Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.05.2023, Az. BLw 1/22

Senat für Landwirtschaftssachen | REWIS RS 2023, 3806

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Gegenstand

Beschwerde gegen Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts in Niedersachen statthaft


Leitsatz

Gegen den Beschluss des Landwirtschaftsgerichts, durch den die zur Erteilung eines Hoffolgezeugnisses erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet werden, ist in Niedersachsen die Beschwerde nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft. Sie wird nicht durch § 72 Abs. 1 NJG ausgeschlossen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats - [X.] Landwirtschaftssachen - des [X.] vom 5. Juli 2022 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor dieses Beschlusses wie folgt ergänzt wird:

Der Antrag der Beteiligten zu 1 auf Erteilung eines sie als Hoferbin ausweisenden [X.] wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1 trägt die Kosten des [X.] einschließlich der außergerichtlichen Kosten der übrigen Beteiligten.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 250.000 €; die Wertfestsetzungen des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - [X.] vom 13. Oktober 2021 und des 7. Zivilsenats - [X.] Landwirtschaftssachen - des [X.] vom 5. Juli 2022 - werden geändert und der Gegenstandswert insoweit ebenfalls auf 250.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

[X.] (nachfolgend: Erblasser) war Eigentümer des in dem Eingang dieses Beschlusses näher bezeichneten und in [X.] belegenen Hofes. Es handelt sich um einen Hof im Sinne der Höfeordnung, für den im Grundbuch ein Hofvermerk eingetragen ist. [X.]er als Nebenerwerb geführte Betrieb, auf dem Rinder als Pensionstiere gehalten werden, hat - einschließlich Pachtland - bewirtschaftete Flächen von rund 40 ha. [X.]er Hof war seit vielen Jahren verpachtet, zuletzt an die Ehefrau des Beteiligten zu 2. [X.] setzte der Erblasser die Beteiligte zu 1 in einem notariellen Testament als seine Alleinerbin ein. [X.]em Beteiligten zu 2 vermachte er etwa 3 ha Grünland und die Nutzung der Hofstelle. [X.]aneben bestimmte er, dass der Beteiligte zu 2 die Hofstelle - solange er Vieh halte - gegen Zahlung einer jährlichen Pacht von 2.000 € an die Beteiligte zu 1 weiter nutzen dürfe. Am 30. [X.]ezember 2017 verstarb der Erblasser.

2

Mit ihrem Antrag verlangt die Beteiligte zu 1 - soweit noch von Interesse - die Erteilung eines sie als Hoferbin ausweisenden [X.]. [X.]as Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - hat die hierfür erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2 hat das [X.] - [X.] - den Beschluss aufgehoben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung der Beteiligte zu 2 beantragt, erstrebt die Beteiligte zu 1 vorrangig die Verwerfung der Beschwerde des Beteiligten zu 2 als unzulässig und hilfsweise die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und die Zurückverweisung an das Beschwerdegericht.

II.

3

[X.]as Beschwerdegericht sieht die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den [X.] des [X.] gemäß § 58 Abs. 1 FamFG als statthaft an. Zwar habe [X.] von der Ermächtigung des § 20 Abs. 3 [X.] Gebrauch gemacht und in § 72 Abs. 1 [X.] angeordnet, dass in den Verfahren über die Erteilung eines Erbscheins, für die die [X.] zuständig seien, unter anderem § 58 FamFG keine Anwendung finde. § 72 Abs. 1 [X.] sei jedoch einschränkend dahin auszulegen, dass der Ausschluss des § 58 FamFG für Feststellungsbeschlüsse nach § 352e FamFG wie den vorliegenden nicht gelte. [X.]ie Beschwerde sei auch begründet. [X.]ie Beteiligte zu 1 habe nicht zur Hoferbin bestimmt werden können, da sie zum Zeitpunkt des Erbfalls wirtschaftsunfähig gewesen sei (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 [X.]). [X.]ie Wirtschaftsunfähigkeit der Beteiligten zu 1 sei auch nicht ausnahmsweise gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] unerheblich, da von den übrigen Geschwistern jedenfalls der Beteiligte zu 2 wirtschaftsfähig sei. [X.]eshalb sei ihr das beantragte [X.] nicht zu erteilen.

III.

4

[X.]ie Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 bleibt ohne Erfolg.

