Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.01.2016, Az. 4 StR 84/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2016, 17700

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2016:140116U4STR84.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
4
StR
84/15

vom
14. Januar 2016
in der Strafsache
gegen

wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 14.
Januar
2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende [X.]in
am [X.]
Sost-Scheible,

[X.]in
am [X.]
Roggenbuck,
[X.] am [X.]
Dr. [X.],
[X.],
Dr. Quentin

als beisitzende [X.],

[X.] beim [X.]

in der Verhandlung

,
Staatsanwalt beim [X.]

bei der Verkündung

als Vertreter des
[X.]s,

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Verteidiger,

Rechtsanwalt

als Nebenklägervertreter,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
1.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 8.
Juli 2014 mit den [X.] aufgehoben,
a)
soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt wurde sowie
b)
in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe und die Maßregel.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zustän-dige [X.] des [X.] zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens
ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit fahrläs-siger Körperverletzung und mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs, sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Gesamtfreiheits-strafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung aus-gesetzt. Ferner hat es eine Maßregel nach §
69a StGB angeordnet und [X.] getroffen. Gegen das Urteil richtet sich die auf eine ver-1
-
4
-
fahrensrechtliche Beanstandung und die Sachrüge gestützte, zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und vom [X.] vertretene Revision
der Staatsanwaltschaft, mit der sie eine Verurteilung des Angeklagten insbe-sondere wegen vorsätzlicher Körperverletzungs-
und Tötungsdelikte erstrebt. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
1.
Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen ge-troffen:
Am Nachmittag des 4.
September 2013 fuhr der Angeklagte mit einem Pkw auf einer öffentlichen [X.]

, obwohl er

wie er wusste

nicht im
Besitz der hierfür erforderlichen Fahrerlaubnis war. Als er E.

und S.

M.

sowie Sa.

R.

am Straßenrand sah, hielt er das Fahrzeug
an, stieg aus und fragte E.

M.

nach
dem Aufenthaltsort von [X.]

Si.

, der

nach Ansicht des Angeklagten

einem in [X.] inhaftierten
Bruder des Angeklagten in Zusammenhang mit gemeinsam begangenen Straf-taten und der Verurteilung nur des Bruders des Angeklagten Geld schuldete.
E.

M.

verwies den Angeklagten auf den neben ihm stehenden
Sa.

R.

, einen Bruder von [X.]

Si.

. S.

M.

riet dem An-
geklagten indes, Sa.

R.

nicht zu fragen, sondern nach Hause zu
gehen. Der Angeklagte, der die Reaktionen von E.

und S.

M.

als

den Pkw, fuhr davon und unterrichtete seinen Vater telefonisch davon, dass er sich von E.

und S.

M.

des Angeklagten rief daraufhin den mit ihm befreundeten N.

Br.

an und
2
3
-
5
-
fragte ihn, was es mit dem Streit auf sich habe. N.

Br.

, ein Cousin von
E.

und S.

M.

, erklärte sich bereit, die Angelegenheit zu klären.
Nach weiteren Telefonaten trafen schließlich auf dem Parkplatz eines Supermarktes in B.

einerseits der Vater des Angeklagten mit
seinen Söhnen D.

und K.

I.

sowie Ke.

A.

als deren
Fahrer und der Angeklagte mit seinem Beifahrer Ne.

O.

sowie an-
dererseits E.

M.

, N.

Br.

und Sa.

R.

sowie S.

M.

, [X.]

Si.

und An.

R.

mit ihrer zweijährigen Tochter
ein. Ke.

A.

stellte sein Fahrzeug auf der rechten Seite einer nach Einfah-
ren auf den Parkplatz in 58
Meter Entfernung direkt vor ihm liegenden [X.] für drei Fahrzeuge ab. Nachdem die Insassen ausgestiegen waren, kam der nicht alkoholisierte, aber unter Einfluss von Cannabis stehende, in seinem Steuerungsvermögen indes nicht erheblich beeinträchtigte Angeklagte hinzu und besprach mit seinem Vater und seinen [X.], wie weiter zu verfahren sei. Hierbei wies der Vater des Angeklagten

um einer Eskalation vorzubeu-gen

diesen an, den Parkplatz mit seinem Fahrzeug zu verlassen. Dem leistete der Angeklagte Folge, bemerkte dabei jedoch das Eintreffen des mit E.

M.

, N.

Br.

und Sa.

R.

besetzten [X.], den E.

M.

in der Nähe des [X.] von Ke.

