Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.02.2007, Az. XII ZR 95/04

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 5018

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/04 Verkündet am: 28. Februar 2007 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja ZPO § 580 Nr. 7 lit. b Im Restitutionsverfahren darf für die Prüfung, ob eine nachträglich aufgefunde-ne Urkunde eine der [X.] günstigere Entscheidung herbeigeführt haben [X.], grundsätzlich nur der Prozessstoff des [X.] in Verbindung mit der Urkunde zugrunde gelegt werden. Deshalb kommt es für den Erfolg des [X.] regelmäßig nicht darauf an, wie sich der Restitutions-beklagte zu den nunmehr unter [X.] gestellten Behauptungen des Revisionsklägers erklärt. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der [X.] eine negative Tatsache urkundlich zu beweisen hat und den [X.] insoweit eine sekundäre Darlegungslast trifft. [X.], Urteil vom 28. Februar 2007 - [X.]/04 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Dezember 2006 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die [X.] Weber-Monecke, [X.] Dr. [X.] und [X.] sowie die [X.] [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 4. Mai 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Kammer-gericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Die [X.]en streiten im Wege der Restitutionsklage um [X.]. 1 Die [X.]en wanderten in den siebziger Jahren aus der ehemaligen [X.] in die [X.] ein und sind zwischenzeitlich [X.] Staatsangehörige. Sie schlossen am 23. Juni 1978 vor dem [X.] in [X.]-Schöneberg die Ehe, aus der ein [X.] hervorgegangen ist. Die [X.]en leben spätestens seit September 1993 getrennt. 2 - 3 - Die Klägerin hat die Feststellung begehrt, dem [X.]n nicht zur Leis-tung von Ehegattenunterhalt verpflichtet zu sein; der [X.] hat widerklagend die Zahlung von Trennungsunterhalt verlangt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage verurteilt, an den [X.]n Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 2.556,46 • zu zahlen. Das Kammer-gericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin mit rechtskräftigem Urteil vom 7. Oktober 2003 zurückgewiesen. 3 Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin, die in einem Verfahren vor dem Amtsgericht die Aufhebung ihrer Ehe betreibt, mit der Restitutionsklage. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: 4 Der [X.], der bei der Eheschließung mit der Klägerin eine Geburts-urkunde mit falschem Geburtsort ([X.]. statt [X.]. ) vorgelegt und an Eides statt versichert hatte, bisher noch nicht verheiratet gewesen zu sein, hatte am 24. Oktober 1966 im [X.]
, [X.]

mit Frau S. [X.] die Ehe geschlossen, aus der ein [X.] hervorgegangen war. 5 Die Klägerin macht geltend, sie habe von der Vorehe des [X.]n erstmals am 7. Dezember 2003 erfahren. Diese Ehe sei nie geschieden [X.]. Sie beruft sich zum Beweis der Schließung der Vorehe auf die am 20. Fe-bruar 2004 erstellte und in Ablichtung vorliegende Zweitschrift einer "Aktennotiz über die Eheschließung Nr. 102 vom 24. Oktober 1966" des Leiters der [X.] Personenstandswesens [X.]

, [X.]
er Bezirk, [X.] . 6 Der [X.] macht geltend, die Vorehe sei - ausweislich der von ihm vorgelegten Ablichtung einer Bescheinigung der Abteilung für Registrierung des Personenstandswesens, [X.]. er Gebietsjustizverwaltung, vom [X.] und der von ihm vorgelegten Ehescheidungsurkunde des [X.] - 4 - amts der [X.] im Gebiet [X.].

vom 26. März 2004 - am 10. Juni 1970 im Standesamt bei der [X.]er [X.] der Stadt [X.]. unter der Aktennotiz Nr. 439, eingetragen im [X.] beim [X.] Standesamt der [X.] im Stadtbezirk M.

von [X.]. , geschieden worden. 8 Die Klägerin hält diese Urkunden für gefälscht und macht geltend, dass in den Akten der Standesämter [X.]. und [X.] eine Scheidung der Ehe des [X.]n mit Frau [X.]nicht vermerkt sei. Sie beruft sich hierfür auf Auskünfte eines Freundes in [X.]. sowie auf ein gegen den [X.]n beim Bezirksgericht [X.]. eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfäl-schung und auf eine in diesem Rahmen vom Standesamt [X.]. erteilte [X.], dass eine Aktennotiz mit der Nr. 439 über eine am 10. Juni 1970 erfolgte Scheidung des [X.]n mit Frau Sa.

