Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.01.2016, Az. AnwZ (Brfg) 49/14

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2016, 18015

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Fachanwaltsbezeichnung: Neuverleihung nach Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft


Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des 1. Senats des [X.] für das [X.] vom 27. Juli 2011 wie folgt abgeändert:

Der Bescheid der Beklagten vom 7. April 2010 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Klägerin im Fall ihrer Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft im Bezirk der Beklagten auf Antrag ohne Weiteres die Fachanwaltsbezeichnung für Verwaltungsrecht zu verleihen ist, sofern sie nachweist, dass sie sich in dem in § 15 [X.] bezeichneten Umfang fortgebildet hat, und sofern nicht der Gesetzgeber Regelungen zur Neuverleihung einer Fachanwaltsbezeichnung bei erneuter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach deren vorherigem Erlöschen getroffen hat. Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 12.500 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin war seit 2006 als Rechtsanwältin zugelassen und seit dem 14. Juli 2009 zum Führen der Bezeichnung " Fachanwältin für Verwaltungsrecht" berechtigt. Nachdem sie ein zwischenzeitlich eingegangenes befristetes Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst in ein unbefristetes umgewandelt hatte, bat sie die Beklagte mit Schreiben vom 28. März 2010 um Widerruf der Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 [X.]. Zugleich beantragte sie die Zusicherung, bei Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft auch die Fachanwaltsbezeichnung wieder führen zu dürfen, sofern sie weiterhin ihrer Fortbildungspflicht nach § 15 [X.] genüge. Die Beklagte widerrief die Rechtsanwaltszulassung mit Bescheid vom 30. März 2010. Mit Bescheid vom 7. April 2010 lehnte sie es ab, die begehrte Zusicherung zu erteilen. Die Klägerin müsse im Fall ihrer Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung neu beantragen.

2

Die hiergegen erhobene Klage, mit der die Klägerin zuletzt die Feststellung beantragte, dass sie im Fall erneuter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerruflich berechtigt sei, die Bezeichnung "Fachanwältin für Verwaltungsrecht" zu führen, soweit sie in der Zwischenzeit ihrer Fortbildungspflicht gemäß § 15 [X.] genügt habe, hat der [X.] abgewiesen. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung hat der Senat mit Urteil vom 2. Juli 2012 ([X.] ([X.]) 57/11, [X.]. 2012, 242) zurückgewiesen. Diese Entscheidung hat die [X.] des [X.] des [X.] mit Beschluss vom 22. Oktober 2014 - 1 BvR 1815/12 (NJW 2015, 394) aufgehoben und die Sache an den [X.] zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

3

1. [X.] ist zulässig. [X.] ist die Feststellungsklage nach § 43 VwGO (vgl. [X.], NVwZ-RR 2000, 473; [X.]/[X.], VwGO, 14. Aufl., § 43 Rn. 9).

4

2. Das Rechtsmittel hat mit dem von der Klägerin hilfsweise gestellten Feststellungsantrag in der Sache im Wesentlichen Erfolg.

5

a) Der [X.] hält an seiner - von [X.] wegen nicht zu beanstandenden (vgl. [X.], NJW 2015, 394 Rn. 25, 26) - Auffassung fest, dass die der Klägerin erteilte Befugnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung mit der Bestandskraft des Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ihre Wirksamkeit verloren hat und nach etwaiger erneuter Zulassung nicht wieder aufleben kann (vgl. im Einzelnen [X.]sbeschluss vom 2. Juli 2012 - [X.] ([X.]) 57/11, aaO Rn. 4 ff.). Demgemäß müsste die Klägerin im Fall ihrer Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung neu beantragen, worüber die Beklagte dann zu entscheiden hätte (a.M. wohl Offermann-Burckart, NJW 2015, 380, 381).

6

b) Die Beklagte wäre auf der Grundlage des derzeit geltenden Satzungsrechts verpflichtet, die Fachanwaltsbezeichnung auf Antrag der Klägerin abermals zu verleihen.

