Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2017, Az. 4 StR 483/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 351

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:191217B4STR483.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 483/17

vom
19. Dezember
2017
in der Strafsache
gegen

wegen vorsätzlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19.
Dezember 2017
gemäß §
349 Abs.
4 [X.] beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9.
März 2017

mit Ausnahme der Entschei-dung über den Adhäsionsantrag

mit den Feststellungen
aufge-hoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwur-gericht zuständige Strafkammer des [X.].

Gründe:

ätzlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zur Verdeckung einer Straftat, tateinheitlich begangen mit ,
zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und Maßnahmen nach den §§
69, 69a StGB angeordnet. [X.] hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1
-
3
-
I.
Vor dem Hintergrund familiärer Auseinandersetzungen kam es am 29.
Mai 2016 am [X.]

in O.

zu einem Treffen zwischen dem An-
geklagten, der sich in Begleitung seines Bruders V.

S.

,
S.

S.

und V.

T.

befand, einerseits, und T.

T.

, dem Partner der Cousine des Angeklagten,
andererseits.
Zunächst erschien die Gruppe um den Angeklagten in einem von V.

T.

gefahrenen [X.], den dieser im Parkhaus
2 parkte.
Anschließend erschien T.

T.

in Begleitung seines Mieters mit
seinem Pkw der Marke [X.], Modell
535d. Man traf noch im Parkhaus [X.], ging hinaus und überquerte den dortigen [X.] in Richtung eines Restaurants. Der Bruder des Angeklagten begann plötzlich, T.

T.

mit den Fäusten zu schlagen. Auch der Angeklagte und S.

S.

schlugen auf T.

T.

ein, der daraufhin zu Boden
ging. Einer der Angreifer trat ihm
auch mit den Füßen gegen den Körper. Nach-dem A.

L.

, ein Security-Mitarbeiter des [X.]

, sich über T.

T.

warf und die weiterhin ausgeführten Schläge und Tritte abfing,
ließen der Angeklagte, V.

S.

und S.

S.

von ihrem Opfer ab. Sie
flüchteten ins Parkhaus
2 zu dem dort abgestellten [X.], in dem als Fahrer V.

T.

zurückgeblieben war.
Der Angeklagte montierte zunächst das vordere und das hintere Kenn-um
so
eine Identifizierung des Fahrzeugs und damit der an der körperlichen Auseinandersetzung mit T.

T.

(UA
11). Der anschließende Versuch, das Parkhaus durch die Einfahrt zu verlassen, scheiterte, weil A.

L.

diese inzwischen
mit einem Dienstwagen blockiert hatte. T.

T.

hatte sich zwi-
2
3
-
4
-
schenzeitlich zu seinem Fahrzeug begeben und wollte die Angreifer ebenfalls an der Flucht hindern. Deshalb stellte er sein Fahrzeug hinter den [X.]. A.

L.

kam hinzu, öffnete die Fahrertür des Transporters und
zwang V.

T.

, das Fahrzeug zu verlassen;
er
legte ihm
Hand-
schellen an und zog den Zündschlüssel ab.
Der Angeklagte lief auf den hinter dem Transporter mit laufendem Motor stehenden [X.] zu, welchen T.

T.

aus Angst hektisch ver-
ließ; er rannte
in Richtung des Sicherheitsmitarbeiters A.

L.

und sei-
nes inzwischen hinzugeeilten Kollegen P.

D.

. Der Angeklagte setzte
sich ans Steuer des [X.] und verließ rückwärtsfahrend das Parkhaus
2 über die Ausfahrt, wobei er eine dort inzwischen als Sperre abgestellte [X.] beiseite rammte. In dem sich anschließenden [X.] brachte er das Fahrzeug in eine nahezu parallel zur Längsachse der Fahrbahn verlaufende Position an dem in seine Fahrtrichtung gesehen äußersten linken Fahrbahn-rand. Er fuhr sodann auf der linken Seite der zweispurigen Zufahrtsstraße zum Parkhaus mit einer Beschleunigung von 5,03
m/s2
an, somit nahezu mit Maxi-malbeschleunigung. Er sah, dass A.

L.

und P.

D.

auf die von
ihm genutzte Fahrspur liefen. D.

gab durch Ausstrecken seiner Hand deut-
liche Anhaltesignale. Auch zwei dort an einer Arbeitsbühne, [X.], arbeitende Techniker, J.

K.

und T.

Kl.

, nahm er wahr.
Kl.

befand sich zu dieser [X.] in der Mitte des durch den Angeklagten ge-
nutzten Fahrstreifens, J.

K.

lief an der Mittellinie der Fahrbahn entlang.

chaft an der zuvor zu Lasten des
T.

