Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2000, Az. 2 StR 161/00

2. Strafsenat | REWIS RS 2000, 1672

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[X.] DES VOLKESURTEIL2 StR 161/00vom12. Juli 2000in der Strafsachegegenwegen schwerer Körperverletzung- 2 -Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 12. Juli 2000,an der teilgenommen haben:Vizepräsident des BundesgerichtshofesDr. [X.] als Vorsitzender,[X.] am BundesgerichtshofNiemöller,[X.]in am [X.]. [X.],[X.] am [X.],Prof. Dr. [X.] als [X.],Staatsanwältin als Vertreterin der [X.],Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil [X.] Köln vom 27. Januar 2000 wird [X.].Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Ko-sten und gerichtlichen Auslagen des Rechtsmittelsaufzuerlegen.Von Rechts wegenGründe:[X.] hat den Angeklagten wegen schwerer [X.] einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt.Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der die Verlet-zung materiellen Rechtes gerügt wird. Der Beschwerdeführer wendet sich [X.] Ausführungen insbesondere gegen den Rechtsfolgenausspruch.Einer Erörterung bedarf nur die vom [X.] aufgeworfe-ne Frage, ob einzelne strafschärfende Erwägungen des Tatrichters [X.] rechtlichen Bedenken begegnen. Dies ist im Ergebnis nicht der Fall.Die Revision hat daher keinen Erfolg.- 4 -II.Nach den Feststellungen des [X.] wurde der am 26. Mai 1999geborene [X.] des Angeklagten im Juli 1999 ins Krankenhaus eingelie-fert, wo neben blauen Flecken auf dem Bauch des Kindes auch kleine Blutun-gen im Augenhintergrund rechts und links festgestellt wurden. Da eine Ursachefür derartige [X.] darin liegen kann, daß ein Säugling geschüt-telt worden ist, suchte ein Sozialarbeiter den Angeklagten und die Kindesmut-ter auf und wies beide ausdrücklich darauf hin, daß der Kopf eines [X.] fixiert sein müsse und daß das Kind keinesfalls geschüttelt werden [X.], anderenfalls könnten lebensgefährliche Blutungen im Gehirn entstehen.Am 10. August 1999 versorgte der Angeklagte das Kind allein. Das Kindwurde unruhig, begann zu schreien und hörte nicht mehr auf. Als der Ange-klagte das Kind nicht beruhigen konnte und nicht mehr wußte, was er tun sollte,wurde er sehr wütend. Er nahm den Säugling mit beiden Händen unter dessenArmen hoch, hielt ihn senkrecht vor sich, schüttelte ihn heftig und sagte [X.]: "Nun sei doch endlich still!". Während des [X.] hielt er den [X.] nicht fest, vielmehr schleuderte das Köpfchen heftig hin undher. Vor Wut und Hilflosigkeit dachte der Angeklagte in diesem Moment nichtmehr an die möglichen Folgen einer solchen Mißhandlung, wie sie ihm der So-zialarbeiter klargemacht hatte. Wegen einige [X.] später eintretender Auffällig-keiten des Kindes wurde dieses zur ärztlichen Behandlung gebracht. [X.] Atmung des Kindes aussetzte, wurde es intubiert und fiel in ein tiefes Ko-ma. Eine in derselben Nacht vorgenommene computertomographische Unter-suchung ergab, daß Grund für das Koma Hirnblutungen waren, die ein erhebli-ches Hirnödem und somit Sauerstoffmangel im Gehirn hervorgerufen [X.] 5 -Auch waren jetzt ausgeprägte [X.] erkennbar. Ferner stellte [X.] Röntgenuntersuchungen heraus, daß der Säugling insgesamt neun Rip-penbrüche hatte, davon sechs, die bereits im Stadium der Abheilung und somitälteren Datums waren und drei frische.Auch auf gezieltes Nachfragen der Ärzte lieferten ihnen jedoch der An-geklagte und seine Lebensgefährtin zunächst keine Erklärung für den [X.] s. Als am 13. August 1999 im Krankenhaus durch den [X.] der Verdacht geäußert wurde, jemand habe das Kind heftig geschüttelt, rea-gierte die Familie des Angeklagten und der Angeklagte selbst ungehalten. ImRahmen dieses Gespräches wurde der Angeklagte ausfallend gegenüber [X.], der die Unterredung deshalb abbrach. Nachdem aufgrund des Verdachtsder Kindesmißhandlung ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eröffnetworden war, entzog sich der Angeklagte aus Angst vor den auf ihn zukommen-den Schwierigkeiten ca. ein bis zwei Tage lang den Versuchen der Polizei, ihnzu vernehmen, indem er sich nicht mehr zu Hause, sondern an einem unbe-kannten Ort aufhielt. Er stellte sich schließlich am 14. August 1999 der [X.] berichtete, was am Nachmittag des 10. August 1999 vorgefallen war.Der Säugling wurde noch bis zum 23. August 1999 maschinell beatmet.Es zeigte sich eine zunehmende Auflösung der Hirnsubstanz. Daraus resultierteine schwere Schädigung motorischer Funktionen, die über die Hirnrinde ge-steuert werden. Bereits im September 1999 stellten die Ärzte die [X.] fest, die sich in der Folgezeit manifestiert hat und dazu füh-ren wird, daß [X.]kaum motorische und intellektuelle Fähigkeiten entwickelnwird. Darüber hinaus wird [X.]aufgrund der irreparablen schweren Hirnschä-den nicht mehr sehen und hören [X.] 6 -Die Hirnblutungen, die zu dem schweren Hirnödem und letzten Endes zuden schweren Schäden im Gehirn des [X.]führten, und die drei