Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.04.2022, Az. XII ZB 162/21

12. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 2333

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Vergütung des Berufsbetreuers: Umfang der Überprüfung der Entscheidung über die Bewilligung einer erhöhten Vergütung im Rechtsbeschwerdeverfahren


Leitsatz

1. Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, die gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 VBVG die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 3. März 2021 - XII ZB 118/20, FamRZ 2021, 890).

2. Einer solchen Überprüfung hält die tatrichterliche Würdigung stand, wonach das von dem Betreuer absolvierte Studium an der Bayerischen Beamtenfachhochschule, Fachbereich Polizei, das er mit dem akademischen Grad "Diplom-Verwaltungswirt (FH)" abgeschlossen hat, eine Vergütung nach der Vergütungstabelle C nicht rechtfertigt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des [X.] vom 12. März 2021 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.

Wert: 396 €

Gründe

I.

1

Der Beteiligte zu 3 (im Folgenden: Betreuer), der mit Beschluss des Amtsgerichts vom 4. Dezember 2019 neben der Beteiligten zu 1 zum Berufsbetreuer des Betroffenen bestellt wurde, absolvierte ein dreijähriges Studium an der [X.], Fachbereich Polizei, das er mit dem akademischen Grad „Diplom-Verwaltungswirt (FH)“ abschloss.

2

Mit Schreiben vom 6. März 2020 und vom 21. August 2020 hat der Betreuer beantragt, die Vergütung für seine Betreuertätigkeit in den Zeiträumen vom 6. Dezember 2019 bis zum 5. März 2020 und vom 6. März 2020 bis zum 5. Juni 2020 unter Zugrundelegung der Vergütungstabelle [X.] 5.2.1 mit einer monatlichen Fallpauschale von jeweils 171 € auf insgesamt 1.026 € festzusetzen.

3

Das Amtsgericht hat die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2 (Bezirksrevisorin) hat das [X.] den amtsgerichtlichen Beschluss abgeändert und auf der Grundlage der [X.] 5.2.1 die Vergütung des Betreuers auf insgesamt 630 € festgesetzt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betreuer weiter die Festsetzung seiner Betreuervergütung auf der Grundlage der Vergütungstabelle [X.] 5.2.1.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

5

1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Betreuer könne lediglich eine Vergütung nach der [X.] beanspruchen, da er über keine besonderen Kenntnisse verfüge, die für die Führung der Betreuung nutzbar seien.

6

Auf der Grundlage des vom Betreuer vorgelegten Prüfungszeugnisses, der Auszüge aus der aktuellen Ausbildungsordnung über die [X.] Polizei und Verfassungsschutz ([X.]/[X.]) vom 9. Dezember 2010 ([X.]. S. 821; 2011 S. 36) sowie einer Übersicht über die aktuellen Unterrichtseinheiten an der [X.] Polizei ergebe sich, dass die Ausbildung zum Diplom-Verwaltungswirt-Polizei (FH) zwar betreuungsrelevantes Wissen vermittelt habe, nicht aber im Kernbereich darauf ausgerichtet gewesen sei.

7

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.

8

a) Nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 [X.] in der hier maßgeblichen, ab dem 27. Juli 2019 geltenden Fassung (vgl. Art. 4 des Gesetzes zur Anpassung der [X.] vom 22. Juni 2019; [X.] I S. 866) richtet sich die Vergütung eines Berufsbetreuers nach der Vergütungstabelle [X.], wenn der Betreuer über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, und diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.

9

Besondere betreuungsrelevante Kenntnisse eines Betreuers rechtfertigen nur dann einen erhöhten Stundensatz, wenn sie durch die dort genannten Ausbildungen erworben wurden. Es genügt daher nicht, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat. Erforderlich ist vielmehr, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist. Davon ist auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und dadurch das erworbene betreuungsrelevante Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht. Dabei muss das Gericht bei der Entscheidung über eine erhöhte Vergütung eine konkrete Betrachtung des tatsächlichen Inhalts der Ausbildung vornehmen, insbesondere den Umfang der für die Betreuung nutzbaren Ausbildungsinhalte und deren Anteil an der Gesamtausbildungszeit feststellen und in die Würdigung einbeziehen, inwieweit diese Kenntnisse selbständiger und maßgeblicher Teil der Abschlussprüfung sind. Der Umfang bzw. Anteil der Vermittlung für die Betreuung nutzbarer Kenntnisse muss dabei nicht so genau festgestellt werden, dass ein exakter Prozentanteil angegeben werden kann. Es genügt, wenn aufgrund des erkennbaren zeitlichen Aufwands oder anderer Anhaltspunkte feststeht, dass ein erheblicher Teil der Ausbildungszeit auf die Vermittlung solchen Wissens fällt (vgl. Senatsbeschluss vom 3. März 2021 - [X.] 118/20 - FamRZ 2021, 890 Rn. 7 f. mwN).

Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, die gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 [X.] die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 3. März 2021 - [X.] 118/20 - FamRZ 2021, 890 Rn. 9 mwN).

b) Einer solchen Überprüfung hält die tatrichterliche Würdigung des [X.]s stand, wonach das von dem Betreuer absolvierte Studium an der [X.], Fachbereich Polizei, das er mit dem akademischen Grad „Diplom-Verwaltungswirt (FH)“ abgeschlossen hat, eine Vergütung nach der Vergütungstabelle [X.] nicht rechtfertigt.

Das [X.] hat unter Würdigung der vom Betreuer eingereichten Unterlagen rechtsfehlerfrei das Vorliegen besonderer und für die Betreuung nutzbarer Kenntnisse des Betreuers verneint, weil die von ihm absolvierte Ausbildung auf die Tätigkeit im Polizeivollzugsdienst und nicht im Kernbereich auf die Vermittlung betreuungsrechtlich relevanter ([X.] ausgerichtet war.

Das [X.] hat hierzu festgestellt, dass dem Betreuer durch die Ausbildung an der [X.], Fachbereich Polizei, allenfalls in den Fächern Staats- und Verfassungsrecht, Strafrecht, Zivilrecht, Nebenstrafrecht, Allgemeines Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht, Führungslehre, Soziologie, Psychologie, Politologie sowie Kommunikation und Konfliktbewältigung und somit nur in elf von 23 unterrichteten Fächern betreuungsrelevante Kenntnisse vermittelt worden seien, wobei einige dieser Fächer im Schwerpunkt auf den polizeilichen Aufgabenbereich ausgerichtet und deshalb größtenteils ohne Nutzen für die Aufgaben eines Betreuers gewesen seien. Im Übrigen hatten diese Fächer nur einen untergeordneten Anteil an den gesamten Unterrichtseinheiten der Ausbildung. Weiter hat das [X.] berücksichtigt, dass nur vier von den acht Fächern, in denen der Betreuer eine Prüfung abgelegt hat, einen betreuungsrechtlich relevanten Inhalt hatten.

Aufgrund dieser Feststellungen begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das [X.] im Rahmen der vorgenommenen Gesamtbetrachtung die nur in untergeordnetem Umfang betreuungsrelevanten Inhalte dieser Fächer als nicht zum Kernbereich der Ausbildung gehörend angesehen und die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse durch diese Ausbildung verneint hat.

Der Einwand der Rechtsbeschwerde, das [X.] habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Betreuer durch die Ausbildung nicht nur umfangreiche Rechtskenntnisse, sondern auch Kenntnisse im Bereich der „Menschenführung“ erlangt habe, die einen nicht unerheblichen Teil seiner Ausbildung umfasst hätten, greift nicht durch. Das [X.] hat hierzu ausgeführt, dass das Fach polizeiliches Informations- und Kommunikationswesen schon dem Begriff nach nur den polizeilichen Bereich betrifft und daher ohne Bezug für die Tätigkeit eines Betreuers ist. Dies hält sich im Rahmen einer zulässigen tatrichterlichen Würdigung. Gleiches gilt für die Beurteilung des [X.]s, dass einige der Fächer, in denen der Betreuer ausgebildet wurde, im Schwerpunkt auf den polizeilichen Aufgabenbereich ausgerichtet waren und daher ohne speziellen Nutzen für die Tätigkeit eines Betreuers sind.

3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Guhling    

        

Klinkhammer    

        

Schilling

        

Günter    

        

Nedden-Boeger    

        

Meta

XII ZB 162/21

13.04.2022

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Würzburg, 12. März 2021, Az: 3 T 364/21

§ 4 Abs 3 Nr 2 VBVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.04.2022, Az. XII ZB 162/21 (REWIS RS 2022, 2333)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2333 MDR 2022, 983 REWIS RS 2022, 2333

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 T 265/21 (Landgericht Arnsberg)


XII ZB 491/20 (Bundesgerichtshof)

Vergütung des Berufsbetreuers: Vergleichbarkeit der Ausbildung mit einer Hochschulausbildung bei einem im Wege der sog. …


XII ZB 158/20 (Bundesgerichtshof)

Vergütung des Berufsbetreuers: Erhöhung der Fallpauschale wegen einer abgeschlossenen Berufsausbildung zum Einzelhandelskaufmann


XII ZB 575/21 (Bundesgerichtshof)

Vergütung für Betreuertätigkeit bei Absolvierung eines Weiterbildungsstudiengangs ohne betreuungsrelevante Zielrichtung


XII ZB 101/21 (Bundesgerichtshof)

Berufsbetreuervergütung: Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse durch eine Facharbeiterausbildung zum Wirtschaftskaufmann in der ehemaligen DDR mit späterer …


Referenzen
Wird zitiert von

XII ZB 575/21

Zitiert

XII ZB 118/20

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.