Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.04.2012, Az. V ZR 211/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6838

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen



BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V [X.]
Verkündet am:
27. April 2012
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 12, § 25 Abs. 2 Satz 1
a)
Teilt ein Wohnungseigentümer sein Wohnungseigentum ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer nachträglich auf und veräußert die neu geschaffenen Einheiten an verschiedene Dritte, entstehen bei Geltung des Kopfstimmrechts keine weiteren Stimmrechte (Bestätigung des [X.]sbeschlusses vom 24. November 1978
V
ZB 2/78, [X.]Z
73, 150
ff.).

b)
Die Zustimmung des Verwalters zu einer solchen Teilveräußerung aufgrund eines in der Teilungserklärung enthaltenen Zustimmungserfordernisses
führt nicht zu einer Vermehrung der Stimmrechte.

[X.], Urteil vom 27. April 2012 -
V [X.] -
LG Lüneburg

[X.]

-
2
-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2012 durch [X.]
Dr.
Krüger, die Richterin Dr.
Stresemann, [X.]
[X.] und die Richterinnen Dr.
[X.] und Weinland

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des [X.] vom 23. August 2011 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien bilden eine
Wohnungseigentümergemeinschaft, zu deren Wohnanlage ein Vorder-
und ein
[X.]
gehören. Nach der Teilungserklärung aus dem [X.] besteht das Vorderhaus aus elf Einheiten, während das gesamte [X.] die
Einheit Nr. 12
bildet. Das Stimmrecht ist nicht geregelt.
Die Veräußerung von Wohnungseigentum steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Verwalters.
[X.] teilte die Klägerin die in ihrem Eigentum stehende Einheit Nr. 12 ohne Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer in neun
selbständige Einheiten auf und veräußerte
anschließend
das
neu geschaffene
Wohnungseigentum
Nr. 12
mit Zustimmung des Verwalters. In der 1
2
-
3
-

Eigentümerversammlung beschlossen die Wohnungseigentümer, dass dem Erwerber der neuen Einheit Nr. 12 ein eigenes Stimmrecht nicht zustehe. Die Klägerin
sieht die Veräußerung der übrigen von ihr
geschaffenen Wohneinheiten gefährdet
und will feststellen
lassen, dass dem Erwerber der Einheit Nr. 12 ebenso wie den künftigen Erwerbern
der weiteren Einheiten ein eigenes Stimmrecht zusteht.

Die Klage ist
in den Tatsacheninstanzen erfolglos
gewesen. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, die Veräußerung einer ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer neu geschaffenen Wohneinheit führe bei dem geltenden Kopfstimmrecht nicht zu einer Vermehrung der Stimmrechte. Dies müssten die bisherigen Wohnungseigentümer ohne eine entsprechende Vereinbarung nicht hinnehmen.
Die Erwerber der Einheiten in dem
Vorderhaus hätten mit einer Minderung ihres Stimmgewichts durch eine spätere Aufteilung des [X.]es nicht rechnen müssen, insbesondere deshalb nicht, weil auch an drei
Garagen gesondertes Teileigentum geschaffen worden sei. Erwerber neu geschaffener
Einheiten
seien
nicht schutzwürdig, weil sie die Teilungserklärung einsehen könnten. Ob die Erwerber das Stimmrecht zu einem Bruchteil ausüben könnten, sei
nicht zu entscheiden, weil der gestellte Antrag eine auf diese Feststellung
gerichtete Auslegung nicht erlaube.
3
4
-
4
-

II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht von der Zulässigkeit der Klage aus. Insbesondere besteht das gemäß § 256
Abs. 1
ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Es ist unerheblich, dass die Klägerin die neu geschaffene Einheit Nr. 12 bereits veräußert hat, weil sie nach wie vor Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft ist und aus diesem
Grund
ein anerkennenswertes Interesse daran hat, die Stimmrechtsverhältnisse in der [X.] verbindlich klären zu lassen.
2. Die Klage ist unbegründet, soweit die Klägerin feststellen lassen will, dass den Erwerbern der neu geschaffenen Einheiten jeweils ein eigenes
Stimmrecht zusteht. Eine solche Stimmrechtsvermehrung tritt nicht ein,
obwohl in der [X.] gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 [X.] das Kopfprinzip gilt, bei dem jeder Wohnungseigentümer eine Stimme hat.
a) Der [X.] hat bereits entschieden, dass die
nachträgliche Aufteilung und Veräußerung eines Wohnungseigentumsrechts ohne Mitwirkung der übrigen Eigentümer unter der Geltung des Kopf-
oder des [X.]s nicht zu einer Vermehrung der Stimmrechte führt (Beschluss vom 24.
November 1978

