Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.02.2014, Az. IX ZR 313/12

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7936

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IX ZR 313/12

Verkündet am:

13. Februar 2014

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] §§ 61, 103 Abs. 1

a)
Die Erfüllung eines Konsignationslagervertrages kann dadurch gewählt werden, dass der Verwalter dem Lager im Eigentum des Vertragspartners stehendes [X.] entnehmen und im Betrieb des Schuldners verarbeiten lässt.

b)
Können die durch die Entnahmen geschlossenen Einzelverträge nicht vollständig aus der Masse erfüllt werden, haftet der Verwalter nach Maßgabe des § 61 [X.].

[X.], Urteil vom 13. Februar 2014 -
IX ZR 313/12 -
OLG [X.]

LG [X.] I

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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2014
durch [X.] [X.], den
Richter
Vill, die Richterin [X.], [X.] Pape und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.]n zu 2 wird das Urteil des 5. Zivilse-nats des Oberlandesgerichts [X.] vom 27. November 2012 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des [X.]n zu 2 entschieden worden ist.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsstreits, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der
[X.] ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermö-gen der S.

GmbH (fortan: Schuldnerin). Die Klä-gerin nimmt ihn als Verwalter sowie persönlich auf Schadensersatz in [X.].
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin hatte vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit der Schuldnerin vereinbart, Kunststoff-granulate bei dieser einzulagern.
Die Schuldnerin entnahm nach Bedarf [X.]
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stoff, stellte daraus Spritzgussteile her und verkaufte diese an die Klägerin. Von der Klägerin beanstandete Ware (Ausschuss) wurde vermahlen und neu verar-beitet. Nach Darstellung der Klägerin lag der Geschäftsbeziehung ein Konsig-nationslagervertrag
vom 29. Juni 2009 zugrunde, in welchem es unter anderem heißt:

"Das Material bleibt bis zu Ihrer Entnahme in unserem Eigentum und wird aufgrund Ihrer Verbrauchsmeldung von uns in Rechnung gestellt. Die Rechnungen werden im Gegenzug mit Ihren [X.] verrechnet. Sollten sich keine Gegenforderungen er-geben, werden Ihre Verbindlichkeiten aus der Lagerentnahme in-nerhalb 14 Tagen rein netto zur Zahlung fällig. Zur Prüfung des Bestandes werden wir von [X.] den tatsächlichen Zählbe-stand anfordern und/oder erlauben uns, diesen persönlich zu [X.]. [X.] werden wir Ihnen in Rechnung stellen."

Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
ließ der [X.] zunächst weiter Spritzgussteile für die Klägerin fertigen. Am 30. Juli 2010 stellte er
den
Betrieb der Schuldnerin ein. Er hat
Masseunzulänglichkeit angezeigt.

Die Klägerin verlangt
die
Bezahlung von "Fehlmengen", die nicht verar-beitet worden
sind, aber auch nicht mehr herausgegeben werden können. Im Hinblick auf die Anzeige der Masseunzulänglichkeit hat sie gegenüber dem [X.] als Verwalter beantragt festzustellen, dass ihr eine Masseforderung in
Zinsen zusteht.
Vom [X.]n persönlich hat sie Schadensersatz in gleicher Höhe verlangt. Das Berufungsgericht hat den [X.]n als Verwalter und den [X.]n persönlich
im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Der Senat hat nur
die Revision des [X.]n persönlich zugelassen, der seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter verfolgt.

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Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit es den [X.]n persönlich beschwert, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat

teils unter Bezugnahme auf das Urteil des [X.]s

ausgeführt: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei zwi-schen der Schuldnerin und der Klägerin vor der Eröffnung des
Insolvenzverfah-rens der von der Klägerin vorgelegte Konsignationslagervertrag geschlossen worden. Der [X.], der den Konsignationslagervertrag gekannt habe,
habe die Geschäftsbeziehung zur Klägerin nach Maßgabe dieses ihm bekannten Vertrages
fortgesetzt. Damit habe er
konkludent die Erfüllung des Vertrages gewählt. Die von der Klägerin in Rechnung gestellten Mengen an Granulat sei-en
geliefert worden.
Der [X.] hafte persönlich für die von ihm begründete [X.] in Höhe der negativen Bestandsdifferenzen. Den [X.] nach § 61 Satz 2 [X.] habe er nicht geführt. Ein Mitverschulden brauche die Klägerin sich nicht anrechnen zu lassen. Dem Vertrag nach sei sie zu [X.] berechtigt, nicht aber verpflichtet gewesen.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in einem we-sentlichen Punkt nicht stand.
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1. Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 61 [X.] sind allerdings erfüllt.