7

aa) Die Fachanwaltsordnung enthält zwar gegenwärtig keine spezifischen Regelungen betreffend die Neuverleihung einer Fachanwaltsbezeichnung nach erloschener und dann wieder erfolgter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Gemäß bindender Rechtsprechung des [X.] verstößt jedoch eine Auslegung des maßgebenden Berufsrechts, nach der die Klägerin deswegen das in den §§ 2 ff. [X.] normierte Verfahren zur (erstmaligen) [X.] nochmals vollständig zu durchlaufen hätte, gegen den Vorbehalt des Gesetzes ([X.], NJW 2015, 394 Rn. 15). Dies gilt ungeachtet der Frage, für welche Zeit die Klägerin aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschieden und mit welchen beruflichen Aufgaben sie zwischenzeitlich befasst gewesen ist; denn das Berufsrecht enthält derzeit keine Bestimmung, nach der die einmal erworbene berufspraktische Qualifikation allgemein (vgl. § 3 [X.]) oder hinsichtlich des Fachgebiets (vgl. § 5 [X.]) allein durch Ausscheiden aus dem Anwaltsberuf oder durch Zeiten beruflicher Untätigkeit erlischt ([X.], aaO Rn. 30).

8

Deshalb dürfte die Beklagte die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung nicht mit der Begründung ablehnen, dass die Klägerin nicht - wie von § 3 [X.] gefordert - über eine dreijährige Zulassung und Tätigkeit innerhalb der letzten sechs Jahre vor (erneuter) Antragstellung verfüge oder dass der praktische Nachweis nicht erbracht sei, weil die Klägerin innerhalb der letzten drei Jahre vor Antragstellung keine Fälle im Fachgebiet bearbeitet habe (vgl. § 5 Abs. 1 [X.]). Eine solche Entscheidung könnte vor der Verfassung keinen Bestand haben. Der Anspruch auf Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung ergäbe sich dabei unmittelbar aus § 43c Abs. 1 Satz 1 [X.], weil die Klägerin die von ihr einmal erworbene berufspraktische Qualifikation auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts während des Nichtbestehens der Rechtsanwaltszulassung nicht wieder verloren hat (vgl. hierzu [X.], aaO Rn. 26, 30).

9

bb) Der [X.] kann die diesbezügliche Feststellung trotz entgegenstehenden zwingenden Satzungsrechts (§§ 3, 5 [X.]) selbst treffen.

(1) Allerdings ist eine verfassungskonforme Auslegung namentlich der §§ 3, 5 Abs. 1 [X.] mit dem vorgenannten Inhalt schon im Blick auf die Eindeutigkeit der bezeichneten Bestimmungen nicht möglich (vgl. zusammenfassend [X.], Beschluss vom 16. Dezember 2014 - 1 [X.], NVwZ 2015, 510 Rn. 89 ff. [X.]). Ferner darf der normative Regelungsinhalt nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung erst geschaffen oder neu bestimmt werden (st. Rspr.; vgl. etwa [X.]E 8, 28, 34 f.; 9, 83, 87; 34, 165, 200; 48, 40, 46 f.).

(2) Jedoch stehen hier Normen im Rang unter dem förmlichen Gesetz in Frage, für die das so genannte Normverwerfungsmonopol des [X.] nicht gilt (vgl. [X.], NVwZ-RR 2000, 473, 474 [X.]). Deren verfassungsrechtliche Nachprüfung obliegt in Fällen ihrer Entscheidungserheblichkeit vielmehr [X.] (vgl. [X.]E 48, 40, 45; [X.], NVwZ-RR 2000, 473, 474, jeweils [X.]). Gegebenenfalls wird die [X.]widrigkeit solcher Rechtsnormen in den Gründen der Entscheidung festgestellt (vgl. [X.], NVwZ-RR 2000, 473; BVerwGE 80, 355, 358 f.). Dementsprechend ist hier festzustellen, dass die §§ 3, 5 [X.] in ihrer derzeitigen Fassung keine Anwendung finden, soweit sie nach ihrem keiner anderen Interpretation zugänglichen Wortlaut einer Neuverleihung der Fachanwaltsbezeichnung an die Klägerin entgegenstehen könnten.

