Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2015, Az. 2 StR 245/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 3972

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[X.]:[X.]:BGH:2015:141015U2STR245.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM N[X.]MEN [X.]S VOLKES

Urteil
2 StR 245/15

vom
14. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen

wegen
gefährlicher Körperverletzung u.a.
-
2
-
[X.]er 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom
14. Oktober 2015, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Prof. [X.]r. Fischer,

die
Richter am [X.]
Prof. [X.]r. [X.],
[X.],
[X.],
die Richterin am [X.]
[X.]r. [X.],

Staatsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
[X.]uf die
Revisionen des [X.]ngeklagten und der Staatsanwalt-schaft wird
das Urteil des [X.] vom 13. Oktober 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
[X.]ie Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurge-richtskammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
[X.]as [X.] hat den [X.]ngeklagten
wegen gefährlicher Körperverlet-zung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem
Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. In [X.] erlittene [X.]uslieferungshaft hat es im Verhältnis eins zu eins angerechnet. [X.]uf den [X.]dhäsionsantrag des Nebenklägers [X.]

hat es ihn
im Wege eines [X.] verurteilt, an diesen 20.000
Euro nebst Zinsen abzüglich am 21. September 2014 bereits gezahlter 10.000
Euro zu zahlen. Gegen den strafrechtlichen Teil dieses Urteils richten sich die Revi-sion des [X.]ngeklagten und die zu seinen Ungunsten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. [X.]ie Rechtsmittel haben jeweils
Erfolg.

I.
Nach den Feststellungen des [X.] arbeitete der [X.]ngeklagte zur .

des Zeugen [X.].

, der außerdem die 1
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.

mit dem [X.]ngeklagten befreundete Zeuge [X.].

angestellt war. [X.]m 27.
Mai 2013 drangen etwa zehn Männer, die zum Teil mit Baseballschlägern oder Holzstöcken bewaffnet waren, .

[X.]arunter
war auch der Zeuge C.

, der für den Betreiber des
benachbarten .

ten [X.] und wollten den Zeugen [X.].

schlagen, der sich aber mit einem Barhocker schützen konnte. Bei diesem Vorfall waren der [X.]ngeklagte und der Zeuge [X.].

anwesend.
[X.]m folgenden Tag, dem 28. Mai 2013, arbeitete der [X.]ngeklagte wieder in der Spielhalle.
Gegen 14.00 Uhr kam C.

mit einer unbekannten Person zu ihm und fragte vor dem Hintergrund der [X.]useinandersetzung vom Vortag nach dem [X.]ufenthaltsort des Inhabers [X.].

. [X.]er [X.]ngeklagte schickte ihn weg. Kurz darauf kam C.

zurück und bat
den [X.]ngeklagten,
mit ihm nach draußen zu kommen, um mit ihm zu sprechen. [X.]er [X.]ngeklagte folgte der [X.]ufforderung und unterhielt sich längere [X.] mit C.

auf dem Bürgersteig vor der Spielhalle.
Kurz vor 14.40 Uhr kam [X.].

hinzu. Sofort eskalierte die Situation. .

a-men,
und C.

drangen auf [X.].

ein. C.

war dabei mit
einem Holzstock und einer seiner Begleiter mit einem Teleskopschlagstock bewaffnet. [X.]uch [X.].

hatte einen Holzstock in der Hand, den er entweder bereits mitgebracht oder rasch aus seinem Fahrzeug geholt hatte. C.

schlug auf [X.].

ein, der einige Meter zurückwich.
[X.]er [X.]ngeklagte lief in die Spielhalle und holte dort unter dem Tresen eine geladene Selbstladepistole
hervor. [X.]iese lud er beim sofortigen Herauslaufen aus der Spielothek durch,
ohne hinzuschauen.
Während dessen flüchtete [X.].