5

1. [X.]ie Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie gemäß § 1 Abs. 1 HöfeVfO, § 9 [X.], § 70 Abs. 1 FamFG statthaft. Hierfür genügt grundsätzlich, dass das Beschwerdegericht - wie hier - die Rechtsbeschwerde in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat. An diese Zulassung ist der [X.] gemäß § 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG gebunden.

6

a) Etwas Anderes gälte nur dann, wenn die Entscheidung des [X.] nach dem Gesetz der Anfechtung generell entzogen wäre. Eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung kann auch nicht durch Zulassung einer Anfechtung unterworfen werden. [X.]ie Rechtsbeschwerde ist in diesem Fall selbst dann unzulässig, wenn das Beschwerdegericht sie eigens zur Klärung der [X.] zugelassen hat (st. Rspr., vgl. [X.], Beschluss vom 15. September 2022 - [X.], NJW-RR 2022, 1533 Rn. 5 mwN). [X.]ies gilt erst recht, wenn schon das Rechtsmittel zum Beschwerdegericht nicht statthaft war (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Mai 2012 - [X.] 417/11, NJW-RR 2012, 1156 Rn. 4 mwN). [X.]eshalb könnte die Beteiligte zu 1 ihr mit der Rechtsbeschwerde vorrangig erstrebtes Rechtsschutzziel der Verwerfung der Beschwerde des Beteiligten zu 2 selbst dann nicht erreichen, wenn diese Beschwerde unstatthaft wäre.

7

b) So liegt der Fall aber nicht, weil die Entscheidung des [X.] der Beschwerde nach § 58 Abs. 1 FamFG unterliegt. Hiervon geht das Beschwerdegericht zutreffend aus.

8

aa) Allerdings ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob in [X.] von [X.]n nach § 352e Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG erlassene Feststellungsbeschlüsse mit der Beschwerde angegriffen werden können.

9

(1) Ausgangspunkt der Kontroverse ist § 20 Abs. 3 [X.]. Nach dieser Ermächtigungsnorm können die Länder bestimmen, dass die Entscheidung über die Erteilung eines Erbscheins ohne Zuziehung [X.] erfolgen kann und dass insoweit § 14 Abs. 2 und § 30 [X.] sowie § 38 Abs. 3, §§ 39, 41 Abs. 1 Satz 2, §§ 58 und 66 FamFG keine Anwendung finden, so dass unter anderem die [X.] der Beschwerde nach § 58 FamFG ausgeschlossen wäre. Von dieser Ermächtigung hat der [X.] Landesgesetzgeber Gebrauch gemacht. Gemäß § 72 Abs. 1 des [X.]n Justizgesetzes ([X.]) findet unter anderem § 58 FamFG in den Verfahren über die Erteilung eines Erbscheins, für die die [X.] zuständig sind, keine Anwendung. Gemäß § 18 Abs. 1, Abs. 2 [X.], § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind die [X.] unter anderem für die Erteilung von [X.]sen zuständig, d.h. von Erbscheinen, die sich auf die Hoferbfolge beschränken und den [X.] ausweisen (vgl. [X.]/v. Jeinsen/[X.], [X.], 11. Aufl., § 18 Rn. 10). In diesen Verfahren kann das Landwirtschaftsgericht einen [X.] nach § 352e Abs. 1 Sätze 1 und 2 FamFG erlassen.

(2) [X.]iese Gesetzeslage soll nach teilweiser vertretener Auffassung, der auch das Beschwerdegericht folgt, der [X.] einer Beschwerde gemäß § 58 FamFG nicht entgegenstehen. Feststellungsbeschlüsse nach § 352e Abs. 1 Sätze 1 und 2 FamFG seien nämlich vom Anwendungsbereich des § 72 Abs. 1 [X.] auszunehmen. [X.]ie Ermächtigung in § 20 Abs. 3 [X.] umfasse sie nicht, da nach deren Wortlaut nur die eigentliche Erteilung des Erbscheins gemeint sei. [X.]er Gesetzgeber des [X.] (nachfolgend: [X.]) habe nicht eine Kernbestimmung des neuen Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) für Erbscheinsverfahren in [X.] außer [X.] setzen, sondern lediglich § 20 Abs. 3 [X.] an das neue Recht anpassen wollen (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Januar 2016 - 2 W 49/15, juris Rn. 33, 35; [X.], Beschluss vom 15. Juni 2020 - 7 W 37/19, juris Rn. 39; [X.], Erbschein - Erbscheinsverfahren - Europäisches Nachlasszeugnis, 4. Aufl., Rn. 545).

