Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2016, Az. II ZB 25/14

II. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 17948

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:120116BIIZB25.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 25/14

vom

12.
Januar 2016

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
[X.] §§ 327a, 327b
Für die Angemessenheit der Barabfindung im Falle des [X.] ist bei Vorliegen eines (Beherrschungs-
und) [X.] der auf den Anteil des Minderheitsaktionärs entfallende Anteil des [X.] jedenfalls dann maßgeblich, wenn dieser höher ist als der Barwert der aufgrund des (Beherrschungs-
und) [X.] dem [X.] zustehenden Ausgleichszahlungen.

[X.], Beschluss vom 12. Januar 2016 -
II ZB 25/14 -
[X.]

[X.]

-
2
-

Der II.
Zivilsenat des [X.] hat am 12.
Januar 2016 durch [X.]
[X.], [X.]
Dr.
Strohn, die
Richterinnen Caliebe und [X.] und [X.] Born
beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der [X.] für Handelssachen des [X.] vom 4. September 2013 [X.] abgeändert, dass die Abfindung auf

je Aktie festgesetzt wird.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die zweitinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Antragstel-lerin hat die Antragsgegnerin zu 2 zu tragen.

Gründe:
I.
Die Antragstellerin war Aktionärin der inzwischen aus dem Spruchverfah-ren ausgeschiedenen Antragsgegnerin zu
1, deren Mehrheitsgesellschafterin mit einem Anteil von 98,8 % der Aktien die Antragsgegnerin zu 2 war. Die An-tragsgegnerinnen schlossen am 30. Mai 2001 einen Gewinnabführungsvertrag,
t-versammlung der Antragsgegnerin zu
1 stimmte dem [X.] am 1
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-

6. Juli 2001 zu. Die Eintragung des Beschlusses im Handelsregister erfolgte am 11. September 2001, die [X.] der Eintragung am 9. Oktober 2001. Im Rahmen eines weiteren Spruchverfahrens wurden mit Beschluss
vom 4.

Mit Einladung zur Hauptversammlung am 29. Mai 2002 wurde bekannt, dass die Antragsgegnerin zu 2 den Ausschluss der Minderheitsaktionäre der Antragsgegnerin zu 1 beabsichtigte. Der gewichtete durchschnittliche Börsen-beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ermittelte einen Unternehmenswert
den Börsenkurs für nicht aussagekräftig hielt, wurde die Abfindung unter Be-rücksichtigung des geringeren anteiligen Unternehmenswertes auf der [X.] einer Fortschreibung der im Gewinnabführungsvertrag festgesetzten s-prüferin bestätigte die vorgesehene Abfindung als angemessen. Die Hauptver-sammlung der Antragsgegnerin zu 1 beschloss am 5. Juli 2002 den Ausschluss der Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer Abfindung in Höhe von diesem Tag belief sich auf 290,96

e-schlusses erfolgte am 17. September 2002. Bestrebungen, den zwischen
den beiden Antragsgegnerinnen bestehenden [X.] zu beenden, gab es während dieser [X.] nicht.
Daraufhin haben mehrere Minderheitsaktionäre ein Spruchverfahren ein-geleitet mit dem Ziel, die Angemessenheit der gewährten Abfindung gerichtlich überprüfen zu lassen. Nach Eingang des gerichtlich beauftragten Sachverstän-2
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digengutachtens haben sich die ursprünglich als weitere Antragsteller am Spruchverfahren beteiligten Minderheitsaktionäre und der Vertreter der [X.] Aktionäre mit den Antragsgegnerinnen in einem Teilverfahrensver-hat hinsichtlich der auf der [X.] verbleibenden Antragstellerin die bestellten [X.] die Abfindung bei bestehendem [X.] durch den Barwert der Ausgleichszahlungen bestimmt werde. Dagegen hat die Antragstellerin so-fortige Beschwerde in Bezug auf die Antragsgegnerin zu 2 eingelegt.
Das [X.] ([X.], [X.], 2439) hält die sofortige Beschwerde für zulässig und möchte die Barabfindung auf 317,24

