Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.08.2020, Az. XI R 32/18

11. Senat | REWIS RS 2020, 3379

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Gegenstand

Zur Passivierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt


Leitsatz

Eine Rangrücktrittserklärung, die die Erfüllung der Verpflichtung nicht nur aus zukünftigen Gewinnen und Einnahmen, sondern auch aus "sonstigem freien Vermögen" vorsieht, löst selbst dann weder handels- noch steuerbilanziell ein Passivierungsverbot aus, wenn der Schuldner aufgrund einer fehlenden operativen Geschäftstätigkeit aus der Sicht des Bilanzstichtages nicht in der Lage ist, freies Vermögen zu schaffen, und eine tatsächliche Belastung des Schuldnervermögens voraussichtlich nicht eintreten wird.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 13.09.2018 - 10 K 504/15 K,[X.],[X.] wird als unbegründet zurückgewiesen.

Das Rubrum des Urteils des [X.] vom 13.09.2018 - 10 K 504/15 K,[X.],[X.] wird dahingehend berichtigt, dass die "… [X.]mbH, [X.], [X.]" Klägerin des Rechtsstreits ist.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

A.

1

Die konzernangehörige Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine [X.]mbH, hatte ihre operative [X.]eschäftstätigkeit mindestens seit dem [X.] mit Ausnahme der Anmietung und Weitervermietung ihres [X.]etriebsgeländes eingestellt und diese nach eigenen Angaben erst im [X.] wieder aufgenommen. Alleingesellschafterin ist die [X.] ([X.]). Die Klägerin, die ihren [X.]ewinn durch [X.]etriebsvermögensvergleich ermittelt, hatte im Jahr 2008 (Streitjahr) ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 01.10. bis 30.09. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens firmierte die Klägerin um und verlegte ihren Sitz von [X.] nach Z.

2

Das Aktivvermögen der Klägerin zu den [X.]ilanzstichtagen 30.09.2008, 30.09.2009, 31.12.2009 und 31.12.2010 bestand aus einer (Dritt-)Forderung, die durch eine [X.]rundschuld besichert war, sowie aus dem Kassen- und [X.]ankbestand.

3

Am [X.] verzichtete [X.] gegenüber der Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt eine bilanzielle Überschuldung in Höhe von … € aufwies, auf Forderungen in Höhe von … € und gab zugleich eine Rangrücktrittserklärung ab:
"Zur Abwendung der Überschuldung bei Ihrer [X.]esellschaft werden wir mit unseren Forderungen aus gewährten [X.] und laufenden Kontokorrent bis zu einer Höhe von maximal … € hinter die Forderungen aller anderen gegenwärtigen und zukünftigen [X.]läubiger, die eine solche Rangrücktrittserklärung nicht abgegeben haben, in der Weise zurücktreten, dass die Forderungen nur aus sonst entstehenden Jahresüberschüssen, einem Liquidationsüberschuss oder aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten der [X.]esellschaft übersteigenden freien Vermögen zu bedienen sind. Diese Erklärung erlischt automatisch mit dem Zeitpunkt, zu dem der Tatbestand der Überschuldung aufgehoben ist, oder eine andere [X.]esellschaft die Forderungen übernimmt und darauf ihrerseits einen entsprechenden Rangrücktritt erklärt."

4

Am 26.09.2008 verzichtete [X.] gegenüber der Klägerin erneut auf einen Teil der Forderungen (nunmehr: … €). Die Klägerin buchte die Forderungen, auf die [X.] verzichtet hatte, jeweils gewinnerhöhend aus.

5

Nach einer Außenprüfung gingen die Prüfer davon aus, dass aufgrund der fehlenden operativen [X.]eschäftstätigkeit sowie der --mit Ausnahme der besicherten Forderung (ca. … €)-- Vermögenslosigkeit der Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mit einer Rückzahlung der Verbindlichkeiten gegenüber [X.] zu rechnen sei. Die Klägerin sei durch die bestehende Verpflichtung wirtschaftlich nicht belastet. Die Prüfer schlugen vor, die Verbindlichkeiten gegenüber [X.] zum 30.09.2008 bis auf einen [X.]etrag in Höhe des freien Vermögens, das sie auf … € schätzten, in Höhe von … € gewinnerhöhend aufzulösen. Eine verdeckte Einlage sei mit … € zu bewerten.