A.

abstellte. E.

M.

,
N.

Br.

und Sa.

R.

stiegen sodann aus dem Pkw aus und gin-
gen zu dem freien mittleren Parkplatz der Parkbucht, in der der Vater des [X.] und dessen Brüder standen. Ferner sah der Angeklagte, dass [X.]

Si.

und S.

M.

zu Fuß von der Einfahrt des Parkplatzes in Richtung
der Parkbucht gingen, in der Ke.

A.

sein Fahrzeug geparkt hatte. Dar-
aufhin bog der
Angeklagte

möglicherweise aus Angst um seinen Vater und r-weise weil er den von ihm gesuchten [X.]

Si.

sah

mit dem von ihm ge-
4
-
6
-
steuerten Pkw mit einer Geschwindigkeit von etwa 30

k-bucht zu, in der die Personengruppe stand. Dabei hätte er

so die Strafkam-mer

erkennen können, dass er infolge vorangegangenen Cannabiskonsums nicht mehr in der Lage war, ein Fahrzeug sicher im Verkehr zu führen, was er aber vor Aufregung sorgfaltswidrig nicht bedachte. Nach etwa 30
Metern [X.] der Pkw des Angeklagten mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 60
km/h den auf dem Weg zu der Parkbucht befindlichen S.

M.

, der dabei mit sei-
nem rechten Unterarm gegen die Frontscheibe des [X.] stieß, die zersplitterte.
S.

M.

zog sich hierbei neben einem Bluterguss am Knie und Schürf-
wunden am Arm einen Kreuzbandriss zu. An.

R.

, die mit ihrer
Tochter hinter den nebeneinander laufenden S.

M.

und [X.]

Si.

oßen. Parkbucht und den dort befindlichen Personen vorbeifahren, schlug das Lenk-infolge des vorangegangzu spät ein und fuhr mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 50
km/h in die [X.]. Dabei schrammte er mit seiner linken Fahrzeugseite an der rechten Seite des auf dem linken Parkplatz abgestellten [X.] einer Zeugin entlang und er-fasste den auf dem freien mittleren Parkplatz stehenden E.

M.

, der
hierdurch hinter die Parkbucht geschleudert wurde und schwer verletzt liegen blieb; er erlitt unter anderem Brüche am Sprunggelenk und am Oberschenkel
sowie am Waden-
und Schlüsselbein. N.

Br.

und Sa.

R.

konnten sich durch einen Sprung auf die Seite bzw. auf und über den Pkw des Angeklagten in Sicherheit bringen, wurden aber, weil sie hierbei zu Fall kamen, ebenfalls verletzt. Nach der Kollision stieg der Angeklagte aus dem von ihm -
7
-

.

R.

, die ihn festhalten wollte,
ab und rannte davon.
2.

vermochte sich das [X.] nicht zu überzeugen. In ihren [X.] begründet die [X.] dies damit, dass ein (bedingter) Vorsatz aufgrund der Spontaneität des Tatentschlusses und der affektiven Erregung des Angeklagten nicht nachweisbar sei.
II.
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist jedenfalls im Hinblick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falls (vgl. auch [X.], Beschluss vom 11.
September 2008

Ss
309/08
I
157, Blutalkohol 45, 392
f.) wirksam auf die landgerichtlichen Feststellungen und Wertungen zu den beiden Kollisionen auf dem Parkplatz des Supermarkts beschränkt.
Zwar hat die Staatsanwaltschaft unbeschränkt Revision eingelegt und auch einen unbeschränkten Aufhebungsantrag gestellt. In der Begründung des Rechtsmittels stellt die Revisionsführerin aber klar, dass sich dieses allein da--begangenen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher

5
6
7
-
8
-
III.
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsan-waltschaft hat bereits mit der Sachrüge Erfolg. Denn die Beweiswürdigung zum fehlenden Vorsatz des Angeklagten bei der Herbeiführung der Kollisionen und der durch sie eingetretenen Verletzung und Gefährdung mehrerer Personen, mithin zu den Vorwürfen versuchter und vollendeter vorsätzlicher Körperverlet-zungs-
und versuchter vorsätzlicher Tötungsdelikte sowie des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, leidet an durchgreifenden Rechts-fehlern. Eines [X.] auf die von der Staatsanwaltschaft ebenfalls [X.] Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.
1.
Die Beweiswürdigung ist in wesentlichen Teilen lückenhaft.
a)
Eine einen Rechtsfehler im Sinn des §
337 Abs.
1 StPO darstellende Lücke liegt insbesondere vor, wenn die Beweiswürdigung wesentliche [X.] nicht erörtert (vgl. etwa [X.], Urteil vom 5.
November 2015

