Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.05.2013, Az. 2 StR 558/12

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 6015

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2
StR
558/12
vom
8. Mai 2013
in der Strafsache
gegen

wegen Vergewaltigung u.a.

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2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 8. Mai 2013, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Becker

und [X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. [X.],
Prof. Dr. [X.],
Dr. Eschelbach

sowie [X.]in am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],

Staatsanwalt

als Vertreter der [X.],

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

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3
-
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 16. Juli 2012 mit den getroffenen Fest-stellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu
neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkam-mer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tatein-heit mit [X.] und in weiterer Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung früherer Urteile zu einer Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren und
drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die zuungunsten des [X.]n eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel führt auf-grund der Sachbeschwerde zur [X.], gemäß §
301 StPO auch zugunsten des Angeklagten.
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I.
Nach den Feststellungen des [X.] überfiel der Angeklagte am 11.
September 2011 die Nebenklägerin, als diese
in einem zur Tatzeit men-schenleeren Geschäftshaus Reinigungsarbeiten vornahm. Er folgte ihr [X.] unbemerkt in [X.]. Als die Nebenklägerin den Angeklagten be-merkte und fragte, was er hier wolle, reagierte er nicht. Die Nebenklägerin [X.] Angst und wollte [X.] verlassen, wurde aber vom Angeklagten daran gehindert, indem er sie am Hals packte und so würgte, dass sie kaum noch atmen konnte und ein Schreien unterdrückt wurde. Dann presste der [X.] die Nebenklägerin an die Wand des Treppenhauses. Er verlangte, dass sie die Tür eines Abstellraums aufschloss, stieß sie dort hinein und verbot ihr, das Licht anzuschalten. Zwar hörte der Angeklagte nun damit auf, die Nebenkläge-rin zu würgen; jedoch hatte sie im Verlauf des weiteren Geschehens Angst vor erneuter Gewaltanwendung durch den Angeklagten und fügte sich deshalb sei-nen Weisungen. Er verlangte von ihr, dass sie sich entkleidete und versuchte z-sachte er der Geschädigten große Schmerzen. Der Angeklagte verlangte anschließend Oralverkehr, den die Nebenklägerin aus Angst vor Gewalt an ihm vollzog. Hiernach führte er mit ihr vaginalen [X.] durch. Als der Angeklagte das Licht einschaltete, um sich und der Nebenklägerin das Ankleiden zu ermöglichen, entdeckte er drei goldene Ringe an ihren Händen, die er ihr wegnahm. Die Nebenklägerin ließ auch dies aus Angst vor erneuten Gewalthandlungen durch den Angeklagten geschehen.
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II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet und zwar gemäß §
301 StGB sowohl zugunsten des Angeklagten als auch zu seinen Ungunsten.
1. Die bisherigen Feststellungen des [X.] tragen nicht die [X.] wegen [X.]es. Nach §
249 Abs.
1 StGB wird nur derjenige bestraft, der mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit ge-genwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswid-rig zuzueignen. Gewalt oder Drohung
müssen dabei Mittel
zur Ermöglichung der Wegnahme
sein (vgl. [X.], Urteil vom 15.
Oktober 2003

2 [X.], [X.], 365, 367). Folgt die Wegnahme einer Anwendung von Gewalt zu anderen Zwecken nur zeitlich nach, ohne dass diese finale Verknüpfung [X.], so scheidet ein Schuldspruch wegen [X.]es insoweit aus (vgl. [X.], Beschluss vom 7.
September 1994

2 StR 431/94, [X.]R StGB §
249 Abs.
1 Gewalt 7). Zurzeit der Anwendung der Gewalt hatte der Angeklagte aber noch nicht mit der Zielrichtung gehandelt, der Geschädigten Sachen wegzunehmen. Es genügt zwar, wenn die zunächst zu anderen -
etwa zu sexuellen -
Zwecken begonnene Gewaltanwendung
beim Fassen des Wegnahmevorsatzes fortge-setzt
wird (vgl. [X.], Urteil vom 15.
September 1964 -
1
StR
267/64, [X.]St 20, 32, 33). Dies war hier aber nicht der Fall.
Eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben der [X.] als anderes Mittel der Wegnahme ist vom [X.] nicht [X.] worden. Das bloße Ausnutzen der Angst
des Opfers vor erneuter [X.] enthält für sich genommen noch keine Drohung. Zwar kann eine Drohung auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Erforderlich ist dafür [X.], dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, 3
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sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Es genügt
nicht, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Juli 1987