6

Der [X.]eklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) schloss sich den Prüfungsfeststellungen an und erließ unter dem 11.07.2014, 22.07.2014 bzw. 29.07.2014 Änderungsbescheide zur Körperschaftsteuer 2008, gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2008, gesonderten Feststellung des vortragsfähigen [X.] auf den 31.12.2008 sowie zur Festsetzung des [X.]ewerbesteuermessbetrags 2008.

7

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 21.01.2015) gab das Finanzgericht (F[X.]) Münster der Klage mit Urteil vom 13.09.2018 - 10 K 504/15 K,[X.],F, das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 2010 veröffentlicht ist, statt.

8

[X.]ei [X.], bei denen die Schulden auch aus dem sonstigen freien Vermögen zu bedienen seien, entfalle die aktuelle wirtschaftliche [X.]elastung des Schuldners nicht. Die betreffenden Verbindlichkeiten seien zu passivieren; das [X.] 2a des Einkommensteuergesetzes (ESt[X.]) greife in diesen Fällen nicht ein. Auf das wirtschaftliche Unvermögen des Schuldners komme es nicht an.

9

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts.

Auch wenn die Klägerin nach der Rangrücktrittserklärung verpflichtet gewesen sei, "die Verbindlichkeiten aus freiem Vermögen" zu tilgen, sei diese Verpflichtung angesichts der wirtschaftlichen Lage der Klägerin ohne wirtschaftlichen [X.]ehalt und laufe leer; der Verweis auf das freie Vermögen sei --wie es auch in der Literatur vertreten werde (Weber-[X.]rellet, [X.]etriebs-[X.]erater --[X.][X.]-- 2015, 2667)-- sinnlos und widersprüchlich. Es habe zum [X.]ilanzstichtag 30.09.2008 außerdem nicht festgestanden, ob --wie es das F[X.] rein hypothetisch für möglich gehalten habe-- [X.] künftig eine Einlage leisten werde. Jedenfalls stelle die Möglichkeit, künftig entstehendes freies Vermögen zur Tilgung von Verbindlichkeiten verwenden zu müssen, keine gegenwärtige wirtschaftliche [X.]elastung dar. Es würde dem [X.]esetzeszweck des § 5 Abs. 2a ESt[X.] jede [X.]rundlage entziehen, wenn die pauschale Einbeziehung des sonstigen freien Vermögens in eine Rangrücktrittserklärung zur Passivierung führen würde.

Außerdem habe --wie das [X.] in der mündlichen Verhandlung mit [X.]ezug auf das Urteil des [X.]undesgerichtshofs ([X.][X.]H) vom 05.03.2015 - IX ZR 133/14 ([X.][X.]HZ 204, 231, [X.] Steuerrecht --DStR-- 2015, 767) ferner vorgebracht [X.] die Zahlung auf eine nachträglich mit einer Rangrücktrittsvereinbarung versehene Verbindlichkeit (Schuldänderungsvereinbarung) keinen Rechtsgrund; es handele sich mithin um eine Leistung auf eine "Nichtschuld".

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision des [X.] als unbegründet zurückzuweisen.

Sie macht im [X.] geltend, dass der [X.]undesfinanzhof ([X.]FH) in seinen Urteilen vom 10.08.2016 - I R 25/15 ([X.]FHE 256, 409, [X.]St[X.]l II 2017, 670) sowie vom 28.09.2016 - II R 64/14 ([X.]FHE 255, 90, [X.]St[X.]l II 2017, 104) bereits entschieden habe, dass im Falle eines Rangrücktritts die Verbindlichkeiten weiter zu passivieren seien, wenn die Tilgung auch aus sonstigem freien Vermögen zu erfolgen habe. Es komme hierbei nicht darauf an, ob freies Vermögen bei der Rangrücktrittserklärung tatsächlich vorhanden sei. Die wirtschaftliche [X.]elastung sei bei § 5 Abs. 2a ESt[X.] --wie sich aus der [X.]egründung des [X.]esetzentwurfs ([X.]TDrucks 14/2070, [X.]) ergebe-- nicht maßgeblich; vielmehr sei allein auf den rechtlichen [X.]ehalt der Vereinbarung abzustellen.