. [X.]ie drei [X.]ngreifer blieben
neben dem
Heck eines vor der Spielhalle gepark-ten Fahrzeugs
stehen. [X.]er [X.]ngeklagte wollte sie vertreiben und richtete die Waffe auf die [X.] rechts neben die Männer.
Er gab in rascher Folge aus wenigen Metern Entfernung drei Schüsse ab. [X.]ann liefen die [X.]ngreifer
davon
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und der [X.]ngeklagte gab zunächst noch zwei Schüsse in die Luft ab, zehn Se-kunden später einen weiteren.

[X.]er [X.]ngeklagte hatte die drei [X.]ngreifer
weder verletzen noch
töten wol-len. Ihm war aber bewusst, dass auf der gegenüberliegenden [X.]nseite schräg gegenüber der Spielothek vor der [X.]rogenhilfe

F

.in einer Entfernung von etwa fünfzehn Metern zahlreiche
Personen auf der [X.] standen. Er nahm deren Verletzung durch abprallende Geschosse in Kauf.
Eines der drei von dem [X.]ngeklagten auf die [X.] abgefeuerten [X.] zerlegte sich beim [X.]ufprall auf den [X.]sphalt in seinen Kupfermantel und den Bleikern. [X.]er Bleikern traf den Nebenkläger [X.]

, der gerade die [X.]

F.

Seite des Rückens in Höhe des zweiten Lendenwirbels. [X.]as Geschossteil drang
in leicht
ansteigendem
Winkel bis in den Bereich der Bauchdecke vor, wo es
in der Bauchmuskulatur steckenblieb. Infolge des [X.]urchschusses kam es zu Verletzungen des [X.]arms. Jedoch wurden sonstige Organe und größere Blutge-fäße nicht verletzt. Ein weiteres Geschossteil streifte den Zeugen Si.

am lin-ken Oberschenkel und fügte ihm ein Hämatom sowie eine oberflächliche Haut-verletzung zu.

II.
[X.]ie Revisionen
des [X.]ngeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen die-ses Urteil sind jeweils begründet. [X.]ie Beweiswürdigung des [X.] er-weist sich sowohl zu Gunsten als auch zu
Ungunsten des [X.]ngeklagten als rechtsfehlerhaft.
1. Soweit das [X.] angenommen hat, der [X.]ngeklagte habe die drei [X.]ngreifer weder töten noch verletzen wollen, begegnet
das Urteil allerdings keinen rechtlichen Bedenken.
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Nach den Feststellungen, die unter anderem auf die [X.]ufzeichnungen [X.] gestützt sind, hat der [X.]ngeklagte gezielt neben die-se Personen
geschossen. [X.]ie [X.]nnahme, dass auch nicht damit zu rechnen ge-wesen sei, einer
der [X.]ngreifer hätte durch ein ungefähr rechtwinklig nach der Seite erfolgendes [X.]bprallen eines
Geschosses
getroffen werden können, ist nicht zu beanstanden.
2. Rechtsfehlerhaft ist dagegen die [X.]nnahme des [X.], der [X.]n-geklagte habe den Nebenkläger [X.]

und den Zeugen Si.

einerseits nicht töten wollen, andererseits aber mit der Möglichkeit gerechnet und diese billi-gend in Kauf genommen, dass er sie durch abprallende Geschosse verletzen könnte. [X.]abei ist zu Ungunsten des [X.]ngeklagten die Motivlage nicht [X.] beachtet, zu seinen Gunsten die Gefährlichkeit der [X.]bgabe mehrerer Schüsse aus einer großkalibrigen Pistole auf die Oberfläche einer asphaltierten [X.] innerhalb einer belebten Stadt nicht nachvollziehbar gewürdigt worden.
a) Hat der [X.]ngeklagte
die auf seinen Freund eindringenden [X.]ngreifer weder töten noch verletzen wollen, so leuchtet es kaum
ein, dass er gleichwohl die Verletzung von unbeteiligten Personen für möglich gehalten und diese billi-gend in Kauf genommen haben soll, obwohl er dafür noch weniger [X.]nlass [X.], als für eine -
ungewollte
-
Verletzung der [X.]ngreifer. Bei dieser Sachlage wä-re die [X.]nnahme von bedingtem [X.] rechtlich nur hinzu-nehmen, wenn alle anderen Umstände des Einzelfalls lückenlos abgewogen worden wären. [X.]aran
fehlt es jedoch.
[X.]as [X.] hat nicht ausreichend beachtet, dass sich die Situation für den [X.]ngeklagten schlagartig geändert hat
und das Handlungsmotiv daher abrupt eingetreten ist. Nachdem er längere [X.] mit dem Zeugen C.