nicht vorhanden sei. Sie beantragt die Beiziehung der Personenstandsakte des [X.]n beim Standesamt der [X.]er Gebietsverwaltung [richtig: [X.]] der Stadt [X.]. , der Eheschließungsakte beim Standesamt [X.]

sowie der vom Be-zirksgericht [X.]. angelegten Ermittlungsakte. Das [X.] hat die Restitutionsklage abgewiesen. Mit der zuge-lassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Wiederaufnahmebegehren weiter. 9 Entscheidungsgründe: Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]. 10 - 5 - [X.] 11 1. Die auf § 580 Nr. 7 lit. b ZPO gestützte Restitutionsklage, mit der die Klägerin geltend macht, der [X.] habe mit ihrer Eheschließung gegen das [X.] verstoßen, ist nach Ansicht des [X.] zu-lässig. Die Klägerin habe glaubhaft gemacht, von der früheren Eheschließung des [X.]n erst am 7. Dezember 2003 durch eine Mitteilung ihres [X.]es und am 9. Dezember 2003 durch das Auffinden einer entsprechenden Heirats-urkunde des Standesamtes [X.]. Kenntnis erlangt zu haben. Dieses [X.] habe der [X.] nicht substantiiert bestritten. Er habe insbesondere nicht näher dargelegt, wann und bei welcher Gelegenheit er die Klägerin über seine Ehe mit Frau [X.]und damit über die Unrichtigkeit seiner bei der Eheschließung der [X.]en abgegebenen eidesstattlichen Versicherung [X.] haben wolle. Da nach Auffassung der Klägerin die Aktennotiz über die Eheschließung und die aus dem Heiratsregister des Standesamtes Schöneberg beigezogene falsche eidesstattliche Versicherung des [X.]n den [X.] der Ehe belegen sollten, sei die Klage statthaft, ohne dass es insoweit darauf ankomme, ob diesen Urkunden tatsächlich der ihnen von der Klägerin beigemessene Beweiswert für das Vorliegen einer [X.] zukomme. Die Klägerin habe auch schlüssig behauptet, dass die mit der Urkunde zu bewei-sende [X.] des [X.]n geeignet gewesen wäre, im Vorprozess eine für sie, die Klägerin, günstigere Entscheidung herbeizuführen. Denn in diesem Falle könnten Ansprüche des [X.]n gegen die Klägerin auf [X.] nur beschränkt bestehen; dabei könne offen bleiben, ob dies aus der un-mittelbar nur für den nachehelichen Unterhalt geltenden Vorschrift des § 1318 Abs. 2 BGB oder aber aus § 1361 Abs. 3 i.V.m. § 1579 Abs. 2 Nr. 6, 7 BGB fol-ge. Im Übrigen entfiele die Bedürftigkeit des [X.]n, wenn er seinen Unter-haltsbedarf aufgrund eines gegen die erste Ehefrau gerichteten Anspruchs auf Familienunterhalt gemäß § 1360 BGB befriedigen könne. - 6 - Diese Ausführungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Auch die Revi-sion erinnert gegen diese - ihr günstigen - Darlegungen nichts. 12 13 2. Nach Auffassung des [X.] ist die [X.] nicht begründet. 14 Die Klägerin habe keine Urkunden vorgelegt oder in Bezug genommen, die, wären sie bereits im Vorprozess eingeführt worden, unter Berücksichtigung des zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorhandenen Prozess-stoffs eine für sie günstigere Entscheidung herbeigeführt hätten. Da die Kläge-rin im Vorprozess zu einer [X.] des [X.]n nicht vorgetragen habe, könne der Tatbestand der [X.] allein durch den Inhalt neu aufgefundener bzw. benutzbar gewordener Urkunden bewiesen werden, wobei die - für den Restitutionsgrund in vollem Umfang beweispflichtige - Klägerin letztlich im We-ge des [X.] eine [X.] beweisen müsse, nämlich den Umstand, dass die erste Ehe des [X.]n im Zeitpunkt seiner Eheschließung mit der Klägerin noch nicht geschieden gewesen sei. Diesen [X.] habe die Klägerin nicht erbracht: Die Aktennotiz über die Eheschließung Nr. 102 vom 24. Oktober 1966 erschöpfe sich in der Erklärung, dass der [X.] am 24. Oktober 1966 Frau [X.] geheiratet habe; über den Fortbestand dieser Ehe besage diese Ur-kunde nichts. Aus der bei der Eheschließung der [X.]en abgegebenen fal-schen eidesstattlichen Versicherung des [X.]n ergebe sich nichts anderes, ebensowenig aus dessen einen falschen Geburtsort ([X.]. ) bezeichnenden Geburtsurkunde, für deren behauptete Fälschung die Klägerin keinen taugli-chen Beweis angetreten habe. Dasselbe gelte für die vom [X.]n vorgeleg-ten Bescheinigungen über die Scheidung seiner Ehe mit Frau Sa. . Auch wenn, wie die Klägerin geltend mache, diese Urkunden gefälscht seien, ergebe 15 - 7 - sich daraus noch nicht, dass die Ehe des [X.]n - entgegen dem [X.] - nicht geschieden worden sei. Allenfalls aus dem [X.] als solchem könne sich ein Indizwert für ein unlauteres Verhalten des [X.]n ableiten lassen. Allerdings sei in beiden Urkunden kein stichhaltiger Anhalt für eine Fälschung zu erkennen. Auch spreche entscheidend gegen das Vorliegen einer [X.], dass die erste Ehefrau des [X.]n noch vor ihrer Über-siedlung in die [X.] in [X.].