avon aus, dass die angemessene Abfindung durch den Barwert der Ausgleichszahlungen bestimmt werde, und legt hierbei die in dem weiteren Spruchverfahren festgesetzte Aus-gleichszahlung von 24,60

des [X.] kommt das [X.] sodann aber zu einem etwas höheren Barwert als das [X.].
Das [X.] hat die Sache nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG a.F., § 28 Abs. 2 und 3 [X.] dem [X.] zur Entscheidung [X.], weil entscheidungserheblich sei, ob zur Bestimmung der angemessenen Abfindung bei Vorliegen eines [X.]s auf den Barwert der [X.] oder den anteiligen Ertragswert der [X.] abzustellen sei. Die Problematik sei umstritten und das vorlegende [X.] be-absichtige, bei seiner Entscheidung von der Auslegung und dem Verständnis in dieser Frage von der Auffassung anderer [X.]e abzuweichen.
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5
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II.
Aufgrund der zulässigen Vorlage hat der [X.] selbst als Beschwerdege-richt zu entscheiden. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Sie führt zur Abänderung der Entscheidung des [X.]s und zur Festset-

1. Die Vorlage ist zulässig.
a) Die Zulässigkeit der Vorlage ist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 [X.] zu beur-des Gesetzes vom 12. Juni 2003 ([X.]
I S. 838) angeordnet war. Das vorlie-gende Spruchverfahren wurde zwar noch vor dem Inkrafttreten des [X.] am 1.
September 2003 eingeleitet. Da die Beschwerde gegen die Entscheidung des [X.]s aber erst am 25. September 2013 nach In-krafttreten des [X.] eingelegt worden ist, sind nach §
17 Abs.
2 Satz
2 SpruchG auf das Beschwerdeverfahren die Vorschriften des [X.] anwendbar.
Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG a.F. galten im Beschwerdeverfahren §
28 Abs. 2 und 3 [X.] entsprechend. Nach Art. 111 Abs. 1 Satz 1 des Geset-zes zur Reform
des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 ([X.]-Reformgesetz

[X.]-RG, [X.] I S. 2586) finden das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und das [X.] in der bis zum 1.
September 2009 geltenden Fassung weiter Anwendung, wenn das Verfahren in erster Instanz vor Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familien-sachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) eingeleitet worden ist ([X.], Beschluss vom 29. September 2015

II
ZB
23/14, 6
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[X.], 110 Rn. 8; Beschluss vom 1. März 2010

II
ZB
1/10, [X.], 446 Rn. 6 ff.; Beschluss vom 19. Juli 2010

II
ZB
18/09, [X.]Z 186, 229 Rn.
5

Stollwerck; Beschluss vom 28.
Juni 2011

II
ZB
10/10, AG 2011, 590 Rn. 5; Beschluss vom 13. Dezember 2011

II
ZB
12/11, [X.], 266 Rn. 3).
b) Die Vorlage ist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 [X.] zulässig. Sie setzt [X.], dass das vorlegende [X.] bei der Auslegung einer gesetzli-chen Vorschrift von der Entscheidung eines anderen [X.]s oder, falls über die Rechtsfrage bereits eine Entscheidung des [X.] ergangen ist, von dieser abweichen will.
aa) Die Vorlage betrifft eine Rechtsfrage. Eine Vorlage ist nur im Falle einer Abweichung bei der Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift, also bei [X.] Rechtsfrage, zulässig. Zu den Rechtsfragen zählt neben der Klarstellung des Inhalts einer Rechtsnorm auch die Subsumtion eines Tatbestandes unter das Gesetz. Erforderlich ist aber eine Abweichung in einem Rechtssatz. Eine Divergenz bei der abweichenden tatsächlichen Würdigung eines Sachverhalts rechtfertigt die Vorlage dagegen nicht ([X.], Beschluss vom 29. September 2015

