Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.08.2023, Az. X R 9/21

10. Senat | REWIS RS 2023, 6215

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Gegenstand

(Rückforderung von Altersvorsorgezulage vom Zulageempfänger nach Schaffung des § 90 Abs. 3a des EinkommensteuergesetzesEStG)


Leitsatz

Auch nach der Einfügung des Abs. 3a in § 90 EStG ist weiterhin davon auszugehen, dass die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen rechtsgrundlos geleistete Zulagebeträge nach Beendigung und Abwicklung des Altersvorsorgevertrags unmittelbar vom Zulageempfänger gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 EStG zurückfordern kann.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 12.04.2021 - 15 K 15171/20 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) unterhielt bis zur Auszahlung einer Kleinbetragsrente am 01.03.2018 einen Altersvorsorgevertrag bei der AG (Anbieterin). Sie hatte bei Vertragsabschluss die Anbieterin bevollmächtigt, einen Dauerzulageantrag zu stellen. Die Anbieterin stellte deshalb auch für die Streitjahre 2017 und 2018 einen Antrag auf Auszahlung der [X.]. Dabei ging die Anbieterin mangels anderer Kenntnis wie in den Vorjahren davon aus, dass die Klägerin in den Streitjahren in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert gewesen sei. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin, die [X.] ([X.] --[X.]--), zahlte die [X.] für 2017 in Höhe von 524 € am 15.05.2018 und für 2018 in Höhe von 242,16 € am 15.05.2019 an die Anbieterin aus. Diese leitete die Beträge an die Klägerin weiter, da der Altersvorsorgevertrag zu diesen Zeitpunkten aufgrund der Auszahlung der Kleinbetragsrente nicht mehr bestand.

2

Die spätere Überprüfung der [X.] nach § 91 des Einkommensteuergesetzes ([X.]) ergab, dass die Klägerin in den Streitjahren nicht zulageberechtigt gewesen ist. Deshalb forderte die [X.] die Zulagen in Höhe von 766,16 € von der Klägerin zurück. Dabei berief sie sich auf die Vorschrift des § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO).

3

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) ging in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 2040 veröffentlichen Urteil davon aus, dass der [X.] ein Anspruch auf Erstattung der für die Streitjahre ausgezahlten Zulagen nach § 37 Abs. [X.] zustehe, der nicht durch speziellere Regelungen ausgeschlossen sei. Auch der ab 2018 geltende § 90 Abs. 3a [X.] stehe der Rückforderung nicht entgegen, da er lediglich die dort genannten Sonderfälle betreffe, zumal in [X.] von § 90 Abs. 3a [X.] erfassten Fällen ein Altersvorsorgevertrag beim Anbieter noch bestehe. Auch durch § 90 Abs. 3a [X.] solle die allgemeine Vorschrift des § 37 Abs. [X.] nicht verdrängt werden. Den Gesetzesmaterialien könne nicht entnommen werden, dass § 90 Abs. 3a [X.] eine abschließende und alle Fälle der Rückforderung umfassende Regelung treffen wolle.

4

Die Klägerin macht die Verletzung materiellen Rechts geltend. Der [X.] habe in seinem Urteil vom 09.07.2019 - X R 35/17 ([X.], 421, BStBl II 2019, 668) ausgeführt, dass § 37 Abs. [X.] für eine Rückforderung von [X.]n keine Anwendung finde, wenn eine abschließende Sonderregelung bestehe. Er habe dabei bewusst offengelassen, ob § 90 Abs. 3a [X.] seit 2018 eine solche Sonderregelung enthalte. Der Gesetzgeber habe diesen Abs. 3a in § 90 [X.] eingefügt, um eine abschließende Regelung zu schaffen. Damit könne § 37 Abs. [X.] nicht mehr zur Anwendung kommen.

5

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 18.08.2020 und den Bescheid vom 14.05.2020 aufzuheben.