erneut geheiratet habe; dass die Standesbeamten in [X.]. dabei eine noch bestehende Ehe der Frau [X.]übersehen hätten, sei zwar nicht auszuschließen, erscheine aber eher unwahr-scheinlich. Soweit sich die Klägerin zum Nachweis der von ihr behaupteten [X.] des [X.]n auf die Personenstandsakte des [X.]n beim Standes-amt der [X.]er [X.] der Stadt [X.]. und auf die [X.] beim Standesamt [X.]

berufe, fehle es an einem substan-tiierten Beweisantritt; die beantragte Beiziehung dieser Akten laufe auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus. Eine behördliche Akte könne zwar eine sog. Gesamturkunde darstellen, wenn die Zusammenfassung mehrerer Einzelurkunden den Zweck habe, gewisse zwischen den Beteiligten [X.] rechtliche Beziehungen erschöpfend anzugeben und so über einen ganzen Kreis von Rechtsbeziehungen eine vollständige Auskunft zu geben; eine solche Urkunde könne auch über das, was zwischen den Beteiligten dieses [X.] nicht geschehen sei, Beweis liefern. Zu den - auch tatsächlichen - Vorausset-zungen für das Vorliegen einer solchen Gesamturkunde habe die Klägerin [X.] nichts vorgetragen; sie habe insbesondere nicht dargetan, ob die [X.] die für eine Gesamturkunde erforderliche feste und dauerhafte Verbindung aufwiesen und woraus sich vor allem ein Anspruch auf deren Voll-ständigkeit ergeben könne. 16 - 8 - 3. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 17 18 a) Die Wiederaufnahme eines durch rechtkräftiges Endurteil abgeschlos-senen Verfahrens wird nach § 580 Nr. 7 lit. b ZPO nur zugelassen, wenn nach-träglich eine Urkunde aufgefunden wird, die zu einer für den Wiederaufnahme-kläger günstigeren Entscheidung des [X.] geführt haben würde. [X.] des [X.] hat sich danach die Frage vorzulegen, wie der Vorprozess zu entscheiden gewesen wäre, wenn außer dem gesamten Pro-zessstoff, wie er im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des [X.] vorlag, auch noch die jetzt beigebrachte Urkunde berücksichtigt worden wäre ([X.] 6, 354, 355). Daraus wird gefolgert, dass für die Prüfung, ob eine nachträglich aufge-fundene Urkunde eine der [X.] "günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde", grundsätzlich nur der Prozessstoff des [X.] in Verbindung mit der Urkunde, d.h. mit dem in ihr verkörperten Gedankeninhalt und mit ihrem urkundlichen Beweiswert, zugrunde gelegt werden darf ([X.] 38, 333, 337; vgl. auch [X.] 6, 354, 356). Deshalb können Tatsachen, die bereits im Zeit-punkt der Erstentscheidung vorgelegen hätten, aber erst anlässlich der [X.] zutage getreten seien, auch dann keine Berücksichtigung finden, wenn sie vom Restitutionsbeklagten zugestanden würden. Für den [X.] komme es nicht darauf an, wie sich der [X.] zu den nunmehr unter [X.] gestellten Behauptungen