Entscheidungsgründe

[X.].

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

I. Das Urteil des [X.] ist, wie im Tenor erkannt, zu berichtigen.

1. Das [X.] hat im Rubrum seiner Entscheidung nicht aufgenommen, dass die Klägerin mit Eintragung in das Handelsregister vom ...2017 --mithin im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens-- ihre Firma geändert und ihren Sitz von [X.] nach [X.] verlegt hat. Damit liegt eine offenbare Unrichtigkeit vor.

2. Gemäß § 107 [X.]O sind offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit vom Gericht zu berichtigen. Als [X.]erichtigungsgegenstand erfasst § 107 [X.]O alle [X.]estandteile des Urteils, auch das Rubrum und die darin enthaltenen [X.]ezeichnungen (vgl. z.[X.]. zur [X.]ezeichnung des Streitgegenstands [X.]FH-[X.]eschluss vom 08.01.2010 - V [X.] 99/09, [X.], 911, Rz 21; [X.]FH-Urteil vom 19.12.2019 - III R 39/17, [X.], 415, [X.], 397, Rz 28).

3. Der Senat ist im Rahmen des Revisionsverfahrens für diese [X.]erichtigung zuständig (vgl. z.[X.]. [X.]FH-Urteil in [X.], 415, [X.], 397, Rz 29, m.w.N.).

II. Das [X.] hat ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass die ertragswirksame Auflösung der Verbindlichkeiten ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Denn eine Rangrücktrittserklärung, die die Erfüllung der Verpflichtung nicht nur aus zukünftigen Gewinnen und Einnahmen, sondern auch aus "sonstigem freien Vermögen" vorsieht, löst selbst dann weder handels- noch steuerbilanziell ein Passivierungsverbot aus, wenn der Schuldner aufgrund einer fehlenden operativen Geschäftstätigkeit aus der Sicht des [X.] nicht in der Lage ist, freies Vermögen zu schaffen, und eine tatsächliche [X.]elastung des [X.] voraussichtlich nicht eintreten wird. Das wirtschaftliche Unvermögen des Schuldners ist unerheblich; vielmehr kommt es allein auf den rechtlichen Gehalt der [X.] an.

1. [X.] vom [X.] steht aus handelsbilanzieller Sicht einer weiteren Passivierung der gegenüber [X.] zum [X.]ilanzstichtag 30.09.2008 bestehenden Verbindlichkeiten nicht entgegen.

a) Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes ([X.]) i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Klägerin in ihren [X.]ilanzen das [X.]etriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger [X.]uchführung (Go[X.]) auszuweisen ist. Ist eine Verbindlichkeit nach handelsbilanziellen Grundsätzen zu bilanzieren, gilt dieses Passivierungsgebot mithin auch für die Steuerbilanz. Nur wenn eine steuerrechtliche Spezialregelung --wie etwa § 5 Abs. 2a [X.] weitere oder abweichende Kriterien für die Passivierung für Steuerzwecke aufstellt (dazu unter [X.].II.2.), kann es zu einer abweichenden [X.]ehandlung in der Steuerbilanz kommen.

aa) Die handelsrechtlichen Go[X.] ergeben sich insbesondere aus den [X.]estimmungen des Ersten Abschnitts des Dritten [X.]uchs "Vorschriften für alle Kaufleute" der §§ 238 ff. des Handelsgesetzbuchs (HG[X.]), wobei ein Passivierungsgebot für Verbindlichkeiten aus §§ 246 Abs. 1 Satz 3, 247 Abs. 1, 253 Abs. 1 Satz 2, 266 Abs. 3 HG[X.] folgt (vgl. z.[X.]. [X.]FH-Urteil vom 10.07.2019 - XI R 53/17, [X.]FHE 265, 249, [X.]St[X.]l II 2019, 803, Rz 17).