6

Die [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Aus dem klaren Wortlaut des § 90 Abs. 3a [X.] und dem Verhältnis zu § 90 Abs. 3 [X.] ergebe sich, dass diese Norm nur spezielle Rückforderungsfälle betreffe. Diese seien im Streitfall nicht gegeben. Eine darüber hinauswirkende abschließende Regelung enthalte § 90 Abs. 3a [X.] nicht und schließe demzufolge auf § 37 Abs. [X.] gestützte Rückforderungsansprüche gegenüber dem [X.] nicht aus. Vielmehr ergänze § 90 Abs. 3a [X.] lediglich die Regelung des § 90 Abs. 3 [X.]. Dies unterstreiche der zweifache Verweis auf § 90 Abs. 3 [X.] und die Beibehaltung der Regelungsstruktur.

8

Ein bewusster Ausschluss der Rückforderung nach § 37 Abs. [X.] lasse sich auch nicht aus dem Gesetzgebungsverfahren herleiten. Vielmehr habe der Gesetzgeber in den in § 90 Abs. 3a [X.] geregelten Sonderfällen (Versorgungsausgleich, Altersvorsorge-Eigenheimbetrag und Darlehenstilgung) entsprechend der bisherigen Verwaltungspraxis ausnahmsweise trotz der fortbestehenden Vertragsverhältnisse eine Rückforderung beim [X.] ermöglichen wollen. Hintergrund sei die in solchen Fällen bestehende unzureichende Deckung der Altersvorsorgeverträge.

9

Einer weitergehenden Regelung für Rückforderungen bei bereits beendeten [X.] habe es im Übrigen nicht bedurft, da insoweit stets allein das Verhältnis der [X.] zum [X.] betroffen gewesen sei.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen.

1. Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass die [X.] berechtigt war, von der Klägerin die für die Beitragsjahre 2017 und 2018 gewährten Zulagen entsprechend § 37 Abs. [X.] (i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]) zurückzufordern. Dieser Rückforderungsanspruch ist nicht durch eine die Altersvorsorgezulage betreffende Sondervorschrift (§§ 93 bis 95 [X.]) ausgeschlossen worden (unten a). Auch § 90 Abs. 3, 3a [X.] hindern die Anwendung des § 37 Abs. [X.] nicht (unten b). Folglich konnte die [X.] die streitigen Zulagen von der Klägerin zurückfordern (unten c).

a) Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind auf die Zulagen und die Rückzahlungsbeträge die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden. Dies betrifft, da die Abgabenordnung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] auch für Steuervergütungen gilt, sämtliche Vorschriften der Abgabenordnung, soweit keine Sonderregelungen vorgehen. Folglich ist im Fall der Rückforderung von Zulagen auch § 37 Abs. [X.] anwendbar, soweit die §§ 93 bis 95 [X.] keine spezielleren Regelungen enthalten (vgl. nur Senatsurteil vom 09.07.2019 - X R 35/17, [X.], 421, BStBl II 2019, 668, Rz 14, m.w.N.).

Zu Recht geht das [X.] vorliegend davon aus, dass eine Anwendung der §§ 93 bis 95 [X.] nicht in Betracht kommt, da der Altersvorsorgevertrag im Wege einer Einmalzahlung an die Klägerin zur Abfindung einer Kleinbetragsrente nach § 93 Abs. 3 Satz 1 [X.] aufgelöst worden ist. Eine solche Einmalzahlung ist ausdrücklich nicht als schädliche Verwendung im Sinne der genannten Regelungen anzusehen.

b) Weder § 90 Abs. 3 [X.] (unten [X.]) noch die seit dem Kalenderjahr 2018 geltende Regelung des § 90 Abs. 3a [X.] ([X.]) greifen ein. Sie stellen auch keine abschließenden Sonderregelungen zur Rückforderung von zu Unrecht nach Beendigung des [X.] gezahlten Zulagen dar.

[X.]) Zutreffend geht das [X.] davon aus, dass § 90 Abs. 3 [X.] im Streitfall schon deshalb nicht anwendbar ist, weil der Altersvorsorgevertrag zum Zeitpunkt der Rückforderung der an die Klägerin für die Streitjahre 2017 und 2018 gezahlten Zulagen beendet war. Gemäß § 90 Abs. 3 Satz 1 [X.] hat die [X.] für den Fall, dass sie bis zum Ende des zweiten auf die Ermittlung der Zulage folgenden Jahres erkennt, dass der Zulageanspruch ganz oder teilweise nicht besteht oder weggefallen ist, die zu Unrecht gutgeschriebene oder ausgezahlte Zulage bis zum Ablauf eines Jahres nach der Erkenntnis zurückzufordern und dies dem Anbieter durch Datensatz mitzuteilen. Bei bestehendem Vertragsverhältnis hat der Anbieter gemäß § 90 Abs. 3 Satz 2 [X.] das Konto zu belasten. Voraussetzung für eine Anwendung des § 90 Abs. 3 [X.] und damit für die Rückforderung über den Anbieter ist ein bestehendes Vertragsverhältnis.