des [X.] erkläre; die Restitutionsklage müsse vielmehr losgelöst vom prozessualen Verhalten des Restitutionsbeklagten begründet sein. 19 Diese Grundsätze erfahren allerdings dort eine Einschränkung, wo dies notwendig erscheint, um dem [X.] eine sinnvolle Prüfung der Frage, ob die nachträglich aufgefundene Urkunde eine andere Entscheidung 20 - 9 - des [X.] hätte herbeiführen können, überhaupt erst zu ermöglichen. So soll nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung der Vortrag neuer Tatsachen im Wiederaufnahmeverfahren auch insoweit zuzulassen sein, als diese in unmittelbarem Zusammenhang mit der durch die Urkunde bewiesenen Tatsache stehen und erst nach Kenntnis von und im Zusammenhang mit dieser Tatsache sinnvoll vorgetragen werden können; denn dem [X.] könne nicht angelastet werden, im Erstverfahren Tatsachen nicht vorgetragen zu haben, auf die es vom damaligen Kenntnisstand aus nicht angekommen sei ([X.] ZPO 21. Aufl. § 580 Rdn. 33). Ob mit dieser Formulierung die Grenzen des zulässigen Vortrags neuer Tatsachen im Wiederaufnahmever-fahren allgemein zutreffend beschrieben werden, kann hier dahinstehen. [X.] erscheint es nicht angängig, die Einlassung des Restitutionsbeklagten im Wiederaufnahmeverfahren auch dann generell außer Betracht zu lassen, wenn der im Vorprozess auf Widerklage verurteilte [X.] gegen den Klaganspruch eine Einwendung erhebt, die auf der Behauptung einer posi-tiven Tatsache (hier: Eingehung der Erstehe) und einer negativen Tatsache (keine Auflösung dieser ersten Ehe bei Eingehung der zweiten Ehe) beruht und hinsichtlich der positiven Tatsache durch eine nachträglich aufgefundene Ur-kunde belegt werden soll. Hätte der [X.] diese Urkunde bereits in den Vorprozess eingeführt, hätte den Prozessgegner nach der Rechtsprechung des [X.] hinsichtlich der dann zu [X.] negativen [X.] (hier: keine Auflösung der ersten Ehe) eine sogenannte sekundäre Dar-legungslast getroffen. Im vorliegenden Fall hätte also der Ehemann ([X.]) im Vorprozess dartun müssen, welche tatsächlichen Umstände für die Scheidung seiner ersten Ehe sprechen. Die Ehefrau ([X.]in) hätte dann ih-rerseits den Beweis für den Fortbestand seiner ersten Ehe dadurch erbringen 21 - 10 - können, dass sie diese Darlegung des Ehemannes widerlegt hätte (st. Rspr. vgl. die Nachw. bei [X.]/[X.], ZPO 25. Aufl. vor § 284 Rdn. 24, 34). 