Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.07.2010, Az. IX R 45/09

9. Senat | REWIS RS 2010, 4651

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Gegenstand

Anteilsveräußerung und Kaufpreisstundung


Leitsatz

1. Der Veräußerungsgewinn i.S. von § 17 Abs. 2 EStG entsteht grundsätzlich im Zeitpunkt der Veräußerung, unabhängig davon, dass der Kaufpreis gestundet wird .

2. Eine wahlweise Zuflussbesteuerung des Veräußerungsgewinns i.S. von § 17 Abs. 2 EStG kommt nur in Betracht, wenn die wiederkehrenden Zahlungen Versorgungscharakter haben .

Tatbestand

1

I. Der im Jahre 1947 geborene Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war alleiniger Gesellschafter der [X.], deren Stammkapital 50.000 DM betrug. Mit notariellem Vertrag vom 29. Dezember des [X.] übertrug der Kläger seine Anteile an der GmbH mit sofortiger Wirkung zum Kaufpreis von 500.000 DM an die [X.] in [X.], deren alleinvertretungsberechtigter Verwaltungsrat er ist. Das Gewinnbezugsrecht sollte dem Käufer mit dem 30. Dezember 2000, 0.00 Uhr, zustehen. Nach einer privatschriftlichen Zusatzvereinbarung vom 11. Januar 2001 sollte der Kaufpreis in jährlichen Raten in Höhe von 50.000 DM gezahlt werden, erstmals am 3. Januar 2006.

2

Im Hinblick darauf berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) einen Veräußerungsgewinn von 450.000 DM. Auf den Einspruch des [X.] zinste das [X.] den Veräußerungserlös ab und setzte die Einkommensteuer entsprechend herab.

3

Der Klage des [X.], mit der er beantragte, den Einkommensteuerbescheid 2000 dergestalt zu ändern, dass ein Veräußerungsgewinn nicht zu erfassen sei, da ein solcher erst ab 2006 zu besteuern wäre, gab das Finanzgericht ([X.]) statt:

4

Nach der Rechtsprechung sei ein Wahlrecht zwischen der Erfassung des Barwertes des Rechts auf die wiederkehrenden Bezüge im Zeitpunkt der Veräußerung oder aber der Summe der in den Folgejahren tatsächlich zufließenden Bezüge zu eben diesen Zeitpunkten jedenfalls dann gegeben, wenn der Veräußerungspreis in langfristig wiederkehrenden Bezügen bestehe, die wagnisbehaftet seien oder die Bestimmungen hauptsächlich im Interesse des Veräußerers, um dessen Versorgung zu sichern, und nicht im Interesse des Erwerbers getroffen worden seien (Urteil des [X.] --BFH-- vom 26. Juli 1984 IV R 137/82, [X.], 525, [X.] 1984, 829, m.w.N., insbes. auf BFH-Urteil vom 23. Januar 1964 IV 85/62 U, [X.], 16, [X.]I 1964, 239). Dabei seien die für die Zubilligung des Wahlrechts bestimmenden Komponenten "Wagnis" und "Versorgung" in gewissem Umfang kompensierbar (BFH-Urteil in [X.], 525, [X.] 1984, 829, m.w.N.).

5

Die Vereinbarung über die Ratenzahlung im Januar 2001 sei vor der Kaufpreiszahlung getroffen worden und ergänze den notariellen Vertrag allein im Interesse des [X.], da er als alleinvertretungsberechtigter Verwaltungsrat der Käuferin den entsprechenden Einfluss gehabt habe. Der vereinbarte [X.] erstrecke sich auch über mehr als zehn Jahre. Denn der Kaufpreis sollte zwar in zehn Jahresraten bezahlt werden. Die Zahlungen sollten jedoch erst im Jahr 2006 beginnen, dem Jahr, in dem der Kläger das 59. Lebensjahr vollendete, und sie sollten voraussichtlich im Jahr 2015 enden. Danach messe der Senat der Zusatzvereinbarung [X.] bei. Das daraus folgende Wahlrecht habe der Kläger dahingehend ausgeübt, dass eine Besteuerung erst im Zeitpunkt des Zuflusses der Raten zu erfolgen habe. Ein Veräußerungsgewinn sei damit im Streitjahr 2000 nicht anzusetzen.

6

Hiergegen richtet sich die Revision des [X.], die dieses auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Der Veräußerungserlös sei sofort zu erfassen, weil nicht die Versorgung des Veräußerers, sondern die Verlagerung inländischer Einkünfte nach [X.] die Zusatzvereinbarung motiviert habe. Die Rechtssätze zur Ausübung des Wahlrechts auf eine nachträgliche Besteuerung im jeweiligen Veranlagungszeitraum des Zuflusses der Ratenzahlungen würden mangels Wagnisbehaftung der Ratenzahlungen für den Kläger nicht greifen. Die Ratenzahlungen seien nicht als Leibrente an das Leben des Veräußerers gekoppelt; sie ergäben in der Summe den vertraglich vereinbarten Kaufpreis und würden bei einem vorzeitigen Ableben des Veräußerers an dessen Rechtsnachfolger in der verbleibenden Höhe weiterfließen. Auch fehle eine eindeutige vertragliche Regelung, die eine Absicht des Veräußerers erkennen lasse, sich durch die entgeltliche Übertragung der Geschäftsanteile seine Altersversorgung zu sichern. Zudem begünstige die Ratenvereinbarung ausschließlich die Erwerberin. [X.] dessen würden in derartigen langfristigen Ratenzahlungen unter fremden [X.] grundsätzlich auch [X.] vereinbart. Im Übrigen halte die privatrechtliche Zusatzvereinbarung zum notariellen Kaufvertrag einem Fremdvergleich nicht stand.