(3) Andere lehnen eine solche einschränkende Auslegung des § 72 Abs. 1 [X.] ab. Sie wi[X.]preche dem Wortlaut der Vorschrift und führe zu einer Aushöhlung des darin geregelten [X.]. [X.]ie eigentliche Erteilung des Erbscheins unterliege als bloße Vollziehung des vorangegangenen [X.]es ohnehin nicht der Beschwerde. [X.]a auch die Möglichkeit eines Feststellungsverfahren gemäß § 11 HöfeVfO bestehe, die zudem den Vorteil biete, dass die Hoferbfolge rechtskräftig festgestellt werde, bedürfe es keiner gesonderten Beschwerde gegen den [X.]. Andernfalls komme es zu einer doppelten Prüfung der Hoferbfolge. Schließlich entspreche die Abschaffung der Beschwerde auch dem historischen Willen des Gesetzgebers, der den in § 5 NAG[X.] aF geregelten Ausschluss der sofortigen Beschwerde in § 72 Abs. 1 [X.] habe übernehmen wollen (vgl. [X.], [X.]. [X.]. 2019, 345 f.; zu § 107 [X.] [X.]: [X.]/[X.] [15.8.2022], § 107 [X.] [X.] Rn. 1; [X.]/v. Jeinsen/[X.], [X.], 11. Aufl., § 18 Rn. 63).

bb) Im Ergebnis richtig ist die unter (2) genannte Ansicht. Gegen den Beschluss des [X.], durch den die zur Erteilung eines [X.] erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet werden, ist in [X.] die Beschwerde nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft. Sie wird nicht durch § 72 Abs. 1 [X.] ausgeschlossen. [X.]ies folgt zwar nicht bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, da auch ein [X.] i.S.d. § 352e Abs. 1 FamFG zu dem „Verfahren über die Erteilung eines Erbscheins“ gehört. [X.]ie Aufführung von § 58 FamFG in § 72 Abs. 1 [X.] beruht aber auf einem Redaktionsversehen des Bundesgesetzgebers und in der Folge auch des [X.]. [X.]er [X.] Landesgesetzgeber wollte mit § 72 Abs. 1 [X.] - ebenso wie der Bundesgesetzgeber mit § 20 Abs. 3 [X.] - lediglich redaktionelle Anpassungen wegen des [X.] vornehmen. Inhaltliche Änderungen im Vergleich zur früheren Rechtslage waren nicht beabsichtigt.

(1) Nach früherer Rechtslage konnten in [X.] Beschlüsse der [X.] in Erbscheinsverfahren, wozu auch die Erteilung von [X.]sen gehört, mit der Beschwerde angefochten werden.

(a) Richtig ist zwar, dass § 5 NAG[X.] - die Vorgängervorschrift des § 72 Abs. 1 [X.] - unter anderem vorsah, dass § 22 [X.] aF in den Verfahren über die Erteilung eines Erbscheins keine Anwendung findet. Nach § 22 Abs. 1 [X.] aF fand gegen die in der Hauptsache erlassenen Beschlüsse des Amtsgerichts die sofortige Beschwerde statt. [X.]amit hatte der [X.] Landesgesetzgeber von der gleichlautenden Ermächtigung in § 20 Abs. 3 [X.] aF Gebrauch gemacht. Hintergrund für diese Regelung war, dass Entscheidungen im Erbscheinsverfahren nicht in Rechtskraft erwachsen. [X.]as Erbscheinsverfahren in [X.] sollte vereinfacht und beschleunigt und dem klassischen Erbscheinsverfahren des Bürgerlichen Rechts weitgehend angeglichen werden.