22 Diese Möglichkeit kann der Ehefrau nach dem Sinn und Zweck des [X.] dann nicht genommen werden, wenn sie - neben der neu aufgefundenen Urkunde über die Schließung einer ersten Ehe ihres Ehe-mannes - über eine weitere nachträglich aufgefundene Urkunde verfügt, die möglicherweise geeignet ist, dessen Darlegung über die Scheidung seiner [X.] Ehe zu widerlegen. Beide Urkunden sind in solchem Fall zusammenge-nommen geeignet, einen Widerspruch zwischen der durch die Urkunden beleg-ten Rechtslage und dem im Vorprozess ergangenen Urteil offenkundig werden zu lassen (vgl. [X.] 38, 333, 336; "augenfällig"). Dass dieser Widerspruch erst dann augenfällig wird, wenn man die dem Urkundeninhalt entgegenstehenden Behauptungen des Ehemannes mit berücksichtigt, liegt in der Natur des von der Ehefrau zu führenden [X.] über den Fortbestand der Erstehe, also über das Nichtvorliegen der vom Ehemann behaupteten Scheidung. Ein solcher Negativbeweis ist nach Sinn und Zweck des § 580 Nr. 7 lit. b ZPO vom [X.] dieses [X.] nicht schlechthin ausgenom-men. Er kann aber nur dann geführt werden, wenn man dem Restitutionsbe-klagten (hier: dem Ehemann) auch im Wiederaufnahmeverfahren eine sekundä-re Darlegungslast auferlegt. Im vorliegenden Fall war die Ehefrau folglich nicht gehindert, im Wege des [X.]es geltend zu machen, dass die erste Ehe des [X.]n jedenfalls nicht zu dem Zeitpunkt und von der Behörde, die in den vom [X.]n vorgelegten Urkunden genannt sind, geschieden worden ist. b) Den insoweit erforderlichen [X.] hat die Klägerin und Re-visionsklägerin allerdings nicht schon dadurch angetreten, dass sie geltend ge-macht hat, die vom [X.]n vorgelegten Urkunden seien gefälscht. 23 - 11 - Denn auch wenn der [X.] die Bescheinigung über seine Eheschei-dung und die Ehescheidungsurkunde gefälscht hätte, käme diesen Urkunden für die Scheidung seiner ersten Ehe kein urkundlicher Beweiswert zu. Damit wäre aber der der Klägerin obliegende Beweis des Gegenteils - also des Fort-bestands der ersten Ehe des [X.]n - noch nicht erbracht. Die Frage, ob eine dem [X.]n anzulastende Fälschung dieser Urkunden als Hilfstatsache geeignet wäre, die Glaubwürdigkeit des [X.]n zu erschüttern und auch [X.] über die Scheidung seiner ersten Ehe als widerlegt anzuse-hen, kann offen bleiben. Denn ein solcher [X.] wäre jedenfalls nicht durch die besondere urkundliche Beweiskraft der (gefälschten) Urkunden ge-führt. Für die von § 580 Nr. 7 lit. b ZPO geforderte Prüfung, ob der Vorprozess bei rechtzeitiger Einführung dieser (gefälschten und deshalb nur als Augen-scheinsobjekte für den [X.] verwertbaren) Urkunden zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis geführt hätte, bliebe dieser [X.] deshalb außer Betracht. 24 c) Auch hat die Klägerin den ihr obliegenden [X.] nicht schon durch die vorgelegte Ablichtung einer Mitteilung angetreten, die das Standesamt [X.]. an das Bezirksgericht [X.]. zu einem dort gegen den [X.] eingeleiteten Ermittlungsverfahren gerichtet haben soll. Darin teilt der Leiter des Standesamtes [X.]. auf Nachfrage mit, dass die "Aktennotiz unter der Nr. 439 über die Ehescheidung der Bürger [X.]