7

Das [X.] beantragt,

das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Hintergrund der privatschriftlichen Zusatzvereinbarung vom Januar 2001 sei die Absicht, dass der Kläger nach Möglichkeit mit 60 Jahren aus dem Arbeitsleben ausscheiden wolle und daher seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wegfallen würden.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat auf der Grundlage seiner Feststellungen zu Unrecht eine Versteuerung des streitbefangenen Veräußerungsgewinns im Streitjahr abgelehnt.

1. Veräußerungsgewinn [X.] von § 17 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Veräußerungskosten sind die durch die Veräußerung wirtschaftlich veranlassten Aufwendungen.

a) Der Veräußerungsgewinn ist grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der Veräußerung, d.h. der Zeitpunkt, zu dem das rechtliche oder zumindest wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten Anteilen auf den Erwerber übergegangen ist ([X.]-Urteile vom 7. März 1995 [X.], [X.], 116, [X.] 1995, 693; vom 2. April 2008 [X.], [X.], 1658). Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Kapitalgesellschaftsanteilen setzt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] voraus, dass der Berechtigte alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte ausüben kann, also neben dem Gewinnbezugsrecht und der Teilhabe an [X.] der Anteile alle Verwaltungsrechte einschließlich des Stimmrechts (vgl. [X.]-Urteil vom 18. Mai 2005 [X.], [X.]E 210, 247, [X.] 2005, 857).

b) Veräußerungspreis [X.] von § 17 Abs. 2 EStG ist der Wert der Gegenleistung, die der Veräußerer durch Abschluss des [X.] am maßgebenden Stichtag erlangt; dazu gehört alles, was der Veräußerer aus dem Veräußerungsgeschäft als Gegenleistung erhält ([X.]-Urteil in [X.], 116, [X.] 1995, 693). Der Veräußerungspreis ist grundsätzlich ohne Rücksicht darauf anzusetzen, ob die Veräußerung bedingt oder befristet ist oder ob der Kaufpreis gestundet ist ([X.]/[X.], § 17 EStG [X.]). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung des Veräußerungspreises ist grundsätzlich der des Vollzugs des Veräußerungsgeschäfts ([X.]/ [X.], § 17 EStG [X.] 176); auf den Zufluss des Entgelts kommt es nicht an ([X.]-Urteil in [X.], 1658, m.w.N.).

c) Wird eine Beteiligung [X.] von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gegen eine [X.] oder gegen einen in Raten zu zahlenden Kaufpreis veräußert, so soll gemäß [X.] Abs. 7 der Einkommensteuer-Richtlinien ([X.]) 1999 wie 2001 die Regelung in [X.] Abs. 11 [X.] entsprechend gelten. Veräußert ein Steuerpflichtiger seinen Betrieb gegen eine [X.], so kann er danach den bei der Veräußerung entstandenen Gewinn sofort versteuern oder die Rentenzahlungen als nachträgliche Betriebseinnahmen [X.] von § 15 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG behandeln.

Soweit damit [X.] den [X.]n gleichgestellt werden sollen, kann dies --unabhängig von der sachlichen Berechtigung des Wahlrechts überhaupt (für zwingende Sofortbesteuerung [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 17 EStG [X.] 163, [X.]) --angesichts der dargelegten (s.o. [X.] Grundsystematik der Entstehung des Veräußerungsgewinns [X.] von § 17 Abs. 2 EStG jedenfalls nur für solche Fallgestaltungen gelten, in denen die [X.] nach ihrem Versorgungscharakter einer [X.] zumindest ähneln, es sich also nicht um eine bloße ratenweise Kaufpreisstundung handelt; die Ratenzahlung muss hierfür jedenfalls über einen mehr als zehn Jahre dauernden Zeitraum vereinbart sein (so etwa [X.] in: Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 17 [X.] 77: "Raten mit Versorgungscharakter über einen mehr als zehn Jahre dauernden Zeitraum").