c) Die Feststellung kann indessen nicht ohne Einschränkung getroffen werden.

aa) Was die Erfüllung der nach § 43c Abs. 4 Satz 2 [X.], § 15 [X.] kontinuierlich zu erbringenden Fortbildungspflicht anbelangt, hat die Klägerin eine dahin zielende Bedingung bereits in ihren Antrag aufgenommen. Der [X.] muss deshalb nicht entscheiden, ob sich eine Obliegenheit zur laufenden Fortbildung auch nach dem Erlöschen der Rechtsanwaltszulassung aus dem Berufsrecht ableiten lässt (vgl. [X.], NJW 2015, 394 Rn. 27). Hieran könnten Zweifel bestehen, weil § 43c Abs. 4 Satz 2 [X.] wie auch § 15 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 [X.] ersichtlich an den Bestand der Fachanwaltsbezeichnung und eine Mitgliedschaft des Betroffenen in der jeweiligen Rechtsanwaltskammer anknüpfen. Beides ist hier aber nach dem Erlöschen der Rechtsanwaltszulassung nicht gegeben. Ungeachtet dessen weist die Beklagte mit Recht darauf hin, dass der Nachweis beim Ersuchen um abermalige Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung antragsgemäß zu erbringen sein wird.

bb) Darüber hinaus ist nicht ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber bis zu einer Entscheidung über eine Wiederzulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft und einem erneuten Antrag auf Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung spezifische Regelungen zu der inmitten stehenden Problematik schafft. Das [X.] hat hierzu Hinweise gegeben ([X.], aaO Rn. 31). Für diesen Fall wird ein etwaiger Antrag auf Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung an den dann geltenden Satzungsbestimmungen zu messen sein. Die Klägerin genießt keinen verfassungsrechtlichen Schutz gegen eine zukünftige Änderung des geltenden Rechts (vgl. [X.], NJW 2010, 3629 Rn. 57). Namentlich hat die Klägerin keinen Anspruch darauf, dass es der Gesetzgeber bei dem derzeit ungeregelten Rechtszustand belässt (vgl. [X.], NJW 2015, 394 Rn. 20, 31).

3. Die Kosten des Verfahrens waren gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO der Beklagten aufzuerlegen. Denn die Klägerin ist nur zu einem geringen Teil unterlegen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 194 Abs. 1 [X.]. Sie entspricht hinsichtlich der Höhe der ständigen Rechtsprechung des [X.]s, von der abzuweichen kein Anlass besteht.

[X.]                         König                        Remmert

                Braeuer                         Kau

Meta

AnwZ (Brfg) 49/14

11.01.2016

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Hamm, 27. Juli 2011, Az: 1 AGH 22/11, Urteil

§ 43c Abs 1 S 1 BRAO, § 43c Abs 4 S 2 BRAO, § 3 FAO, § 5 Abs 1 FAO, § 15 Abs 1 S 1 FAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.01.2016, Az. AnwZ (Brfg) 49/14 (REWIS RS 2016, 18015)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 18015

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

AnwZ (Brfg) 49/14 (Bundesgerichtshof)


AnwZ (Brfg) 57/11 (Bundesgerichtshof)

Anwaltliches Berufsrecht: Erlöschen der Erlaubnis zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung nach bestandskräftigem Zulassungswiderruf


AnwZ (Brfg) 57/11 (Bundesgerichtshof)


1 BvR 1815/12 (Bundesverfassungsgericht)

Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung der Berufsausübungsfreiheit gem. Art 12 Abs 1 GG durch Verpflichtung zum Neuerwerb …


AnwZ (Brfg) 56/15 (Bundesgerichtshof)

Verwaltungsrechtliche Anwaltssache: Verzicht des Rechtsanwalts auf die ihm verliehene Befugnis zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung; Widerrufsberechtigung …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.