(b) Mit dem Ausschluss der sofortigen Beschwerde nach § 22 Abs. 1 [X.] aF waren die Beschlüsse der [X.] in Erbscheinsverfahren jedoch nicht unanfechtbar. Es verblieb vielmehr bei den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften insbesondere des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ([X.]). [X.]amit bestand die Möglichkeit, die Beschlüsse, mit denen der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins bzw. eines [X.] abgelehnt wurde, mit der einfachen (unbefristeten) Beschwerde nach § 9 [X.], § 19 [X.] anzufechten. Bei einem antragsgemäß erteilten Erbschein konnte die Beschwerde - wie im klassischen Erbscheinsverfahren - allerdings nur mit dem Ziel der Einziehung des Erbscheins (ex nunc) eingelegt werden (vgl. jetzt: § 352e Abs. 3 FamFG), da der öffentliche Glaube und die Richtigkeitsvermutung nicht rückwirkend wieder beseitigt werden konnten und sollten (zum Ganzen vgl. [X.], Beschluss vom 10. [X.]ezember 1957 - [X.], [X.], 39; Gesetzesbegründung zum NAG[X.], [X.]. [X.]. 1956, 9, 11; [X.], [X.], 123; [X.], [X.] 1957, 21; [X.], [X.] 1957, 21, 23 f.; [X.], [X.] 1956, 44, 45; [X.]., [X.] 1956, 269 f.; aA [X.], [X.] 1956, 145). Gleiches galt auch in [X.] und [X.], die mit § 2 AG[X.] [X.] bzw. § 2 AG[X.] [X.] aF entsprechende Vorschriften erlassen hatten (vgl. [X.]. [X.] 4/304 S. 5 f. mit [X.] S. 1578 B, 1810 A und [X.], 1811 A; [X.], [X.] 1961, 263, 264; [X.] 1991, 251; [X.], [X.] 1990, 112; [X.]. [X.] 12/1565 S. 5; [X.], [X.] 1996, 44 ff.).

(2) [X.] wurden im Zuge des [X.] die Vorschriften zur einfachen und sofortigen Beschwerde (§§ 19, 22 [X.]) aufgehoben. Eine einfache Beschwerde gibt es seitdem nicht mehr; vielmehr ist nur noch das Rechtsmittel der befristeten Beschwerde nach § 58 FamFG eröffnet. [X.]iesen Änderungen wollte der Bundesgesetzgeber in redaktioneller Hinsicht auch in Verfahren vor dem Landwirtschaftsgericht Rechnung tragen. [X.]ie Vorschrift zur sofortigen Beschwerde in [X.] nach § 22 [X.] aF wurde aufgehoben. [X.]amit „passte“ auch der Verweis auf § 22 [X.] aF in der bisherigen Fassung des § 20 Abs. 3 [X.] aF nicht mehr. In der Folge wurde in der neuen Fassung des § 20 Abs. 3 [X.] ein Verweis auf § 58 FamFG und weitere Vorschriften vorgenommen. [X.]abei hat der Gesetzgeber übersehen, dass nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 3 [X.] die Landesgesetzgeber seither - an[X.] als vorher - ermächtigt sind, den einzigen Rechtsbehelf gegen Beschlüsse der [X.] in Erbscheinsverfahren, die Beschwerde nach § 58 FamFG, auszuschließen. [X.]as war erkennbar nicht gewollt. [X.]er Bundesgesetzgeber beabsichtigte lediglich, den Verweis anzupassen. [X.]ementsprechend heißt es in der Begründung des Gesetzesentwurfs auch nur, dass „§ 58 FamFG an die Stelle von § 22 [X.] getreten“ sei (vgl. BT-[X.]rucks. 16/6308 S. 330 f.). Anhaltspunkte dafür, dass die bisherige Rechtslage (grundlegend) geändert werden sollte, ergeben sich demgegenüber aus der Gesetzesbegründung nicht. Insbesondere findet sich dort auch kein Hinweis auf das besondere Feststellungsverfahren nach § 11 HöfeVfO sowie darauf, dass diesem Verfahren der Vorrang gegenüber der Beschwerde gegen einen im Erbscheinsverfahren ergangenen [X.] zukommen sollte (vgl. zu dem grundsätzlichen Verhältnis der beiden Verfahren [X.]/v. Jeinsen/[X.], [X.], 11. Aufl., § 18 Rn. 8, 43 f.). [X.]eshalb beruht es auf einem Versehen, dass bei der Neufassung des § 20 Abs. 3 [X.] als Vorschrift, deren Anwendung die Bundesländer ausschließen können, § 58 FamFG aufgeführt worden ist.