II
ZB
23/14, [X.], 110 Rn. 9 mwN).
Das [X.] hat die Sache dem [X.] vorgelegt, weil es der Ansicht ist, die Höhe der Abfindung bemesse sich nach dem [X.] der festen Ausgleichszahlungen und diese Vorgehensweise weiche von der Auffassung anderer [X.]e ab, welche den anteiligen Ertrags-wert der [X.] für allein maßgeblich hielten.
Nach § 327f Satz 2 [X.] hat das Gericht im Spruchverfahren die ange-messene Barabfindung zu bestimmen, wenn die vom Hauptaktionär festgelegte Barabfindung nicht
angemessen ist. Zur Auslegung dieser Vorschrift gehört die 10
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rechtliche Bestimmung der Angemessenheit. Ziel dieser Bewertung ist es, den "vollen, wirklichen" Wert der Unternehmensbeteiligung zu ermitteln (vgl.
[X.] 100, 289, 306).
Die Frage nach der geeigneten Bewertungsmethode ist keine Rechtsfra-ge, sondern Teil der Tatsachenfeststellung und beurteilt sich nach der wirt-schaftswissenschaftlichen oder betriebswirtschaftlichen Bewertungstheorie und -praxis. Dagegen ist es eine Rechtsfrage, ob eine vom Tatrichter gewählte Be-wertungsmethode oder ein innerhalb der Bewertungsmethode gewähltes Be-rechnungsverfahren den gesetzlichen Bewertungszielen widerspricht ([X.], Beschluss vom 29. September 2015

[X.], [X.], 110 Rn. 12).
Die Entscheidung, ob bei beherrschten Unternehmen für die [X.] Minderheitsaktionäre allein auf den Barwert der [X.] abzustellen oder (zumindest auch) der anteilige Unterneh-menswert heranzuziehen ist, hängt von der Rechtsfrage ab, ob der Wert der [X.] sich auf die mit ihr verbundenen Erträge in Form der [X.] beschränkt und diese damit den als Bewertungsziel anzuse-henden "vollen, wirklichen"
Wert zutreffend wiedergeben oder ob die Minder-heitsanteile darüber hinaus einen Wert haben (können), der nur im anteiligen Unternehmenswert zutreffend abgebildet werden kann. Diese Rechtsfrage ist höchstrichterlich noch nicht geklärt (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Juni 2011

II
ZR
10/10, AG 2011, 590 Rn. 8).
bb) Ein Abweichungsfall liegt vor. Der [X.] hat zu prüfen, ob in der streitigen Rechtsfrage ein Abweichungsfall vorliegt. Die Abweichung muss zum einen dieselbe Rechtsfrage betreffen, zum anderen muss die Be-antwortung der Rechtsfrage für die vom vorlegenden Gericht zu treffende Ent-14
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scheidung des Falles und für die vorausgegangene Entscheidung, von der das vorlegende [X.] abweichen will, erheblich sein. Dabei ist die [X.] der Rechtsfrage für die vorgelegte Sache auf der Grundlage des im Vorlagebeschluss des [X.]s mitgeteilten Sach-verhalts und der dort zum Ausdruck gebrachten rechtlichen Beurteilung des Falles zu prüfen. Die Entscheidung, von der abgewichen werden soll, muss auf einer anderen Beurteilung der Rechtsfrage beruhen. Hierfür genügt es, wenn die strittige Rechtsfrage in jener Entscheidung erörtert und beantwortet ist und das Ergebnis für die Entscheidung von Einfluss war ([X.], Beschluss vom 29.
September 2015

[X.], [X.], 110 Rn. 15 mwN).
Das vorlegende [X.] beurteilt die streitige Rechtsfrage [X.] als die [X.]e [X.] (OLG [X.], [X.], 376) und [X.] (Beschluss vom 29. Juli 2009