4 [X.], [X.]R StGB §
249 Abs.
1 Drohung 1).
Das
bloße Ausnutzen der Angst eines der [X.] des [X.] schutzlos ausgelieferten Opfers mag sich als das Ausnut-zen einer hilflosen Lage darstellen, die vom Gesetzgeber indes ausschließlich in §
177 Abs.
1 StGB neben Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger
Gefahr für Leib oder Leben zu einem selbständigen tatbestandlichen Nötigungsmittel er-hoben wurde.
Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] weitere Fest-stellungen treffen kann, die zur Anwendung von §
249 StGB führen.
2. Wenn vom neuen
Tatgericht ein [X.] festgestellt würde, so wäre un-ter den weiteren Umständen des Falles auch zu erörtern, ob erpresserischer Menschenraub nach §
239a Abs.
1 StGB vorliegt. Diese Tat
begeht nicht nur ein Täter, der einen Menschen entführt oder sich seiner bemächtigt, um von Anfang an die Sorge des Opfers um sein Wohl zu einer Erpressung auszunut-zen, sondern auch derjenige, der die durch eine solche Handlung geschaffene Lage zu einer Erpressung ausnutzt. [X.] ist dabei ein speziellerer Tatbestand als (räuberische) Erpressung, der auch die Möglichkeit eines hierauf bezoge-nen erpresserischen [X.] eröffnet (vgl. [X.], Urteil vom 5.
März 2003

2 [X.], [X.], 604 f.).
Der Angeklagte kann sich der Geschädigten bemächtigt haben. Dazu muss er die physische Herrschaftsgewalt über das Opfer gewonnen, eine [X.] geschaffen und diese Lage zu einer Erpressung oder zum [X.] ausgenutzt haben. Zwar muss der stabilisierten Bemächtigungslage mit Blick auf das [X.] eigenständige Bedeutung zukommen. Damit 6
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ist aber nur gemeint, dass sich über die in jeder mit Gewalt oder Drohungen verbundenen Nötigungshandlung liegende Beherrschungssituation hinaus eine weiter gehende Drucksituation aus der stabilen Bemächtigungslage ergeben haben muss (vgl. [X.], Urteil vom 2.
Februar 2012

3 [X.], [X.], 173, 174). Dies kommt hier in Betracht und wäre daher vom Tatgericht zu erörtern.
III.
Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der [X.] auf Fol-gendes hin:
Das zuletzt erkennende Tatgericht ist bei der Festsetzung einer einheitli-chen Jugendstrafe nach §
31 JGG unter Einbeziehung früherer Urteile an die dortigen Wertungen nicht gebunden. Es hat eine neue Entscheidung unter [X.] aller Umstände, auch soweit sie sich aus bindenden Tatsa-chenfeststellungen zum früheren Tatgeschehen ergeben, in eigener Verantwor-tung zu treffen (vgl. [X.], Urteil vom 30.
April 1990

2 [X.], [X.]St 37, 34, 39 f.). Die Bezugnahme auf wertende Überlegungen früherer Gerichte [X.] daher Bedenken. Das neue Tatgericht ist frei in seiner Entscheidung über die angemessene Rechtsfolge, auch hinsichtlich der Frage, ob das [X.] anzuwenden (vgl. [X.], Urteil vom 9.
August 2001

1 [X.], [X.], 73, 75) und welche Sanktionsform innerhalb des Jugendge-richtsgesetzes angemessen ist. Auch dabei kann die Annahme des Vorliegens einer dissozialen Persönlichkeitsstörung, die besonderen Therapiebedarf über die erzieherischen Einwirkungen im Jugendstrafvollzug hinaus begründen könnte, von Bedeutung sein.
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Bei der Bemessung einer nachträglich zu bildenden Einheitsjugendstrafe geht es nicht um das Maß einer Erhöhung der einzubeziehenden Jugendstra-fen. Vielmehr sind die früher begangenen Straftaten im Rahmen einer [X.] neu zu bewerten und zusammen mit der neuen Tat zur [X.] einer einheitlichen Sanktion zu machen. Dies gilt auch dann, wenn die [X.] verhängten Jugendstrafen zwischenzeitlich vollstreckt sind (vgl. [X.], [X.] vom 31.
März 2011

2 StR 8/11, [X.], 288 f.).

Becker [X.] [X.]

Eschelbach [X.]
11

Meta

2 StR 558/12

08.05.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.05.2013, Az. 2 StR 558/12 (REWIS RS 2013, 6015)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6015

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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