a) Der [X.] hat als Verwalter im Insolvenzverfahren über das Ver-mögen der Schuldnerin Masseverbindlichkeiten in der vom Berufungsgericht festgestellten Höhe begründet.

aa) Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens war der Konsignationsla-gervertrag
vom 29. Juni 2009
Grundlage der geschäftlichen Beziehungen der Klägerin zur Schuldnerin. Das [X.] hat nach Beweisaufnahme [X.], dass der Vertrag so, wie von der Klägerin behauptet, zustande gekom-men ist. Das Berufungsgericht hat diese Feststellung übernommen. Die [X.] nimmt dies hin. Der Vertrag sah vor, dass
die Klägerin
ihr gehörende Kunst-stoffgranulate unter Eigentumsvorbehalt bei der Schuldnerin einlagerte. Die Schuldnerin entnahm Material, um es weiter zu verarbeiten. Mit der jeweiligen Entnahme kam ein Kaufvertrag über die entnommene Menge zustande, auf-grund dessen die Schuldnerin den vereinbarten Kaufpreis zu entrichten hatte (§
433 Abs. 2 BGB). Gezahlt wurde durch Verrechnung mit den Warenlieferun-gen der Schuldnerin an die Klägerin.

bb) Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens änderte sich nichts.
Der [X.] ließ den Betrieb der Schuldnerin durch deren Geschäftsführer und das vorhandene Personal unverändert fortführen.
Mit der Entnahme von Material kamen jeweils Kaufverträge über
die entnommenen Mengen zustande. Die so begründeten Kaufpreisansprüche der Klägerin waren Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. Ein Wahlrecht nach § 103 Abs. 1 [X.] stand dem 7
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[X.]n hinsichtlich dieser erst nach der Eröffnung begründeten Verträge nicht zu.

(1) Ob der
Konsignationslagervertrag
einen gegenseitigen Vertrag im Sinne von § 103 [X.] darstellt,
bedarf keiner näheren Prüfung.
Der [X.] hat die Erfüllung dieses Vertrages gewählt, indem er, wie das Berufungsgericht näher ausgeführt hat [X.] 7 f unter 2, das vor allem auf den eigenen Bericht des [X.], dort S. 6 f,
Bezug nimmt], in Kenntnis des Vertrages weiterhin Material entnommen und verarbeitet hat.

Das Wahlrecht nach § 103 Abs. 1 [X.] wird durch eine einseitige emp-fangsbedürftige Willenserklärung ausgeübt. Eine bestimmte Form schreibt das Gesetz nicht vor, so dass der Verwalter auch durch schlüssiges Verhalten
die Erfüllung des Vertrages wählen kann. Für die Auslegung seines Verhaltens ist maßgebend, welche Bedeutung ihm der [X.] nach der Verkehrssitte und den Gesamtumständen beimessen musste ([X.], Urteil vom 8. Januar 1998

IX ZR 131/97, [X.], 358
zu § 17 KO). Der Senat hat in einzelnen Fällen, insbesondere im Urteil vom 8. Januar 1998 (aaO; ähnlich MünchKomm-[X.]/[X.], 3.
Aufl.
§ 103 Rn. 157) hohe Anforderungen an ein konkludentes Erfüllungsverlangen gestellt. Die Veräußerung von Vorbehaltsware bedeutet nach diesem Urteil nicht zwingend, dass der Verwalter die Erfüllung des [X.] mit dem Vorbehaltslieferanten wählt. Der Verwalter
habe
verschiede-ne Gestaltungsmöglichkeiten, so dass
der Weiterveräußerung kein typischer Erklärungswert beigemessen werden
könne. Nur im Einzelfall könne die [X.] von unter Eigentumsvorbehalt gelieferter Ware
als Erfüllungsverlangen ausgelegt werden ([X.], Urteil vom 8. Januar 1998, aaO, S.
359).

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Die Auslegung einer Willenserklärung (§§ 133, 157 BGB) kann vom [X.] nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob der Tatrichter die gesetzlichen und allgemein anerkannten Auslegungsregeln, die Denkgeset-ze und Erfahrungssätze beachtet und die der Auslegung zugrunde gelegten Tatsachen ohne Verfahrensfehler ermittelt hat ([X.], Urteil vom 8. November 2013