[X.] [X.], juris Rn. 52 und [X.], 716) und weicht in diesem Sinn von deren Entscheidungen ab. Die Ober-landesgerichte [X.] und [X.] sehen nämlich abweichend vom vorle-genden [X.] den Wert der [X.] durch die [X.] nicht zutreffend abgebildet und weichen damit auch im Er-gebnis von der Entscheidung des vorlegenden [X.]s ab.
2. Aufgrund der zulässigen Vorlage hat der [X.] selbst als Beschwer-degericht zu entscheiden. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Sie führt zur Abänderung der Entscheidung des [X.]s und zur

a) Für die Angemessenheit der Barabfindung im Falle des Ausschlusses von Minderheitsaktionären nach §§ 327a, [X.] ist bei Vorliegen eines (Be-herrschungs-
und) [X.] der auf den Anteil des Minder-17
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heitsaktionärs entfallende Anteil des Unternehmenswerts jedenfalls dann maß-geblich, wenn dieser höher ist als der Barwert der aufgrund des (Beherr-schungs-
und) [X.] dem Minderheitsaktionär zustehen-den Ausgleichszahlungen.
aa) Dass nach § 327b Abs. 1 Satz 1 [X.] die Verhältnisse der Gesell-schaft im [X.]punkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre zu berücksichtigen sind, schließt wegen des damit festgelegten Stichtags allerdings nicht schon dem Wortlaut nach aus, die Abfindung nach dem Barwert der Ausgleichszahlungen zu berechnen (so aber OLG [X.], [X.], 375, 376; OLG [X.], Beschluss vom 29.
Juli 2009

[X.] [X.], juris Rn. 51 ff.; [X.], 716, 718; Schnorbus in K.
[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 327b Rn. 6; [X.] in [X.]/Stilz, [X.], 3. Aufl., § 327b Rn. 4; [X.], AG 2010, 1, 13). Obwohl der Unternehmensver-trag, auf dem die Ausgleichszahlungen beruhen, zu einem früheren [X.]punkt abgeschlossen worden ist, gehört er gleichwohl zu den Verhältnissen der [X.] im nach § 327b Abs. 1 Satz 1 [X.] maßgeblichen [X.]punkt der [X.] der Hauptversammlung über den Ausschluss der [X.], wenn er zu diesem [X.]punkt noch Bestand hat und von seinem Fortbestand auszugehen ist ([X.], [X.] 2010, 927, 929; Jüngst, [X.] im Vertragskonzern, 2010, S.
201
f.). Denn der zum [X.]punkt des Beschlusses über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre bestehende (Beherrschungs-
und) Gewinnabführungsver-trag bestimmt bei anzunehmendem Fortbestand des Vertrags auch darüber hinaus die Erträge des Aktionärs und kann deshalb zu den zum nach § 327 b Abs. 1 Satz 1 maßgeblichen Bewertungsstichtag zu berücksichtigenden [X.] gehören. Im Übrigen ist als Ausgleichszahlung gemäß § 304 Abs.
2 Satz 1 [X.] mindestens der Betrag zuzusichern, der nach der [X.]
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gen Ertragslage der [X.] und ihren künftigen Ertragsaussichten voraus-sichtlich als durchschnittlicher Gewinnanteil an die Aktionäre verteilt werden könnte, so dass die Bemessung der Ausgleichszahlungen nach §
304 [X.] gleichfalls am Wert des Unternehmens unter Berücksichtigung seiner zukünfti-gen Entwicklung orientiert ist ([X.], Beschluss vom 21. Juli 2003

II ZB 17/01, [X.]Z 156, 57, 63).
bb) Verliert der Minderheitsaktionär seine mitgliedschaftliche Stellung, muss er nach der Rechtsprechung des [X.] für den [X.] seiner Rechtsposition und die Beeinträchtigung seiner vermögensrechtli-chen Stellung wirtschaftlich voll entschädigt werden (vgl. [X.] 100, 289, 304 f.). Dabei hat die Entschädigung den "wirklichen" oder "wahren" Wert des Anteilseigentums widerzuspiegeln (vgl. [X.] 100, 289, 306). Hierfür ist, wenn die Abfindung nicht nach dem Anteilswert bestimmt wird, der in der Regel dem Börsenwert der gehaltenen Aktien zu entnehmen ist, der Anteil des [X.] am Unternehmenswert zugrunde zu legen, der im Wege einer Schätzung zu
ermitteln ist (vgl. §
738 Abs. 2 BGB; [X.], Beschluss vom 29.
September 2015