Der [X.] hat ein Wahlrecht im dargelegten Sinne grundsätzlich anerkannt; seine Rechtsgrundlage findet dieses Wahlrecht in einer teleologischen Reduktion des (zwingenden) Anwendungsbereichs der §§ 16, 34 EStG im Verhältnis zu § 24 Nr. 2 EStG und im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Besteuerung (vgl. [X.]-Urteile in [X.]E 141, 525, [X.] 1984, 829, m.w.N.; vom 20. Dezember 1988 VIII R 110/82, [X.]/NV 1989, 630). Auf dieser Grundlage kommt ein Wahlrecht nach der Rechtsprechung insbesondere dann in Betracht, wenn langfristige wiederkehrende Bezüge vereinbart werden und diese entweder mit einem Wagnis behaftet sind oder hauptsächlich im Interesse des Veräußerers, um dessen Versorgung zu sichern, und nicht im Interesse des Erwerbers festgelegt werden (vgl. [X.]-Urteile vom 20. Januar 1959 I 200/58 U, [X.]E 68, 500, [X.]I 1959, 192; vom 12. Juni 1968 [X.], [X.]E 92, 561, [X.] 1968, 653; in [X.]E 141, 525, [X.] 1984, 829).

Übertragen auf den Regelungsbereich von § 17 EStG können Verhältnismäßigkeitsaspekte eine teleologische Reduktion von § 17 Abs. 2 EStG zugunsten einer fakultativen [X.] aber jedenfalls dann nicht rechtfertigen, wenn sich aus einer Vereinbarung von wiederkehrenden Kaufpreiszahlungen nicht eindeutig deren Versorgungscharakter im Interesse des Anteilsveräußerers ergibt. Der Versorgungscharakter der Ratenzahlungen spiegelt sich dabei in der Antwort auf die Frage wieder, ob ein vollständiger oder teilweiser Ausfall der Forderung berücksichtigt werden könnte. So hat der [X.] angenommen, dass dann, wenn ein Gesellschaftsanteil gegen abgekürzte [X.] veräußert wird und sich der Steuerpflichtige für die Sofortversteuerung des Veräußerungsgewinns entscheidet, der Tod des [X.] der Laufzeit der Rente kein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Veräußerung darstellt ([X.]-Urteil vom 19. August 1999 IV R 67/98, [X.]E 190, 150, [X.] 2000, 179). Kommt es aber bei einer ratenweisen Kaufpreiszahlung über einen langen Zeitraum (zum Teil) zu einem Ausfall der Kaufpreisforderung, ändert sich der steuerbare Veräußerungsgewinn nachträglich (Großer Senat des [X.] vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, [X.] 1993, 897). Das erlaubt bei Ratenzahlungen eine Korrektur, wenn sie später zum Teil uneinbringlich werden ([X.]/[X.] in [X.], a.a.[X.]). Insoweit unterscheiden sich diese von den wagnisbehafteten wiederkehrenden Bezügen, die an das Leben einer bestimmten Person gekoppelt sind; bei jenen führt die Realisierung des von Beginn an bewusst in Kauf genommenen Risikos (Tod des [X.]) gerade nicht zu einer rückwirkenden Änderung.

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen tragen die Feststellungen des [X.] die Annahme einer Versteuerung des gesamten Kaufpreises nach Zufluss nicht.

a) Das [X.] hat schon nicht hinreichend festgestellt, ob nicht --was naheliegend ist-- die Vereinbarung im Januar 2001 über die Ratenzahlung getroffen wurde, nachdem der Veräußerungsgewinn im Dezember des [X.] bereits entstanden und sofort zu versteuern war. Dass die Ergänzung des notariellen Vertrags vor der Kaufpreiszahlung getroffen wurde, ist unerheblich; sie erfolgte jedenfalls nach der sofortigen Fälligkeit des gesamten Kaufpreises, wie sie sich nach der notariellen Vereinbarung ergibt (§§ 271, 320 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Damit wurde ein entstandener und ggf. auch fälliger [X.] nachträglich umgestaltet, nicht aber entstand der [X.] mit der in der Ratenvereinbarung geregelten Fälligkeit.

b) Nicht geprüft und deshalb hierzu auch keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen hat das [X.] weiter die Frage, ob die Zusatzvereinbarung den an die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen einem Gesellschafter und einer von ihm ggf. beherrschten Gesellschaft zu stellenden Anforderungen genügt, insbesondere, inwieweit die Zusatzvereinbarung dem Fremdvergleich standhält. Hiergegen spricht, dass der Kläger ggf. auf die sofortige Zahlung des gesamten Kaufpreises ohne Gegenleistung auf lange Frist verzichtet hat.

c) Nicht auf hinreichenden Feststellungen beruht auch die Annahme des Versorgungscharakters der Ratenzahlung. Dass diese deshalb allein im Interesse des [X.] erfolgt sein soll, weil er als alleinvertretungsberechtigter Verwaltungsrat der Käuferin den entsprechenden Einfluss gehabt habe, erscheint schon nicht schlüssig, belegt aber jedenfalls nicht hinreichend den Versorgungscharakter.

Meta

IX R 45/09

20.07.2010

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht des Saarlandes, 13. August 2009, Az: 2 K 1326/05, Urteil

§ 11 EStG 1997, § 17 Abs 2 EStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.07.2010, Az. IX R 45/09 (REWIS RS 2010, 4651)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4651

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12 Ns 508 Js 2272/20

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