T.

begangenen gemeinschaftlichen Körperverletzung zu

12), beschleunigte er gleichwohl das Fahrzeug, wobei er davon ausging, dass es den vier Personen gelingen würde, eine Kolli-4
5
-
5
-
sion dadurch zu vermeiden, dass sie zur Seite springen würden. Dass sie
sich bei einem solchen Sprung möglicherweise infolge eines unglücklichen Auf-kommens
auf der Fahrbahn (nicht tödliche) Verletzungen zuziehen könnten, nahm er billigend in Kauf.
Der durch den Angeklagten geführte [X.] erreichte nach etwa 16
m
eine Geschwindigkeit von ca.
45
km/h. Auf der nun folgenden, noch etwa 25
m messenden Strecke bis zum Kollisionsort beschleunigte der Angeklagte das Fahrzeug zunächst noch weiter, nahm dann jedoch den Fuß vom Gaspedal. J.

K.

bewegte sich in Verkennung der Gefahrenlage entgegen der ur-
sprünglichen Annahme des Angeklagten weiter nach links; er stand nun leicht schräg versetzt hinter T.

Kl.

. Nach einer Fahrtdauer von 3,001
s
(ge-
rechnet ab der Anfahrposition) realisierte der Angeklagte, dass es nunmehr [X.] der vier Personen noch gelingen würde, rechtzeitig zur Seite zu springen. Zu diesem [X.]punkt hatte er keine Möglichkeit mehr, das Fahrzeug vor einer Kollision zum Stillstand zu bringen. Daher bremste er das Fahrzeug abrupt auf etwa 40 bis 45
km/h ab, lenkte es ruckartig ein Stück
weit nach rechts und ver-suchte auf diese Weise, durch eine zwischen den [X.] einer-seits und den Technikern andererseits befindliche Lücke von maximal 1,50
m Breite hindurchzufahren, was aufgrund der deutlich größeren Abmessungen des [X.] (2,10
m
über Außenspiegel) vorhersehbar nicht gelingen konnte. L.

und D.

wurden vom linken Seitenteil des [X.],
Kl.

und K.

zeitlich unmittelbar aufeinanderfolgend

von der rechten Frontseite des [X.] auf Höhe des rechten Scheinwerfers erfasst. Kl.

gelang es, trotz der Kollisi-
on, das Gleichgewicht zu halten und aufrecht stehen zu bleiben;
D.

und
L.

wurden vom Fahrzeug zu Boden geschleudert. K.

wurde auf die Mo-
torhaube des Fahrzeugs aufgeladen, wobei er sich durch den hierdurch [X.]
-
6
-

Sodann
wurde er
vom Fahrzeug weg durch die Luft in Richtung des rechten Fahrbahnrandes geworfen; er
stürzte schließlich dort zu Boden, wobei er mit seinem Kopf nur knapp einen Metallpfosten am rechten Fahrbahnrand verfehlte. Der Angeklagte setzte seine Fahrt trotz Wahrnehmung der Kollision zunächst fort, hielt dann aber alsbald nach Durchfahren einer Un-terführung an und flüchtete.

15, 16) Verletzungen unterschiedlichen Schweregrades. Die schwersten Verletzungen erlitt
J.

K.

mit einer Ruptur sowohl des [X.] als auch des äußeren Kreuz-
bandes im linken Knie sowie eine Gelenksprengung der linken Schulter verbun-den mit einer
Ruptur von drei Bändern am [X.]. Zudem erlitt er eine [X.] dreier Finger sowie eine Absplitterung in den entsprechenden Gelenken. In der Folge bildete sich
ein dauerhafter
Hochstand des linken Schlüsselbeins
aus. Er ist in der Bewegungsfähigkeit der Arme und des linken Beins dauerhaft eingeschränkt.
II.
Die Annahme des [X.], der Angeklagte habe tateinheitlich einen vorsätzlichen Eingriff in den Straßenverkehr zur Verdeckung einer Straftat ge-mäß §
315b Abs.
1 Nr.
3, Abs.
3 i.V.m. §
315 Abs.
3 Nr.
1
Buchst.
b StGB be-gangen, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand; der Bejahung der [X.] haftet ein durchgreifender Erörterungsmangel an.
[X.] im Sinne des §
315 Abs.
3 Nr.
1
Buchst.
b StGB setzt voraus, dass die konkrete Handlung des [X.] das Mittel zur Verdeckung der Tat ist. Es genügt nicht, dass der Täter einen zeitlichen Vorsprung erhalten 7
8
9
-
7
-
will, um fliehen zu können ([X.], Beschluss vom 24.
Oktober 1984