(3) [X.]as Redaktionsversehen des Bundesgesetzgebers hat sich bei dem Gesetzgeber des Landes [X.] fortgesetzt. Mit der Änderung des § 20 Abs. 3 [X.] aF und der Aufhebung des § 22 [X.] aF entstand auch in [X.] Änderungsbedarf. [X.]er Verweis auf § 22 [X.] aF in § 5 NAG[X.] lief nunmehr ins Leere. [X.]eshalb verweist die neue Norm des § 72 Abs. 1 [X.] entsprechend der Ermächtigung in § 20 Abs. 3 [X.] nF unter anderem auf § 58 FamFG. Nach dem Wortlaut ist damit der einzige Rechtsbehelf gegen Beschlüsse der [X.] in Erbscheinsverfahren ausgeschlossen (vgl. dazu bereits Rn. 16). Ebenso wie der Bundesgesetzgeber wollte jedoch auch der [X.] Landesgesetzgeber lediglich die bisherige Regelung redaktionell anpassen und keine inhaltliche Änderung vornehmen. [X.]ementsprechend heißt es in der Begründung des Gesetzesentwurfs auch nur, dass § 5 NAG[X.] übernommen und damit von der Ermächtigung in § 20 Abs. 3 [X.], die Anwendung näher bezeichneter Bestimmungen (unter anderem: § 58 FamFG) auszuschließen, Gebrauch gemacht werde (vgl. [X.]. 17/1585 S. 86 f.). Hätte der Landesgesetzgeber die Auswirkungen der Gesetzesänderung, soweit es um die Anführung von § 58 FamFG geht, erkannt, hätte er sich damit in der Gesetzesbegründung auseinandergesetzt. Hieran fehlt es. Es trifft deshalb nicht zu, wenn das [X.] Oldenburg in seiner Entscheidung ([X.]. [X.]. 2019, 345 f.) ausführt, der Gesetzgeber habe den in § 5 NAG[X.] geregelten Ausschluss der sofortigen Beschwerde übernehmen wollen. Es kann gerade nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber erkannt hat, dass der Ausschluss der Beschwerde gemäß § 58 FamFG - an[X.] als zuvor - zu einer Unanfechtbarkeit der erstinstanzlichen Entscheidung führen würde.

(4) [X.]ass durch die Neufassung des § 72 Abs. 1 [X.] keine grundlegende Änderung der Rechtsschutzmöglichkeiten erfolgen, sondern lediglich die redaktionelle Anpassung an die neuen Vorschriften erreicht werden sollte, ergibt sich mittelbar auch aus den Gesetzgebungsmaterialien zu den Änderungen in den Ländern [X.] und [X.]. [X.]iese haben ihre Verweise auf § 22 [X.] aF entsprechend der neuen Ermächtigung in § 20 Abs. 3 [X.] ebenfalls durch Verweise auf § 58 FamFG ersetzt. In den jeweiligen Gesetzgebungsmaterialien wird ausdrücklich darauf hingewiesen, lediglich „redaktionelle“ Anpassungen an die neue Gesetzeslage nach dem FamFG vornehmen zu wollen (zu § 107 [X.] [X.] vgl. [X.]. 16/12986 S. 13 mit Plenarprotokoll 16/124 S. 12963; [X.]. 16/13357 S. 3 mit Plenarprotokoll 16/128 S. 13431 ff.; [X.]/[X.] [15.8.2022], § 107 [X.] [X.] vor Rn. 1, Rn. 2; zu § 2 AG[X.] [X.] nF vgl. [X.]. 17/2146 S. 2 f., 11).

2. In der Sache ist die Rechtsbeschwerde unbegründet. [X.]as Beschwerdegericht hält die Beschwerde des Beteiligten zu 2 - wie gezeigt - zu Recht für statthaft und hat ihr ohne Rechtsfehler stattgegeben. [X.]ie Voraussetzungen für die Erteilung des von der Beteiligten zu 1 beantragten [X.] liegen nicht vor. Auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] ist die Beteiligte zu 1 nicht wirtschaftsfähig i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 i.V.m. § 6 Abs. 7 [X.]. Zugleich bejaht das Beschwerdegericht die Wirtschaftsfähigkeit jedenfalls des Beteiligten zu 2. [X.]amit greift die Ausnahme des § 7 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 [X.], wonach die Wirtschaftsunfähigkeit eines Abkömmlings seiner Bestimmung zum [X.] nicht entgegensteht, wenn sämtliche Abkömmlinge wegen Wirtschaftsunfähigkeit ausscheiden und ein wirtschaftsfähiger Ehegatte nicht vorhanden ist, nicht ein. Bei der Beurteilung der Wirtschaftsfähigkeit des [X.] handelt es sich im Wesentlichen um eine dem Tatrichter obliegende Entscheidung, die für das Rechtsbeschwerdegericht, soweit nicht der Begriff der Wirtschaftsfähigkeit verkannt ist, bindend ist, es sei denn, dass die Entscheidung sonst auf einer Rechtsverletzung beruht (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Juli 1963 - [X.], M[X.]R 1963, 996). [X.]ie Feststellungen des [X.] lassen jedoch einen Rechtsverstoß nicht erkennen. Ein solcher wird auch von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt, die insoweit nur auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Ausführungen des [X.] verweist.