, [X.]. , und [X.] , [X.]. , vom 10.6.1970, Nr. 439, nicht vorhanden ist". Zum einen lässt diese Mitteilung - jedenfalls für sich genommen - offen, ob und wa-rum aus dem Nichtvorhandensein dieser Aktennotiz zu schließen ist, dass sie niemals errichtet worden ist und die Ehe des [X.]n deshalb auch nicht ge-schieden worden ist. Zum anderen dürfte es sich bei der Mitteilung des Be-zirksgerichts [X.]. nicht um eine Urkunde handeln, die geeignet und bestimmt ist, über den Fortbestand der ersten Ehe des [X.]n oder doch über das 25 - 12 - Nichtvorhandensein einer seine Scheidung dokumentierenden Aktennotiz [X.] zu erbringen. 26 d) Indes hat die Klägerin für den behaupteten Fortbestand der ersten Ehe [X.] gemäß § 580 Nr. 7 lit. b ZPO ordnungsgemäß dadurch angeboten, dass sie die Beiziehung der Personenstandsakte des [X.]n beim Standesamt der Stadt [X.]. beantragt hat. Diese Akte ist geeignet, ur-kundlich zu belegen, dass die erste Ehe des [X.]n nicht, wie von ihm be-hauptet, am 10. Juni 1970 im Zuständigkeitsbereich des Standesamts [X.]. oder einem der dortigen [X.] geschieden worden ist. Ein [X.] kann auch durch den Antrag angetreten werden, eine öffentliche Behörde, in deren Händen sich die Urkunde nach der Behaup-tung des [X.] befindet, um die Mitteilung der Urkunde zu ersuchen (§ 432 ZPO); dies gilt auch für Urkunden in Händen ausländischer Behörden. Ein solcher Antrag unterliegt zwar nicht den in §§ 424, 428, 430 ZPO genann-ten Voraussetzungen. Er muss jedoch substantiiert erfolgen und deshalb die Urkunde, ihren Inhalt und die durch sie zu [X.] Tatsachen möglichst genau bezeichnen. Dem wird der Antrag der Klägerin - entgegen der Auffas-sung des [X.] - gerecht. 27 [X.] des [X.]n kann, wie das [X.] zu Recht bemerkt, über die Tatsache, dass die erste Ehe des [X.]n nicht ge-schieden worden ist, zwar nur dann einen [X.] erbringen, wenn diese Akte sich als eine Gesamturkunde darstellt. Die Akte müsste also geeig-net und bestimmt sein, nicht nur über den Eintritt der in ihr dokumentierten per-sonenstandsrechtlichen Vorgänge, sondern auch über den [X.] solcher Tatsachen Beweis zu erbringen, die in ihr hätten vermerkt werden müssen, 28 - 13 - aber in ihr nicht dokumentiert worden sind. Eine solche negative Beweiskraft der Personenstandsakte hat die Klägerin behauptet. 29 Die Fragen, ob diese Behauptung hinreichend substantiiert ist und ob die danach beizuziehenden Akten hinreichend genau bezeichnet sind, lassen sich nicht ohne Berücksichtigung des Vortrags des [X.]n beurteilen, den für die von ihm behauptete Scheidung seiner ersten Ehe, wie ausgeführt, eine sekun-däre Darlegungslast trifft. Denn der Klägerin, die die Darlegungen des [X.] urkundlich widerlegen muss, kann für ihren [X.] kein höheres Maß an Präzision abverlangt werden als ihr nach dem Vortrag des [X.]n möglich und zumutbar ist, sofern nur die Urkunden aufgrund ihrer Benennung durch die Klägerin überhaupt individualisierbar und beschaffbar sind. Dabei sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: Die Klägerin hat geltend gemacht, der [X.] sei in [X.]. geboren, habe aber bei der Eheschließung der [X.]en bewusst einen unrichtigen [X.], nämlich [X.]., angegeben und eine gefälschte Geburtsurkunde vorge-legt, um Nachforschungen nach seiner ersten Ehe zu vereiteln. Nach den Fest-stellungen des [X.] hat der [X.] bei der Eheschließung der [X.]en an Eides statt versichert, bisher noch nie verheiratet gewesen zu sein. Zugleich hat er bei der Eheschließung mit der Klägerin eine Geburtsurkunde vorgelegt, die als Geburtsort und als Ort der Registrierung seiner Geburt die Stadt [X.]. ausweist. Nach zwei Bescheinigungen, deren eine der [X.] selbst vorgelegt hat, ist die Geburt des [X.]n demgegenüber im Geburtsre-gister der Stadt [X.]. eingetragen; als Geburtsort wird in beiden Bescheini-gungen [X.]. genannt. Die Stadt [X.]. ist auch in der von der Klägerin vorgelegten Urkunde über die erste Eheschließung des [X.]n als dessen Geburtsort angegeben. 30 - 14 - Außerdem hat die Klägerin geltend gemacht, eine etwaige Scheidung des [X.]n hätte in den Personenstandsakten des Standesamtes [X.]. registriert sein müssen. Das sei indes nicht der Fall. Eine vom [X.]n nur als Ablichtung einer Übersetzung vorgelegte Bescheinigung Nr. 3547/09-85 der Abteilung für Registrierung des Personenstandswesens der [X.]. er [X.] vom 21. September 2000 weist aus, dass die erste Ehe des [X.]n am 10. Juni 1970 im Standesamt bei der [X.]