bb) Nach § 247 Abs. 1 HG[X.] sind in der Handelsbilanz Schulden zu passivieren, wenn der Unternehmer zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung an einen Dritten verpflichtet ist, die vom Gläubiger erzwungen werden kann und die am zu beurteilenden [X.]ilanzstichtag eine gegenwärtige wirtschaftliche [X.]elastung darstellt (vgl. [X.]FH-Urteile vom 30.11.2011 - I R 100/10, [X.]FHE 235, 476, [X.]St[X.]l II 2012, 332, Rz 11, m.w.N.; vom 15.04.2015 - I R 44/14, [X.]FHE 249, 493, [X.]St[X.]l II 2015, 769, Rz 8; in [X.]FHE 255, 90, [X.]St[X.]l II 2017, 104, Rz 16). Dies gilt nach dem aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG folgenden sog. Maßgeblichkeitsgrundsatz auch für [X.]wecke der Steuerbilanz (vgl. [X.]FH-Urteile in [X.]FHE 249, 493, [X.]St[X.]l II 2015, 769, Rz 8; in [X.]FHE 255, 90, [X.]St[X.]l II 2017, 104, Rz 16).

cc) Keine wirtschaftliche [X.]elastung stellt eine Verbindlichkeit dar, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr erfüllt werden muss. Für diese Annahme genügt es indes nicht, dass der Schuldner überschuldet ist (vgl. [X.]FH-Urteile vom 01.03.2005 - VIII R 5/03, [X.]FH/NV 2005, 1523, unter II.[X.].2.a bb; in [X.]FHE 255, 90, [X.]St[X.]l II 2017, 104, Rz 17). Allein die Vermögenslosigkeit des Schuldners führt nicht dazu, dass eine rechtlich bestehende Verpflichtung aus dem handels- oder steuerrechtlichen Abschluss auszubuchen ist (vgl. [X.]FH-Urteile in [X.]FHE 249, 493, [X.]St[X.]l II 2015, 769, Rz 9; in [X.]FHE 255, 90, [X.]St[X.]l II 2017, 104, Rz 17). Dies entspricht auch der Rechtsauffassung der Verwaltung (vgl. Schreiben des [X.]undesministeriums der Finanzen --[X.]MF-- vom [X.], [X.]St[X.]l I 2006, 497; Oberfinanzdirektion --OFD-- [X.] a.M., Verfügungen vom 30.06.2017, [X.] --GmbHR-- 2017, 1176, und vom 03.08.2018, [X.], 560).

b) Danach sind die Voraussetzungen für die handelsbilanzielle Passivierung der streitgegenständlichen Verbindlichkeiten nicht entfallen. Eine erfolgswirksame Auflösung dieser Verbindlichkeit kommt nicht in [X.]etracht.

aa) Die den Streitfall betreffenden Forderungen der [X.] gegenüber der Klägerin hatten am [X.]ilanzstichtag weiterhin [X.]estand.