II
ZB
23/14, [X.], 110 Rn.
33; Beschluss vom 12.
März 2001

II
ZB
15/00, [X.]Z 147, 108, 116). Zu dieser Schätzung ist bei einem werbenden Unternehmen die Ertragswertmethode
eine grundsätzlich geeignete Methode. Das schließt es aber nicht aus, nach den konkreten Um-ständen des einzelnen Falles eine andere Methode zur Schätzung des [X.] anzuwenden. Entscheidend ist, dass die jeweilige Methode in der Wirtschaftswissenschaft oder Betriebswirtschaftslehre anerkannt und in der Praxis gebräuchlich ist ([X.], Beschluss vom 29.
September 2015

II
ZB
23/14, [X.], 110 Rn. 33 mwN).

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(1) Bei der Ermittlung des "wahren"
Werts des Anteilseigentums handelt es sich in erster Linie um eine Frage des einfachen Rechts, bei der aus verfas-sungsrechtlichen Gründen allerdings eine im gegebenen Fall geeignete und aussagekräftige Methode gewählt werden muss, die den vollen Ausgleich für den von den Minderheitsaktionären hinzunehmenden Verlust sicherstellt, der jedenfalls nicht unter dem Verkehrswert liegen darf (vgl. [X.] 100, 289, 305; [X.], [X.], 1408 Rn. 18). Ferner muss ein existierender [X.] bei der Abfindung berücksichtigt werden, weil bei der Bestimmung der an-gemessenen Barabfindung der ausgeschiedenen Aktionäre nach §§ 327a, [X.] auch darauf abzustellen ist, was sie im Falle einer freien Deinvestitions-entscheidung zum [X.]punkt der unternehmensrechtlichen Maßnahme erhalten hätten (vgl. [X.] 100, 289, 306; [X.], [X.], 170 Rn. 9; [X.],
Beschluss vom 12. März 2001

II ZB 15/00, [X.]Z 147, 108, 115 f.). Der [X.] bildet dabei regelmäßig die Untergrenze einer zu gewährenden Abfin-dung ([X.], [X.], 1051 Rn. 24; [X.] 100, 289, 305 ff.).
(2) Bei der Bestimmung der Abfindung durch Ermittlung des [X.] oder durch Berücksichtigung des [X.] der Aktien handelt es sich nicht um die Wahl zwischen verschiedenen Bewertungsobjekten. [X.] ist immer der "wahre"
Wert der Beteiligung des Minderheitsaktionärs, den die Entschädigung für den Verlust des [X.] aus verfassungsrechtli-chen Gründen widerspiegeln muss. Wie dieser Wert ermittelt wird, ist dagegen verfassungsrechtlich nicht festgelegt. Er kann folglich grundsätzlich als
quotaler Anteil an dem durch eine geeignete Methode der Unternehmensbewertung er-mittelten Wert des Unternehmens (mittelbar) berechnet oder auf andere Weise (unmittelbar) festgestellt werden, insbesondere unter Rückgriff auf den [X.] der Anteile. Die
eine oder andere Methode scheidet nur dann aus, wenn sie aufgrund der Umstände des konkreten Falles den "wahren"
Wert nicht zu-22
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treffend abbildet ([X.], [X.], 170 Rn. 12 ff.; [X.], 1051 Rn. 23 ff.; [X.], 1408 Rn. 20). Auch bei der zum Schutz der Minderheitsaktionäre ge-botenen Berücksichtigung des [X.] wird der Wert eines Anteils aber nicht unabhängig vom Wert des Unternehmens ermittelt. Denn die Berücksich-tigung des [X.] beruht auf der Annahme, dass die Marktteilnehmer auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung gestellten Informationen und [X.] die Ertragskraft des Unternehmens, um dessen Aktien es geht, zutreffend bewerten und sich die Marktbewertung im Börsenkurs der [X.] niederschlägt (vgl. [X.], Beschluss vom 12.
März 2001

