Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 03.05.2016, Az. 7 C 7/15

7. Senat | REWIS RS 2016, 11911

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Gegenstand

Reichweite des Berufsgeheimnisses nach Art. 54 EGRL 39/2004; presserechtlicher Auskunftsanspruch


Tenor

Soweit der Kläger einen presserechtlichen Anspruch geltend macht, wird das Verfahren abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 7 [X.] 11.16 (neu 7 [X.] 2.17) fortgeführt.

Das Verfahren 7 [X.] 7.15 wird bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] im Verfahren - [X.]-15/16, Baumeister - ausgesetzt.

Gründe

1

1. Die Trennung der Verfahren beruht auf § 93 Satz 2 [X.].

2

Der Kläger macht neben dem auf das [X.] gestützten [X.] auch einen presserechtlichen Auskunftsanspruch geltend. Damit liegt eine Klagehäufung vor. Denn das Klagebegehren wird nicht lediglich im Sinne einer Anspruchsnormenkonkurrenz auf mehrere Rechtsgrundlagen gestützt; vielmehr handelt es sich um eine Mehrheit von Streitgegenständen.

3

Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt (vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 9. Juli 2014 - 9 [X.] 63.13 - [X.]uchholz 401.2 § 4 UStG Nr. 8 Rn. 13; [X.]GH, [X.]eschluss vom 27. November 2013 - III Z[X.] 59/13 - [X.]GHZ 199, 159 Rn. 16, jeweils m.w.[X.]).

4

Der [X.] als prozessualer Anspruch und Rechtsfolgenbehauptung wird insbesondere im Verwaltungsprozess gerade auch von der einschlägigen Rechtsschutzform bestimmt (vgl. [X.]/[X.], [X.], 21. Aufl. 2015, § 90 Rn. 7; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.]ier, [X.], Stand Oktober 2015, § 121 Rn. 58; [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl. 2014, § 121 Rn. 45; Germelmann, in: [X.], [X.], 2013, § 121 Rn. 85). Vorliegend führen die beiden in Anspruch genommenen Rechtsgrundlagen auf unterschiedliche Klagearten und deshalb auf unterschiedliche Streitgegenstände. Gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 [X.] wird der allgemeine [X.] mit einer Verpflichtungsklage durchgesetzt (ebenso der [X.] nach dem [X.], siehe [X.]/[X.], in: [X.]/[X.], Informationsfreiheitsrecht, Stand Dezember 2007, § 6 UIG [X.]und Rn. 38 f.; [X.], [X.], 2009, § 9 Rn. 76; jeweils m.w.[X.]), während der [X.] im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend zu machen ist ([X.]VerwG, Urteile vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - [X.]VerwGE 146, 56 Rn. 15 und vom 27. November 2013 - 6 A 5.13 - [X.]uchholz 402.71 [X.]NDG Nr. 3 Rn. 10; siehe auch [X.]urkhardt, in: [X.], Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 4 LPG Rn. 186; [X.]/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Aufl. 2012, [X.]. Rn. 2). Streitgegenstand der Verpflichtungsklage ist neben dem verfolgten prozessualen Anspruch auf Vornahme des begehrten Verwaltungsakts zugleich die Rechtsbehauptung des [X.], dass die Versagung des beantragten Verwaltungsakts, bezogen auf die Anspruchs- bzw. Ermächtigungsgrundlage, rechtswidrig ist ([X.], in: [X.], [X.], 14. Aufl. 2014, § 121 Rn. 28; vgl. auch [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl. 2014, § 121 Rn. 51; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.]ier, [X.], Stand Oktober 2015, § 121 Rn. 63 f., jeweils m.w.[X.]). Diese [X.]ezugnahme auf einen Verwaltungsakt und die streitgegenstandsprägende Anspruchsgrundlage fehlt indessen bei der auf einen Realakt gerichteten allgemeinen Leistungsklage.

5

Wollte man von diesen Unterschieden in der sachdienlichen Antragstellung gleichwohl absehen und den - für das Sachinteresse des [X.] entscheidenden - tatsächlichen Vollzug des [X.] als maßgeblich für die [X.]estimmung des Streitgegenstands erachten, ergäbe sich nichts anderes. Denn mit der [X.]erufung auf presserechtliche Vorschriften ändert sich auch der Klagegrund.