(1) Nach der Rechtsprechung des [X.]GH bildet die nachträgliche Übereinkunft eines Rangrücktritts einen verfügenden Schuldänderungsvertrag i.S. des § 311 des [X.]ürgerlichen Gesetzbuchs ([X.]G[X.]), wenn der [X.]weck einer Rangrücktrittsvereinbarung darin liegt, dass --wie hier-- die betreffende Forderung zur Vermeidung einer Insolvenz nicht in der Überschuldungsbilanz erscheint (vgl. [X.]GH-Urteil in [X.]GH[X.] 204, 231, [X.], 767, [X.]). Aufgrund des Schuldänderungsvertrages wird die Forderung mit [X.] inhaltlich dahin umgewandelt, dass sie --bezogen auf den [X.] nicht mehr zu passivieren ist. Die Forderung bildet im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern haftendes Kapital und darf deshalb nicht an den Forderungsinhaber ausbezahlt werden. Damit wird der Forderung vereinbarungsgemäß eine nachrangige Stellung zugewiesen, die eine [X.]efriedigung nur aus freiem, nicht zur Schuldendeckung benötigtem Vermögen der [X.] gestattet. Durch die Vereinbarung wird zwar die Rangfolge, nicht aber der [X.]estand der Forderung geändert, so dass auch etwaige Sicherungsrechte nicht berührt werden (vgl. [X.]GH-Urteil in [X.]GH[X.] 204, 231, [X.], 767, [X.], m.w.N.). Die betreffende Verbindlichkeit bleibt mithin rechtlich bestehen und wird nur in ihrem Rang verändert; der Rangrücktritt stellt damit keinen Forderungsverzicht dar, der Gläubiger bleibt Inhaber der Forderung (vgl. z.[X.]. [X.], Der Konzern 2017, 86, 88 ff.). Dies ist auch hier der Fall.

(2) Wird die mit einem Rangrücktritt versehene Forderung von dem Schuldner trotz Insolvenzreife beglichen, steht ihm nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 [X.]G[X.] ein Rückforderungsanspruch gegen den Gläubiger zu (vgl. [X.]GH-Urteil in [X.]GH[X.] 204, 231, [X.], 767, [X.]) und ein Insolvenzverwalter kann die [X.]ahlung anfechten ([X.]GH-Urteil in [X.]GH[X.] 204, 231, [X.], 767, [X.] ff.). Dies betrifft den rechtlichen [X.]estand der Forderung indes nicht und lässt daher nicht den Schluss zu, dass --wie das [X.] meint-- die vom Rangrücktritt erfassten Forderungen keinen rechtlichen [X.]estand mehr hätten und es sich insoweit um eine nicht zu passivierende "Nichtschuld" handeln würde.

bb) Die Klägerin war am [X.]ilanzstichtag zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung der [X.] gegenüber verpflichtet, die nach Maßgabe der getroffenen Schuldänderungsvereinbarung vom Gläubiger erzwungen werden konnte. Eine Tilgungsmöglichkeit für die Verbindlichkeiten bestand, soweit die Forderungen u.a. "aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten der [X.] übersteigenden freien Vermögen" zu bedienen waren.

cc) Die wirtschaftliche [X.]elastung der Klägerin war am [X.]ilanzstichtag ebenso wenig entfallen.

(1) Das rechtliche [X.]estehen einer Verbindlichkeit bewirkt im Regelfall eine wirtschaftliche [X.]elastung und rechtfertigt somit eine Passivierung der Verbindlichkeit. Es lässt darauf schließen, dass der Gläubiger sein Forderungsrecht geltend machen wird und das Vermögen somit durch bevorstehende [X.]ahlungen belastet ist. [X.]esteht die Forderung rechtlich fort und ist der Gläubiger weiterhin zur Geltendmachung der Forderung entschlossen, hat sich die Vermögenslage des Schuldners nicht verbessert (vgl. [X.] in [X.]rünkmans/[X.], Handbuch Insolvenzplan, 2. Aufl., Steuerfolgen von Sanierungsmaßnahmen, [X.]). Die mit einem Rangrücktritt versehenen Verbindlichkeiten sind weiterhin --nachrangige-- Verbindlichkeiten, die den Vermögensrechten der [X.]er vorgehen und damit fortbestehende Verbindlichkeiten (vgl. auch [X.]riese, [X.], 799, 803, m.w.N.). An[X.] als bei einem vollständigen oder teilweisen Forderungsverzicht führt der Rangrücktritt nicht dazu, dass die betreffende Verbindlichkeit erlischt oder sich im [X.]estand mindert.

