Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.08.2012, Az. 1 StR 296/12

1. Strafsenat | REWIS RS 2012, 4025

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 296/12

vom
8. August
2012
in der Strafsache
gegen

wegen Steuerhinterziehung u.a.

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 8.
August 2012 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Duisburg vom 3.
Januar 2012 wird als unbegründet verworfen,
da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten er-geben hat (§
349 Abs.
2 [X.]).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des [X.] merkt der
Senat an:
1.
Es fehlt nicht an der in jeder Lage des Verfahrens zu beachtenden Verfahrensvoraussetzung einer wirksamen Anklageschrift und -
daran anknüp-fend
-
eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses.
Die Staatsanwaltschaft hat in der Anklageschrift die Höhe der Sozialver-sicherungsbeiträge, die der Angeklagte vorenthalten haben soll (§
266a StGB),
und die Höhe der Lohnsteuer, die der Angeklagte hinterzogen haben soll (§
[X.]), auf der Grundlage einer Schätzung bestimmt. Hierin erblickt die Revision
-
u.a. gestützt auf einen Beschluss des [X.] vom 19.
Juli 2011
(1
Ws
271
-
274/11, [X.], 434)
-
einen die Wirksamkeit der Anklage tangierenden Mangel, weil eine konkretere Berechnung möglich und daher geboten gewesen sei. Diesem Vorbringen muss der Erfolg versagt bleiben.
Liegt einem Angeklagten Steuerhinterziehung zur Last, sind im [X.] das relevante Verhalten und der Taterfolg i.S.v.
§
[X.] anzuführen,
-
3
-
einer Berechnungsdarstellung der Steuerverkürzung
bedarf es dort hingegen nicht (vgl. [X.], Beschluss vom 27.
Mai 2009 -
1
StR
665/08, [X.], 465). Ausführungen zur Schadensberechnung können keinen Beitrag zur Individuali-sierung der Tat leisten, im [X.] aber mitunter dem Ziel zuwiderlaufen, den Tatvorwurf klar,
übersichtlich und verständlich darzustellen (vgl. [X.], aaO; Nr.
110 Abs.
1 RiStBV).
Die für Urteile geltenden Darstellungsmaßstäbe können angesichts der unterschiedlichen Anforderungen nicht auf Anklageschriften übertragen werden ([X.],
aaO; vgl. auch [X.] [X.] 2011, 388, 389).
Eine Anklageschrift erfüllt
daher auch dann die für ihre Wirksamkeit erforderli-che Individualisierungs-
und Umgrenzungsfunktion (vgl. §
200 Abs.
1 Satz
1 [X.]), wenn die dem Angeklagten zur Last liegende
Höhe der Steuerverkür-zung -
hier Lohnsteuerhinterziehung bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen
-
auf einer Schätzung (zu deren Zulässigkeit vgl. [X.], Urteil vom
28.
Juli 2010
-
1
StR
643/09,
wistra
2011, 28) beruht,
indes eine genauere
Berechnung der Verkürzung möglich gewesen wäre. Für den Straftatbestand des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§
266a StGB) gilt insoweit nichts [X.].
Zwar ist es mit Blick auf die Informationsfunktion der Anklageschrift
regelmäßig angezeigt, im wesentlichen Ermittlungsergebnis (§
200 Abs.
2 Satz
1 [X.]; Nr.
112 RiStBV) die für eine nachvollziehbare Darstellung der Be-rechnung der Abgabenverkürzung erforderlichen Tatsachenfeststellungen so-wie (Steuer)Berechnungen oder Schätzungen anzuführen. Auch erscheint es zweckmäßig, die Ausführungen bereits an den für das Gericht geltenden Maß-stäben auszurichten (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 10.
November 2009
-
1
StR