6

Der Klagegrund geht über die Tatsachen, welche die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen, hinaus; zu ihm sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden [X.]etrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des [X.] zur Entscheidung gestellten [X.] gehören. Das ist dann der Fall, wenn der Tatsachenstoff nicht sinnvoll auf verschiedene eigenständige, den Sachverhalt in seinem Kerngehalt verändernde Geschehensabläufe aufgeteilt werden kann, selbst wenn er nach mehreren Anspruchsgrundlagen einer je eigenständigen rechtlichen [X.]ewertung zugänglich ist. [X.]ei gleichem Antrag liegt eine Mehrheit von Streitgegenständen dagegen dann vor, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbstständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 7. März 2016 - 7 [X.] 45.15 - juris Rn. 6 im [X.] an [X.]GH, Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11 - [X.]GHZ 194, 314 Rn. 19, m.w.[X.] und [X.]eschluss vom 27. November 2013 - III Z[X.] 59/13 - [X.]GHZ 199, 159 Rn. 17; vgl. auch Vollkommer, in: [X.], ZPO, 31. Aufl. 2016, [X.]. Rn. 70, 75; [X.]ecker-Eberhard, in: [X.] Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. 2013, § 263 Rn. 13 ff.; [X.]/[X.], ZPO, 13. Aufl. 2016, [X.]. Rn. 76; kritisch [X.], in: [X.], ZPO, 22. Aufl. 2008, [X.]d. 4, vor § 253 Rn. 12; siehe auch [X.], in: [X.], [X.], 14. Aufl. 2014, § 121 Rn. 24).

7

Die Rechtsordnung hat das grundsätzlich voraussetzungslose Jedermannsrecht auf Informationszugang und den besonderen Auskunftsanspruch der Presse in vielerlei Hinsicht unterschiedlich ausgestaltet; dies gilt etwa für die [X.], die Anspruchsvoraussetzungen, die [X.]egrenzung - bei dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch im Sinne der Gewährung eines Mindeststandards -, die Verfahrensregelungen und nicht zuletzt die Kostenfrage. Mit diesen Unterschieden soll der informationsrechtlichen Stellung der Presse und deren besonderen Funktionsbedürfnissen Rechnung getragen werden ([X.]VerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - [X.]VerwGE 146, 56 Rn. 28). Der Pressevertreter kann sich zwar auch auf das Jedermannsrecht berufen ([X.]VerwG, Urteil vom 15. November 2012 - 7 [X.] 1.12 - [X.]uchholz 404 [X.] Nr. 10 Rn. 45 f.); er nimmt in seiner Eigenschaft als Presseorgan und als Jedermann aber gleichwohl verschiedene Funktionen bzw. Rollen wahr, die einen je eigenständigen Lebensvorgang kennzeichnen.

8

Über den presserechtlichen Anspruch als eigenständigen Streitgegenstand kann der 7. Revisionssenat nach der Geschäftsverteilung des [X.]undesverwaltungsgerichts nicht entscheiden; vielmehr ist die Zuständigkeit des [X.] gegeben, sodass eine Abtrennung und Abgabe des Verfahrens geboten ist.

9

2. Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 94 [X.] in entsprechender Anwendung.

Der Senat hat mit [X.]eschluss vom 4. November 2015 - 7 [X.] 4.14 - ([X.], 511) den Gerichtshof der Europäischen Union um die Klärung der Reichweite des [X.]erufsgeheimnisses nach Art. 54 der Richtlinie 2004/39/[X.] ersucht, der für das Verständnis von § 3 Nr. 4 [X.] i.V.m. § 9 KWG maßgeblich ist. Die aufgeworfenen Auslegungsfragen sind auch für das vorliegende Verfahren entscheidungserheblich. Unter diesen Umständen ist es sachgerecht, den Rechtsstreit auszusetzen, ohne zugleich den Gerichtshof erneut anzurufen (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 10. November 2000 - 3 [X.] 3.00 - [X.]VerwGE 112, 166 <169 f.>).

Meta

7 C 7/15

03.05.2016

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: C

anhängig BVerwG, Az: 7 C 2/17

§ 91 Abs 1 VwGO, § 93 S 2 VwGO, § 94 VwGO, § 1 Abs 1 IFG, § 9 Abs 4 S 1 IFG, Art 5 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 03.05.2016, Az. 7 C 7/15 (REWIS RS 2016, 11911)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 11911

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III ZB 59/13

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