II
ZB
15/00, [X.]Z
147, 108, 116). Kann im konkreten Fall von der Möglichkeit einer solchen effektiven Informationsbewertung nicht ausgegangen werden, so dass der [X.] keine verlässliche Aussage über den (mindestens zu gewährenden) Verkehrswert der Unternehmensbeteiligung erlaubt, ist der Anteilswert aufgrund einer Unternehmensbewertung zu ermitteln (vgl. [X.], [X.], 170 Rn.
13
f.; [X.], 1051 Rn. 25; [X.], 1408 Rn. 20).
(3) Dieser Gleichlauf zwischen dem Wert des (einzelnen) Anteils und dem anteiligen
Unternehmenswert ist auch dann gegeben, wenn ein (Beherr-schungs-
und) Gewinnabführungsvertrag geschlossen wurde. Der Wert des Anteils des (außenstehenden) Minderheitsaktionärs hat sich durch den [X.] nicht
vollständig vom Unternehmenswert abgekoppelt (OLG [X.], [X.], 716, 718, OLG [X.], [X.], 375, 376; [X.]/
[X.], [X.], 11. Aufl., § 327b Rn. 5; [X.], AG 2010, 1, 13 f.; [X.], Fest-schrift Priester, 2007, 661, 668; a.A. KG, [X.] 2003, 644, 645; [X.], [X.] 2010, 664, 665; [X.], 2439, 2440; [X.], [X.] 2010, 927, 928; Jüngst, [X.] im Vertragskonzern, 2010, S. 198 f.).
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Das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) vermit-telt sowohl die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs in der [X.] als auch vermögensrechtliche Ansprüche ([X.], [X.], 170 Rn. 8 mwN). In vermögensrechtlicher Hinsicht umfasst die Beteiligung an einem Unternehmen nicht nur die Aussicht auf eine Dividende, die vorliegend vorübergehend durch den festen Ausgleichsanspruch ersetzt wird, sondern darüber hinaus den Anteil an der [X.], auf den bei Auflösung und Liquidation ein An-spruch besteht ([X.] 14, 263, 285). Eine mittels der Ausgleichszahlungen berechnete Abfindung deckt deshalb unter Umständen nicht den vollständigen, "wahren"
Wert der Beteiligung ab.
(4) Der Wert des Anteils wird jedenfalls dann nicht zutreffend abgebildet, wenn sich der Unternehmenswert, wie hier, seit dem Stichtag, auf den die an-gemessenen Ausgleichszahlungen i.S.d. § 304 [X.] ermittelt wurden, erhöht hat. Der [X.]santeil hat sich nämlich durch die Entscheidung des [X.], die Aktien trotz Abschlusses des (Beherrschungs-
und) [X.] zu behalten und nicht gegen die nach § 305 [X.] zu gewährende Abfindung aus der [X.] auszuscheiden, nicht dahingehend gewandelt, dass sich sein Wert allein noch über die Ausgleichszahlungen bestimmt und der Aktionär am Unternehmenswert im Übrigen nicht mehr teilnimmt ([X.], [X.], 716, 718; OLG [X.], [X.], 375, 376; [X.] in [X.]/[X.], Aktien-
und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl., § 327[X.] Rn. 9; [X.]/Müller-Michaels, [X.], 2. Aufl., § 327b Rn. 7; [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 327b Rn. 5; Schnorbus in [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 327b Rn.
6; [X.], Festschrift Priester, 2007, 661, 668; a.A. KG, [X.] 2003, 644, 645; [X.], [X.] 2010, 664, 665; [X.], 2439, 2441; Wilsing in Henssler/Strohn, [X.]srecht, 2. Aufl., § 327[X.] Rn. 4; [X.], [X.] 2010, 927, 928; [X.], Festschrift [X.], 2011, [X.], 524 f., 531; 25
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Jüngst, [X.] im Vertragskonzern, 2010, S. 198 f.).
Beim [X.] tritt die gewinnunabhängige, in der Regel festbemessene [X.] nach § 304 [X.] an die Stelle der sonst aus dem Bilanzgewinn auszuschüttenden Dividende und stellt wirtschaftlich nichts anderes dar als die Verzinsung der vom Aktionär geleisteten Einlage; die [X.] der Ausgleichszahlung ist [X.], während die [X.] gemäß § 305 [X.] den Stamm des Vermögens repräsentiert, der durch die [X.] nicht angerührt wird ([X.], Urteil vom 16. September 2002

