Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.06.2012, Az. VI R 89/10

6. Senat | REWIS RS 2012, 5583

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Gegenstand

(Minderung der tatsächlichen Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch Zuschüsse nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung - Anschaffungskostenbegriff des § 255 Abs. 1 HGB im Bereich der Überschusseinkünfte)


Leitsatz

Bringen Steuerpflichtige mit einer entsprechenden Behinderung für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anstelle der Entfernungspauschalen die tatsächlichen Aufwendungen für ein Kraftfahrzeug durch individuell ermittelte Kilometersätze in Abzug, sind die nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung für die Beschaffung des Kraftfahrzeugs sowie für eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung erhaltenen Zuschüsse mittels einer Kürzung der AfA-Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob sozialrechtliche Zuschüsse für den behindertengerechten Umbau eines Kraftfahrzeugs die für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte zu berücksichtigenden tatsächlichen Aufwendungen eines behinderten Menschen mindern.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin, deren Grad der Behinderung 100 beträgt, war im Streitjahr [X.] tätig. Für die Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte benutzte sie ein Kraftfahrzeug, das behindertengerecht umgebaut wurde. Der Umbau verursachte im Kalenderjahr 2003 und im Streitjahr 2004 Kosten in Höhe von insgesamt 109.757,07 €. Ferner fielen im Streitjahr 2004 für das Kraftfahrzeug sonstige Fahrtkosten an. Die [X.] gewährte für den behindertengerechten Umbau des Kraftfahrzeugs einen Zuschuss nach der [X.] ([X.]) in Höhe von 107.140 €.

3

Die Kläger sind der Ansicht, auch insoweit Aufwendungen für die Anschaffung des Kraftfahrzeugs wirtschaftlich getragen zu haben als ihnen [X.] gewährt worden sei. Dies folge aus den Grundsätzen zum abgekürzten Zahlungsweg. Daher stünden den Klägern neben den im Streitjahr 2004 entstandenen sonstigen Fahrtkosten die Absetzung für Abnutzung (AfA) für die gesamten Anschaffungskosten des Kraftfahrzeugs zu. Dementsprechend begehrten sie für das Streitjahr 2004 bei den Werbungskosten der Klägerin den Ansatz von tatsächlichen Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte in Höhe von 1,59 €/km.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) minderte dagegen die Bemessungsgrundlage für die AfA des Kraftfahrzeugs um die als Zuschuss gewährte [X.], so dass sich ein Kilometersatz von 0,30 €/km ergab.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 601 veröffentlichten Gründen ab.

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

7

Die Kläger beantragen,
das Urteil des [X.] vom 27. Mai 2010  6 K 2712/07 aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid für das [X.] vom 26. Mai 2006 in Gestalt der [X.] vom 13. November 2007 dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus [X.]er Arbeit in Höhe von 14.752,76 € anerkannt werden.

8

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht den von der [X.] gewährten Zuschuss bei der Berechnung der tatsächlichen Wegekosten durch eine Minderung der Anschaffungskosten für das Kraftfahrzeug berücksichtigt.

1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Werbungskosten auch Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 0,30 € anzusetzen, höchstens jedoch 4.500 € im Kalenderjahr; ein höherer Betrag als 4.500 € ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt.

Allerdings können Behinderte, deren Grad der Behinderung mindestens 70 beträgt, für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anstelle der [X.] die tatsächlichen Aufwendungen in Abzug bringen (§ 9 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 EStG). Aufgrund dessen kann ein Steuerpflichtiger mit einer entsprechenden Behinderung die tatsächlichen Wegekosten nach seiner Wahl entweder ohne Einzelnachweis nach pauschalierten Kilometersätzen oder nach individuellen --anhand der nachgewiesenen Fahrzeugaufwendungen ermittelten-- Kilometersätzen berechnen (Beschluss des [X.] --BFH-- vom 5. Mai 2009 VI R 77/06, [X.], 64, [X.], 729, m.w.N.).

a) Bei der Ermittlung der tatsächlichen Wegekosten anhand von individuellen Kilometersätzen sind die gesamten Fahrzeugkosten zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1982 VI R 192/79, [X.], 488, [X.] 1983, 17, Zinsen für die Anschaffung eines Kraftfahrzeugs; [X.] in [X.]/ [X.]/[X.], § 9 EStG Rz 643). Zu den abziehbaren Werbungskosten gehört mithin gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG auch die [X.], deren Bemessungsgrundlage nach § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG die Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind.