er [X.] unter der Aktennotiz Nr. 439 geschieden worden sei. Nach einer eben-falls vom [X.]n in Ablichtung vorgelegten "Ehescheidungsurkunde" soll dessen erste Ehe am 10. Juni 1970 geschieden und hierüber im [X.] die Eintragung unter der Nr. 439 vorgenommen worden sein; als Eintragungsstelle wird das Zweite Standesamt der [X.] im Stadtbezirk [X.]

von [X.]. , als die Urkunde ausstellende Behörde das Standesamt der [X.] im Gebiet [X.]. bezeichnet. Diese "Ehescheidungsurkunde" trägt das Ausstellungsdatum 26. März 2004. Beide Urkunden sind von einer Mitarbeiterin mit dem Namen "Go. " [X.], die in der erstgenannten Bescheinigung als Archivleiter, in der zweit-genannten Urkunde als Standesbeamter bezeichnet wird. Die Klägerin hat die Echtheit dieser Urkunden bestritten. Sie hat sich hierfür auf eine Mitteilung des Standesamtes [X.]. an das Bezirksgericht [X.]. in einem von diesem gegen den [X.]n eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung bezogen; nach dieser Mitteilung ist eine Aktennotiz Nr. 439 über die Scheidung der ersten Ehe des [X.]n nicht vorhanden. Außerdem hat die Klägerin ein ihr von der [X.] [X.] erteiltes Gutachten vorge-legt, nach der die vom [X.]n vorgelegte angebliche Bescheinigung Nr. 3547/09-85 der Abteilung für Registrierung des Personenstandswesens der [X.]. er Gebietsjustizverwaltung vom 21. September 2000 nicht der Form entspreche, die im Jahre 2000 vom [X.] [X.] für derartige 31 - 15 - Bescheinigungen vorgeschrieben war. Dies hätten Mitarbeiter des Standesamts der [X.] des Gebiets [X.].

aufgrund der ihnen in Ablichtung überlassenen Bescheinigung mitgeteilt. Zudem fehlten in der Bescheinigung Angaben über die [X.]nder aus der angeblich geschiedenen Ehe; diese Angaben seien jedoch ein integraler Bestandteil einer solchen Bescheinigung. 32 Der [X.] ist dem Vorwurf einer bewussten Irreführung über seinen wahren Geburtsort mit der Behauptung entgegengetreten, er sei in [X.]. gebo-ren, die Geburt sei jedoch später in [X.]. registriert worden. Im Übrigen hat der [X.], der die Echtheit der von ihm vorgelegten Unterlagen behauptet, sich zu den Darlegungen der Klägerin darauf beschränkt zu bestreiten, dass eine im Bezirk des Standesamtes [X.].

erfolgte Scheidung in den dortigen Personenstandsakten registriert sein müsse. Außerdem hat er in Abrede ge-stellt, dass beim Bezirksgericht [X.].

