Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.09.2023, Az. 6 StR 107/23

6. Strafsenat | REWIS RS 2023, 6131

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Gegenstand

Bandenmäßiger Anbau von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Begriff des Anbaus; Abgrenzung zur Beihilfe


Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 2. November 2022

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bandenmäßigen Anbaus von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;

b) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel hat im tenorierten Umfang Erfolg.

I.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s erwarb der gesondert verfolgte [X.]    2020 im Auftrag einer [X.] Organisation, die grenzüberschreitenden Drogenhandel bezweckte und von [X.]     und [X.].    geführt wurde, ein Anwesen mit Scheune und errichtete darin eine Cannabisplantage. Dazu wurde die Scheune mit einer Beleuchtungs-, einer Klima- sowie einer Abluftanlage ausgestattet. Spätestens im Februar 2021 begann dort die Aufzucht von Cannabispflanzen. Das Umtopfen sowie andere zeitweise anfallende Tätigkeiten – wie etwa Erntearbeiten – wurden von Mitgliedern der Organisation ausgeführt.

3

Hingegen wurden das alltägliche Betreuen und Versorgen der Plantage – insbesondere regelmäßiges Bewässern und Düngen der Pflanzen sowie die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Funktion der Beleuchtungs-, Klima- und Abluftanlage – von [X.]     und [X.].   jedenfalls für zwei Pflanzperioden im Winter 2021/22 dem Angeklagten übertragen. Er versprach sich dafür eine Entlohnung in Höhe von 700 bis 800 Euro monatlich, insgesamt einen Betrag von 4.000 bis 5.000 Euro. Ihm war bewusst, dass die aufgezogenen Pflanzen zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren. Spätestens am 24. September 2021 führte der Angeklagte weisungsgemäß die vereinbarte Tätigkeit aus, wobei er sich überwiegend allein auf der Plantage aufhielt und nur im Bedarfsfall [X.]    informierte, etwa bei Problemen mit der Elektronik oder bei Materialbedarf.

4

Bei einer Durchsuchung am 30. November 2021 wurden dort 1.651 erntereife Marihuanapflanzen vorgefunden. Diese hatten vielfach bereits Blütendolden ausgebildet und eine Höhe von 1,5 bis 1,8 Meter erreicht. Die abgeernteten Blüten und Blätter wiesen einen durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von 12,15 Prozent, mindestens 5,687 Kilogramm Tetrahydrocannabinol, auf. Im [X.] des Anwesens befanden sich darüber hinaus etwa 500 Kilogramm Pflanzenreste.

5

2. Das [X.] hat die Tätigkeit des Angeklagten aufgrund seiner untergeordneten Stellung lediglich als Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet. Wegen seiner alleinigen tatsächlichen Zugriffsgewalt auf die aufgezogenen Cannabispflanzen habe er sich tateinheitlich des täterschaftlichen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht.

II.

6

1. Der Schuldspruch erweist sich zum Teil als rechtsfehlerhaft.

7

Zwar hat das [X.] zu Recht angenommen, dass der Angeklagte insbesondere aufgrund seiner untergeordneten Stellung in der Organisation sowie seiner Einbindung ausschließlich in der [X.] lediglich als Gehilfe in das bandenmäßige Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eingebunden war (vgl. [X.], Urteil vom 27. Juli 2005 – 2 [X.], [X.], 578, 579). Jedoch hat er sich tateinheitlich hierzu des (täterschaftlich begangenen) bandenmäßigen Anbaus von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 StGB schuldig gemacht.

8

a) Der Anbau von Betäubungsmitteln in Form der Aufzucht umfasst sämtliche gärtnerischen oder landwirtschaftlichen Bemühungen, um Wachstum von in den Anlagen I bis III zum [X.] genannten Pflanzen zu erreichen (vgl. [X.], [X.], 372, 373; [X.], Beschluss vom 23. April 2009 – 4 [X.] 27/09, Rn. 38; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 29 Rn. 43; ähnlich MüKo-StGB/[X.], 4. Aufl., § 29 Rn. 22; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 29 Rn. 54). Hierzu zählen namentlich das Bewässern, das Düngen und das Belichten ([X.], aaO, Rn. 47). Der Angeklagte hat mithin durch die gut zweimonatige Bewirtschaftung der Plantage – insbesondere durch die regelmäßige Bewässerung und Düngung der Cannabispflanzen sowie die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Funktion der technischen Anlagen – diese Begehungsvariante erfüllt und sich daher als Mitglied der dahinterstehenden Organisation (auch) des bandenmäßigen Anbaus von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 StGB) schuldig gemacht.

9

b) Im Verhältnis zur Beihilfe des Angeklagten zum bandenmäßigen Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge kommt dem bandenmäßigen Anbau ein eigener Unrechtsgehalt zu, so dass beide Delikte in Tateinheit stehen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 12. Januar 2021 – 4 [X.], Rn. 4; vom 3. April 2019 – 5 [X.], NStZ-RR 2019, 218, 220).

c) Der Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) – der in Fällen tatsächlicher Sachherrschaft auch neben dem Anbau verwirklicht werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 13. Februar 1990 – 1 [X.], [X.], 285) – tritt hingegen hinter dem bandenmäßigen Anbau von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG mangels eigenen Unrechtsgehalts zurück.

d) Der [X.] ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil der im Wesentlichen geständige Angeklagte sich in diesem Punkte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

2. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] bei zutreffender rechtlicher Würdigung den Strafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG angewendet und auf eine höhere Strafe als die festgesetzte erkannt hätte. Der [X.] hebt auch die zugehörigen Feststellungen auf, um der zur neuen Entscheidung berufenen [X.] insgesamt eine widerspruchsfreie neue Strafzumessung zu ermöglichen.

[X.]     

      

Wenske     

      

Fritsche

      

Werner     

      

Arnoldi     

      

Meta

6 StR 107/23

06.09.2023

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Schweinfurt, 2. November 2022, Az: KLs 8 Js 13833/21

§ 1 Abs 1 Anl 1 BtMG, § 1 Abs 1 Anl 2 BtMG, § 1 Abs 1 Anl 3 BtMG, § 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 30a Abs 1 BtMG, § 25 Abs 2 StGB, § 27 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.09.2023, Az. 6 StR 107/23 (REWIS RS 2023, 6131)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6131

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