4
StR 183/15) oder nur eine von mehreren gleich naheliegenden Möglichkeiten prüft (vgl. [X.], Urteil vom 11.
Januar 2005

1
StR
478/04, [X.], 147
f.).
b)
Das ist hier der Fall.
aa)
[X.] Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit unterscheiden sich darin, dass der bewusst fahrlässig Handelnde mit der als möglich erkannten Folge nicht einverstanden ist und deshalb auf ihren Nichteintritt vertraut, [X.] der bedingt vorsätzlich Handelnde mit dem Eintreten des schädlichen Er-folgs in der Weise einverstanden ist, dass er ihn billigend in Kauf nimmt oder 8
9
10
11
12
-
9
-
dass er sich wenigstens mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet ([X.], [X.] vom 5.
März 2008

2
StR
50/08,
[X.], 451
mwN). Die Prüfung, ob Vorsatz oder (bewusste) Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert insbesondere bei Tötungs-
oder Körperverletzungsdelikten eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, wobei es vor allem bei der Würdigung des volun-tativen [X.] regelmäßig erforderlich ist, dass sich der Tatrichter mit
der Persönlichkeit des [X.] auseinandersetzt und seine psychische Verfas-sung bei der Tatbegehung sowie seine Motivation und die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände

insbesondere die konkrete Angriffsweise

mit in Betracht zieht ([X.], Urteile vom 18.
Oktober 2007

3
StR
226/07, [X.], 93
f.; vom 27.
Januar 2011

4
StR
502/10, [X.], 699, 702; vom 22.
März 2012

4
StR
558/11, [X.]St 57, 183, 186
f.; vom 13.
Januar 2015

5
StR 435/14,
[X.], 216 jeweils mwN). Diese Gesamtschau ist insbesondere dann notwendig, wenn der Tatrichter allein oder im Wesentlichen aus äußeren Umständen auf die innere Einstellung eines Angeklagten zur Tat schließen muss (vgl. etwa [X.], Urteil vom 13.
Dezember 2005

1
StR
410/05, [X.], 386
f.). Sie ist lückenhaft, wenn der Tatrichter sich mit wesentlichen, den Angeklagten belastenden Umständen nicht auseinandersetzt, die für die [X.] ([X.], Urteil vom 8.
September 2011

1
StR 38/11, [X.] 2012, 71
f.).
bb)
Eine solche Gesamtschau hat die [X.] nicht in der gebote-nen Vollständigkeit vorgenommen.
Zwar verweist die [X.] in ihren Rechtsausführungen darauf, dass ein (bedingter) Vorsatz aufgrund der Spontaneität des Tatentschlusses und der affektiven Erregung des Angeklagten nicht nachweisbar sei. Im Zu-sammenhang mit den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen 13
14
-
10
-

Reaktionszeit infolge des Cannabiskonsums, das Fehlen eines nachvollziehba-ren Motivs sowie darauf, dass der Vater des Angeklagten und seine beiden Brüder ebenfalls in der Parkbucht standen und er bei vorsätzlichem Handeln nicht nur seine Gesundheit und sein Fahrzeug, sondern auch Leben und Ge-sundheit seines [X.] gefährdet hätte.
Bei der Darstellung der Ausführungen des Sachverständigen für Unfallrekonstruktion legt die [X.] dagegen dar, dass sich aufgrund dieser ein vorsätzliches Handeln des Angeklagten nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachweisen [X.].
Letzteres trifft zwar für sich genommen zu, jedoch stünden die Ausfüh-rungen des Sachverständigen auch der Bejahung eines vorsätzlichen Handelns des Angeklagten nicht entgegen. Im Übrigen ist trotz dieser Sammlung vorsatz-kritischer Umstände jedenfalls nicht ohne weitere

indes fehlende

Erläute-rungen nachvollziehbar, dass und inwieweit diese Umstände bereits im ersten Tatkomplex (Anfahren von S.

M.

