Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.09.2015, Az. XII ZB 114/15

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 5980

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 114/15

vom

2. September
2015

in der Unterbringungssache

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am
2. September
2015
durch den
Vorsitzenden
Richter
Dose
und die Richter Dr.
Klinkhammer, Dr.
Nedden-Boeger, Dr.
Botur
und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 27.
Februar 2015 sowie der Beschluss der 9.
Zivilkammer des [X.] vom 4.
März 2015 die Betroffene in ihren Rechten verletzt haben.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
Die in der [X.] entstandenen außergerichtlichen Kosten der Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:
I.
Die im Jahre 1943 geborene Betroffene leidet an einer wahnhaften Stö-rung. Sie steht seit November
2014 unter Betreuung, ihre vorläufige Unterbrin-gung war bis zum 27.
Februar 2015 genehmigt.
Mit Beschluss vom 27.
Februar 2015 hat das Amtsgericht auf entspre-chenden Antrag der Betreuerin die weitere Unterbringung bis längstens zum 6.
März 2015 genehmigt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Land-gericht zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Betroffene die 1
2
-
3
-
Feststellung, dass sie durch diese beiden Entscheidungen
in ihren Rechten ver-letzt worden ist.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß §
70
Abs.
3 Satz
1 Nr.
2, Satz
2 FamFG -
und da keine einstweilige
Anordnung im Sinne von §
70 Abs.
4 FamFG vorliegt
-
statthaft. Sie ist auch begründet, weil die Ent-scheidungen von Amts-
und [X.] die Betroffene in ihren Rechten ver-letzt haben. Dies ist nach der in der [X.] entsprechend anwendbaren Vorschrift des §
62 Abs.
1 FamFG (Senatsbeschluss vom 29.
Januar 2014 -
XII
ZB
330/13
-
FamRZ
2014, 649 Rn.
8
mwN) festzustellen.
1. Die Genehmigung einer Unterbringung nach §
1906 Abs.
2 Satz
1 BGB setzt das Bestehen einer qualifizierten Gefährdungslage voraus. Es muss die Gefahr bestehen, dass der Betroffene sich selbst tötet oder erheblichen ge-sundheitlichen Schaden zufügt (§
1906 Abs.
1 Nr.
1 BGB)
oder
ein erheblicher gesundheitlicher Schaden droht