b) Die Anschaffungskosten mindern sich jedoch insoweit, als der Steuerpflichtige Leistungen nach der [X.] für die Beschaffung eines Kraftfahrzeugs oder den Erwerb einer behinderungsbedingten Zusatzausstattung erhalten hat.

aa) Denn gemäß § 255 Abs. 1 Satz 3 des Handelsgesetzbuchs (HGB) sind von den Anschaffungskosten Anschaffungspreisminderungen abzusetzen. § 255 Abs. 1 HGB gilt mit seinem einheitlichen Anschaffungskostenbegriff gleichermaßen im Bereich der [X.] wie im Bereich der [X.] (BFH-Urteile vom 26. Februar 2002 IX R 20/98, [X.], 425, [X.] 2002, 796; vom 19. Dezember 2000 IX R 100/97, [X.], 182, [X.] 2001, 345; vom 21. Januar 1999 IV R 27/97, [X.], 27, [X.] 1999, 638; vom 19. Juli 1994 VIII R 58/92, [X.], 317, [X.] 1995, 362). Die Bestimmung des § 255 Abs. 1 Satz 3 HGB über Anschaffungspreisminderungen gilt nicht nur für Kaufpreisnachlässe, sondern nach dem Zweck der Aktivierungsnorm ganz allgemein für Ermäßigungen der Anschaffungskosten und damit für Rückflüsse von im Zusammenhang mit dem Erwerb geleisteten Aufwendungen, die nicht sofort abziehbar, sondern auf die [X.] der Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts zu verteilen gewesen wären (BFH-Urteil in [X.], 425, [X.] 2002, 796). So verhält es sich etwa dann, wenn Anschaffungsnebenkosten zurückgezahlt oder Anschaffungsausgaben von [X.] erstattet oder vergütet werden, sofern hierin nicht ein Entgelt für eine Leistung des Empfängers liegt (BFH-Urteile in [X.], 425, [X.] 2002, 796; vom 14. Juli 1988 IV R 78/85, [X.], 212, [X.] 1989, 189). Der [X.] muss mit dem Anschaffungsgeschäft so verbunden sein, dass der Zufluss von [X.] in Geld oder Geldeswert als Ermäßigung (Rückführung) von Anschaffungskosten bewertet werden kann. Nicht notwendig ist indes eine rechtliche oder gar synallagmatische Verknüpfung; ausreichend ist vielmehr ein wirtschaftlicher Zusammenhang, der gegeben ist, wenn der maßgebende Anlass für den [X.] in der Anschaffung liegt (BFH-Urteile vom 7. Dezember 2010 IX R 46/09, [X.], 87, [X.] 2012, 310; in [X.], 425, [X.] 2002, 796).

bb) Dementsprechend mindern die als Zuschuss für die Beschaffung eines Kraftfahrzeugs sowie für eine behindertengerechte Zusatzausstattung gewährten Leistungen nach der [X.] die Anschaffungskosten. Denn der maßgebende Anlass für die Gewährung der [X.] liegt in der Beschaffung eines Kraftfahrzeugs (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 [X.] i.V.m. § 5 [X.]) und in dem Erwerb einer behinderungsbedingten Zusatzausstattung (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 [X.] i.V.m. § 7 [X.]).

2. Nach diesen Grundsätzen ist die Vorentscheidung nicht zu beanstanden. Die im Streitfall gewährte [X.] mindert die tatsächlichen Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte, indem die [X.]-Bemessungsgrundlage um den Zuschuss gekürzt wird. Damit hat das [X.] die tatsächlichen Wegekosten zu Recht mit einem Kilometersatz von 0,30 €/km berücksichtigt.

Meta

VI R 89/10

14.06.2012

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 27. Mai 2010, Az: 6 K 2712/07, Urteil

§ 9 Abs 1 S 3 Nr 4 S 1 EStG 2002, § 9 Abs 1 S 3 Nr 4 S 2 EStG 2002, § 9 Abs 2 S 3 Nr 1 EStG 2002, § 9 Abs 1 S 3 Nr 7 EStG 2002, § 7 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 255 Abs 1 S 3 HGB, § 2 Abs 1 Nr 1 KfzHV, § 2 Abs 1 Nr 2 KfzHV, § 2 Abs 1 Nr 5 KfzHV, § 2 Abs 1 Nr 7 KfzHV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.06.2012, Az. VI R 89/10 (REWIS RS 2012, 5583)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5583

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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