) Bedeutung erlangt haben könnten.
Die [X.] setzt die von ihr aufgeführten Umstände zudem nicht in Be-ziehung zueinander und erläutert auch nicht, ob sie schon zu Zweifeln am [X.] hinsichtlich der Handlungen (als solcher) oder dazu geführt haben, dass ungewiss bleibt, ob der Angeklagte bei vom Vorsatz getragenen Handlungen den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernlie-gend erkannt oder er ihn nur nicht gebilligt hat. Hierzu bestand hinsichtlich des ersten Tatkomplexes jedoch schon deshalb Anlass, weil der Angeklagte von der Einfahrt des [X.] gerader Strecke über etwa 30
Meter auf die vor ihm gehenden Fußgänger -, zumal nach den Ausführungen des 15
-
11
-
Sachverständigen Cannabiskonsum lediglich den peripheren Bereich des [X.] vergrößert, dieses nicht aber einschränkt, und er S.

M.

und
[X.]

Si.

schon zuvor identifiziert hatte. Auch die vom [X.] ange-
führte überhöhte Geschwindigkeit infolge Cannabisintoxikation sowie der zu geringe Seitenabstand zu den Fußgängern widerstreiten unter den hier gege-benen Umständen nicht ohne weiteres der Annahme einer vorsätzlichen Tat-handlung. Vor diesem Hintergrund hätte sich die [X.] bei der Prüfung des Vorsatzes in Bezug auf den [X.] zumindest auch mit der objek-tiven Gefährlichkeit der Tathandlung auseinandersetzen müssen (vgl. zum [X.] auf Fußgänger: [X.], Urteile vom 29.
Januar 2015

4
StR
433/14, [X.], 392, 394; vom 25.
Oktober 2012

4
StR
346/12), der als wesent-lichem Indikator sowohl für das Wissens-
als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes gewichtige Bedeutung zukommt (vgl. hierzu etwa [X.], Urteil vom 16.
Mai 2013

3
StR
45/13, [X.], 242
f.).
Hinsichtlich des zweiten Tatkomplexes (Einfahren in die Parkbucht) liegt eine Lücke schon darin, dass die [X.] in die Prüfung eines vorsätz-lichen Handelns des Angeklagten nicht einbezogen hat, dass dieser nicht nur eine, sondern in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zwei Kollisi-onen herbeigeführt hat, mithin eine Häufung an Verhaltensweisen vorliegt, die e-bzielenden und diese zumindest in Kauf nehmenden Handlun-gen plausibel ist. Zudem hat das [X.] unberücksichtigt gelassen, dass der Angeklagte den von ihm gesteuerten Pkw zwischen der Einfahrt auf den

50

e-zug auf die Handlung (als solcher) ein lediglich fahrlässiges Verhalten

zumal auf dem Parkplatz eines Supermarktes

nicht nahelegt. Hierin liegt auch des-16
-
12
-
halb eine Lücke, weil die [X.] das von ihr dem Angeklagten unterstellte beabsichtigte Durchfahren einer Linkskurve vor der Parkbucht nur deshalb als misslungen ansieht, weil seine Reaktionszeit aufgrund des durch den vorange-gangenen Aufprall verursachten [X.] und des Cannabiskonsums verlän-gert gewesen sei. Sie erörtert dabei aber nicht, dass der Angeklagte die [X.], mit der die Kurve hätte durchfahren werden können, infolge der Beschleunigung zumindest nahezu erreicht hatte, und
er nach einer von der [X.] als glaubhaft bewerteten Zeugenaussage ungebremst in die [X.] gefahren ist. Dies wurde vom Sachverständigen insofern bestä-tigt, als er keine Hinweise auf eine Bremsung festgestellt und jedenfalls eine starke Bremsung vor der Kollision mit dem parkenden Pkw ausgeschlossen hat. Soweit das [X.] den

ersichtlich auf den [X.] bezogenen

Vorsatz mit der Erwägung in Frage gestellt hat, dass durch ein Einfahren in die Parkbucht auch das Leben und die Gesundheit seines [X.] und seiner Brüder gefährdet worden wäre, hätte sich die [X.] schließlich auch damit aus-Seite der Parkbucht abgestellten Fahrzeug dazu gedient haben kann, die tat-sächlich von der [X.] nicht festgestellte Gefährdung seiner Familien-angehörigen auszuschließen oder wenigstens zu verringern (vgl. dazu auch nachfolgend
2.).
2.
Die Beweiswürdigung ist zudem widersprüchlich.
Denn die [X.] legt
einerseits dar, dass nach der glaubhaften Aussage des Zeugen E.

