Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.11.2023, Az. VIa ZR 1/21

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 8723

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Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 24. Zivilsenats des [X.] vom 5. Juli 2021 in der Fassung des [X.] vom 22. Juli 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht hinsichtlich einer deliktischen Schädigung durch das Inverkehrbringen des erworbenen Fahrzeugs zum Nachteil der Klägerin erkannt hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Die Klägerin erwarb am 8. März 2017 für 57.747,13 € ein von der Beklagten hergestelltes Kraftfahrzeug [X.] 220d, das mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der [X.] (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Die [X.] erfolgt unter Verwendung einer Abgasrückführung sowie eines SCR-Systems.

3

Die Klägerin hat, gestützt auf die Implementierung eines Thermofensters sowie eines geregelten [X.], zuletzt die Zahlung von Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises abzüglich des Werts der gezogenen Nutzungen nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs, die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie die Feststellung der teilweisen Erledigung des Rechtsstreits beantragt. Das [X.] hat ihre Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat wegen der deliktischen Ansprüche zugelassenen Revision verfolgt sie ihre Berufungsanträge im Umfang der Zulassung weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision der Klägerin hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit im Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Der Klägerin stehe kein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB zu. Denn sie habe die nach § 826 BGB erforderliche sittenwidrige vorsätzliche Schädigung nicht hinreichend dargetan. In der Verwendung nicht nur den Betrieb des Fahrzeugs im Prüfstand betreffender Einrichtungen liege kein [X.] Verhalten. Besondere Umstände, die eine andere Bewertung rechtfertigten, seien nicht dargelegt. Außerdem fehle es an hinreichenden Anhaltspunkten für ein Unrechtsbewusstsein verantwortlicher Personen.

7

Der Klägerin stehe auch kein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu, weil es sich bei den genannten Bestimmungen nicht um Schutzgesetze handele.

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren teilweise nicht stand.

9

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32, zur [X.] bestimmt in [X.]Z).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder der Klägerin Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Das Berufungsurteil ist daher im tenorierten Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat keine tragfähigen Feststellungen getroffen, auf deren Grundlage eine deliktische Haftung der Beklagten wegen einer jedenfalls fahrlässigen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verneint werden könnte. Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird die Klägerin Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.], NJW 2023, 2259) die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben. Für den [X.] kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin das Fahrzeug zur gewerblichen Nutzung erworben hat.

[X.]     

  

Möhring     

  

Götz

  

Rensen     

  

Vogt-Beheim     

  

Meta

VIa ZR 1/21

20.11.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 8. August 2023, Az: VIa ZR 1/21, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.11.2023, Az. VIa ZR 1/21 (REWIS RS 2023, 8723)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8723

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZR 412/21

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