2
StR 614/84, [X.], 166). Ein Täter, der sich in erster Linie der Festnahme ent-, Beschluss vom 26.
November 1990

5
StR
480/90, NJW 1991, 1189 mwN). Die Verdeckung einer Straftat scheidet insbesondere dann aus, wenn diese bereits vollständig
aufgedeckt ist
und der Täter dies weiß
([X.], Urteile
vom 7.
Juni 2017

2
StR 474/16, und
vom 1.
Februar 2005

1
StR
327/04, [X.]St 50, 11, 14, jew.
mwN).
Vor dem Hintergrund dieser in der Rechtsprechung anerkannten und hier naheliegenden Fallgruppen lässt das Urteil eine nähere Erörterung der Um-stände des Einzelfalls vermissen:
Nach den bisher getroffenen Feststellungen war der Fahrer des Transporters, V.

T.

, von A.

L.

festgenommen und mit Handschellen fixiert worden. Das Opfer der gefährlichen Körperverletzung nach §
224 Abs.
1 Nr.
4 StGB, T.

T.

, lief zu
den [X.]. Nicht nur, dass beide den Angeklagten kannten; sie
hatten
auch
Kenntnis von seiner Beteiligung an der Tat, die bereits deshalb durch Flucht allein nicht mehr verdeckt werden konnte. Hinzu kommt, dass auch der später Geschädigte L.

die Tat entdeckt hatte, der Angeklagte
aber ausweislich der Feststellungen nicht die Absicht verfolgte, diesen
auf
sei-ner
Fluchtfahrt zu töten. Das angefochtene Urteil erörtert nicht
die naheliegende Frage, auf Grundlage welcher Vorstellungen der Angeklagte
unter diesen Um-ständen
geglaubt haben könnte, er könne durch Flucht eine günstige Beweis-position aufrechterhalten oder seine Lage sonst verbessern
(vgl. [X.], [X.] vom 7.
Juni 2017,
aaO). Soweit das [X.] diesen Schluss darauf stützt, der Angeklagte habe vor dem ersten Fluchtversuch mit dem [X.] die Kennzeichen
dieses Fahrzeugs abmontiert, übersieht es, dass die Festnahme des V.

T.

danach erfolgte. Weshalb der Angeklag-
10
-
8
-
te auch nach diesem [X.]punkt noch davon ausgegangen sein konnte, die ge-nauen Tatumstände seien noch
nicht in einem die Strafverfolgung [X.] Umfang aufgedeckt, hätte der Erörterung in einer lückenlosen [X.] in den Urteilsgründen bedurft.
III.
Wegen der tateinheitlichen Verurteilung ist damit auch der Schuldspruch wegen vierfacher
vorsätzlicher
Körperverletzung

aufzuheben
(vgl. [X.]/
Gericke, 7.
Aufl., §
353 Rn.
12). Das nunmehr zur Entscheidung berufene Schwurgericht wird den Sachverhalt auch unter dem Gesichtspunkt der gefähr-lichen Körperverletzung gemäß §
224 Abs.
1 Nr.
2 StGB zu prüfen haben; das Verschlechterungsverbot gemäß §
358 Abs.
2 Satz
1 [X.] steht dem nicht ent-gegen
(vgl. [X.] in Löwe/[X.], [X.], 26.
Aufl., §
358 Rn.
18). Jeden-falls
die Verletzungen von T.

Kl.

, der nicht zu Sturz kam, und J.

K.

sind nach den bisher getroffenen Feststellungen ersichtlich unmittelbar
durch die Kollision mit dem vom Angeklagten gefahrenen [X.] verursacht [X.] (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 21.
November 2017

4
StR
488/17).
Die Adhäsionsentscheidung wird von der Aufhebung nicht erfasst. Über die Aufhebung oder Änderung der Adhäsionsentscheidung hat der neue Tatrichter gemäß §
406a Abs.
3 [X.] auf der Grundlage des Ergebnisses der
neuen Hauptverhandlung zu befinden
([X.],
Urteil vom 28.
November 2007

2
StR
477/07, [X.]St 52, 96, 97; Beschluss vom 31.
August 2016

4
StR 340/16, [X.], 282, 284).
11
12
-
9
-
IV.
Abweichend vom Antrag des [X.] verweist der Senat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des [X.] zurück. Er kann nicht sicher ausschließen, dass der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter

anders als im angefochtenen Urteil

Tötungsvorsatz annimmt, [X.] auch im [X.]punkt des Wegfahrens
vom
Kollisionsort
(Tötung durch Unter-lassen).
Sost-Scheible
Roggenbuck
Cierniak

Bender
Feilcke
13

Meta

4 StR 483/17

19.12.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2017, Az. 4 StR 483/17 (REWIS RS 2017, 351)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 351

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 StR 483/17

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