gespro-chen hatte, ohne dass dabei aggressive
Tendenzen erkennbar geworden [X.], tauchte der Zeuge [X.].

dramatischen Änderung der Lage lief der [X.]ngeklagte in das Lokal, holte die [X.], lud diese
im Laufen mit einem Handgriff durch, trat vor die Tür und schoss 10
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sofort auf die [X.]. [X.]ngesichts der Schnelligkeit dieser Ereignisse kann
der [X.]ngeklagte die Möglichkeit,
durch abprallende Geschosse andere Personen zu treffen,
falsch
eingeschätzt haben. [X.]ie Schlussfolgerung des [X.] auf das Bewusstsein der Präsenz zahlreicher unbeteiligter
Personen daraus, dass er in der Phase des ruhigen Gesprächs mit dem Zeugen C.

die Umgebung hatte wahrnehmen können, greift insoweit
zu kurz.

Bei der Beweiswürdigung zur Vorsatzfrage
ist auch
nicht berücksichtigt worden, dass der Nebenkläger [X.]

zur [X.] der Schussabgabe gerade die [X.] überquert hatte. Ob er sich zu dem [X.]punkt, als er von dem abprallen-den Geschoss getroffen wurde,
genau
in der Schussrichtung befunden hatte, lässt sich den Feststellungen
nicht entnehmen. [X.]uch hinsichtlich des Zeugen Si.

ist dort nicht geklärt, ob das Geschossteil, das ihn gestreift hat, in Schussrichtung geflogen ist
oder seitlich abgelenkt wurde.
[X.]ie Tatsache, dass sich das Projektil in Kupfermantel und Bleikern zerlegt hat, lässt
einen
seitlichen Wechsel
der Flugrichtung -
unterhalb eines
Winkels von 90
Grad neben den [X.]ngreifern
-
nahe liegend erscheinen. Ob der [X.]ngeklagte dies in seinen Vorsatz aufgenommen hat, ist nicht erörtert worden.

Jedenfalls
ein weiteres
Geschoß war, wenn die Geschädigten nicht so-gar von Teilen desselben Geschosses getroffen wurden, in dieselbe Richtung abgefeuert
worden. Wäre auch dies mit dem bedingten Vorsatz des [X.]ngeklag-ten geschehen,
unbeteiligte Personen zu verletzen, so wäre der tateinheitliche Versuch eines weiteren Erfolgsdelikts in Betracht zu ziehen gewesen. [X.]ies hat das [X.] nicht erwogen. [X.]ie (unbekannten) Gründe für ein [X.]bsehen da-von können aber auch gegen die [X.]nnahme sprechen, der [X.]ngeklagte habe den Nebenkläger [X.]

und den Zeugen Si.

mit bedingtem Vorsatz im Sinne von §
224 [X.]bs.
1 Nr.
2 StGB verletzen wollen.
Für eine Fehleinschätzung der Lage durch den [X.]ngeklagten könnte fer-ner
die anschließende Schussabgabe in die Luft sprechen, die darauf hindeuten 14
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kann, dass er -
entsprechend seiner Einlassung
-
die Verletzung der Geschä-digten am Tatort nicht wahrgenommen
hat.
Schließlich hat das [X.] die Motivlage des [X.]ngeklagten, die [X.]n-greifer zu vertreiben, ohne diese zu töten oder zu verletzen, nicht erkennbar bei der Prüfung der weiteren Frage berücksichtigt, ob der [X.]ngeklagte demgegen-über
zumindest die Verletzung von unbeteiligten Personen gewollt oder billi-gend in Kauf genommen hat. Seine [X.]nnahme, er habe sich mit dem Risiko der n-Behauptung dieser inneren Tatsache. Sie
steht in deutlichem Kontrast zu der n-