[X.], [X.]Z 152, 29, 35). Die Ausgleichszahlungen stellen dabei nur einen vorübergehenden pauschalierten Ersatz für die Dividende dar, auf die andernfalls Aussicht bestünde. Auch wenn ein (Beherrschungs-
und) Gewinn-abführungsvertrag auf unbestimmte [X.] geschlossen wird und es keine konkre-ten Anhaltspunkte für seine baldige Beendigung gibt, ist es nicht auszuschlie-ßen, dass sich die Verhältnisse in der Zukunft wieder ändern und der Aktionär aufgrund einer Beendigung des Vertrags wieder an den tatsächlichen Erträgen der [X.] beteiligt wird. Die Möglichkeit, dass diese Erträge dann [X.] der vorangegangenen Beherrschungssituation und dem damit verbunde-nen Risiko einer Auszehrung des Unternehmens geringer als der vorher ge-währte Ausgleich ausfallen können, nimmt der Aktionär hin, wenn er zum [X.]-punkt des [X.]s den Ausgleich wählt und nicht gegen Abfin-dung aus der [X.] ausscheidet (vgl. [X.], AG 2010, 1, 13; [X.], Festschrift Priester, 2007, 661, 676). Andererseits kann der (außenstehende) Minderheitsaktionär aber aus der Entscheidung, in der [X.] zu bleiben, auch einen über die Ausgleichszahlung hinausgehenden Nutzen ziehen, wenn sich die abhängige [X.] nach Abschluss des [X.]s positiv entwickelt und die Dividende nach einer Beendigung des [X.]
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mensvertrags deshalb höher als der Ausgleich ausfällt. Diese Chance wird ihm genommen, wenn er während des Bestehens des [X.]s nach § 327a, § 327e Abs.
3 [X.] aus der [X.] ausgeschlossen wird. Sie kann deshalb bei der Bewertung der Barabfindung i.S.d. § 327[X.] nicht au-ßer Betracht bleiben.
Dasselbe gilt für die Beteiligungsrechte des Minderheitsaktionärs, die zwar während des (Beherrschungs-
und) [X.] stark ein-geschränkt sein können und im Übrigen schon aufgrund seiner Stellung als Minderheitsaktionär nicht sehr weit gehen. Selbst wenn die Beteiligung des Minderheitsaktionärs mehr Kapitalanlage als gesellschaftsrechtliche Mitglied-schaft ist und er regelmäßig keinen relevanten Einfluss auf die [X.] nehmen kann, geht seine Beteiligung aber über den rein schuldrechtli-chen Anspruch auf Ausgleichszahlungen hinaus. Auch dem Kleinaktionär ste-hen Rechte zu, deren Wahrnehmung im Einzelfall in einer Art und Weise mög-lich ist, die den gesellschaftsbezogenen Belangen der übrigen Aktionären nach-teilig sein kann,
und die er deshalb unter Rücksichtnahme gegenüber den ge-sellschaftsbezogenen Belangen der Mitgesellschafter auszuüben hat. Zu [X.] sind hier u.a. die Wahrnehmung des Rechts auf Teilnahme an der [X.], das Auskunftsrecht nach §
131 [X.] und das Recht zur Anfech-tung von [X.] nach § 243 [X.] ([X.], Urteil vom 20. März 1995