[X.], [X.], Rn. 9). Das gilt auch für die Auslegung einer Willens-erklärung durch schlüssiges Verhalten. Das Berufungsgericht hat die Erfül-lungswahl daraus hergeleitet, dass der [X.] nicht nur wusste, dass die bei der Schuldnerin lagernden Kunststoffgranulate im Eigentum der Klägerin stan-den, sondern dass er auch mit der zuständigen Mitarbeiterin der Klägerin über die Fortsetzung der Produktion gesprochen hat; in einem zwei Wochen nach Verfahrenseröffnung verfassten Schreiben des [X.]n, dem Gespräche mit der Klägerin vorangegangen waren, ist von einer "programmgemäßen"
Fortfüh-rung der Geschäfte der Schuldnerin die
Rede. Gegen diese Auslegung ist revi-sionsrechtlich nichts zu erinnern. Nach eigener Darstellung des [X.]n sind auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entnommene Mengen ge-meldet und daraufhin in Rechnung gestellt worden.
So ist bis Ende Juli 2010, also etwa 10 Monate lang, verfahren worden.
Noch im vorliegenden Rechts-streit hat sich der [X.]
unter Hinweis auf Bestimmungen des Konsignati-onslagervertrages
auf den Grundsatz "pacta sunt servanda"
berufen; fehlende Erfüllungswahl hat er erstmals
im Berufungsverfahren eingewandt.

(2) Mit der Entnahme von Material kam jeweils ein Kaufvertrag über die-ses zustande, unabhängig davon, ob die entnommenen Mengen dann der Klä-gerin zutreffend gemeldet wurden oder nicht. Die von der Revision [X.] Frage danach, ob durch eine mögliche zweckwidrige Verwendung des Kunststoffgranulats Sekundäransprüche entstanden
seien
und ob diese
An-sprüche
Masseverbindlichkeiten darstellen könnten, stellt sich nicht.
Die Menge 13
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des entnommenen Granulats hat das [X.] nach Beweisaufnahme durch Auswertung der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen und zeugenschaftli-cher Vernehmung des Geschäftsführers der Schuldnerin und der bei der Kläge-rin zuständigen Mitarbeiterin festgestellt.
Demgegenüber beanstandet die Revi-sion, dass es bei ordnungsgemäßem Geschäftsablauf nicht zu einem Fehlbe-trag zum Nachteil der Schuldnerin hätte kommen dürfen, weil deren Werklohn-forderungen gegen die Klägerin die Materialkosten überstiegen.
Diese Überle-gung ist für
sich genommen richtig, berücksichtigt jedoch nicht die Fehler, zu denen es nach
den in Bezug genommen Feststellungen des [X.]s im Betriebsablauf
gekommen war. Nicht alle Entnahmen sind ordnungsgemäß gemeldet worden; außerdem hat die Schuldnerin [X.] produziert,
die von der Klägerin beanstandet und nicht vergütet wurde.

b) Den [X.] nach § 61 Satz 2 [X.] hat der [X.] nicht geführt.
Er hat weder dargelegt, dass im Zeitpunkt der jeweiligen Entnahme objektiv von einer zur Erfüllung des hierdurch entstehenden [X.] ausreichenden Masse auszugehen war, noch, dass für ihn das Fehlen einer ausreichenden Masse nicht erkennbar war (vgl. [X.], Urteil vom 6. Mai 2004

IX ZR 48/03, [X.]Z 159, 104, 115 f).

c) Der Anspruch der Klägerin gegen die Masse kann nicht voll erfüllt werden. Ein Ausfallschaden im Sinne von
§ 61 [X.] ist bereits dann entstan-den, wenn der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat und keine ohne weiteres durchsetzbaren Ansprüche bestehen, aus denen die [X.] befriedigt werden können ([X.], Urteil vom 6. Mai 2004,
aaO S.
108; [X.], [X.], 18. Aufl., § 61 Rn. 12). Das ist hier der Fall.
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2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann die Klägerin jedoch nicht
die Bezahlung der Kaufpreisforderungen verlangen. § 61
[X.]
gewährt (nur) einen Anspruch auf das negative Interesse ([X.], Urteil vom 6. Mai 2004,
aaO S.
117 ff; [X.]/[X.], [X.], § 61 Rn. 25; [X.], aaO
§ 61 Rn. 11). Die Klägerin ist so zu stellen, wie sie stünde, wenn die Kunststoffgra-nulate im Lager verblieben wären. Feststellungen zum Wert des entnommenen und bisher nicht bezahlten Granulats, der streitig ist
hat das Berufungsgericht nicht getroffen.

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III.

Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es wird aufgehoben
(§ 562 Abs. 1 ZPO); die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen
(§ 563 Abs. 1 ZPO). Dieses wird die fehlenden Feststellungen zur [X.] nachzuholen ha-ben. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass kein Gesamtschuldverhältnis zwischen dem [X.]n persönlich und der Masse besteht.

[X.] [X.]

Pape Möhring

Vorinstanzen:
LG [X.] I, Entscheidung vom 25.05.2012 -
6 O 618/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 27.11.2012 -
5 U 2733/12 -

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Meta

IX ZR 313/12

13.02.2014

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.02.2014, Az. IX ZR 313/12 (REWIS RS 2014, 7936)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7936

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 313/12

V ZR 95/12

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