[X.]as Wollensmoment des Körperverlet-zungsvorsatzes hätte bei dieser Sachlage
einer zusätzlichen Begründung be-durft.
[X.]ies gilt unbeschadet der Tatsache, dass das [X.] einen Tötungs-vorsatz auch gegenüber den Unbeteiligten -
der Sache nach im Zweifel zu
Gunsten des [X.]ngeklagten
-
ausgeschlossen hat; dann bleibt die festgestellte mindere Vorsatzrichtung angesichts des Gegenindizes durch gezielte Vermei-dung einer Verletzung der [X.]ngreifer immer noch weitergehend [X.]. Sie versteht sich nicht aufgrund der äußeren Umstände des [X.] gleichsam von selbst.
b) Soweit das [X.] angenommen hat, der [X.]ngeklagte habe den Nebenkläger [X.]

und den Zeugen Si.

-
oder andere unbeteiligte Personen
-
nicht töten wollen, weil es sich bei der [X.]bgabe von Schüssen auf die [X.]n-oberfläche um eine Reduzierung des Risikos gegenüber einer direkten Schuss-abgabe in Richtung auf Personen gehandelt habe, erscheint die Beweiswürdi-gung in Folge der übrigen Erwägungen
allerdings umgekehrt ebenfalls rechts-fehlerhaft.
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[X.]er [X.]ngeklagte hat -
was freilich
nicht näher festgestellt ist
-
in flachem Winkel auf die [X.] geschossen; dann ist die Verringerung der Geschossge-schwindigkeit durch den [X.]ufprall des Projektils auf die [X.] jedenfalls deutlich geringer als bei einem steilen Winkel. In relativ flachem Winkel von der [X.] abprallende Geschosse aus einer großkalibrigen Pistole, die aus insgesamt kurzer Entfernung von wenigen Metern einen Menschen treffen, sind angesichts der verbleibenden kinetischen Energie kaum weniger für Leib und Leben ge-fährlich, als solche, die eine Person direkt treffen. Vor allem sind die Risiken, soweit sie bewusst sind,
kaum kalkulierbar. So war die Tatsache, dass der Ne-benkläger [X.]

einerseits erheblich
verletzt wurde, seine Verletzungen anderer-seits nicht konkret lebensgefährlich waren, nur
einem glücklichen
Zufall ge-schuldet.
Von einer bewussten
Begrenzung des Risikos auf eine Körperverlet-zung kann deshalb kaum gesprochen werden.
Eine das Leben des Geschädig-ten gefährdende Handlung (§
224 [X.]bs.
1 Nr.
5 StGB) hat das [X.] nicht erwogen.
c) Nach allem
erweist sich sowohl die [X.]nnahme, der [X.]ngeklagte habe die Geschädigten mit bedingtem Vorsatz zur Verletzung unbeteiligter Personen getroffen, als auch die [X.]nnahme, er habe dabei nicht mit bedingtem Tötungs-vorsatz gehandelt, als rechtsfehlerhaft. [X.]ies zwingt zur [X.] im Ganzen, auch wenn das tateinheitlich abgeurteilte Waffendelikt für sich ge-nommen rechtsfehlerfrei festgestellt wurde.
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3. [X.]as im [X.]dhäsionsverfahren ergangene [X.]nerkenntnisurteil bleibt unbe-rührt.
Fischer

[X.] Eschelbach

[X.] [X.]

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Meta

2 StR 245/15

14.10.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2015, Az. 2 StR 245/15 (REWIS RS 2015, 3972)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3972

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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