M.

der Vater des Angeklagten im Zeitpunkt
der zweiten Kollision auf dem freien Parkplatz zwischen den in der Parkbucht abgestellten [X.] stand, während sich die Brüder des Ang
.

aufhiel-
17
18
-
13
-
ten. Sie stellt jedoch andererseits ausdrücklich fest, dass sich alle sechs Perso-nen

einschließlich der Brüder des Angeklagten

in der freien mittleren Park-lücke der Parkbucht befanden. Dieser Widerspruch ist erheblich, da das Land-gericht eine

von der [X.] nicht festgestellte

Gefährdung des [X.] und der Brüder als dem Vorsatz widerstreitendes Indiz bewertet hat. Eine Ge-fährdung der Brüder des Angeklagten durch das Einfahren des Angeklagten in die Parkbucht hätte aber nicht bestanden, wenn man der Aussage des Zeugen E.

M.

folgt. Auch die Gefährdung des [X.] des Angeklagten, der
nach den Angaben des Zeugen E.

M.

neben
dem Kofferraum des in
der Parkbucht rechts abgestellten Fahrzeugs stand, wäre durch ein gezieltes [X.] zumindest verringert worden.
3.
Hinzu kommt, dass die Erwägung, das Fehlen eines nachvollziehba-ren Tatmotivs spreche gegen ein vorsätzliches Herbeiführen der Kollisionen, durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
Diese nicht näher begründete Annahme lässt schon außer Betracht, dass der Angeklagte das Verhalten zweier Tatopfer, nämlich von E.

und S.

M.

-

n-.

und S.

M.

Parkplatz weggeschickt hatte. Auch hat der Angeklagte selbst eingeräumt, dass er zurückgekehrt sei, da er sich verpflichtet gefühlt habe, seinem Vater und sei-nen [X.] angesichts der hinzugekommenen Personen Hilfe leisten zu [X.], und er seinen Vater nicht im Stich lassen wollte.
19
20
-
14
-
Neben dieser Lücke hat die [X.] aber auch unbeachtet ge[X.]n, dass mit bedingten Tötungsvorsatz handelnde Täter kein Tötungsmotiv haben, sondern einem anderen Handlungsantrieb nachgehen ([X.], Urteile vom 19.
Dezember 2013

4
StR
347/13; vom 26.
März 2015

4
StR
442/14, [X.], 172
f.) und selbst ein unerwünschter Erfolg dessen billigender Inkaufnahme nicht entgegensteht ([X.], Urteil
vom 14.
Januar 2015

5
StR 494/14, [X.], 460; vgl. ferner [X.], Urteile vom 18.
Oktober 2007

3
StR 226/07, [X.], 93; vom 27.
Januar 2011

4
StR
502/10, [X.], 699, 701
f.
mwN; zu hochgradig interessenwidrigen Tatfolgen allerdings: [X.], [X.] vom 27.
August 2009

3
StR
246/09, [X.], 372
f.; vom 30.
No-vember 2005

5
StR
344/05, [X.], 317, 318).
4.
Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils, soweit der Ange-klagte wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs
in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt wurde. Dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafen-
und des [X.] nach sich. Einer Aufhebung der Adhäsionsentscheidung durch den [X.] bedarf es dagegen nicht ([X.], Urteil vom 28.
November 2007

2
StR
477/07, [X.]St 52, 96, 98).
Die

teilweise

Aufhebung des Urteils führt zur Aufhebung der zugehö-rigen Feststellungen (§
353 Abs.
2 StPO). Der [X.] sieht insbesondere im Hinblick auf die oben dargelegten Widersprüche und Lücken in der Beweis-
21
22
23
-
15
-
würdigung davon ab, die zum äußeren Ablauf des Geschehens auf dem Park-platz getroffenen Feststellungen bestehen zu lassen.
Sost-Scheible
Roggenbuck
[X.]

Mutzbauer
Quentin

Meta

4 StR 84/15

14.01.2016

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.01.2016, Az. 4 StR 84/15 (REWIS RS 2016, 17700)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17700

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 84/15 (Bundesgerichtshof)

Fahrlässige Körperverletzung: Notwendige Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit bei Zufahren auf einen Fußgänger; …


2 StR 204/14 (Bundesgerichtshof)


4 StR 435/12 (Bundesgerichtshof)

Straßenverkehrsgefährdung bei Trunkenheitsfahrt: Anforderungen an die konkrete Gefährdung eines anderen Menschen oder einer fremden Sache; …


1 StR 236/15 (Bundesgerichtshof)


4 StR 328/08 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 248/16

Zitiert

4 StR 84/15

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.