Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.01.2013, Az. XII ZB 395/12

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8740

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 395/12

vom

23. Januar 2013

in der [X.]

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§
1896, 1906 Abs.
1 Nr. 2
Kann der Betroffene aufgrund einer psychischen Erkrankung seine Angelegenheiten hinsichtlich der Aufgabenbereiche Gesundheitssorge und Heilbehandlung nicht selbst besorgen, so ist ihm hierfür grundsätzlich auch dann ein Betreuer zu bestellen, wenn er die notwendige Behandlung ablehnt.
[X.], Beschluss vom 23. Januar 2013 -
XII [X.] 395/12 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XI[X.]
Zivilsenat des [X.] hat am 23.
Januar 2013
durch den
Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin [X.] und [X.]
Klinkhammer, Schilling und Dr.
Nedden-Boeger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der Zivilkammer
87 des [X.] vom 15.
Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§
131 Abs.
5 Satz
2 KostO).
Beschwerdewert: 3.000

Gründe:
[X.]
Der Betroffene wendet sich gegen die für ihn angeordnete Betreuung.
Er leidet an einer paranoiden Schizophrenie. Das Amtsgericht hat nach Einholung eines medizinischen Gutachtens und nach Anhörung des [X.] für diesen einen Betreuer bestellt mit den [X.]n "[X.], Vermögens-sorge, Vertretung vor Behörden und Einrichtungen, Wohnungsangelegenhei-ten". Das [X.] hat auf die Beschwerde des Betroffenen
nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, Bestellung eines Verfahrenspfle-gers und Anhörung des Betroffenen den Betreuer ausgewechselt. Ferner hat es die vom Amtsgericht angeordnete Betreuung auf die [X.] "Aufent-1
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halt zum Zweck der Heilbehandlung"
und "Gesundheitssorge"
eingeschränkt, beides beschränkt auf den nervenärztlich-psychiatrischen Bereich. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

I[X.]
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das [X.] hat die Betreu-ung
zu Recht mit dem eingeschränkten Aufgabenkreis aufrechterhalten.
1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, nach dem Gutachten des Sachverständigen leide der Betroffene an einer schwer ausgeprägten psychischen Erkrankung aus dem schizophrenen [X.]. Krankheitsbedingt könne er seine Angelegenheiten in den Bereichen "Aufenthalt zum Zwecke der Heilbehandlung"
und "Gesundheitssorge"
jeweils im nervenärztlich-psychiatrischen Bereich nicht selbst wahrnehmen. Der Be-troffene halte sich, wie auch in seiner persönlichen Anhörung deutlich geworden sei, für psychisch gesund und sehe deswegen keinen Anlass, sich behandeln zu lassen. Demgegenüber habe der von der Kammer bestellte Sachverständige überzeugend dargelegt, dass die im jetzigen Lebensalter noch bestehenden Chancen einer
erfolgreichen psychiatrischen Fachbehandlung genutzt werden sollten, um eine weitere Verfestigung der Symptomatik nach Möglichkeit zu verhindern und dem
Betroffenen zu einer [X.] Reintegration zu verhelfen. Zumindest einmal solle dem
Betroffenen die Möglichkeit einer fachgerechten psychiatrischen Behandlung gegeben werden, deren Erfolgsaussichten derzeit noch als durchaus günstig einzuschätzen seien. Das Für und Wider einer sol-chen Behandlung könne der Betroffene krankheitsbedingt nicht abschätzen, was die Bestellung einer Betreuerin mit den genannten [X.]n recht-3
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4
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fertige. Diese werde
zu prüfen haben, ob und gegebenenfalls welche Maßnah-men zum Wohl des Betreuten erforderlich seien.
Die Ablehnung der Betreuung, zu der es keine alternativen [X.] gebe, beruhe, wie sich aus den Ausführungen des Sachverständigen ergebe, nicht auf einem freien Willen des Betroffenen.
2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
a) Gemäß §
1896 Abs.
1 Satz
1 BGB bestellt das Betreuungsgericht dem Betroffenen einen Betreuer, wenn jener aufgrund einer psychischen Krankheit seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Nach §
1896 Abs.
1
a BGB darf gegen den freien
Willen des Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden. Zudem darf dieser nach §
1896 Abs.
2 Satz
1 BGB nur für [X.] bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist.
b) Diese Voraussetzungen sind nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen erfüllt. Danach kann der Betroffene aufgrund seiner psychischen Erkrankung, einer paranoiden Schizophrenie, seine Angelegenheiten im Be-reich der Gesundheitssorge und der damit zusammenhängenden Heilbehand-lung mangels Krankheitseinsicht nicht besorgen. Ferner ist festgestellt, dass der Betroffene insoweit auch nicht in der Lage ist, einen freien Willen zu bilden.
Schließlich ist die Bestellung eines Betreuers für die vom [X.] benannten [X.] auch erforderlich. Zwar hat die Rechtsbeschwerde zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der geänderten Senatsrechtspre-chung die Einwilligung des Betreuers in eine Zwangsbehandlung mangels [X.] Grundlage derzeit nicht genehmigungsfähig ist.
Dies lässt aber nicht 5
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5
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ohne Weiteres die Erforderlichkeit der Bestellung eines Betreuers in den ent-sprechenden Aufgabenbereichen entfallen.
[X.]) Der Senat hat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung seine Rechtsprechung zur Zwangsbehandlung geändert (siehe Senatsbeschlüsse vom 20.
Juni 2012