Im Streitfall war der Altersvorsorgevertrag bereits am 01.03.2018 beendet worden. Eine Belastung des zuvor vom Anbieter für die Klägerin geführten Kontos gemäß § 90 Abs. 3 Satz 2 [X.] war nicht mehr möglich. Somit scheidet eine Anwendung des § 90 Abs. 3 [X.] bereits aus diesem Grunde aus.

bb) § 90 Abs. 3 [X.] stellt keine abschließende Sonderregelung für die Rückforderung von zu Unrecht gezahlten Zulagen dar, die einen Rückgriff auf § 37 Abs. [X.] ausschlösse (weiterführend dazu vgl. Senatsurteil vom 09.07.2019 - X R 35/17, [X.], 421, BStBl II 2019, 668, Rz 18 ff.).

c) Ebenfalls nicht erfüllt sind die Voraussetzungen des § 90 Abs. 3a [X.]. Auch § 90 Abs. 3a [X.] ist keine den § 37 Abs. [X.] verdrängende Sonderregelung für zu Unrecht gezahlte Zulagen.

[X.]) § 90 Abs. 3a [X.], der durch das [X.] vom 17.08.2017 ([X.], 3214) mit Wirkung ab dem 01.01.2018 eingefügt worden ist, regelt die Rückforderung von zu Unrecht gezahlten Zulagen nach der Durchführung einer versorgungsrechtlichen Teilung des [X.] (Satz 1), nach einer Inanspruchnahme eines [X.] im Sinne des § 92a Abs. 1 [X.] (Satz 2 Alternative 1) oder während einer Darlehenstilgung bei [X.] nach § 1 Abs. 1a des [X.]-Zertifizierungsgesetzes (Satz 2 Alternative 2). In allen drei Fällen setzt die [X.] den Rückforderungsbetrag nach Abs. 3 unter Anrechnung bereits vom Anbieter [X.] und abgeführter Beträge gegenüber dem [X.] fest, soweit das Guthaben auf dem (Altersvorsorge-)Vertrag des [X.] zur Zahlung des [X.] nach § 90 Abs. 3 Satz 1 nicht ausreicht. Im Fall der durchgeführten versorgungsrechtlichen Teilung des [X.] betrifft dies nur den [X.] als Teil des [X.], der in der Ehe- und Lebenspartnerschaftszeit ausgezahlt worden ist (Satz 1 Nr. 2).

Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen aller drei Alternativen erkennbar nicht erfüllt.

bb) § 90 Abs. 3a [X.] enthält ebenfalls keine abschließende Sonderregelung für die Rückforderung von zu Unrecht gezahlten Zulagen. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Norm und ihrer systematischen Stellung. Auch die Gesetzeshistorie und der Sinn und Zweck der Norm sprechen gegen eine solche abschließende Regelungswirkung des § 90 Abs. 3a [X.]. Folglich bleibt der Rückforderungsanspruch gegenüber der Klägerin nach § 37 Abs. [X.] in Bezug auf die für die Streitjahre 2017 und 2018 ausgezahlten Zulagen bestehen.

(1) § 90 Abs. 3a Satz 1 und 2 [X.] setzten ihrem Wortlaut nach voraus, dass ein Vertrag des [X.] im Zeitpunkt des [X.] noch besteht, dessen Guthaben aber in allen drei Alternativen "nicht ausreicht", und sehen für diesen Fall vor, dass ein Rückforderungsbetrag unter Anrechnung bereits vom Anbieter [X.] und abgeführter Beträge gegenüber dem [X.] festgesetzt wird. Die Rückforderung im Falle eines nicht mehr bestehenden [X.] regelt § 90 Abs. 3a [X.] nicht.

(2) Systematisch knüpft § 90 Abs. 3a [X.] an die Festsetzung eines [X.] nach § 90 Abs. 3 [X.] an und unterscheidet sich von dieser Regelung, was sein Verhältnis zu § 37 Abs. [X.] betrifft, nicht.