(2) Die Verbindlichkeit wäre nur dann auszubuchen, falls eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gegen eine Inanspruchnahme spräche. Diese Voraussetzung ist bei Vermögenslosigkeit indes nicht gegeben, so dass auch im Überschuldungsfalle weiterhin Fremdkapital vorliegt. Mit Rücksicht auf das Gebot des vollständigen Vermögensausweises (§ 246 Abs. 1 HG[X.]) führt allein die Vermögenslosigkeit des Schuldners nicht dazu, eine rechtlich bestehende Verpflichtung aus dem handels- oder steuerrechtlichen Abschluss auszubuchen (vgl. [X.] in Festschrift [X.], 2016, [X.], 416). Gleiches gilt für den Fall, dass --wie hier-- eine Rangrücktrittsvereinbarung die Verpflichtung bestehen lässt, die [X.]erforderungen aus dem nach [X.]egleichung der vorrangigen Ansprüche verbleibenden sog. freien Vermögen zu tilgen. [X.] ist mithin auch im Rahmen dieser [X.]eurteilung nicht das wirtschaftliche Unvermögen, für die Schulden aufkommen zu können, sondern der rechtliche Gehalt der vereinbarten [X.] (vgl. [X.]FH-Urteil in [X.]FHE 256, 409, [X.]St[X.]l II 2017, 670, Rz 16). Anderenfalls würde ein unzutreffendes [X.]ild von der Vermögenslage des Schuldners vermittelt. Der [X.] der Verbindlichkeit würde gegen den [X.] sowie das Gebot des vollständigen Ausweises bestehender Risiken verstoßen (vgl. [X.]FH-Urteile vom [X.], [X.]FHE 170, 449, [X.]St[X.]l II 1993, 502, unter 1.b [X.]; vom 20.10.2004 - I R 11/03, [X.]FHE 207, 295, [X.]St[X.]l II 2005, 581, unter [X.]; in [X.]FHE 255, 90, [X.]St[X.]l II 2017, 104, Rz 21).

2. Die streitgegenständliche Rangrücktrittsvereinbarung löst auch kein [X.] (§ 5 Abs. 2a EStG) aus.

a) In Abgrenzung zu den allgemeinen Grundsätzen der [X.]ilanzierung gewisser und ungewisser Verbindlichkeiten sieht die Regelung des § 5 Abs. 2a EStG vor, dass für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen sind, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.

aa) Das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG setzt dabei voraus, dass sich der Anspruch des Gläubigers verabredungsgemäß nur auf künftiges Vermögen des Schuldners --damit nicht: auf am [X.]ilanzstichtag vorhandenes [X.] bezieht (vgl. [X.]FH-Urteile in [X.]FHE 235, 476, [X.]St[X.]l II 2012, 332; vom 06.02.2013 - I R 62/11, [X.]FHE 240, 314, [X.]St[X.]l II 2013, 954; in [X.]FHE 265, 249, [X.]St[X.]l II 2019, 803). Unter Einnahmen oder Gewinnen sind mithin künftige Vermögenswerte zu verstehen (vgl. [X.]FH-Urteile in [X.]FHE 249, 493, [X.]St[X.]l II 2015, 769, Rz 9; in [X.]FHE 255, 90, [X.]St[X.]l II 2017, 104, Rz 18).

bb) Auch auf Rangrücktrittsvereinbarungen, die zum Inhalt haben, dass die Verbindlichkeiten nur aus künftigen Gewinnen oder einem etwaigen Liquidationsüberschuss erfüllt werden müssen, ist § 5 Abs. 2a EStG anwendbar (vgl. [X.]FH-Urteile in [X.]FHE 249, 493, [X.]St[X.]l II 2015, 769, Rz 10; in [X.]FHE 255, 90, [X.]St[X.]l II 2017, 104, Rz 19).