3. [X.]ementsprechend hat das Beschwerdegericht den Beschluss des [X.] zu Recht aufgehoben. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht auch in der Sache über den Antrag der Beteiligten zu 1 auf Erteilung eines sie als Hoferbin ausweisenden [X.] entschieden. Eine Verletzung von § 69 Abs. 1 Satz 1 FamFG, wonach das Beschwerdegericht grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden hat, liegt nicht vor. [X.]as ergibt sich eindeutig aus den Gründen des Beschlusses. Hiernach soll der Beteiligten zu 1 das beantragte [X.] nicht zu erteilen sein. [X.]ass dieser Ausspruch in der [X.] nicht aufgeführt ist, verhilft der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg; vielmehr ist ihr Rechtsmittel mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Beschluss des [X.] entsprechend ergänzt wird.

IV.

1. [X.]ie Kostenentscheidung beruht auf § 1 Abs. 1 HöfeVfO i.V.m. § 34, § 44 Abs. 1, § 45 Satz 1 und 2 [X.].

2. [X.]ie Festsetzung des Gegenstandswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren folgt aus § 61 Abs. 1 Satz 1, § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 3, § 46 GNotKG. [X.]en danach maßgeblichen Verkehrswert des Hofes im Zeitpunkt des Erbfalls am 30. [X.]ezember 2017 schätzt der [X.] entsprechend den Angaben in dem notariellen Testament und dem Antrag auf Erteilung des [X.] auf 250.000 €. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist der Geschäftswert nicht nach § 48 GNotKG zu bemessen.

a) Voraussetzung für dieses [X.] ist, dass die unmittelbare Fortführung des Betriebs durch den Erwerber selbst beabsichtigt ist und der Betrieb unmittelbar nach Vollzug der Übergabe oder Zuwendung einen nicht nur unwesentlichen Teil der Existenzgrundlage des zukünftigen Inhabers bildet (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 GNotKG). Hintergrund dieser Einschränkung ist der Umstand, dass keine generelle Privilegierung von land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben erfolgen soll. [X.]ie eng auszulegende Ausnahmevorschrift bevorzugt wegen ihrer Zielrichtung, dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung und Fortführung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe in Familienbesitz Rechnung zu tragen, nur bestimmte Fortführungsgeschäfte. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das [X.] nur dann greifen, wenn der Erwerber dem bisherigen Eigentümer unmittelbar als Bewirtschafter nachfolgt. Eine Anwendung von § 48 GNotKG scheidet demnach aus, wenn entweder schon der bisherige Eigentümer den Betrieb, etwa aufgrund einer Verpachtung - auch an Familienangehörige, nicht selbst bewirtschaftet hat oder keine unmittelbare eigene Bewirtschaftung des Betriebs durch den Erwerber erfolgt (vgl. BT-[X.]rucks. 17/11471 S. 169; siehe zum Ganzen auch [X.], Beschluss vom 10. Mai 2022 - [X.]/20, juris Rn. 6 f.).

b) [X.]anach sind hier beide Voraussetzungen des [X.]s nicht erfüllt. Zum einen hatte bereits der Erblasser den Hof verpachtet und nicht selbst bewirtschaftet, und auch die Beteiligte zu 1 möchte nach den Feststellungen des [X.] den Hof nicht selbst bewirtschaften, sondern weiterhin verpachten. Zum anderen ist eine jährliche Pacht von 2.000 € nur ein unwesentlicher Teil der Existenzgrundlage der Beteiligten zu 1.

3. [X.]ementsprechend sind auch die Wertfestsetzungen der Vorinstanzen von Amts wegen gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GNotKG zu ändern und auf 250.000 € festzusetzen.

[X.]                    Laube

Meta

BLw 1/22

12.05.2023

Bundesgerichtshof Senat für Landwirtschaftssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Celle, 5. Juli 2022, Az: 7 W 1/22 (L)

§ 58 Abs 1 FamFG, § 352e Abs 1 FamFG, § 18 Abs 2 S 2 HöfeO, § 20 Abs 3 LwVfG, § 72 Abs 1 JustizG ND

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.05.2023, Az. BLw 1/22 (REWIS RS 2023, 3806)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3806

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XII ZB 417/11

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