verfahrensfehler gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sein. In [X.]ezug auf die Feststellung der Abweichung gelten dabei dieselben Anforderungen, wie sie in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts zum Revisionszulassungsgrund der Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO entwickelt worden sind (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 14. September 2006 - 9 [X.] 2.06 - [X.]uchholz 401.9 [X.]eiträge Nr. 44 Rn. 13 und vom 21. Juni 2018 - 4 [X.] 34.17 - juris Rn. 13). Hieran gemessen liegt ein Verstoß gegen die Vorlagepflicht nicht vor. Die Abweichung muss im Verhältnis zu einem anderen Senat oder dem [X.] bestehen. Die beabsichtigte Abweichung von der Rechtsprechung (nur) des eigenen Senats löst die Vorlagepflicht nicht aus. Vielmehr kann jeder Senat von eigenen Entscheidungen ohne Divergenzvorlage abweichen (vgl. Pietzner/[X.]ier, in: [X.]/[X.], VwGO, Stand: Februar 2022, § 11 Rn. 26; [X.], in: [X.]/[X.], VwGO, 5. Aufl. 2018, § 11 Rn. 37, je m. w. N.). So liegt es hier. [X.]ei dem von der [X.] angeführten [X.]eschluss vom 15. August 2011 handelt es sich um eine frühere Entscheidung desselben Senats des Verwaltungsgerichtshofs, der das hier angegriffene Urteil erlassen hat.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

8 B 22/22

27.07.2022

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 7. Februar 2022, Az: 21 B 21.1629, Urteil

§ 11 Abs 2 VwGO, § 12 Abs 1 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.07.2022, Az. 8 B 22/22 (REWIS RS 2022, 4624)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4624

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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