Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.01.2010, Az. VIII ZR 329/08

8. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 10260

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Gegenstand

Wohnungseigentum: Haftung der Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner aus einem Vertrag mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer


Leitsatz

Für Verbindlichkeiten aus einem Vertrag mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer haften die Wohnungseigentümer nur dann als Gesamtschuldner, wenn sie sich neben dem Verband klar und eindeutig auch persönlich verpflichtet haben (Bestätigung von BGH, 2. Juni 2005, V ZB 32/05, BGHZ 163, 154) .

Tenor

Auf die Revision der Beklagten zu 2 und 3 wird das Versäumnisteil- und Schlussurteil der Zivilkammer 9 des [X.] vom 14. Oktober 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten zu 2 und 3 erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagten sind - neben anderen - Miteigentümer eines Grundstücks in [X.] und als solche Mitglieder der [X.]". Die Klägerin versorgt das Grundstück mit Frischwasser und entsorgt das auf dem Grundstück anfallende Schmutzwasser.

2

Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung restlichen Entgelts in Höhe von 3.565,91 € für die Belieferung mit Wasser und die Entsorgung des Abwassers im Zeitraum vom 28. April 2006 bis 27. März 2007 in Anspruch. Hinsichtlich der Frischwasserversorgung stützt sie sich hierbei auf die "Ergänzenden Bedingungen der [X.]er Wasserbetriebe zu den Allgemeinen Bedingungen für die Wasserversorgung", die auszugsweise lauten wie folgt:

"1. Vertragsabschluss (zu § 2 AVBWasserV)

(1) Die [X.]er Wasserbetriebe liefern Wasser aufgrund eines privatrechtlichen Versorgungsvertrages. Der Versorgungsvertrag wird im Allgemeinen mit dem Eigentümer ... des anzuschließenden Grundstücks abgeschlossen ...

(2) Tritt an die Stelle eines Hauseigentümers eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes, so wird der Versorgungsvertrag mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer abgeschlossen. Jeder Wohnungseigentümer haftet als Gesamtschuldner ...

..."

3

Bezüglich der Abwasserentsorgung sieht die Klägerin die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten auf der Grundlage der "Allgemeinen Bedingungen für die Entwässerung in [X.] ([X.])" als begründet an, die auszugsweise lauten wie folgt:

"§ 1 Vertragsverhältnis

(1) ...

(2) ...

Vertragspartner der [X.]er Wasserbetriebe sind der Grundstückseigentümer ...

(3) Tritt an die Stelle eines Hauseigentümers eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes, so wird der [X.] mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geschlossen. Jeder Wohnungseigentümer haftet als Gesamtschuldner ...

..."

4

Nach entsprechender Erklärung der Beklagten zu 1 hat das Amtsgericht gegen diese ein Teilanerkenntnisurteil in Höhe von 1.188,64 € erlassen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht der Klage hinsichtlich aller drei Beklagten stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstreben die Beklagten zu 2 und 3 - die Beklagte zu 1 hat in den Rechtsmittelverfahren keine Anträge mehr gestellt - die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils, soweit es die gegen sie gerichtete Klage abgewiesen hat.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

7

Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Zahlung der streitgegenständlichen Forderungen aus den zwischen der Klägerin und allen Wohnungseigentümern der Wohnungseigentümergemeinschaft "A. 6" zustande gekommenen Verträgen über die Versorgung bzw. Entsorgung des Grundstücks zu.

8

Die jeweiligen Vertragsangebote der Klägerin lägen in der Bereitstellung von Leistungen ihres Versorgungsunternehmens. Diese [X.] hätten sich vorliegend an die Grundstückseigentümer gerichtet. Die Klägerin habe in ihren Versorgungsbedingungen hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sich ihr Vertragsangebot an den "Grundstückseigentümer", bei einer "[X.] der Wohnungseigentümer" an diese richte. Dies bedeute bei verständiger Auslegung, dass die Klägerin unmittelbar mit den einzelnen Wohnungseigentümern habe kontrahieren wollen, da diese - und nicht die grundbuchunfähige Eigentümergemeinschaft - Grundstückseigentümer bzw. Miteigentümer seien. Die nach den Vertragsbedingungen an die "[X.] von Wohnungseigentümern" gerichteten Angebote seien jeweils mit dem Zusatz versehen, dass jeder Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner hafte. Diese Regelung sei klar und eindeutig. Ein weiterer Anhalt für dieses Auslegungsergebnis liege in dem Umstand, dass die Grundstücke in [X.] dem Anschluss- und Benutzungszwang unterlägen, der bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft die einzelnen Miteigentümer treffe; dies spreche dafür, dass diese und nicht die [X.] der Wohnungseigentümer als Adressaten der Vertragsangebote der Klägerin anzusehen seien.

9

Die Entscheidung des [X.] vom 7. März 2007 ([X.]) stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Zwar sei dort ausgeführt worden, dass nach Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft nunmehr im Außenverhältnis in der Regel der [X.] sei; dies betreffe indes nur die - hier nicht vorliegende - Konstellation, dass das Versorgungsunternehmen mit dem Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft einen Versorgungsvertrag schließe.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten für die von der Klägerin geforderten Entgelte ergibt sich weder aus Vertrag noch aus dem Gesetz.