V
ZB 2/78, [X.]Z 73, 150, 155; für das [X.] Beschluss vom 7. Oktober 2004

V
ZB 22/04, [X.]Z 160, 354, 366 f.). Zwar
bedarf die spätere Aufteilung nicht
der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer ([X.], Beschluss vom 17. Januar 1968

V
ZB 9/67, [X.]Z 49, 250
ff.). Auch
die anschließende Veräußerung einer neu geschaffenen Einheit
ist

vorbehaltlich einer Vereinbarung gemäß §
12 [X.]

zustimmungsfrei
(Beschlüsse vom 24. November 1978 und vom 7. Oktober 5
6
7
8
-
5
-

2004, aaO). Diese
Befugnisse des teilenden Wohnungseigentümers setzen
aber voraus, dass der Status der übrigen Wohnungseigentümer gewahrt wird. Der [X.] hat dies nur dann als gewährleistet angesehen, wenn die ursprüngliche Stimmenzahl keine Änderung erfährt
(Beschlüsse vom 24.
November 1978 und vom 7. Oktober 2004, aaO). Das bestehende Stimmrecht ist wegen der Selbständigkeit der neu geschaffenen Einheiten von deren Erwerbern nach Bruchteilen und nicht analog §
25 Abs. 2 Satz 2 [X.] zur gesamten Hand auszuüben; diese für das [X.] bereits entschiedene Rechtsfolge
(Beschluss vom 7. Oktober 2004, aaO, S.
367)
gilt in gleicher Weise für
das Kopfstimmrecht, wenn die neu geschaffenen Einheiten an unterschiedliche Erwerber veräußert werden
(offen gelassen in dem Beschluss vom 24. November 1978, aaO, S. 155).
Die Ablehnung der Vermehrung von Stimmrechten durch eine solche Teilveräußerung ist überwiegend auf Zustimmung ([X.], [X.], 221
f.; [X.], [X.], 312; LG München
I, [X.] 2009, 456
ff.; [X.], [X.], 11. Aufl., §
25 Rn. 39; [X.] in [X.], [X.], 2. Aufl., § 25 Rn. 39; [X.]/[X.], 5.
Aufl., §
25 [X.] Rn.
4; [X.]/
[X.], [X.], 71. Aufl., § 25 [X.] Rn. 6; [X.] in [X.]/Then, [X.], § 25 Rn. 8; [X.], [X.], 638, 639 ff.), teilweise aber auch
auf Ablehnung gestoßen (KG, [X.], 671 f.; ohne nähere Begründung [X.], [X.], 234 f.; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., §
25 Rn. 59; [X.]/Bub, [X.] [2005], § 25 [X.] Rn. 155 f.; [X.]/Steinmeyer, [X.], § 25 Rn. 27;
Weitnauer/[X.], [X.], 9. Aufl., § 25 Rn. 13; [X.], [X.], 992 ff.). Der [X.] hält an seiner Rechtsauffassung
fest.
Die gegen sie erhobenen Einwände erweisen sich als nicht stichhaltig.
b) Richtig ist, dass bei der Geltung des Kopfstimmrechts eine nachträgliche Vermehrung von Stimmrechten eintreten kann, wenn ein 9
10
-
6
-

Eigentümer mehrere Einheiten hält und diese sukzessive veräußert
(vgl. [X.], [X.], 45
f.). Auf die spätere Schaffung neuer Einheiten ohne Mitwirkung
der übrigen Eigentümer
ist dies indes nicht übertragbar (so aber KG, aaO, S.
672; [X.] in [X.]/[X.], aaO; [X.]/Steinmeyer, aaO). Inwieweit die übrigen Wohnungseigentümer als schutzbedürftig anzusehen sind, hängt maßgeblich davon ab, ob die Vermehrung der Stimmrechte in der Teilungserklärung angelegt und damit vorhersehbar ist oder nicht. Hält ein Eigentümer mehrere Einheiten, ist
jederzeit damit zu rechnen, dass aufgrund des Kopfstimmrechts bei einer Veräußerung an Dritte neue Stimmrechte entstehen. Daran fehlt es, wenn