283/09, [X.], 635). Fehlen derartige Angaben oder erweisen sie sich als ungenügend, kann dies für sich allein indes die Wirksamkeit der [X.] nicht in Frage stellen, da
Mängel der Informationsfunktion ihre Wirksamkeit nicht berühren
(vgl. u.a. [X.], Urteile vom 24.
Januar 2012 -
1
StR
412/11,
-
4
-
wistra 2012, 195
und vom 2.
März 2011 -
2
StR
524/10, [X.]St 56, 183
sowie Beschluss vom 18.
Oktober 2007 -
4
StR
481/07, [X.], 109, jeweils mwN); insoweit können Fehler auch noch in der Hauptverhandlung durch Hin-weise entsprechend §
265 [X.] geheilt werden (vgl. [X.], Urteil vom 28.
Oktober 2009 -
1
StR
205/09, [X.], 308 mwN).
Mängel der Anklageschrift, die deren Wirksamkeit nicht in Frage stellen, berechtigen auch nicht zur Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens ([X.] in [X.], 6.
Aufl., §
204 Rn.
5; vgl. auch [X.], [X.], 55.
Aufl., §
200 Rn.
27 mwN).
Hält das zur Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens
berufene Gericht die Schätzung der Anklagebehörde für unstatthaft oder ungenügend, hat es demzufolge die für erforderlich erachteten Nachermittlungen (Nachberechnungen) entweder selbst vorzunehmen oder auf eine Mängelbeseitigung durch die Staatsanwaltschaft
hinzuwirken
(vgl. insge-samt zu Mängeln, die nicht die Umgrenzungsfunktion der Anklageschrift betref-fen [X.], [X.], 55.
Aufl., §
200 Rn.
27). Hingegen kommt -
auch un-beschadet der Möglichkeit einer neuen Anklageerhebung
(vgl. § 156 [X.])
-
die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens (§
204 [X.]) allein wegen einer
aus Sicht des Gerichts nicht tragfähigen
Schätzung
in der Anklage nicht in Betracht
(insoweit zumindest irreführend [X.], Beschluss vom 19.
Juli 2011 -
1
Ws
271
-
274/11, [X.], 434, soweit der Beschluss die [X.] der Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens mit "derzeit unzulässi-gen Schätzungen"
der Anklagebehörde begründet, denn dies lässt nicht erken-nen, ob
es an einem hinreichenden Tatverdacht einer Steuerhinterziehung fehlt).
2.
Schuld-
und Strafausspruch haben Bestand. Zwar bestimmt sich bei
illegalen Beschäftigungsverhältnissen der der Strafzumessung zugrunde zu legende Nominalbetrag verkürzter Lohnsteuer auf der Grundlage des gezahlten -
5
-
Schwarzlohns nur dann nach den Steuersätzen der Lohnsteuerklasse
VI, wenn
in Fällen vollumfänglicher
Schwarzlohnzahlungen dem Arbeitgeber eine Lohn-steuerkarte des Arbeitnehmers nicht vorlag (§
39c EStG
in der im Tatzeitraum geltenden Fassung)
bzw. ihm die dem Arbeitnehmer zugeteilte [X.] nicht bekannt war (§
39c EStG), im Übrigen ([X.]) nach der jeweiligen -
unschwer feststellbaren
-
Steuerklasse des betroffenen Arbeitnehmers
(vgl. [X.], Beschluss vom 8.
Februar 2011
-
1
StR
651/10, [X.]St 56, 153 mwN; zu geringfügig entlohnten Beschäftigten
vgl.
[X.], Urteil vom 11.
August 2010 -
1
StR
199/10, [X.], 376). Die hiervon teilweise abweichende Bestimmung der Höhe hinterzogener Lohnsteu-er durch die [X.] berührt vorliegend jedoch -
wie der Senat den rechts-fehlerfrei getroffenen Feststellungen entnehmen kann
-
nicht die für die Straf-zumessung
maßgebliche Größenordnung der Steuerverkürzung und kann den Angeklagten jedenfalls nicht beschweren.
Wahl
Hebenstreit
Jäger

Sander
Cirener

Meta

1 StR 296/12

08.08.2012

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.08.2012, Az. 1 StR 296/12 (REWIS RS 2012, 4025)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4025

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