cc) Dagegen ist § 5 Abs. 2a EStG auf Rangrücktrittsvereinbarungen nicht anwendbar, wenn die Verbindlichkeit auch aus sonstigem Vermögen, dem sog. freien Vermögen, zu tilgen ist (vgl. --auch zur Tilgung aus freiem Vermögen bereits vor Einfügung des § 5 Abs. 2a [X.] [X.]FH-Urteile in [X.]FHE 170, 449, [X.]St[X.]l II 1993, 502, Leitsatz; in [X.]FHE 207, 295, [X.]St[X.]l II 2005, 581, unter [X.]; in [X.]FHE 235, 476, [X.]St[X.]l II 2012, 332, Rz 20; in [X.]FHE 249, 493, [X.]St[X.]l II 2015, 769, Rz 9; in [X.]FHE 255, 90, [X.]St[X.]l II 2017, 104, Rz 21). Die Verwaltung teilt diese Auffassung (vgl. [X.]MF-Schreiben in [X.]St[X.]l I 2006, 497; OFD [X.] a.M., Verfügungen vom 30.06.2017, GmbHR 2017, 1176, und vom 03.08.2018, [X.], 560). Eine derartige Rangrücktrittsvereinbarung lässt auch nicht darauf schließen, dass die Verbindlichkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden muss.

b) Das [X.] hat danach zu Recht dahin erkannt, dass § 5 Abs. 2a EStG nicht zu einem Passivierungsverbot der gegenüber [X.] bestehenden Verbindlichkeiten führt. Etwas anderes ergibt sich im Streitfall nicht daraus, dass freies Vermögen mit Ausnahme einer Forderung am maßgeblichen [X.]ilanzstichtag weder vorhanden gewesen ist noch --wie das [X.] meint-- die konkrete Möglichkeit bestanden habe, freies Vermögen zu schaffen. § 5 Abs. 2a EStG stellt nicht darauf ab, ob freies Vermögen zum maßgeblichen [X.]ilanzstichtag bereits vorhanden ist oder künftig geschaffen werden kann (vgl. ebenso [X.]/Kresser, Der [X.]etrieb --D[X.]-- 2016, 33; [X.], [X.] Steuer-[X.]eitung 2016, 621; [X.]/Wagner, [X.], 2025; [X.], D[X.] 2017, 26; [X.]. in Festschrift [X.], a.a.[X.], [X.], 419; [X.], [X.][X.] 2019, 114; Re[X.]ig in [X.], EStG, 19. Aufl., § 5 Rz 190; [X.]lümich/[X.], § 5 EStG Rz 957d; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 5 EStG, Rz 1913; a.[X.], [X.][X.] 2015, 2667; [X.]. in [X.], EStG, 39. Aufl., § 5 Rz 315 und 550 "[X.]erfinanzierung"; [X.], [X.][X.] 2016, 491; [X.], [X.], 1889).

aa) Ein steuerrechtliches Passivierungsverbot ist erst dann zu bejahen, wenn der Rangrücktritt nach Maßgabe der Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2a EStG in dem Sinne spezifiziert wird, dass die hiervon betroffenen Verpflichtungen nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, und deshalb --so die Rechtsfolge der [X.] deren Passivierung daran gebunden ist, dass die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind (vgl. [X.]FH-Urteil in [X.]FHE 256, 409, [X.]St[X.]l II 2017, 670, Rz 15).

bb) [X.]war ist den Anforderungen des § 5 Abs. 2a EStG nicht nur genügt, wenn der Rangrücktritt eine Tilgung nur aus zukünftigen Jahresüberschüssen oder [X.] vorsieht. Auch eine im [X.]eitpunkt der Überschuldung getroffene Abrede, nach der Forderungen aus zukünftigen handelsrechtlichen [X.]ilanzgewinnen zu begleichen sind, löst das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG aus (vgl. [X.]FH-Urteil in [X.]FHE 249, 493, [X.]St[X.]l II 2015, 769, 1. Leitsatz). Den Umstand, dass in den [X.]ilanzgewinn auch Kapitalrücklagen eingehen können, hat der I. Senat des [X.]FH nicht nur wirtschaftlich, sondern --und vor allem-- auch bei rechtlicher [X.]eurteilung der Abrede als unmaßgeblich erachtet, weil solche Rücklagen vorrangig mit den Verlustvorträgen zu verrechnen sind (vgl. [X.]FH-Urteil in [X.]FHE 256, 409, [X.]St[X.]l II 2017, 670, Rz 16, m.w.N.). Diese Wertung beinhaltet mithin eine rechtliche Gleichstellung mit Vereinbarungen, die nur auf den handelsrechtlichen Jahresüberschuss abstellen. Darüber hinaus ist dem aber nicht zu entnehmen, dass allein der dahingehende [X.]ukunftsbezug einer [X.], freies Vermögen, das in [X.]ezug auf den Streitfall zur Tilgung der Forderungen heranzuziehen und künftig erst noch zu erwirtschaften ist, das steuerrechtliche Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG auslösen würde (vgl. auch [X.]lümich/[X.], § 5 EStG Rz 957d).