wie hier

eine Einheit nachträglich ohne Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer aufgeteilt und die neu geschaffenen Einheiten
veräußert werden. Ebenso wenig kann die Schutzbedürftigkeit der Erwerber solcher Einheiten über die der bisherigen Wohnungseigentümer gestellt werden (so
aber
KG,
aaO; [X.],
aaO). Erstere
können sich vor dem Erwerb durch Einsicht in die Teilungserklärung informieren. Zudem
ist es Aufgabe des teilenden Eigentümers, seine Vertragspartner vor
der Veräußerung über das
nur zu einem Bruchteil bestehende Stimmrecht
aufzuklären. Es wirkt
sich nicht zu Lasten der übrigen Wohnungseigentümer aus, wenn er seinen kaufvertraglichen Pflichten nicht nachkommt.
c) Entgegen der Auffassung der Revision führt auch
die Zustimmung des Verwalters zu der Veräußerung der neu geschaffenen Einheit Nr. 12 nicht zu der Entstehung eines
weiteren
vollen
Stimmrechts. Das
in
der
Teilungserklärung vorgesehene
Zustimmungserfordernis
bezieht sich seiner Zweckrichtung nach nicht auf das Stimmrecht. Ein Zustimmungsvorbehalt gemäß § 12 [X.] soll es den Wohnungseigentümern nur ermöglichen, das Eindringen störender oder zahlungsunfähiger Personen in die [X.] zu verhindern (Klein in Bärmann, [X.], 11. Aufl., § 12 Rn. 1 mwN). Der 11
-
7
-

erforderliche wichtige Grund für eine Versagung besteht nur, wenn der Erwerbsinteressent im Hinblick auf seine Person oder seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit für die Wohnungseigentümergemeinschaft unzumutbar ist (Klein, aaO, § 12 Rn. 38). Liegen diese Voraussetzungen

wie hier

nicht vor, muss die Zustimmung erteilt werden.
Die Stimmrechtsverhältnisse in der [X.] werden davon nicht berührt. Eine nachträgliche Vermehrung der Stimmrechte kann weder durch eine Zustimmung des Verwalters noch durch einen Mehrheitsbeschluss, sondern nur durch eine entsprechende Vereinbarung der Wohnungseigentümer erreicht werden.
3. Soweit die Klägerin
erstmals
in der Revisionsinstanz geltend macht, ihr Antrag sei auch darauf gerichtet gewesen,
die Entstehung eines Bruchteilstimmrechts oder eines gemeinschaftlich auszuübenden Stimmrechts festzustellen, verhilft dies der Revision nicht zu einem Teilerfolg. Die Klägerin hat lediglich
die Feststellung eines eigenen Stimmrechts für die Erwerber der neu geschaffenen Einheiten erreichen wollen. Das Berufungsgericht hat
die nunmehr begehrte Feststellung ohne Rechtsfehler nicht [X.] umfasst angesehen (§
308 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Nicht die Art und Weise der Aufteilung des bereits bestehenden Stimmrechts, sondern die Entstehung neuer eigener
Stimmrechte war Ziel des [X.]. Zudem verweisen die Beklagten zu Recht darauf, dass die
Aufteilung des
Stimmrechts in den Tatsacheninstanzen im Grundsatz nicht im Streit war.
Dies hat zur Folge, dass die Entstehung eines Stimmrechts nach Bruchteilen von der Rechtskraft der Klageabweisung nicht erfasst wird; Rechtsnachteile entstehen der Klägerin aus der Auslegung ihres Antrags daher nicht.

12
-
8
-

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger

Stresemann

[X.]

[X.]

Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.07.2010 -
482 C 6623/10 -

LG Lüneburg, Entscheidung vom 23.08.2011 -
9 [X.]/10 -

13

Meta

V ZR 211/11

27.04.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.04.2012, Az. V ZR 211/11 (REWIS RS 2012, 6838)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6838

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZR 211/11 (Bundesgerichtshof)

Teilveräußerung von Wohnungseigentum: Vermehrung der Stimmrechte


V ZR 64/20 (Bundesgerichtshof)

Wohnungseigentümerversammlung: Kopfstimmrecht bei Miteigentümern


V ZR 290/16 (Bundesgerichtshof)


V ZR 290/16 (Bundesgerichtshof)

Wohnungseigentum: Entstehung eines neuen Stimmrechts bei Übertragung des Alleineigentums an einer von mehreren Einheiten auf …


V ZB 22/04 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

V ZR 211/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.