XII
[X.]
99/12

FamRZ 2012, 1366
und XII
[X.]
130/12

ju-ris). Nach der geänderten Senatsrechtsprechung fehlt es gegenwärtig an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundla-ge für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung. Da die Einwilligung des Betreuers in eine Zwangsbehandlung mithin nicht genehmigungsfähig ist, kommt die Genehmigung einer Unterbringung zur Heilbehandlung nach §
1906 Abs.
1 Nr.
2 BGB nicht in Betracht, wenn die Heilbehandlung wegen einer ein-deutigen
Weigerung des Betroffenen sich behandeln zu lassen, nicht durchge-führt werden kann (Senatsbeschluss vom 8.
August 2012
XII
[X.]
671/11

FamRZ
2012, 1634 Rn.
12).
Die Genehmigung einer Unterbringung zur Heilbehandlung nach §
1906 Abs.
1 Nr.
2 BGB ist allerdings noch in den Fällen zulässig, in denen nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass sich der Betroffene in der Unterbringung behandeln lassen wird, sein natürlicher Wille also nicht bereits der medizinisch notwendigen Behandlung entgegensteht und er die Notwendigkeit der Unter-bringung nicht einsieht. Solange sich eine Weigerung des Betroffenen, sich [X.] zu lassen, nicht bereits manifestiert hat, die Behandlung mithin nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, ist die Genehmigung der Unterbrin-gung nach §
1906 Abs.
1 Nr.
2 BGB also noch möglich (Senatsbeschluss vom 8.
August 2012
XII
[X.]
671/11
-
FamRZ 2012, 1634 Rn.
13).
[X.]) Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde zwar darauf hin, dass die Be-treuerin eine Zwangsbehandlung des Betroffenen
gegenwärtig nicht erreichen 10
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kann. Die Rechtsbeschwerde lässt jedoch unberücksichtigt, dass eine solche Zwangsbehandlung nicht Gegenstand des angefochtenen Beschlusses ist. Vielmehr hat das [X.] im Hinblick auf die psychische Erkrankung des Betroffenen die Betreuung für die [X.] "Aufenthalt zum Zweck der Heilbehandlung"
und "Gesundheitssorge"
beschränkt auf den nervenärztlich-psychiatrischen Bereich angeordnet.
Demgegenüber war Gegenstand der von der Rechtsbeschwerde zitierten Senatsrechtsprechung die Genehmigung einer vom Betreuer im Rahmen der Unterbringung beantragten Zwangsbehandlung. Damit ist der vorliegende Fall indes nicht vergleichbar. Auch wenn der Betroffene ersichtlich einer medika-mentösen Behandlung bedarf und einiges dafür spricht, dass diese wegen der fehlenden Krankheitseinsicht erfolgreich nur gegen den Willen des Betroffenen im Rahmen einer Unterbringung erfolgen könnte, ändert dies nichts an der vom [X.] festgestellten Erforderlichkeit, eine Betreuung für die [X.] Heilbehandlung und Gesundheitsfürsorge in dem vorliegend eingeschränk-ten Maße anzuordnen. Vor allem lässt sich nicht ausschließen, dass die Be-treuerin den Betroffenen noch von der Notwendigkeit einer Behandlung über-zeugen kann

auch dies zählt
zu ihrem Aufgabenbereich.
Nach alledem ist die Bestellung eines Betreuers für die genannten [X.] erforderlich und verhältnismäßig
im engeren Sinne. Auch wenn ungewiss ist, inwieweit die Betreuerin den Betroffenen effektiv in den von ihr wahrgenommenen [X.]n unterstützen kann, ist zu berücksichtigen, dass die Betreuerin
gegen den
eindeutigen
Willen des Betroffenen weder die Genehmigung einer Unterbringung, die der Zwangsbehandlung dienen soll, noch die Genehmigung der Zwangsbehandlung
selbst erreichen kann. Die Chance, dass die Betreuerin den
Betroffenen im Rahmen der Wahrnehmung 13
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ihrer [X.] positiv unterstützen kann, vermag den Eingriff im Ergebnis zu rechtfertigen.
Dose

[X.]

Klinkhammer

Schilling

Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 16.09.2011 -
52 XVII 57/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 15.06.2012 -
87 [X.]/11 -

Meta

XII ZB 395/12

23.01.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.01.2013, Az. XII ZB 395/12 (REWIS RS 2013, 8740)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8740

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Unterbringungssache: Kompetenz des Betreuers zur Einwilligung in die Unterbringung


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