Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.07.2007, Az. 4 StR 242/07

4. Strafsenat | REWIS RS 2007, 2868

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[X.] vom 17. Juli 2007 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 17. Juli 2007 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. Dezember 2006 im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen [X.]. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des [X.] zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen [X.] eines Kindes in 23 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Verge-waltigung, sowie wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. 1 Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Ange-klagten ergeben. Soweit die Urteilsfeststellungen hinsichtlich der [X.] erscheinen (Tat II 2 im Verhältnis zu den [X.] 3-7, 18-25), be-ruht das Urteil nicht darauf, weil sich die Reihenfolge dieser Taten dem Ge-samtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen lässt. Der [X.] hat hingegen keinen Bestand. Das [X.] hat - den Ausführungen der Sachverständigen folgend - angenommen, dass der Angeklagte die Taten zum Nachteil seiner Nichten im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit infolge einer "schweren [X.] Persönlichkeitsstörung mit dissozialen, ängstlich-vermeidenden, passiv-aggressiven, unreifen und haltlosen Anteilen" begangen habe, "auf deren Grundlage er eine verfestigte Pädophilie entwickelt habe". Das pädophile Fehl-verhalten habe sich "eingeschliffen und habituiert"; "Sexualität sei für den [X.] ohne deviante Verhaltensweisen nur noch eingeschränkt erlebbar". 3 Die Ausführungen des [X.] zur - für eine Anordnung nach § 63 StGB positiv festzustellenden - verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten infolge einer schweren anderen seelischen Abartigkeit halten rechtlicher Prü-fung nicht stand. Sie belegen nicht, dass die Störung den Angeklagten so nachhaltig in seiner Persönlichkeit geprägt hat, dass er im Zeitpunkt der Bege-hung der Taten aus einem starken, mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat. Steht, wie hier, für die Beurteilung der Schuldfä-higkeit eine von der Norm abweichende sexuelle Präferenz im Vordergrund, muss diese den Täter im Wesen seiner Persönlichkeit so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufbringt (vgl. BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 33, 37 und § 63 Zustand 23). [X.] ist nicht jedes abweichende Sexualverhalten, auch nicht eine Devianz in Form einer Pädophilie (zum Begriff: Internationale Klassifikation psychischer Störungen [X.]; Venzlaff/[X.], Psychiatrische Begutachtung 4. 4 - 4 - Aufl. S. 289 f.), die zwangsläufig nur unter Verletzung strafrechtlich geschützter Rechtsgüter verwirklicht werden kann, ohne Weiteres gleichzusetzen mit einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB. [X.] kann auch nur eine gestörte sexuelle Entwicklung vorliegen, die als all-gemeine Störung der Persönlichkeit, des Sexualverhaltens oder der Anpassung nicht den Schweregrad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 21 StGB erreicht. Hingegen kann die Steuerungsfähigkeit etwa dann be-einträchtigt sein, wenn abweichende Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz, durch Ausbau des [X.] und durch gedankliche Einengung auf diese Praktiken auszeichnen (vgl. [X.], Forensische Psychi-atrie 2. Aufl. [X.]). Den dargelegten Anforderungen an die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Nach den [X.] hatte der Angeklagte im Tatzeitraum auch [X.] zu erwachsenen Frauen. Bis Ende Juli 2003 lebte er mit seiner - mittlerweile wie-der von ihm geschiedenen - Ehefrau zusammen, mit der er eine im Juni 2001 geborene Tochter hat. Mit seiner Lebensgefährtin, die er im August 2003 [X.] gelernt und mit der er von Februar 2004 bis zu seiner Festnahme im Jahre 2006 zusammengelebt hatte, kam es annähernd täglich, auf seinen Wunsch mitunter auch mehrfach zum Sexualkontakt, wobei sie neben [X.] auch Oral- und Analverkehr vollzogen. Dieses Sexualverhal-ten hätte zu der Erörterung gedrängt, weshalb der Angeklagte im Tatzeitraum nur erheblich eingeschränkt in der Lage gewesen sein soll, seinen pädophilen Neigungen zu widerstehen. In Anbetracht der intensiven [X.] zu er-wachsenen Frauen ist auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der An-geklagte während des Zusammenlebens mit seiner Ehefrau ein spezielles [X.] - 5 - resse an kinderpornografischen Darstellungen gezeigt hatte [[X.]], eine [X.] auf ein deviantes Sexualverhalten in Gestalt einer schuldrelevanten süchtigen Entwicklung nicht dargetan. Über den [X.] ist daher umfassend neu zu befinden. Der aufgezeigte Rechtsfehler bei der Schuldfähigkeitsbeurteilung lässt den Schuld- und Strafausspruch des angefochtenen Urteils unberührt, da eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit hier von vornherein ausscheidet. Durch die Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB bei der Strafzumes-sung ist der Angeklagte nicht beschwert. 6 Tepperwien Athing [X.] [X.]

Meta

4 StR 242/07

17.07.2007

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.07.2007, Az. 4 StR 242/07 (REWIS RS 2007, 2868)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 2868

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