II
ZR
205/94, [X.]Z
129, 136, 144). Diese Rechte werden durch einen (Beherrschungs-
und) Gewinnabführungsvertrag nicht einge-schränkt. Sie sind nicht ohne Gewicht, was sich schon daran zeigt, dass der Gesetzgeber gerade wegen der Ausübung dieser Rechte durch [X.]e die
Einführung der Squeeze-out-Regelung der §§ 327a ff. [X.] wegen eines beachtenswerten unternehmerischen Interesses an Konzernierungs-
und Strukturmaßnahmen für geboten erachtet hat (vgl. BT-Drucks. 14/7034, 28
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S.
32
f.). Der Verlust dieser Rechte ist daher beWerts der Beteiligung ebenfalls zu berücksichtigen.
cc) In einem Fall wie dem vorliegenden, bei dem eine Berechnung der Abfindung über die Ausgleichszahlungen zu einem geringeren Wert führt als die Bewertung über die quotale Beteiligung am Unternehmenswert, würde der bei einer Berechnung der Abfindung über den Barwert der Ausgleichszahlungen nicht ausgeglichene Anteil der Beteiligung zudem dem Hauptaktionär anwach-sen.
Der Hauptaktionär verfügt nach deren Ausschluss über die Anteile der Minderheitsaktionäre und damit über deren Stamm-
und [X.]srecht. Es entstünde somit in der Person, die den zur Abfindung führenden Sachverhalt im eigenen Interesse herbeigeführt hat, eine Bereicherung, für die es keinen sachlichen Grund gibt. Der Umstand, dass der Ausschluss der [X.] den (Beherrschungs-
und) Gewinnabführungsvertrag nicht beendet ([X.], Urteil vom 19. April 2011

II ZR 237/09, [X.]Z 189, 261 Rn. 18), ist hierbei unerheblich, da jedenfalls die Verpflichtung
des herrschenden [X.] zur Ausgleichszahlung entfällt.
dd) Der [X.] hat vorliegend dagegen keinen Anlass zu entscheiden, ob der Barwert der Ausgleichszahlungen ähnlich dem Börsenwert als Mindestwert der angemessenen Abfindung zugrunde zu legen ist, wenn dieser den anteili-gen Unternehmenswert zum [X.]punkt des Ausschlusses der [X.] übersteigt (für den Ausgleich als Untergrenze: Tebben, AG 2003, 600, 606; dagegen: OLG [X.], [X.], 375, 277; [X.] in [X.]/Stilz, Aktiengesetz, 3. Aufl., § 327b Rn. 4; [X.], AG 2010, 1, 9; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl., [X.]; [X.], Festschrift Priester, 2007, 661, 672). Davon wäre allerdings zumindest für den Fall auszugehen, dass der Barwert der Ausgleichszahlungen dem Verkehrswert der Unternehmensbeteili-29
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17
-

gung entspräche, weil die Abfindung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht unter dem Verkehrswert liegen darf (vgl. [X.] 100, 289, 305; [X.], ZIP
2012, 1408 Rn. 18).
b) Der Unternehmenswert beläuft sich zum Bewertungsstichtag am 5.
Juli 2002 auf 2.712.
[X.]s im Vorlagebeschluss Bezug genommen, denen sich der [X.] anschließt und gegen die die Antragstellerin im weiteren Verfahren nichts vorgebracht hat. Die Anwendung der Grundsätze zur Durchführung von [X.]bewertungen des [X.] in [X.] e.V. aus dem [X.] ([X.]) begegnet aus Rechtsgründen keinen Be-denken ([X.], Beschluss vom 29. September 2015

[X.], [X.], 110 Rn. 30 ff.).
31
-
18
-

3. Die Entscheidung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der [X.] im Beschwerdeverfahren beruht auf § 15 Abs. 4 SpruchG a.F.

Bergmann
Strohn
Caliebe

Reichart
Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.09.2013 -
3-8 O 170/02 -

[X.], Entscheidung vom 15.10.2014 -
21 [X.]/13 -

32

Meta

II ZB 25/14

12.01.2016

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2016, Az. II ZB 25/14 (REWIS RS 2016, 17948)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17948

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I-26 W 1/08 (AktE) (Oberlandesgericht Düsseldorf)


26 W 3/21 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


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II ZB 25/14

II ZB 23/14

II ZR 237/09

8 O 170/02

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