cc) Aus § 5 Abs. 2a EStG ergibt sich nicht, dass die [X.]ezugnahme in einer [X.] auf das die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigende Vermögen die Pflicht des Schuldners, Verbindlichkeiten zu passivieren, der Höhe nach auf den Umfang des im [X.]eitpunkt der [X.] tatsächlich vorhandenen freien Vermögens beschränken würde. Es reicht aus, dass auf das "freie" Vermögen [X.]ezug genommen wird, unabhängig davon, ob und in welcher Höhe dieses am zu beurteilenden [X.]ilanzstichtag tatsächlich vorhanden ist. Der dahingehende [X.]ukunftsbezug, dass das in [X.]ezug genommene Vermögen erst noch erwirtschaftet werden muss, wäre zwar faktisch, nicht jedoch rechtlich gegeben. Dieser faktische [X.]ukunftsbezug ist jedoch irrelevant, da die reale Erfüllungsfähigkeit für die Passivierung einer Verbindlichkeit irrelevant ist; nur die rechtliche Verknüpfung ist im Rahmen des § 5 Abs. 2a EStG maßgeblich.

[X.]) Dies dient auch der Rechtssicherheit; denn zur [X.]eantwortung der Frage, ob und inwieweit zum jeweiligen [X.]ilanzstichtag "sonstiges Vermögen" tatsächlich vorhanden ist, wäre jeweils eine Schattenliquidationsrechnung durchzuführen (vgl. [X.]lümich/[X.], § 5 EStG Rz 957d). Im Übrigen zeigt der Streitfall, dass allein die Einstellung der operativen Tätigkeit nicht die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit für den Wegfall der wirtschaftlichen [X.]elastung bietet, da die Klägerin ihre operative Tätigkeit nach mehr als zehn Jahren wieder aufgenommen hat (vgl. insoweit auch [X.], [X.][X.] 2019, 114).

ee) Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit dem Gesetzeszweck des § 5 Abs. 2a EStG. Nur in Fällen, in denen der Gläubiger ausschließlich Anspruch auf künftige Einnahmen oder Gewinne des Schuldners hat, ist sein Rückforderungsanspruch auf diese künftigen Vermögenswerte beschränkt; das (übrige) Vermögen des Schuldners am [X.]ilanzstichtag ist hiervon unberührt. Nur in diesen Fällen scheidet die "Dokumentation", ausgewiesenes Vermögen sei durch diese Verpflichtung belastet, nach § 5 Abs. 2a EStG aus (so [X.]TDrucks 14/2070, [X.]). Den Gesetzesmaterialien ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber in den Regelungsbereich des § 5 Abs. 2a EStG auch Verbindlichkeiten einbeziehen wollte, die nach der getroffenen [X.] zwar auch aus sonstigem Vermögen getilgt werden müssen, jedoch infolge des wirtschaftlichen Unvermögens des Schuldners gegenwärtig nicht bedient werden können.

III. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

XI R 32/18

19.08.2020

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 13. September 2018, Az: 10 K 504/15 K,G,F, Urteil

§ 4 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 5 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 5 Abs 2a EStG 2002, § 8 Abs 1 S 1 KStG 2002, § 246 Abs 1 S 3 HGB, § 247 Abs 1 HGB, § 253 Abs 1 S 2 HGB, § 266 Abs 3 HGB, EStG VZ 2008, KStG VZ 2008, § 311 BGB, § 812 Abs 1 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.08.2020, Az. XI R 32/18 (REWIS RS 2020, 3379)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3379

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