§ 90 Abs. 3a [X.] enthält zudem keine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass das Vertragsverhältnis zwischen Anbieter und Anleger nicht mehr besteht. Aus Sicht des Senats ergibt sich aus dieser fehlenden Regelung in Abs. 3a jedoch nicht, dass den Anbieter eine uneingeschränkte Verantwortlichkeit für die Rückforderung von Zulagen träfe und er deshalb vorbehaltlich einer den Zulageempfänger treffenden Erstattungsregelung verpflichtet wäre, auf eigene Kosten den Rückforderungsbetrag bei der [X.] anzumelden und abzuführen. Dies käme einer generellen Haftung des Anbieters für die [X.] gleich, die unbeachtet ließe, dass der Anbieter lediglich als Gesamtschuldner neben dem [X.] gemäß § 96 Abs. 2 [X.] haftet, und zwar nur für diejenigen Zulagen, die wegen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung zu Unrecht gezahlt oder nicht zurückgezahlt worden sind (Senatsurteil vom 09.07.2019 - X R 35/17, [X.], 421, BStBl II 2019, 668, Rz 19).

Wie im Fall der Rückforderung nach § 90 Abs. 3 [X.] kann daher auch § 90 Abs. 3a [X.] nicht als abschließende Regelung verstanden werden. Vielmehr ergänzt § 90 Abs. 3a [X.] durch seine Bezugnahme auf § 90 Abs. 3 [X.] die Fälle der Rückforderungen bei bestehenden [X.]. Dies entspricht der bis zur Gesetzesänderung geltenden und auf verschiedene Schreiben des [X.] ([X.]) gestützten Rechtspraxis der [X.]. Denn obwohl § 90 Abs. 3 [X.] für die nun in Abs. 3a geregelten drei Fälle eine vollständige Belastung des [X.] mit den [X.]n mangels ausreichender Guthaben der [X.] nicht vorsah, forderte die [X.] die Zulage direkt vom [X.] zurück (vgl. [X.]-Schreiben vom 24.07.2013, [X.], 1022, Rz 271 und Rz 272 i.d.F. des [X.]-Schreibens vom 13.01.2014, [X.], 97).

(3) Die Entstehungsgeschichte der Regelung bestätigt dies. Mit der Einfügung des § 90 Abs. 3a [X.] sollten diese bislang durch Verwaltungsvorschrift geregelten Rückforderungsfälle ins Gesetz übernommen werden, worauf auch im Rahmen der Gesetzesbegründung ausdrücklich hingewiesen wurde (BTDrucks 18/11286, 66). Dass der Gesetzgeber damit eine abschließende und den allgemeinen Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. [X.] ausschließende Regelung hätte treffen wollen, lässt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen.

(4) Ein solches Auslegungsergebnis widerspräche zudem nicht nur dem Sinn und Zweck des § 90 Abs. 3a [X.], sondern auch der im Zulageverfahren zwingenden Notwendigkeit, eine umfassende Rückforderung von zu Unrecht gezahlten Zulagen zu verankern.

(a) Das Rückforderungserfordernis von zu Unrecht gezahlten Zulagen ist im dreistufigen Ablauf des [X.] angelegt. Im weitestgehend automatisierten Zulageverfahren ermittelt die [X.] auf der ersten Stufe aufgrund der von ihr erhobenen oder der ihr übermittelten Daten ohne Prüfung von deren Richtigkeit, ob und in welcher Höhe ein Zulageanspruch besteht (§ 90 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Die [X.] veranlasst bei Bestehen eines solchen Anspruchs die Auszahlung an den Anbieter zugunsten des [X.]. Dabei steht die Mitteilung des [X.] (§ 90 Abs. 1 Satz 1 [X.]) an den Anbieter kraft Gesetzes unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (seit 2005: § 12 Abs. 1 Satz 2 der [X.]). Erst auf der zweiten Stufe sieht § 91 [X.] ausdrücklich ein Verfahren der "Überprüfung der Zulage" vor. Das Ergebnis dieses Datenabgleichs kann eine Rückforderung der bereits ausgezahlten Zulage vom Anbieter ebenfalls durch Datensatz zur Folge haben (§ 90 Abs. 3 [X.]). Auf der dritten Stufe hat der Zulageberechtigte dann die Möglichkeit, durch besonderen Antrag eine förmliche Festsetzung der Zulage zu erreichen (§ 90 Abs. 4 [X.]).