1906 Abs.
1 Nr.
2 BGB). Der Tatrichter hat hierzu die erforderlichen Feststellungen zu treffen.
2. Dem werden die Entscheidungen von Amts-
und [X.] nicht ge-recht.
a) Dem amtsgerichtlichen Beschluss, der sich in seinen Gründen im [X.] auf die Wiedergabe des Gesetzestextes beschränkt, lassen sich [X.] Umstände entnehmen, die die Annahme der eine Unterbringung rechtfer-tigenden Gefährdung zulassen. Das [X.] führt aus, es bestünden "[X.] Anhaltspunkte, dass die Heilbehandlung zur Abwendung eines drohen-den erheblichen gesundheitlichen Schadens erforderlich"
sei. Damit wird nicht 3
4
5
6
-
4
-
die notwendige Gefährdungssituation, sondern lediglich deren Möglichkeit fest-gestellt.
b) Auch die weiteren landgerichtlichen Erwägungen erlauben nicht den Schluss auf das Vorliegen der
Unterbringungsvoraussetzungen.
Das [X.] stellt im Rahmen seiner Ausführungen zu §
1906 Abs.
1 Nr.
2 BGB allein auf eine bereits seit Anordnung der Betreuung bestehende Beinverletzung ab, die untersucht werden müsse und zudem schon antibiotisch behandelt worden sei. Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, bleibt gänzlich unklar, welches der ohne Untersuchung drohende (weitere) Schaden sein soll. Hinzu kommt, dass sich den [X.] zum einen nicht entnehmen lässt, inwiefern diese Untersuchung nur im Rahmen einer Unterbringung [X.] werden kann. Zum anderen verhält sich die Beschwerdeentscheidung nicht dazu, ob zu erwarten steht, dass die Betroffene einer derartigen ärztlichen Maßnahme nicht widerspricht. Insoweit musste sich die Notwendigkeit entspre-chender Feststellungen
angesichts des Umstands
aufdrängen, dass die Be-troffene bereits sechs
Wochen geschlossen untergebracht war, ohne dass die Untersuchung vorgenommen werden konnte.
Soweit das [X.] die psychische Erkrankung der Betroffenen [X.], hat es daraus im Ergebnis zu Recht nicht den Unterbringungsgrund des §
1906 Abs.
1 Nr.
2 BGB abgeleitet. Denn nach den [X.] hat die Betroffene offensichtlich eine medikamentöse Behandlung verweigert, so dass die Genehmigung der Unterbringung zur Durchführung der Heilbehandlung ge-mäß §
1906 Abs.
1 Nr.
2 BGB nur dann zulässig gewesen wäre, wenn die Vo-raussetzungen für die Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme vorgele-gen hätten und diese rechtswirksam genehmigt worden wäre (Senatsbeschluss 7
8
9
-
5
-
vom 30.
Juli 2014 -
XII
ZB
169/14
-
FamRZ 2014, 1694 Rn.
23).
Jedenfalls Letzteres war aber nicht der Fall.
Auf §
1906 Abs.
1 Nr.
1 BGB hat das [X.] sich -
anders als das Amtsgericht, das die Selbstgefährdung als Unterbringungsgrund genannt hat
-
nicht
gestützt. Soweit in den [X.] erwähnt ist, die zuletzt obdach-lose Betroffene habe sich "bei Einlieferung in einem körperlich verwahrlosten und unterernährten Zustand"
befunden, besagt dies nichts über eine bestehen-de erhebliche Gesundheitsgefährdung, der nur mit einer Unterbringung und nicht etwa auch im Rahmen ambulanter, gegebenenfalls durch die Berufsbe-treuerin zu organisierender Hilfen begegnet werden könnte.
3. Die
Betroffene ist durch die Genehmigung der Unterbringung
in ihrem Freiheitsgrundrecht aus Art.
2 Abs.
2 Satz
2 GG verletzt.
Eine Aufhebung und Zurückverweisung zur Nachholung der [X.] zum Vorliegen eines Unterbringungsgrundes im Sinne
von § 1906 Abs.
1 BGB
kommt nicht in Betracht. Der
Betroffenen ist die Verfahrensfortsetzung nicht zumutbar. Denn eine solche würde sich nach Erledigung der Unterbrin-gung auf erstmalige nachprüfbare Feststellungen zu den materiell-rechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen
richten (vgl. Senatsbeschluss vom 30.
Juli 2014 -
XII
ZB 169/14
-
FamRZ 2014, 1694 Rn.
28).
Das nach §
62 Abs.
1 FamFG erforderliche berechtigte Interesse der
Be-troffenen daran, die Rechtswidrigkeit der -
hier durch Zeitablauf erledigten
-
Ge-nehmigung
der
Unterbringung feststellen zu lassen, liegt vor. Eine
freiheitsent-ziehende Maßnahme bedeutet
stets einen schwerwiegenden Grundrechtsein-griff im Sinne
des §
62 Abs.
2 Nr.
1 FamFG (Senatsbeschluss vom 30.
Juli 2014 -
XII ZB 169/14
-
FamRZ 2014, 1694 Rn.
29).
10
11
12
13
-
6
-
4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß §
74 Abs.
7 FamFG abgesehen.
[X.]Nedden-Boeger

Botur Guhling

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.02.2015 -
663 XVII H 7046 -

LG Hannover, Entscheidung vom 04.03.2015 -
9 [X.] -

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Meta

XII ZB 114/15

02.09.2015

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.09.2015, Az. XII ZB 114/15 (REWIS RS 2015, 5980)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5980

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