1. Die [X.] der Klägerin richteten sich, anders als das Berufungsgericht meint, nach den vorstehend wiedergegebenen Vertragsbedingungen der Klägerin nicht an die einzelnen Wohnungseigentümer, sondern an die [X.] der Wohnungseigentümer. Die hiervon abweichende Auslegung des Berufungsgerichts bindet den [X.] nicht. Bei den Versorgungsbedingungen der Klägerin handelt es sich zwar um Allgemeine Geschäftsbedingungen, deren räumlicher Geltungsbereich sich auf das Land [X.] beschränkt. Gleichwohl erstreckt sich ihre Geltung "über den Bezirk eines Berufungsgerichts hinaus"; denn je nach Streitwert der Entgeltklage ist im Berufungsrechtszug das [X.] oder das Landgericht [X.] zuständig. Die daraus resultierende Gefahr widerstreitender Berufungsurteile hat sich, worauf das Berufungsgericht hinweist, auch bereits verwirklicht. Der [X.] kann die hier in Rede stehenden Klauseln der Vertragsbedingungen der Klägerin daher selbst unbeschränkt auslegen (vgl. [X.], 321, 323 f.).

Die genannten Klauseln sind dahin auszulegen, dass die Vertragsangebote sich an die [X.] der Wohnungseigentümer richten. Denn sie bestimmen ausdrücklich, dass dann, wenn an die Stelle eines Hauseigentümers eine [X.] von Wohnungseigentümern tritt, der Ver- beziehungsweise [X.] mit der [X.] der Wohnungseigentümer abgeschlossen wird. Mit der konkludenten Annahme der Angebote der Klägerin sind Verträge über die Belieferung mit Wasser und die Abwasserentsorgung jeweils mit der Wohnungseigentümergemeinschaft, nicht mit den einzelnen Wohnungseigentümern zustande gekommen. Der Bezug von Frischwasser und die Entsorgung des auf dem gemeinsamen Grundstück anfallenden Abwassers sind Verwaltungsangelegenheiten der Wohnungseigentümergemeinschaft. Soweit die [X.] der Wohnungseigentümer bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt, ist sie nach der neueren Rechtsprechung des [X.] ([X.], 154 ff.), die der Gesetzgeber zum 1. Juli 2007 in der Vorschrift des § 10 Abs. 6 [X.] umgesetzt hat, rechtsfähig. Dies hat Konsequenzen für das Haftungssystem. Konnte ein Gläubiger für Schulden der [X.] nach früherer Auffassung sämtliche Wohnungseigentümer als Vertragspartner und somit als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen, ist Vertragspartner nunmehr in der Regel das teilrechtsfähige Subjekt, der Verband. Er haftet mit seinem Verwaltungsvermögen. Daneben kommt eine akzessorische gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer nicht von Gesetzes wegen, sondern nur in Betracht, wenn sie sich neben dem Verband klar und eindeutig auch persönlich verpflichtet haben ([X.], 154, 172 f.).

Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Zwar sehen die Vertragsbedingungen der Klägerin jeweils vor, dass jeder Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner haftet. Hieraus ergibt sich indessen nicht klar und eindeutig, dass eine akzessorische gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer persönlich neben der Haftung des Verbands begründet werden sollte. Das Berufungsgericht geht davon aus, dass die hier zu beurteilenden Vertragsbedingungen der Klägerin aus der [X.] vor dem Bekanntwerden der Entscheidung des [X.] zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft stammen. Unter diesen Umständen spricht gegen ein solches Verständnis schon die Tatsache, dass nach damaliger Auffassung mangels Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft allein eine persönliche Haftung der Wohnungseigentümer in Betracht kam, so dass für die Begründung einer akzessorischen Haftung der Wohnungseigentümer neben der [X.] keine Veranlassung bestand (so zutreffend KG, Urteil vom 24. Januar 2008 - 19 U 8/07, juris). [X.] Sinn der Klauseln kann es dann nur gewesen sein, die als gegeben vorausgesetzte Eigenhaftung der Wohnungseigentümer inhaltlich dahin auszugestalten, dass jeder Wohnungseigentümer für Verbindlichkeiten der [X.] als Gesamtschuldner und nicht nur entsprechend seinem Miteigentumsanteil haften solle.

2. Auch das Gesetz sieht eine gesamtschuldnerische Mithaftung der Wohnungseigentümer für Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht vor. Gemäß § 10 Abs. 8 Satz 1 [X.] haftet vielmehr jeder Wohnungseigentümer einem Gläubiger nur nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils für Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft.

III.

Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit zum Nachteil der Beklagten zu 2 und 3 entschieden worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung ist dem [X.] verwehrt, da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist. Denn die Beklagten haften für die Schulden der Wohnungseigentümergemeinschaft zwar nicht als Gesamtschuldner, jedoch gemäß § 10 Abs. 8 Satz 1 des am 1. Juli 2007 in [X.] getretenen Wohnungseigentumsgesetzes nach dem Verhältnis ihres jeweiligen Miteigentumsanteils. § 10 Abs. 8 [X.] ist als Vorschrift des materiellen Rechts, für das eine § 62 Abs. 1 [X.] entsprechende Übergangsvorschrift fehlt, auch auf vor Inkrafttreten des neuen Wohnungseigentumsgesetzes entstandene Wohnungseigentümergemeinschaften anwendbar ([X.], Urteil vom 18. Juni 2009 - [X.], [X.], 2521, [X.]. 14 m.w.[X.]). Zu den Miteigentumsanteilen der Beklagten zu 2 und 3 hat das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Ball                                         [X.]                                           Dr. Hessel

                  [X.]                                            Dr. Schneider

Meta

VIII ZR 329/08

20.01.2010

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Berlin, 14. Oktober 2008, Az: 9 S 7/08, Urteil

§ 10 Abs 1 WoEigG, § 10 Abs 6 WoEigG, § 10 Abs 8 WoEigG, § 421 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.01.2010, Az. VIII ZR 329/08 (REWIS RS 2010, 10260)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10260

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