(b) Diese Regelungen zeigen auf, dass die Vorläufigkeit der Ermittlung der Zulage auf der ersten Stufe und die spätere Überprüfung mittels des in § 91 [X.] vorgesehenen Datenabgleichs im Gesetz angelegt ist. Zulagen können im Einzelfall zu Unrecht ausgezahlt werden und sind deshalb später zurückzufordern. Soweit die Rückforderung bei bestehenden [X.] durch Belastung des Kontos des [X.] möglich ist, sieht § 90 Abs. 3 Satz 2 [X.] dies als einfache und schnelle Abwicklungsmethode vor. [X.] das Guthaben trotz (noch) bestehenden Vertrags jedoch nicht aus, ist der Restbetrag nicht vom Anbieter, sondern vom [X.] zurückzufordern. Entsprechendes gilt für die in § 90 Abs. 3a [X.] genannten besonderen Fälle, bei denen sowohl das Konto belastet wie auch vom [X.] der Restbetrag gefordert werden kann. Daneben sind noch weitere Möglichkeiten denkbar, bei denen die vorläufig gezahlten und letztlich zu Unrecht geleisteten Zulagen zurückzufordern sind. Es ist schon deshalb notwendig, diese Zulagen nach Vertragsende vom [X.] zurückfordern zu können.

(c) Diese Möglichkeit der Rückforderung schafft § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.], indem er ausdrücklich die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung auf die Zulagen und die Rückzahlungsbeträge für entsprechend anwendbar erklärt. Folglich muss, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt worden ist, auch der allgemeine Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. [X.] zum Tragen kommen. Ein ausdrücklicher Ausschluss dieser Vorschrift, wie in § 96 Abs. 1 Satz 2 [X.] für den Fall des § 163 [X.] geregelt, fehlt und ist auch im Wege einer (restriktiven) Auslegung der § 90 Abs. 3, Abs. 3a [X.] nicht herleitbar.

d) Die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 Satz 1 [X.] sind hinsichtlich der Rückforderung der Zulagen für die Streitjahre 2017 und 2018 erfüllt.

Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 [X.] hat derjenige, auf dessen Rechnung unter anderem eine Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist, gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrags (vgl. hierzu und zum Nachfolgenden das Senatsurteil vom 09.07.2019 - X R 35/17, [X.], 421, BStBl II 2019, 668, Rz 24 ff.). Leistungsempfänger im Sinne des § 37 Abs. [X.] ist dabei derjenige, demgegenüber die [X.] als Finanzbehörde eine abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen will - also die Klägerin, obwohl die Zulagen an die Anbieterin überwiesen worden sind. Denn die Anbieterin ist lediglich eine Dritte und die Zahlung an sie erfolgte in Erfüllung der vermeintlichen Ansprüche der Klägerin. Aus diesem Grunde leitete die Anbieterin die Zahlungen nach Beendigung des [X.] auch an die Klägerin weiter. Die Klägerin hat die Zulagen für beide Streitjahre ohne rechtlichen Grund erhalten, da sie in diesen Jahren nicht mehr in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert und auch --unstreitig-- aus keinem anderen Grunde (mittelbar) zulageberechtigt war.

e) Unerheblich ist, ob ein schuldhaftes Verhalten der Klägerin oder der Anbieterin vorliegt, da § 37 Abs. [X.] ein Verschulden nicht voraussetzt (weiterführend insoweit auch Senatsurteil vom 09.07.2019 - X R 35/17, [X.], 421, BStBl II 2019, 668, Rz 28 f.).

2. Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 [X.]O).

3. [X.] ergibt sich aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

X R 9/21

23.08.2023

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 12. April 2021, Az: 15 K 15171/20, Urteil

§ 37 Abs 2 AO, § 90 Abs 3 EStG 2009, § 90 Abs 3a EStG 2009 vom 17.08.2017, § 96 Abs 1 S 1 EStG 2009, EStG VZ 2017, EStG VZ 2018

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.08.2023, Az. X R 9/21 (REWIS RS 2023, 6215)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6215

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