ein Ermittlungsverfahren wegen [X.] anhängig gewesen sei, das Bezirksgericht [X.]. beim Standesamt [X.]. Nachforschungen angestellt habe und die Bescheinigung des Standes-amts [X.]. den richtigen Inhalt der Urkunde des Standesamts wiedergebe. Ferner hat er bestritten, dass die [X.] [X.], deren Gutachten die Klägerin vorgelegt habe, einer Rechtsanwaltskammer vergleich-bar und der Aussteller dieser Urkunde Rechtsanwalt sei und dieser Kammer angehöre. Es kann dahinstehen, ob der [X.] mit dieser Einlassung seiner se-kundären Darlegungslast genügt. Seine Behauptung, in [X.]. geboren zu sein, wird durch die - auch von ihm selbst vorgelegte - Bescheinigung über den Inhalt des Geburtenregisters der Stadt [X.]. nicht gestützt. Seine Darlegungen über seine Ehescheidung lassen offen, warum seine erste Ehe danach 1970 im Standesamt bei der [X.] er [X.] geschieden werden konnte, obwohl aus dieser Ehe ein [X.]nd hervorgegangen ist und nach Art. 38 33 - 16 - i.V.m. Art. 41 des [X.] Ehe- und Familienkodexes vom 20. Juni 1969 grundsätzlich nur bei einer kinderlosen Ehe die Scheidung durch die Organe der Eintragung von Zivilstandsakten erfolgen könne (vgl. im Einzelnen Berg-mann/[X.], Internationales Ehe- und [X.]ndschaftsrecht, Loseblattausgabe, Stand 2006, [X.] S. 21 f.). Ferner lässt sein Vortrag die Frage unbeantwor-tet, warum eine im Standesamt bei der [X.] im Bezirk [X.] von [X.]. erfolgte Scheidung im [X.] Standesamt bei der [X.] im Bezirk [X.] von [X.]. eingetragen sein soll. Auch wenn man die [X.] des [X.]n als nicht zwingend widersprüchlich und sein pauschales Bestreiten der von der Klägerin urkundlich vorgetragenen Tatsachen als im Rahmen der sekundären Beweislast ausreichend ansehen wollte, so rechtferti-gen die Unklarheiten im Vorbringen des [X.]n es jedoch, den von der Klä-gerin angebotenen [X.] als für die Einleitung eines Restitutionsver-fahrens ausreichend anzusehen. Ist, wie der [X.] geltend macht, seine ers-te Ehe 1970 im Standesamt bei der [X.]

er [X.] geschie-den worden, so dürfte sich in den Personenstandsakten dieses Standesamtes eine Beurkundung dieser Scheidung finden. Aus dem Fehlen einer [X.] Beurkundung dürfte sich umgekehrt urkundlich schließen lassen, dass eine Scheidung der ersten Ehe des [X.]n in diesem Standesamt zu dem genannten Zeitpunkt nicht erfolgt ist. Dem trägt der Beweisantrag der Klägerin, welche die Beiziehung der im Standesamt bei der [X.] er [X.] bestehenden Personenstandsakten begehrt, Rechnung. Welche Be-deutung daneben der angeblichen Eintragung der Ehescheidung im [X.] Standesamt bei der [X.] im Bezirk [X.]
von [X.]. [X.] soll, erschließt sich dem Senat nicht. Diese Unklarheit aufzuklären war Sache des [X.]n. Da er eine solche Klärung unterlassen hat, hat er der Klägerin zugleich die Möglichkeit einer weiteren Präzisierung ihres [X.] 17 - trags genommen. Dies kann der mit einem [X.] belasteten Klägerin im Rahmen des [X.] nicht zum Nachteil gereichen.
I[X.] 34 Die Sache war daher an das [X.] zurückzuverweisen, damit es die Hauptsache gemäß § 590 Abs. 1 ZPO von neuem verhandelt. Bei dieser Verhandlung mag der [X.] zu der von ihm behaupteten Scheidung seiner ersten Ehe im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast näher vortragen. Die Klägerin erhält ihrerseits die Möglichkeit, ihr [X.] - gegebenenfalls unter Berücksichtigung eines vertieften Vortrags des [X.]n - noch weiter-gehend zu konkretisieren. Soweit der [X.] von der ihm damit eröffneten Möglichkeit keinen Gebrauch macht, wird sich die Klägerin auf ihren bisherigen Vortrag beschränken können. Sie wird zugleich zu erwägen haben, ob es sich - 18 - auch empfiehlt, ihr [X.] um die Beiziehung der beim [X.] Stan-desamt bei der [X.] im Bezirk M.

von [X.].

befindli-chen Personenstandsakten über den [X.]n zu ergänzen. Hahne Weber-Monecke [X.] [X.] Vézina
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 20.03.2003 - 163 [X.]/00 - KG [X.], Entscheidung vom 04.05.2004 - 13 UF 1/04 -

Meta

XII ZR 95/04

28.02.2007

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.02.2007, Az. XII ZR 95/04 (REWIS RS 2007, 5018)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 5018

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