frischen Rip-penbrüche wurden durch das heftige Schütteln des Säuglings durch den Ange-klagten am Nachmittag des 10. August 1999 verursacht.Es ist nicht auszuschließen, daß die Fähigkeit des Angeklagten, seinVerhalten am Nachmittag des 10. August 1999 entsprechend einer vorhande-nen Einsicht in das Unrecht der Tat zu steuern, erheblich vermindert war.Das [X.] ist davon ausgegangen, daß der Angeklagte die Kör-perverletzung vorsätzlich und die schweren Folgen der Tat grob fahrlässig ver-ursacht hat und hat ihn gemäß § 226 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 StGB der [X.] schuldig gesprochen. Es hat auf den zur Tatzeit 20 Jahre undsieben Monate alten Angeklagten Jugendrecht angewandt und wegen [X.] der Schuld Jugendstrafe verhängt. Der Tatrichter hat bei seiner Pa-rallelwertung nach [X.] einen minder schweren Fall (§ 226Abs. 3 StGB) verneint, aber festgestellt, "daß im Erwachsenenstrafrecht eineMilderung nach §§ 21, 49 StGB erfolgt wäre". Maßgebend für die Bemessungder Strafe war für den Tatrichter, welche Dauer eine erzieherische [X.] erfordert.Die vom [X.] beanstandeten Erwägungen in [X.] lauten: "[X.] war ferner das [X.] Angeklagten in den Tagen nach der Tat zu berücksichtigen. Zwar hat ernoch am [X.] festgestellt, daß es dem Kind nicht gut geht und die ent-sprechenden Maßnahmen unternommen, indem er das Ehepaar E. und seine- 7 -Lebensgefährtin unmittelbar unterrichtete. Jedoch hat er im Krankenhaus [X.] gezielte Nachfrage nicht von dem Vorfall berichtet. Selbst wenn er, wie [X.] hat, sich zunächst nicht vorstellen konnte, daß die Ursache für dasKoma des Kindes seine Tat war, hätte er von der Handlung berichten müssen,da die Ärzte sämtliche nur in Frage kommenden Vorfälle als Ursachen über-prüfen wollten. Zudem hätte er angesichts der Vorgeschichte schon ahnenkönnen, daß das Schütteln Verletzungen hervorgerufen hat. Daß er aber, stattvon den [X.] zu berichten, auch nochausfällig gegenüber dem [X.] geworden ist, legte die Strafkammer,ebenso wie die Tatsache, daß er die ersten zwei bis drei Tage des [X.], während sein Opfer im Koma lag, untergetaucht ist, dem [X.] zur [X.] Revision des Angeklagten war zu verwerfen. Der Schuldspruch läßtkeinen Rechtsfehler erkennen. Auch die Anwendung von Jugendstrafrecht unddie Erforderlichkeit der Verhängung einer Jugendstrafe wegen Schwere [X.] (§ 17 Abs. 2 JGG) weisen keinen Rechtsfehler auf.Der [X.] läßt offen, ob die vom [X.] beanstandetenErwägungen des Tatrichters rechtsfehlerhaft sind. Dem könnte entgegenste-hen, daß der Angeklagte aufgrund seiner Garantenstellung sowohl als Vaterdes Kindes als auch aus [X.] verpflichtet war, trotz der damit [X.], den Ärzten umfassend die Vorgeschichte der Verletzungen zuberichten, um eine optimale Hilfe für das Kind zu ermöglichen. Die Ausfälligkeitgegenüber dem Arzt ging über ein zulässiges Verteidigungsverhalten [X.] 8 -Der - vom [X.] in der Verhandlung vor dem [X.] angespro-chene - Gedanke, es dürfe dem Täter nicht angelastet werden, daß er von sei-nem Vorhaben nicht mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten ist, greift [X.]. Denn die schweren Folgen der Tat waren vom Angeklagten nicht beab-sichtigt, sondern wurden von ihm nur fahrlässig verursacht. Schon deshalb darfihm angelastet werden, nicht alles ihm Zumutbare zur - möglichen - Verhinde-rung der schweren Folgen getan zu haben. Hinsichtlich des [X.] nicht auf das Verteidigungsverhalten des in der Hauptverhandlung in vol-lem Umfang geständigen Angeklagten abgestellt. Es wird vielmehr auf den [X.] auf den Erziehungsgedanken maßgeblichen Umstand seiner ausge-prägten Tendenz, sich Konflikten zu entziehen, zurückgegriffen. Der [X.]braucht diese Fragen hier jedoch nicht zu entscheiden. Er schließt aus, daßder Rechtsfolgenausspruch im Ergebnis auf den rechtlich möglicherweise be-denklichen Erwägungen beruht. Bei einer noch niedrigeren Strafe wäre beidem vorliegenden Tat- und [X.] die erforderliche erzieherische Einwirkungnicht mehr möglich (vgl. § 18 Abs. 2 JGG).Auch ansonsten ist kein Rechtsfehler im Rechtsfolgenausspruch zu er-kennen. Die Annahme eines minder schweren Falles (§ 226 Abs. 3 StGB) laghier im Hinblick auf die grobe Fahrlässigkeit des Angeklagten und die beson-ders schweren Folgen seiner Tat so fern, daß der Tatrichter bei seiner Paral-lelwertung nach [X.] nicht gehalten war, auch noch ausdrücklichzu erörtern, ob der vertypte [X.] des § 21 StGB zur Annahme ei-nes minder schweren Falles führen könnte. Die Versagung einer Strafausset-zung zur Bewährung wurde vom Tatrichter rechtsfehlerfrei begründet.- 9 -Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf den §§ 74, 109Abs. 2 JGG.[X.] Niemöller [X.] Rothfuß [X.]

Meta

2 StR 161/00

12.07.2000

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2000, Az. 2 StR 161/00 (REWIS RS 2000, 1672)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 1672

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